Rauschende deutsche Ball-Nächte in San Siro

Der deutsche Fußball verbindet mit dem San Siro-Stadion, das seit 1980 offiziell nach dem Doppelweltmeister Giuseppe Meazza heißt, beste Erinnerungen. Schalke 04 holte hier den UEFA-Pokal (1997), Bayern München gewann 2001 die Champions League. Aber alles wird überstrahlt von den Erfolgen der Nationalmannschaft, die auf dem Weg zum WM-Titel 1990 bis zum Halbfinale in Mailand spielte und quasi fünfmal Heimrecht genoss. Geplant war das nicht, jedenfalls nicht von der FIFA. DFB.de erinnert an rauschende Ball-Nächte bei der WM 1990.

Ursprünglich war vorgesehen, dass Deutschland als Gruppenkopf in Verona spielen sollte, doch ökonomische Gründe führten zu einer Verlegung ins weit größere Mailänder San Siro-Stadion. Deshalb musste auch der DFB noch nach der Auslosung im Dezember 1989 die Buchung seines Quartiers nahe Verona stornieren und umdisponieren: Nun ging es nach Erba am Comer See, wo sich einige Nationalspieler schon längst zu Hause fühlten.

Denn kennzeichnend für die Weltmeister von 1990 war das italienische Element. Fünf Spieler waren bereits vor der WM in das Gastgeberland gezogen: die Mailänder Matthäus, Brehme, Klinsmann (alle bei Inter) und die Römer Rudi Völler und Thomas Berthold (AS Rom). Sie alle erlebten dort die schönsten Jahre ihrer Karriere und waren ebenso beliebt wie erfolgreich.

Brehme "bester Ausländer" der Serie A 1988/1989

Inter wurde mit seinen Deutschen 1989 Meister und 1990 Supercup-Sieger Italiens. Brehme hatte man schon in seiner ersten Saison 1988/1989 zum besten Ausländer der Liga gewählt. "Du hast gar kein Geld gebraucht, wenn du ausgegangen bist", berichtete Brehme von seiner Popularität. "Wenn du da in ein Lokal kamst, haben sich alle noch bedankt, dass du da warst." Jürgen Klinsmann, der 1989 über den Brenner gezogen war, sagte kurz vor der WM: "In Deutschland habe ich sehr gerne Fußball gespielt, in Italien genieße ich es."

Die Präsenz der Legionäre trug wesentlich dazu bei, dass die deutsche Mannschaft in Italien quasi sieben Heimspiele hatte. Jürgen Klinsmann hatte das vorausgesehen. Nach den Vorteilen einer WM in Italien befragt, antwortete er: "Zum einen kennen wir hier jedes Stadion in Italien, und die Leute kennen uns. In Mailand, wenn wir nicht gerade gegen Italien spielen, stehen die Tifosi voll hinter uns."

50.000 deutsche Fans in Mailand

Und so kam es. Das Inter-Trio musste sich aber doch in einer Hinsicht umgewöhnen: Die Deutschen zogen sich in der vom AC Mailand genutzten Kabine um. Sonst aber fühlten sie sich wie zu Hause, was auch an der Kulisse lag. Von den jeweils rund 75.000 Zuschauern kamen bis zu 50.000 aus Deutschland, die meisten hatten im Großraum Mailand oder am Gardasee Quartier bezogen.

Dermaßen beflügelt, spielten die Deutschen von allen 24 Teilnehmern die beste Vorrunde. Vor dem ersten und zugleich schwersten Spiel gegen Jugoslawien bestimmten die üblichen Diskussionen um die Aufstellung das Geschehen in den Medien und in Erba. Spaßvogel Pierre Littbarski gingen sie dermaßen auf den Geist, dass er mit einem aufgeklebten Zettel auf der Brust vor der Presse erschien. Darauf stand: "Ich weigere mich heute, Auskunft über die Mannschaftsaufstellung zu geben. Nähere Informationen beim Pressechef des DFB."

Matthäus' Sternstunde gegen Jugoslawien

Am 10. Juni saß der Kölner auf der Bank, doch die Aufführung in der Mailänder Scala des Fußballs geriet zur Demonstration. Lothar Matthäus machte sein 75. und wohl bestes Länderspiel und eröffnete nach 29 Minuten den deutschen Torreigen mit einem satten Linksschuss.

