Schacht: "...da hast du keine Schmerzen mehr"

Dortmund gegen Schalke - am Samstag (ab 15.30 Uhr, live bei Sky) ist es wieder soweit. Das Derby elektrisiert nicht nur den Ruhrpott. Dietmar Schacht hat eine ganz besondere Verbindung zu dieser Begegnung. Der mittlerweile 50-Jährige war zu seiner Zeit als Spieler der Held der Schalke-Fans wegen seiner robusten Spielweise.

Bitter, dass ihn ausgerechnet dieser stets grenzenlose Einsatz einige Jahre seiner Laufbahn gekostet hat - schon mit 29 Jahren versagte der Körper den Dienst im Leistungssport. Eine Fortsetzung seiner Karriere war wegen chronischer Achillessehnen- und Sprunggelenksprobleme nicht mehr möglich. Schachts letztes Spiel für die Königsblauen war ausgerechnet: ein 5:2 gegen Dortmund in der Saison 1992/1993. Kurioserweise bestritt Schacht auch sein erstes Bundesligaspiel gegen den BVB, 1981 mit dem MSV Duisburg.

Heute trainiert der Fußball-Lehrer den Regionalligisten SV Bergisch Gladbach 09. Der ehemalige Mittelfeldspieler spricht im DFB.de-Interview mit Mitarbeiter Sven Winterschladen über den SV 09, seine Erfahrungen im Frauenbereich und als Assistent von Pierre Littbarski beim FC Vaduz. Eine seiner schönsten Stationen war aber eine ganz andere: Schacht war Nationaltrainer für Menschen mit geistiger Behinderung.

DFB.de: Herr Schacht, testen wir mal Ihre Erinnerungen: Wissen Sie noch, was am 26. August 1981 war?

Dietmar Schacht: Ist diese Frage Ihr Ernst? So etwas vergisst man nicht, mein Traum ist in Erfüllung gegangen. Ich war 18 Jahre alt und stand beim MSV Duisburg unter Vertrag. Das war der Tag meines ersten Bundesligaspiels.

DFB.de: Ausgerechnet gegen Borussia Dortmund.

Schacht: Richtig, es stand 0:2 zur Pause. Ich bin in der 46. Minute für Klaus Gebauer ins Spiel gekommen. Der Trainer kam in der Halbzeit zu mir und sagte: "Didi, bereite dich vor, du kommst gleich rein." Ich habe am ganzen Körper gezittert. Plötzlich sollte ich mit den Spielern auf dem Platz stehen, denen ich vorher noch als Balljunge die Bälle geholt hatte. Ich musste mich vor der Dortmunder Kurve warm machen, da ging mir ganz schön die Pumpe. Ich hatte so viel Adrenalin im Körper, ich wusste gar nicht, was da auf mich zukommen würde. Das war schon sehr extrem. Aber ich denke, ich habe die Sache nicht schlecht gemacht.

DFB.de: Am 24. August 1992 schließt sich dann der Kreis.



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Dortmund gegen Schalke - am Samstag (ab 15.30 Uhr, live bei Sky) ist es wieder soweit. Das Derby elektrisiert nicht nur den Ruhrpott. Dietmar Schacht hat eine ganz besondere Verbindung zu dieser Begegnung. Der mittlerweile 50-Jährige war zu seiner Zeit als Spieler der Held der Schalke-Fans wegen seiner robusten Spielweise.

Bitter, dass ihn ausgerechnet dieser stets grenzenlose Einsatz einige Jahre seiner Laufbahn gekostet hat - schon mit 29 Jahren versagte der Körper den Dienst im Leistungssport. Eine Fortsetzung seiner Karriere war wegen chronischer Achillessehnen- und Sprunggelenksprobleme nicht mehr möglich. Schachts letztes Spiel für die Königsblauen war ausgerechnet: ein 5:2 gegen Dortmund in der Saison 1992/1993. Kurioserweise bestritt Schacht auch sein erstes Bundesligaspiel gegen den BVB, 1981 mit dem MSV Duisburg.

Heute trainiert der Fußball-Lehrer den Regionalligisten SV Bergisch Gladbach 09. Der ehemalige Mittelfeldspieler spricht im DFB.de-Interview mit Mitarbeiter Sven Winterschladen über den SV 09, seine Erfahrungen im Frauenbereich und als Assistent von Pierre Littbarski beim FC Vaduz. Eine seiner schönsten Stationen war aber eine ganz andere: Schacht war Nationaltrainer für Menschen mit geistiger Behinderung.

DFB.de: Herr Schacht, testen wir mal Ihre Erinnerungen: Wissen Sie noch, was am 26. August 1981 war?

Dietmar Schacht: Ist diese Frage Ihr Ernst? So etwas vergisst man nicht, mein Traum ist in Erfüllung gegangen. Ich war 18 Jahre alt und stand beim MSV Duisburg unter Vertrag. Das war der Tag meines ersten Bundesligaspiels.

