Rathenows Trainer Kahlisch: "Etwas Besonderes, Großes und Schönes"

Seit 1989 ist Ingo Kahlisch Trainer bei Optik Rathenow, beinahe ein Vierteljahrhundert. In Rathenow funktioniert wenig ohne ihn, als Geschäftsführer ist Kahlisch auch abseits des Platzes für Wohl und Wehe des Vereins verantwortlich. In der ersten Runde des DFB-Pokals trifft der Regionalligist am 4. August auf den Zweitligisten FSV Frankfurt.

Im Interview mit DFB.de-Redakteur Steffen Lüdeke spricht Kahlisch über den DFB-Pokal und über den Fußball in Rathenow.

DFB.de: Herr Kahlisch, können Sie beschreiben, welchen Stellenwert der DFB-Pokal für Optik Rathenow hat?

Ingo Kahlisch: Es ist doch völlig klar, dass das etwas Besonderes ist, etwas Großes und Schönes. Ich bin seit dem 1. Juli 1989 Trainer und Geschäftsführer in diesem Verein. Natürlich ist es toll, dass wir den Pokal erreicht haben. Ich muss aber auch sagen, dass es für einen kleinen Verein nicht einfach ist, alle Anforderungen und Auflagen zu erfüllen, die die Ausrichtung eines Spiels im DFB-Pokal mit sich bringt. Bei aller Freude ist das eine große Belastung. Aber sportlich ist es natürlich toll, für meine Spieler wird es eine phantastische Herausforderung und Erfahrung. Das Konzept in Rathenow lautet: Arbeit. Studium. Schule. Fußball. Hier lebt keiner vom Fußball, unsere Mannschaft ist sehr jung. Und für uns alle ist das natürlich eine geile Sache.

DFB.de: Sie befinden sich gerade mitten in der Saisonvorbereitung. Unterscheidet diese sich von früheren, weil Sie einen Höhepunkt diesmal schon zu Saisonbeginn haben?

Kahlisch: Nein, der DFB-Pokal ist eine Zugabe. Und nichts, auf das wir unsere Vorbereitung ausrichten würden. Im Gegenteil: Nach der erfolgreichen vergangenen Saison habe ich meinen Spielern sogar eine Woche länger Urlaub gegeben. Unser Fokus in dieser Spielzeit liegt ganz klar darauf, in der Regionalliga erneut zu bestehen. Das ist schwer genug.

DFB.de: Sie haben gesagt, dass die Regionalliga für Rathenow wie die Champions League ist.

Kahlisch: Das ist so, ja. Es ist sensationell, dass wir in diese Liga aufgestiegen sind und es war sensationell, dass wir uns in der vergangenen Saison dort souverän gehalten. Wenn man unsere Möglichkeiten mit denen anderer Vereine vergleicht, ist dies fast nicht zu glauben. Wenn wir dies jetzt bestätigen können, hätten wir die nächste Sensation geschafft. Ein Rang um Platz zehn wäre toll, alles andere ist nicht realistisch. Viele Vereine setzen sich utopische Ziele, diese Hirngespinste im Fußball kann ich manchmal nur schwer ertragen.



[bild1]

Seit 1989 ist Ingo Kahlisch Trainer bei Optik Rathenow, beinahe ein Vierteljahrhundert. In Rathenow funktioniert wenig ohne ihn, als Geschäftsführer ist Kahlisch auch abseits des Platzes für Wohl und Wehe des Vereins verantwortlich. In der ersten Runde des DFB-Pokals trifft der Regionalligist am 4. August auf den Zweitligisten FSV Frankfurt.

Im Interview mit DFB.de-Redakteur Steffen Lüdeke spricht Kahlisch über den DFB-Pokal und über den Fußball in Rathenow.

DFB.de: Herr Kahlisch, können Sie beschreiben, welchen Stellenwert der DFB-Pokal für Optik Rathenow hat?

Ingo Kahlisch: Es ist doch völlig klar, dass das etwas Besonderes ist, etwas Großes und Schönes. Ich bin seit dem 1. Juli 1989 Trainer und Geschäftsführer in diesem Verein. Natürlich ist es toll, dass wir den Pokal erreicht haben. Ich muss aber auch sagen, dass es für einen kleinen Verein nicht einfach ist, alle Anforderungen und Auflagen zu erfüllen, die die Ausrichtung eines Spiels im DFB-Pokal mit sich bringt. Bei aller Freude ist das eine große Belastung. Aber sportlich ist es natürlich toll, für meine Spieler wird es eine phantastische Herausforderung und Erfahrung. Das Konzept in Rathenow lautet: Arbeit. Studium. Schule. Fußball. Hier lebt keiner vom Fußball, unsere Mannschaft ist sehr jung. Und für uns alle ist das natürlich eine geile Sache.