Einen Scorerpunkt verdiente sich Giovanni Trapattoni: Der Trainer von Inter Mailand hatte Matthäus dazu verdonnert, intensiv seinen schwächeren Fuß zu trainieren, und nun sah man das Ergebnis. Am Ende stand ein 4:1 (1:0), weil Matthäus noch ein sensationelles Tor nach einem unwiderstehlichen Solo erzielte - gerade als die Partie nach dem jugoslawischen Tor durch Jozic zu kippen drohte. Zu diesem 3:1 nahm er allerdings wieder den "richtigen" Fuß.

Niersbach: "Der Andy steht gerne zurück"

Auch die anderen Tore gingen auf das Konto der "Italiener": Klinsmann köpfte das 2:0, und Völler drückte Brehmes Schuss zum 4:1-Endstand über die Linie. Kurios: Die FIFA gab das Tor Brehme, der DFB nach interner Zeugenbefragung Völler. "Rudi gab dem Ball den letzten Tick", verkündete DFB-Pressechef Wolfgang Niersbach, "der Andy steht gerne zurück."

Teamchef Franz Beckenbauer, der das Spiel durch eine schmale Brille beobachtet hatte, gab den Spielern eineinhalb Tage frei als Lohn für den Start nach Maß. Als sie wieder zurück waren von ihren Ausflügen ins Umland, wartete schon hoher Besuch. Die Ehrenspielführer Fritz Walter und Uwe Seeler machten dem Team ihre Aufwartung. "Seit Jahren habe ich eine deutsche Elf nicht mehr so gut spielen gesehen", sprach der "Alte Fritz" ein Riesenkompliment aus. Alle spürten von Beginn an: Diese WM kann etwas Besonderes werden.

Nur ein Teil der deutschen Anhänger trübte das Bild. Denn unter ihnen waren einige Hundert Krawallmacher. Am Spieltag kam es in Mailand im Schatten des Doms zu Prügeleien mit jugoslawischen Anhängern, rund 100 Randalierer wurden verhaftet. Für 14 von ihnen war die WM zu Ende, sie erhielten 20 Tage Haft.

Luxuskarosse für arabischen Torschützen

Davon ließ sich Deutschland diese WM aber nicht verderben - und vom nächsten Gegner schon gar nicht: Bei Blitz und Donner gab es gegen die Vereinigten Arabischen Emirate auch einen Torhagel. Einziges Ärgernis für die deutschen Fans: Die Carabinieri nahmen ihnen beim Einlass die Schirme ab und warfen sie auf einen großen Haufen. Beim Rausgehen fanden die Wenigsten ihr Eigentum wieder und nahmen sich eben irgendeinen anderen Schirm.

Das 5:1 sahen zumindest die Journalisten, unter blauen Plastikplanen versteckt, denn ausgerechnet die mit Monitoren ausgestattete Pressetribüne war nicht regengeschützt. Allzu viel bildeten sich die Deutschen nicht ein auf den zweiten Sieg, der bereits das Achtelfinale bedeutete. Guido Buchwald attestierte dem Gegner "Oberliganiveau". Über ihre Treffer durch Klinsmann, Völler, Matthäus, Bein und ein Eigentor freuten sie sich dennoch.

Aber der Glücklichste stand auf der anderen Seite. Der Scheich, der dem Fußballverband vorstand, stiftete dem ersten WM-Torschützen der VAE eine Luxuskarosse im Wert von damals 120.000 Mark. Die verdiente sich ein gewisser Khalid Ismail Mubarak, der eine deutsche Unaufmerksamkeit nutzte. Mehr war dem Außenseiter nicht gestattet, aber nach dem 1:5 jubelte die arabische Presse: "Gut gemacht, Jungs!"

Kolumbien dank Last-Minute-Tor im Achtelfinale

Wer hinter Deutschland und Jugoslawien ins Achtelfinale gelangen sollte, entschied sich am 19. Juni erst in der letzten Minute des Spiels gegen Kolumbien, in dem die Deutschen trotz gewisser Motivationsprobleme an einem schwülen Nachmittag wieder vor einem Sieg standen. Der eingewechselte Pierre Littbarski hatte in der 87. Minute das fällige 1:0 erzielt, womit Kolumbien hätte ausscheiden müssen.