DFB.de: Ausgerechnet gegen Borussia Dortmund.

Schacht: Richtig, es stand 0:2 zur Pause. Ich bin in der 46. Minute für Klaus Gebauer ins Spiel gekommen. Der Trainer kam in der Halbzeit zu mir und sagte: "Didi, bereite dich vor, du kommst gleich rein." Ich habe am ganzen Körper gezittert. Plötzlich sollte ich mit den Spielern auf dem Platz stehen, denen ich vorher noch als Balljunge die Bälle geholt hatte. Ich musste mich vor der Dortmunder Kurve warm machen, da ging mir ganz schön die Pumpe. Ich hatte so viel Adrenalin im Körper, ich wusste gar nicht, was da auf mich zukommen würde. Das war schon sehr extrem. Aber ich denke, ich habe die Sache nicht schlecht gemacht.

DFB.de: Am 24. August 1992 schließt sich dann der Kreis.

Schacht: Auch wieder Borussia Dortmund, dann aber mit Schalke 04. Das war mein letztes Bundesligaspiel. Ein krönender Abschluss, wir haben 5:2 gewonnen. Ein tolles Erlebnis für jeden Schalker - und für mich natürlich besonders. Ich war gerade zum beliebtesten Spieler der Saison gewählt worden und Kapitän der Mannschaft.

DFB.de: Am Samstag spielt Schalke mal wieder in Dortmund. Ist das noch immer ein besonderes Spiel für Sie?

Schacht: Jedes Schalke-Spiel ist für mich etwas Besonderes. Aber die Derbys haben einen ganz anderen Stellenwert, vor allem bei den Fans. Ich bin einfach nur stolz, dass ich die Mannschaft damals auf dem Platz angeführt habe. Dortmund hat in meiner Erinnerung noch einmal eine doppelte Bedeutung, schließlich hat gegen die für mich alles begonnen und geendet.

DFB.de: Warum dann das plötzliche Karriereende auf dem Höhepunkt Ihrer Karriere mitten in der Saison 1992/1993?

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Schacht: Ich hatte schon längere Zeit große Probleme an den Sprunggelenken und den Achillessehnen. Ich konnte nur noch mit Schmerzmitteln auflaufen. Auch vor diesem Spiel habe ich ein paar Spritzen in den Körper bekommen. Morgens hatte ich noch unseren Trainer Aleksandar Ristic angerufen und ihm gesagt, dass ich nicht dabei sein kann. Meine Schmerzen waren zu groß. Er hat nur gesagt: "Didi, das ist deine Entscheidung. Mach dich mal warm, und dann sehen wir weiter." Ich bin dann tatsächlich aufs Feld gegangen und in die Kurve der Schalker gelaufen. Plötzlich haben 50.000 Menschen "Didi, Didi" gerufen. Da vergisst du alles, was um dich herum ist, da hast du keine Schmerzen mehr. So war es dann auch im Spiel. Ich bin wie ein Verrückter gelaufen, alles war perfekt.

DFB.de: Und dann?

Schacht: Ja, wie es weitergeht, ist schnell erzählt. Ich bin abends total euphorisiert nach Hause gefahren und später glücklich ins Bett gegangen. Am nächsten Morgen bin ich aufgewacht, und es ging nichts mehr, wirklich gar nichts mehr. Ich bin nicht aus dem Bett gekommen, mein Körper hat seinen Dienst verweigert. Das war Wahnsinn, das hatte ich noch nie erlebt. Erst ein oder zwei Tage später ging es wieder besser. Ich habe Ärzte aufgesucht. Es war schnell klar, dass es nur eine Möglichkeit gibt: Ich musste meine Karriere beenden, sonst würde ich heute wohl im Rollstuhl sitzen. Ich habe mit meiner sehr intensiven Art, Fußball zu arbeiten, nicht nur manchem Gegner wehgetan, sondern auch mir selbst. Ich musste meiner Spielweise Tribut zollen, denn ich habe ja immer von meinem großen Einsatz gelebt. Früher gab es noch keinen Kunstrasen. Wissen Sie, wie oft ich in der Jugend die Beine kaputt hatte, weil ich über die Asche gegrätscht bin? Ich habe niemanden geschont - meine Kontrahenten genauso wenig wie mich selbst. Das merke ich heute noch. Ich kann mich manchmal nur noch im Schneckentempo fortbewegen. Nur wenn ich mich aufrege, dann vergesse ich die Schmerzen und kann auch mal richtig durch die Gegend hüpfen. Mein Körper macht mich aber am nächsten Morgen darauf aufmerksam, dass ich das vielleicht nicht zu oft machen sollte.

DFB.de: Wie bitter war es, als Ihnen endgültig klar war: Es ist vorbei, Ende, Aus?