DFB.de: Sie befinden sich gerade mitten in der Saisonvorbereitung. Unterscheidet diese sich von früheren, weil Sie einen Höhepunkt diesmal schon zu Saisonbeginn haben?

Kahlisch: Nein, der DFB-Pokal ist eine Zugabe. Und nichts, auf das wir unsere Vorbereitung ausrichten würden. Im Gegenteil: Nach der erfolgreichen vergangenen Saison habe ich meinen Spielern sogar eine Woche länger Urlaub gegeben. Unser Fokus in dieser Spielzeit liegt ganz klar darauf, in der Regionalliga erneut zu bestehen. Das ist schwer genug.

DFB.de: Sie haben gesagt, dass die Regionalliga für Rathenow wie die Champions League ist.

Kahlisch: Das ist so, ja. Es ist sensationell, dass wir in diese Liga aufgestiegen sind und es war sensationell, dass wir uns in der vergangenen Saison dort souverän gehalten. Wenn man unsere Möglichkeiten mit denen anderer Vereine vergleicht, ist dies fast nicht zu glauben. Wenn wir dies jetzt bestätigen können, hätten wir die nächste Sensation geschafft. Ein Rang um Platz zehn wäre toll, alles andere ist nicht realistisch. Viele Vereine setzen sich utopische Ziele, diese Hirngespinste im Fußball kann ich manchmal nur schwer ertragen.

DFB.de: Sie haben heute eine Mannschaft, in der viele junge Spieler stehen. Wie sehr unterscheiden sich junge Menschen 2013 von jungen Menschen 1989 als Sie als Trainer in Rathenow angefangen haben?

Kahlisch: Charakterlich will ich das gar nicht beurteilen. Der prägnanteste Unterschied sportlich besteht darin, dass die Spieler, die heute zu uns kommen, fußballerisch viel besser ausgebildet sind. Wir partizipieren von der guten Förderung der Leistungszentren der Vereine aus Berlin. Es ist doch klar, dass nicht alle Talente, die dort ausgebildet werden, den Sprung in den Profibereich schaffen. In Wahrheit gelingt dies sogar nur den wenigsten. Für diese Spieler sind wir quasi ein Auffangbecken.

DFB.de: Sie haben dies mal so formuliert: "Nach Rathenow kommen Spieler, die woanders nicht mehr gewollt waren."

Kahlisch: Ja. Zu mir kommen Spieler, die sich in den sogenannten Profimannschaften in der Regionalliga oder der Oberliga nicht durchgesetzt haben.

DFB.de: Dann spielt für Rathenow eine Ansammlung der Enttäuschten?

Kahlisch: Nein. Ich halte es aber ganz grundsätzlich für gefährlich, wenn den Jungs in den Leistungszentren immer wieder der Floh vom Profifußball ins Ohr gesetzt wird. Natürlich sollen sie träumen, das macht ja letztlich jeder Fußballer, aber ich bin kein Freund davon, über diese Träume die Realität zu verlieren. Wie gesagt: Die wenigsten schaffen es, und die vielen, die es nicht schaffen, sind nicht gut darauf vorbereitet, was auf sie zukommt, wenn sie es nicht schaffen. Ich sage das bewusst flapsig: Sie fallen auf den Hintern und wissen nicht, wie sie sich erheben können.

DFB.de: Und genau diese Spieler landen dann irgendwann bei Ihnen. Wie schwer ist es, einen Spieler, der eben noch von der Nationalmannschaft geträumt hat, für die Regionalliga zu begeistern?