Doch in der Nachspielzeit schickte Kolumbiens Spielmacher Carlos Valderrama, der die bemerkenswerteste Frisur dieser WM trug, Stürmer Rincon auf die Reise und der tunnelte Bodo Illgner. Das heftig umjubelte 1:1 bezeichnete Trainer Francisco Maturana als "das wichtigste Kapitel in der kolumbianischen Fußballgeschichte", und selbst Franz Beckenbauer rang es ein Lächeln ab: "Es war eine Freude, dass Kolumbien für seinen prächtigen Fußball mit dem Weiterkommen belohnt wurde."

"Nichts wäre schöner, als die Holländer nach Hause zu schicken"

Dann kam das Achtelfinale, wieder in San Siro. Denn Gruppensieger Deutschland musste nicht reisen. Im Gegensatz zu den Niederländern, die das Los (!) in ihrer Gruppe zum Drittplatzierten stempelte - und zum deutschen Gegner. Das Spiel schenkte der Rivalität der Nachbarn ein neues Kapitel. Es galt wieder mal Revanche zu nehmen, nun war es an den Deutschen, die 1988 im EM-Halbfinale unterlegen waren. Rudi Völler sagte: "Auf diesen Tag habe ich zwei Jahre lang gewartet. Nichts wäre schöner, als die Holländer nach Hause zu schicken."

Das sollte geschehen. Die Szenen, über die alle Welt am Tag danach sprach, hatten aber wenig mit Sport zu tun. In der 22. Minute stellte der argentinische Schiedsrichter Losteau Rudi Völler und Frank Rijkaard vom Platz. Was Völler - der Torwart Hans van Breukelen gefährlich nahe gekommen war, aber noch ausweichen konnte - getan haben sollte, blieb schleierhaft. Rijkaard aber hatte den Wahl-Römer wegen der Torwart-Attacke an den Ohren gezogen und angespuckt, bereits zum zweiten Mal. Ob der Schiedsrichter wirklich nur "Ruhe haben wollte", wie Co-Kommentator Karl-Heinz Rummenigge mutmaßte?

"Siegen für Rudi"

In diesem Fall war es eher ein skandalöses denn salomonisches Urteil, beide vom Feld zu stellen. Rudi Völlers Wut wurde auf dem Weg in die Kabinen noch gesteigert, als Rijkaard ihn vor laufenden Kameras erneut anspuckte. Im Kabinengang flogen dann sogar die Fäuste, Offizielle mussten die Streithähne trennen. Dem Spiel tat der skandalöse Zwischenfall gut. Es war mehr Platz auf dem Rasen, und die Deutschen hatten eine Zusatzmotivation: Siegen für Rudi.

Sturmpartner Jürgen Klinsmann machte an diesem 25. Juni sein wohl bestes Länderspiel überhaupt, verausgabte sich nach Kräften, traf den Pfosten und in der 51. Minute nach Buchwalds Linksflanke ins Tor. Weitere Chancen einer entfesselt stürmenden deutschen Mannschaft blieben ungenutzt, aber hinten brannte nichts an. Erstmals stand Jürgen Kohler in der Startformation und neben ihm noch fünf Defensive, was Beckenbauer selbst als "etwas konservativere Einstellung" einschätzte. Uwe Bein flog plötzlich aus der Elf der Vorrunde, und Pierre Littbarski vertrat seinen formschwachen Kölner Kumpel Thomas Häßler glänzend.

Rijkaard: "Völler kann nichts dafür"

Einer der Defensiven entschied dann den bisher spannendsten Abend von San Siro. Der nach seiner Gelb-Sperre zurückgekehrte Andreas Brehme schlenzte von der linken Strafraumecke herrlich ins lange Eck zum 2:0 (85.) - sehr zur Freude von diesmal rund 40.000 deutschen Fans. Die Holländer um ihre enttäuschenden Superstars Marco van Basten und Ruud Gullit - auch sie hatten als Milan-Profis ein Heimspiel - schafften nur noch ein Elfmetertor. Ronald Koeman verwandelte den umstrittenen Strafstoß, der nichts an den Tatsachen änderte: Deutschland stand im Viertelfinale, Holland am nächsten Morgen am Flughafen.

Das Nachspiel vor Gericht aber verloren die Deutschen. Obwohl selbst der plötzlich geläuterte Rijkaard für Völlers Freispruch plädierte ("Er kann nichts dafür, was ihm widerfahren ist, ist völlig ungerecht") und auch die TV-Bilder eine klare Sprache sprachen, wurde Völler für das nächste Spiel gesperrt. Man hörte ihn nicht mal an.