Schacht: Ich hatte Tränen in den Augen, das können Sie mir glauben. Das war ein Schlag ins Gesicht. Ich brauchte einige Zeit, um das alles zu verkraften. Fußball war und ist meine Leidenschaft. Ich war damals doch erst 29 Jahre alt, ich wollte es einfach nicht wahr haben. Zum Glück habe ich dank Ristic schnell den Einstieg in die Trainerlaufbahn gefunden.

DFB.de: Drei Stationen sind besonders bemerkenswert…

Schacht: …kommen wir jetzt auch auf meine Station im Frauenfußball beim SC Bad Neuenahr zu sprechen?

DFB.de: Richtig. Wie sind Sie zum Frauenfußball gekommen?

Schacht: Ich hatte schon immer eine Affinität zum Frauenfußball. Über mehrere Ecken kam dann die Anfrage, ob ich mir dort ein Engagement vorstellen könne. Das hat mich gereizt, und ich habe es zu keinem Zeitpunkt bereut. Wir hatten mit geringem Etat eine gute Mannschaft, sind Vierter und Fünfter geworden. Der Verein hatte vorher noch nie so gut abgeschnitten. Diese Erfahrungen haben mich sicher auch einen Schritt weitergebracht. Aber nach einiger Zeit hatte ich den Wunsch, wieder in den Männerfußball zurückzukehren…

DFB.de: …nach Liechtenstein, zum FC Vaduz.

Schacht: Pierre Littbarski ist ein sehr guter Freund von mir. Er wollte mich schon mit in den Iran nehmen. Aber ich habe ihm gesagt: "Iran? Litti, das lass' ich mal lieber. Das ist nicht meine Welt. Aber wenn du wieder in Europa bist, kannst du dich gerne melden." Es hat vier Monate gedauert, bis mein Telefon erneut geklingelt hat. Es war wieder Litti. Er hat gefragt: "Didi, was ist mit dem FC Vaduz? Ich brauche einen Scout und Assistenztrainer." Ich musste nicht lange überlegen, das war eine spannende Sache. Wir haben UEFA-Cup gespielt, waren immer Pokalsieger in Liechtenstein. Außerdem war es interessant, in diesem kleinen Land zu leben. Ich möchte diese Zeit nicht missen.

DFB.de: Zwischendurch waren Sie auch noch Nationaltrainer der Mannschaft mit geistiger Behinderung. Wie kam es dazu?

Schacht: Die Stelle war ausgeschrieben. Ich habe mit den Verantwortlichen gesprochen und bin sofort überzeugt worden. Und ich sage es Ihnen ganz ehrlich: Das war meine bis dahin anspruchsvollste Station als Trainer.

DFB.de: Wieso?

Schacht: Ich hatte keinerlei Erfahrung im Umgang mit geistig behinderten Menschen. Aber rückblickend muss ich sagen, dass es einfach großartig war.

DFB.de: Sportlich oder menschlich?

Schacht: Beides, sportlich auch. Wir haben bei der Europameisterschaft in England den fünften Rang belegt. Aber vor allem menschlich. Ich hatte Gänsehaut oder sogar Tränen in den Augen, wenn ich die Geschichten von meinen Jungs gehört habe. Man kann sich gar nicht vorstellen, was sie schon alles erlebt haben und wie sie von anderen Menschen behandelt werden. Ich musste 24 Stunden für die Spieler da sein. Es kam manchmal vor, dass einer bei einer Reise mitten in der Nacht an meiner Hoteltür geklopft hat und mir sein Herz ausschütten wollte. Es hat unheimlich viel Spaß gemacht. Ich musste diese Tätigkeit leider beenden, als ich nach Vaduz gegangen bin. Das ist mir extrem schwer gefallen.

DFB.de: Mittlerweile sind Sie in der Regionalliga beim SV Bergisch Gladbach 09 angekommen.

Schacht: In der vergangenen Saison sind wir als krasser Außenseiter in die Regionalliga aufgestiegen, das war ein riesiges Highlight meiner Trainerkarriere, weil es so überraschend kam. Nach sieben Jahre unter Lars Leese hatte mich der Verein als neuen Trainer verpflichtet. Mir ist eine ordentliche Portion Skepsis ins Gesicht geweht. Aber ich denke, dass wir das zusammen ganz gut gemeistert haben. In der neuen Spielklasse sind wir als reiner Amateurverein gegen die ganzen Vollprofis von Viktoria Köln, Fortuna Köln, Rot-Weiß Essen, Rot-Weiß Oberhausen, den Sportfreunden Lotte oder dem Wuppertaler SV krasser Außenseiter. Aber wir stellen uns dieser Herausforderung und nehmen sie an. So habe ich das immer gehalten - als Spieler und als Trainer. Wir sind derzeit Drittletzter. Bis zu sechs Mannschaften müssen absteigen. Trotzdem sage ich ganz klar: Wir wollen das Wunder schaffen, denn nichts anderes wäre der Klassenverbleib.