Kahlisch: Das ist nicht schwer. Deswegen nicht, weil ich nur solche Spieler zu mir hole, die noch wollen, die unvermindert Lust auf Fußball haben und meine Begeisterung für ihn teilen. Wir haben hier keine Stinkstiefel und auch niemanden, der Rathenow nur als Durchgangsstation sieht. Unsere Spieler sind im Schnitt fünf bis sechs Jahre bei uns, wir haben eine ganz geringe Fluktuation im Kader, vor allem im Vergleich zu anderen Mannschaften. Das trifft schon eine Aussage. Der Zusammenhalt bei uns ist bemerkenswert, alle sind hier, weil sie gerne in diesem Umfeld Fußball spielen. Das spricht sich in der Region bis nach Berlin rum und macht es mir leichter, neue Spieler nach Rathenow zu holen.

DFB.de: Viele Ihrer Spieler haben über Sie auch eine Lehrstelle erhalten – wie sehr hilft der Name Kahlisch bei den Gesprächen mit den Ausbildungsbetrieben in der Region?

Kahlisch: Drei meiner Spieler sind Lehrlinge in meinen eigenen Unternehmen, aber auch da können sie sich nichts erlauben, nur weil sie am Wochenende zufällig ins Tor getroffen haben. Bei der Vermittlung an andere Ausbildungsplätze hilft der Name Kahlisch bzw., dass sie Spieler von Optik Rathenow sind, nur anfänglich, weil es für mich einfacher ist, Kontakte herzustellen. Ich sage das aber allen Spielern: Priorität haben immer Arbeit und Ausbildung, dort müssen sie sich beweisen. Ich kann Wege ebnen, aber wenn einer blöd oder faul ist, dann kann ich ihm auch nicht helfen.

DFB.de: Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Tag bei Optik Rathenow?

Kahlisch: Klar, das ist zwar schon lange her, aber natürlich weiß ich noch ziemlich genau, wie das damals war. Es war ja die Zeit der Wende und schon deswegen generell eine recht turbulente Zeit. Aber ich bin eher ein Mensch, der in der Gegenwart lebt, ich muss nicht immer von früher erzählen. Ich habe in Rathenow viel erlebt, viele aufregende und schöne Zeiten. Wenn ich daran denke, was alles war, dann freue ich mich darüber. Aber wenn ich daran denke, wie lange meine ersten Tage in Rathenow zurück liegen, bekomme ich einen Schreck, wie alt ich geworden bin. (lacht) Zu meinen Jungs sage ich das auch immer: Im Fußball geht es darum, sich immer wieder neu zu beweisen. Wir haben jetzt zwar den Landespokal gewonnen, das nächste Spiel geht deswegen aber nicht bei 1:0 für uns los.

DFB.de: Otto Rehhagel und Thomas Schaaf haben lange für Werder Bremen gearbeitet. Diese Namen werden immer wieder genannt, wenn es um Ihre lange Zeit in Rathenow geht, auch als Alex Ferguson der Regionalliga wurden Sie schon bezeichnet. Gibt es bei diesen Vergleichen einen, der Ihnen besonders schmeichelt?

Kahlisch: Mir schmeichelt, wenn die Menschen verstehen, dass ich Ingo Kahlisch heiße, dass ich meine Arbeit sehr gerne mache und große Liebe für den Fußball habe. Neben der Familie ist dieser Sport mein Lebensinhalt, und ich bin dankbar, dass dies so ist.

DFB.de: Bei Optik Rathenow fokussiert sich aufgrund Ihrer Verdienste und Vita viel auf Ingo Kahlisch. Welchen Personen wird dies nicht gerecht? Wer steht wie Sie für Optik Rathenow?

Kahlisch: Das ist für mich sehr schwierig zu beantworten, weil es tatsächlich so ist, dass meine Rolle in diesem Verein nicht klein ist. Aber natürlich ist das Ganze ein Gemeinschaftswerk. Wir haben viele Ehrenamtliche, die einen bewundernswerten Job machen, die man eigentlich erwähnen müsste. Außerdem haben wir seit fünf, sechs Jahren einen neuen Vorstand, in dem ein paar Freunde von mir mitarbeiten. Norbert Ohst von der Ohst-AG, Mario Schmeling und Volko Schulz, der hier zwei Autohäuser hat. Aber bei uns ist die Aufgabenteilung so, dass sich diese drei im Fußball nicht einmischen. Sie stellen mir großzügige und doch bescheidene Mittel zur Verfügung und geben mir das Vertrauen, dass ich damit ordentlich umgehe.

DFB.de: Sie sind Unternehmer, Sie sind Geschäftsführer und Trainer bei Optik Rathenow und außerdem noch Familienvater. Wie sieht Ihr Alltag aus, wann klingelt Ihr Wecker, wann gehen Sie abends ins Bett und was machen Sie dazwischen?