Über Mailand nach Rom

Am 1. Juli 1990, als die deutsche Währungsunion in Kraft trat, wurde abends weiter gefeiert. Obwohl Franz Beckenbauer an diesem Tag zum ersten Mal bei dieser WM aus der Haut fuhr. Gegen die Tschechoslowakei verlief auch das fünfte Spiel in Mailand lange nach Plan - jedenfalls als Lothar Matthäus in der 24. Minute einen an Klinsmann verursachten Elfmeter verwandelte. Aber als die Tschechen in den letzten 20 Minuten in Unterzahl gerieten, weil Moravcik der Schuh weggeflogen war und das als Attentat auf Littbarski gewertet wurde, schlich sich der Schlendrian ein.

Die deutsche Mannschaft vermied es, den Todesstoß zu setzen und spielte zu zaghaft. Draußen tobte Beckenbauer wie verrückt und fragte schließlich einen perplexen Balljungen, ob er mitspielen wolle. Als die Spieler glücklich in der Kabine waren, ging es weiter. Ein Eiskübel flog, und böse Worten fielen. Wer konnte, rettete sich ins Entmüdungsbecken.

"Ich habe immer gedacht, ich hätte eine intelligente Mannschaft, aber die habe ich nicht", grollte der Kaiser. Kurz danach hatte er sich wieder gefangen, sprach von der besten DFB-Mannschaft, die je bei einem Turnier gewesen sei und dass man "bis zum Platzverweis erkennen konnte, dass wir wie ein WM-Favorit gespielt haben". Die Heimat war beruhigt, die Spieler aber waren sensibilisiert. Um den Titel zu gewinnen, mussten sie nun ihr liebgewonnenes San Siro verlassen, Viele Wege führen bekanntlich nach Rom, aber der deutsche wäre ohne Mailand sicher etwas schwerer geworden.

Das meinen DFB.de-User

"Germany always be the best football team on earth. Come on jungs! We can do it again in Brazil next year." (Sigit Prastowo, Jakarta/Indonesien)

[um]

Der deutsche Fußball verbindet mit dem San Siro-Stadion, das seit 1980 offiziell nach dem Doppelweltmeister Giuseppe Meazza heißt, beste Erinnerungen. Schalke 04 holte hier den UEFA-Pokal (1997), Bayern München gewann 2001 die Champions League. Aber alles wird überstrahlt von den Erfolgen der Nationalmannschaft, die auf dem Weg zum WM-Titel 1990 bis zum Halbfinale in Mailand spielte und quasi fünfmal Heimrecht genoss. Geplant war das nicht, jedenfalls nicht von der FIFA. DFB.de erinnert an rauschende Ball-Nächte bei der WM 1990.

Ursprünglich war vorgesehen, dass Deutschland als Gruppenkopf in Verona spielen sollte, doch ökonomische Gründe führten zu einer Verlegung ins weit größere Mailänder San Siro-Stadion. Deshalb musste auch der DFB noch nach der Auslosung im Dezember 1989 die Buchung seines Quartiers nahe Verona stornieren und umdisponieren: Nun ging es nach Erba am Comer See, wo sich einige Nationalspieler schon längst zu Hause fühlten.

Denn kennzeichnend für die Weltmeister von 1990 war das italienische Element. Fünf Spieler waren bereits vor der WM in das Gastgeberland gezogen: die Mailänder Matthäus, Brehme, Klinsmann (alle bei Inter) und die Römer Rudi Völler und Thomas Berthold (AS Rom). Sie alle erlebten dort die schönsten Jahre ihrer Karriere und waren ebenso beliebt wie erfolgreich.

Brehme "bester Ausländer" der Serie A 1988/1989

Inter wurde mit seinen Deutschen 1989 Meister und 1990 Supercup-Sieger Italiens. Brehme hatte man schon in seiner ersten Saison 1988/1989 zum besten Ausländer der Liga gewählt. "Du hast gar kein Geld gebraucht, wenn du ausgegangen bist", berichtete Brehme von seiner Popularität. "Wenn du da in ein Lokal kamst, haben sich alle noch bedankt, dass du da warst." Jürgen Klinsmann, der 1989 über den Brenner gezogen war, sagte kurz vor der WM: "In Deutschland habe ich sehr gerne Fußball gespielt, in Italien genieße ich es."

Die Präsenz der Legionäre trug wesentlich dazu bei, dass die deutsche Mannschaft in Italien quasi sieben Heimspiele hatte. Jürgen Klinsmann hatte das vorausgesehen. Nach den Vorteilen einer WM in Italien befragt, antwortete er: "Zum einen kennen wir hier jedes Stadion in Italien, und die Leute kennen uns. In Mailand, wenn wir nicht gerade gegen Italien spielen, stehen die Tifosi voll hinter uns."

50.000 deutsche Fans in Mailand

Und so kam es. Das Inter-Trio musste sich aber doch in einer Hinsicht umgewöhnen: Die Deutschen zogen sich in der vom AC Mailand genutzten Kabine um. Sonst aber fühlten sie sich wie zu Hause, was auch an der Kulisse lag. Von den jeweils rund 75.000 Zuschauern kamen bis zu 50.000 aus Deutschland, die meisten hatten im Großraum Mailand oder am Gardasee Quartier bezogen.

Dermaßen beflügelt, spielten die Deutschen von allen 24 Teilnehmern die beste Vorrunde. Vor dem ersten und zugleich schwersten Spiel gegen Jugoslawien bestimmten die üblichen Diskussionen um die Aufstellung das Geschehen in den Medien und in Erba. Spaßvogel Pierre Littbarski gingen sie dermaßen auf den Geist, dass er mit einem aufgeklebten Zettel auf der Brust vor der Presse erschien. Darauf stand: "Ich weigere mich heute, Auskunft über die Mannschaftsaufstellung zu geben. Nähere Informationen beim Pressechef des DFB."

Matthäus' Sternstunde gegen Jugoslawien

Am 10. Juni saß der Kölner auf der Bank, doch die Aufführung in der Mailänder Scala des Fußballs geriet zur Demonstration. Lothar Matthäus machte sein 75. und wohl bestes Länderspiel und eröffnete nach 29 Minuten den deutschen Torreigen mit einem satten Linksschuss.

Einen Scorerpunkt verdiente sich Giovanni Trapattoni: Der Trainer von Inter Mailand hatte Matthäus dazu verdonnert, intensiv seinen schwächeren Fuß zu trainieren, und nun sah man das Ergebnis. Am Ende stand ein 4:1 (1:0), weil Matthäus noch ein sensationelles Tor nach einem unwiderstehlichen Solo erzielte - gerade als die Partie nach dem jugoslawischen Tor durch Jozic zu kippen drohte. Zu diesem 3:1 nahm er allerdings wieder den "richtigen" Fuß.

Niersbach: "Der Andy steht gerne zurück"

Auch die anderen Tore gingen auf das Konto der "Italiener": Klinsmann köpfte das 2:0, und Völler drückte Brehmes Schuss zum 4:1-Endstand über die Linie. Kurios: Die FIFA gab das Tor Brehme, der DFB nach interner Zeugenbefragung Völler. "Rudi gab dem Ball den letzten Tick", verkündete DFB-Pressechef Wolfgang Niersbach, "der Andy steht gerne zurück."

Teamchef Franz Beckenbauer, der das Spiel durch eine schmale Brille beobachtet hatte, gab den Spielern eineinhalb Tage frei als Lohn für den Start nach Maß. Als sie wieder zurück waren von ihren Ausflügen ins Umland, wartete schon hoher Besuch. Die Ehrenspielführer Fritz Walter und Uwe Seeler machten dem Team ihre Aufwartung. "Seit Jahren habe ich eine deutsche Elf nicht mehr so gut spielen gesehen", sprach der "Alte Fritz" ein Riesenkompliment aus. Alle spürten von Beginn an: Diese WM kann etwas Besonderes werden.

Nur ein Teil der deutschen Anhänger trübte das Bild. Denn unter ihnen waren einige Hundert Krawallmacher. Am Spieltag kam es in Mailand im Schatten des Doms zu Prügeleien mit jugoslawischen Anhängern, rund 100 Randalierer wurden verhaftet. Für 14 von ihnen war die WM zu Ende, sie erhielten 20 Tage Haft.