Kahlisch: Wenn ich einen normalen Tag habe, dann fahre ich um 6.30 Uhr in Potsdam los, bin dann um 7.30 Uhr in meinem Geschäft in Rathenow, fahre zum Bäcker, hole für die Jungs hier ein paar Brötchen, damit sie in Ruhe frühstücken können, wenn sie um 9 Uhr ins Geschäft kommen. Dann habe ich einen "normalen" Arbeitstag vor mir. Um 17 Uhr ist Training, um 19.30 Uhr mache ich mich auf den Weg nach Potsdam, zwischen 20.30 Uhr und 21 Uhr bin ich zu Hause. Ungefähr zweimal in der Woche kommt es vor, dass ich in Rathenow Termine habe, und wenn sich diese ziehen, dann schlafe ich bei einem Kumpel in Rathenow.

DFB.de: Haben Sie mittlerweile einen Co-Trainer?

Kahlisch: Nö, hab' ich nicht.

DFB.de: Warum nicht?

Kahlisch: Erstmal haben wir wenig Geld. Dann habe ich zwei ältere Spieler dabei, die manchmal Traineraufgaben übernehmen, beim Aufwärmprogramm in verschiedenen Gruppen zum Beispiel. Ich bin aber generell kein Freund dieser aufgeblähten Trainerstäbe. Man muss nicht für jedes Kinkerlitzchen einen Experten beschäftigen. Ich habe zwei gute Betreuer, einen Physiotherapeuten, das reicht. Ich glaube nicht, dass ich an Autorität und Glaubwürdigkeit verliere, wenn ich die Hütchen selber aufstelle und nicht hinter der Bande stehen bleibe und jemandem sage, wo er die Hütchen aufzustellen hat. Dazu bin ich durchaus selber in der Lage.

DFB.de: Das Los hat Ihnen den FSV Frankfurt beschert. Wie zufrieden sind Sie mit der Ziehung?

Kahlisch: Mein Kommentar zur Auslosung ist: Das ist kein Traumlos, aber vielleicht können wir träumen.

[bild2]

DFB.de: Von einem Sieg gegen den Vierten der abgelaufenen Zweitligasaison?

Kahlisch: Ich weiß, dass Frankfurt für uns eine riesige Herausforderung ist. Noch mal: Dieses Spiel ist für uns ein i-Tüpfelchen. Ich weiß aber, dass sich meine Jungs zusammenreißen werden und wir das Spiel nicht von vornherein abschenken. Wir werden unser Bestes geben, mal gucken, wozu das reicht.

DFB.de: Über Ihre Ziele als Trainer in Rathenow haben Sie vor einem Jahr gesagt: "Ich will mal den Verbandspokal gewinnen und im DFB-Pokal spielen." Dieses Ziel haben Sie erreicht. Muss man sich Sorgen machen – rückt mit diesen Erfolgen der Tag Ihres Abschieds näher?

Kahlisch: Die Frage ist doch eine andere. Wenn man im Leben etwas sehr gerne macht, wenn man voll dahinter steht und dies total genießt, warum sollte man dann aufhören, nur weil man einige Ziele erreicht hat. Die Frage ist also nicht, welche Ziele ich erreicht habe, sondern ob ich gerne Trainer von Optik Rathenow bin.

DFB.de: Sie könnten ja auch gerne Trainer eines anderen Vereins sein.

Kahlisch: Ich mag zwar ein Spinner sein, aber ich bin kein Phantast: Etliche Angebote aus der Bundesliga werde ich wohl nicht mehr erhalten. Und auch sonst reizen mich andere Angebote nicht, nur weil sie möglicherweise höher dotiert sind. Ich sage immer, dass man an einem Tag nicht mehr als zwei Schnitzel essen kann. Und warum sollte ich zu einem anderen Verein in der Regionalliga gehen, der dann vielleicht ein halbes Jahr später Insolvenz anmeldet. Mich zieht es aus Rathenow einfach nicht weg, ich habe hier meinen Betrieb, meine Lehrlinge, meinen Verein und meine Verantwortung. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich die Frage, ob ich gerne Trainer bei Optik Rathenow bin, in absehbarer Zeit mit "Nein" beantworten werde.