Luxuskarosse für arabischen Torschützen

Davon ließ sich Deutschland diese WM aber nicht verderben - und vom nächsten Gegner schon gar nicht: Bei Blitz und Donner gab es gegen die Vereinigten Arabischen Emirate auch einen Torhagel. Einziges Ärgernis für die deutschen Fans: Die Carabinieri nahmen ihnen beim Einlass die Schirme ab und warfen sie auf einen großen Haufen. Beim Rausgehen fanden die Wenigsten ihr Eigentum wieder und nahmen sich eben irgendeinen anderen Schirm.

Das 5:1 sahen zumindest die Journalisten, unter blauen Plastikplanen versteckt, denn ausgerechnet die mit Monitoren ausgestattete Pressetribüne war nicht regengeschützt. Allzu viel bildeten sich die Deutschen nicht ein auf den zweiten Sieg, der bereits das Achtelfinale bedeutete. Guido Buchwald attestierte dem Gegner "Oberliganiveau". Über ihre Treffer durch Klinsmann, Völler, Matthäus, Bein und ein Eigentor freuten sie sich dennoch.

Aber der Glücklichste stand auf der anderen Seite. Der Scheich, der dem Fußballverband vorstand, stiftete dem ersten WM-Torschützen der VAE eine Luxuskarosse im Wert von damals 120.000 Mark. Die verdiente sich ein gewisser Khalid Ismail Mubarak, der eine deutsche Unaufmerksamkeit nutzte. Mehr war dem Außenseiter nicht gestattet, aber nach dem 1:5 jubelte die arabische Presse: "Gut gemacht, Jungs!"

Kolumbien dank Last-Minute-Tor im Achtelfinale

Wer hinter Deutschland und Jugoslawien ins Achtelfinale gelangen sollte, entschied sich am 19. Juni erst in der letzten Minute des Spiels gegen Kolumbien, in dem die Deutschen trotz gewisser Motivationsprobleme an einem schwülen Nachmittag wieder vor einem Sieg standen. Der eingewechselte Pierre Littbarski hatte in der 87. Minute das fällige 1:0 erzielt, womit Kolumbien hätte ausscheiden müssen.

Doch in der Nachspielzeit schickte Kolumbiens Spielmacher Carlos Valderrama, der die bemerkenswerteste Frisur dieser WM trug, Stürmer Rincon auf die Reise und der tunnelte Bodo Illgner. Das heftig umjubelte 1:1 bezeichnete Trainer Francisco Maturana als "das wichtigste Kapitel in der kolumbianischen Fußballgeschichte", und selbst Franz Beckenbauer rang es ein Lächeln ab: "Es war eine Freude, dass Kolumbien für seinen prächtigen Fußball mit dem Weiterkommen belohnt wurde."

"Nichts wäre schöner, als die Holländer nach Hause zu schicken"

Dann kam das Achtelfinale, wieder in San Siro. Denn Gruppensieger Deutschland musste nicht reisen. Im Gegensatz zu den Niederländern, die das Los (!) in ihrer Gruppe zum Drittplatzierten stempelte - und zum deutschen Gegner. Das Spiel schenkte der Rivalität der Nachbarn ein neues Kapitel. Es galt wieder mal Revanche zu nehmen, nun war es an den Deutschen, die 1988 im EM-Halbfinale unterlegen waren. Rudi Völler sagte: "Auf diesen Tag habe ich zwei Jahre lang gewartet. Nichts wäre schöner, als die Holländer nach Hause zu schicken."

Das sollte geschehen. Die Szenen, über die alle Welt am Tag danach sprach, hatten aber wenig mit Sport zu tun. In der 22. Minute stellte der argentinische Schiedsrichter Losteau Rudi Völler und Frank Rijkaard vom Platz. Was Völler - der Torwart Hans van Breukelen gefährlich nahe gekommen war, aber noch ausweichen konnte - getan haben sollte, blieb schleierhaft. Rijkaard aber hatte den Wahl-Römer wegen der Torwart-Attacke an den Ohren gezogen und angespuckt, bereits zum zweiten Mal. Ob der Schiedsrichter wirklich nur "Ruhe haben wollte", wie Co-Kommentator Karl-Heinz Rummenigge mutmaßte?

"Siegen für Rudi"

In diesem Fall war es eher ein skandalöses denn salomonisches Urteil, beide vom Feld zu stellen. Rudi Völlers Wut wurde auf dem Weg in die Kabinen noch gesteigert, als Rijkaard ihn vor laufenden Kameras erneut anspuckte. Im Kabinengang flogen dann sogar die Fäuste, Offizielle mussten die Streithähne trennen. Dem Spiel tat der skandalöse Zwischenfall gut. Es war mehr Platz auf dem Rasen, und die Deutschen hatten eine Zusatzmotivation: Siegen für Rudi.

Sturmpartner Jürgen Klinsmann machte an diesem 25. Juni sein wohl bestes Länderspiel überhaupt, verausgabte sich nach Kräften, traf den Pfosten und in der 51. Minute nach Buchwalds Linksflanke ins Tor. Weitere Chancen einer entfesselt stürmenden deutschen Mannschaft blieben ungenutzt, aber hinten brannte nichts an. Erstmals stand Jürgen Kohler in der Startformation und neben ihm noch fünf Defensive, was Beckenbauer selbst als "etwas konservativere Einstellung" einschätzte. Uwe Bein flog plötzlich aus der Elf der Vorrunde, und Pierre Littbarski vertrat seinen formschwachen Kölner Kumpel Thomas Häßler glänzend.

Rijkaard: "Völler kann nichts dafür"

Einer der Defensiven entschied dann den bisher spannendsten Abend von San Siro. Der nach seiner Gelb-Sperre zurückgekehrte Andreas Brehme schlenzte von der linken Strafraumecke herrlich ins lange Eck zum 2:0 (85.) - sehr zur Freude von diesmal rund 40.000 deutschen Fans. Die Holländer um ihre enttäuschenden Superstars Marco van Basten und Ruud Gullit - auch sie hatten als Milan-Profis ein Heimspiel - schafften nur noch ein Elfmetertor. Ronald Koeman verwandelte den umstrittenen Strafstoß, der nichts an den Tatsachen änderte: Deutschland stand im Viertelfinale, Holland am nächsten Morgen am Flughafen.

Das Nachspiel vor Gericht aber verloren die Deutschen. Obwohl selbst der plötzlich geläuterte Rijkaard für Völlers Freispruch plädierte ("Er kann nichts dafür, was ihm widerfahren ist, ist völlig ungerecht") und auch die TV-Bilder eine klare Sprache sprachen, wurde Völler für das nächste Spiel gesperrt. Man hörte ihn nicht mal an.

Über Mailand nach Rom

Am 1. Juli 1990, als die deutsche Währungsunion in Kraft trat, wurde abends weiter gefeiert. Obwohl Franz Beckenbauer an diesem Tag zum ersten Mal bei dieser WM aus der Haut fuhr. Gegen die Tschechoslowakei verlief auch das fünfte Spiel in Mailand lange nach Plan - jedenfalls als Lothar Matthäus in der 24. Minute einen an Klinsmann verursachten Elfmeter verwandelte. Aber als die Tschechen in den letzten 20 Minuten in Unterzahl gerieten, weil Moravcik der Schuh weggeflogen war und das als Attentat auf Littbarski gewertet wurde, schlich sich der Schlendrian ein.

Die deutsche Mannschaft vermied es, den Todesstoß zu setzen und spielte zu zaghaft. Draußen tobte Beckenbauer wie verrückt und fragte schließlich einen perplexen Balljungen, ob er mitspielen wolle. Als die Spieler glücklich in der Kabine waren, ging es weiter. Ein Eiskübel flog, und böse Worten fielen. Wer konnte, rettete sich ins Entmüdungsbecken.

"Ich habe immer gedacht, ich hätte eine intelligente Mannschaft, aber die habe ich nicht", grollte der Kaiser. Kurz danach hatte er sich wieder gefangen, sprach von der besten DFB-Mannschaft, die je bei einem Turnier gewesen sei und dass man "bis zum Platzverweis erkennen konnte, dass wir wie ein WM-Favorit gespielt haben". Die Heimat war beruhigt, die Spieler aber waren sensibilisiert. Um den Titel zu gewinnen, mussten sie nun ihr liebgewonnenes San Siro verlassen, Viele Wege führen bekanntlich nach Rom, aber der deutsche wäre ohne Mailand sicher etwas schwerer geworden.

Das meinen DFB.de-User

"Germany always be the best football team on earth. Come on jungs! We can do it again in Brazil next year." (Sigit Prastowo, Jakarta/Indonesien)