Ralph Vollmers: Auf Umwegen zum Schiedsrichter

Der kleine Fußball ist in Deutschland riesengroß. In fast 26.000 Vereinen wird unter dem Dach des DFB Fußball gespielt, im Schnitt finden 4400 Spiele statt - pro Tag. Das Rampenlicht gehört normalerweise den Stars aus der Bundesliga, der Nationalmannschaft, den Klubs wie Bayern München, Borussia Dortmund oder Schalke 04. Die heimlichen Helden aber spielen woanders, in der Verbands-, Bezirks-, Kreisliga, auf kleinen Sportplätzen, mit hingebungsvollen Ehrenamtlichen an ihrer Seite. Sie alle haben eines gemeinsam: die Liebe zum Fußball.

Diesen heimlichen Helden widmet sich DFB.de in seiner neuen Serie. Auf der Reise durch die Republik stellt die Redaktion jeden Dienstag einen Amateurverein vor - ob aufstrebender Newcomer oder gestrauchelter Traditionsklub, ob kleiner Dorf- oder städtischer Großverein, ob Oberligist oder C-Ligist, ob Jugendspielgemeinschaft oder reine Hobbytruppe. Wir zeigen, wie besonders der deutsche Fußball-Alltag ist. Heute: Ralph Vollmers, der Hamburger Schiedsrichter des Jahres 2009.

Hamburger Schiedsrichter des Jahres 2009

Ralph Vollmers hat sich einen Namen gemacht. Im Jahre 2009 wurde er vom Onlineportal Fußball-Hamburg zum Hamburger Schiedsrichter des Jahres gewählt. Im vergangenen Jahr sogar von den Lesern der Bild-Hamburg. Spricht man den 44-Jährigen darauf an, kann er sich ein stolzes Grinsen nicht verkneifen. "Das bedeutet mir viel. Es ist eine Anerkennung für die Arbeit, die man jede Woche leistet", sagt er im Gespräch mit DFB.de.

Der Unparteiische fing verhältnismäßig spät mit dem Pfeifen an. Bis er 28 Jahre alt war, spielte er noch beim SV Börnsen in der Oberliga. "Dann gab es einen Trainerwechsel und der Spaß blieb auf der Strecke", sagt er rückblickend. Der Verein fragte ihn, ob er lieber als Jugendtrainer tätig werden möchte. "Das kam für mich überhaupt nicht in Frage. Ich sagte spaßeshalber, ich würde sogar eher Schiedsrichter werden als Trainer", erinnert er sich.

Ralph Vollmers ahnte nicht, wie wörtlich man seine Aussage nehmen würde: "Drei Wochen später rief unsere Obfrau bei mir an und sagte, sie habe mich für den Schiedsrichterlehrgang angemeldet." So begann eine erfolgreiche Schiedsrichterlaufbahn auf die unfreiwillige Art und Weise.

Erstes Spiel, erste Absage

An den dreitägigen Schiedsrichterlehrgang denkt Ralph Vollmers gerne zurück. "Als langjähriger Fußballer dachte ich, die Regeln zu kennen. Dabei war ich doof wie eine Hupe", gibt er lachend zu. Mit der kompletten Regelkunde im Kopf stand bald sein erstes Spiel an. Ein wenig aufgeregt, aber voller Vorfreude, machte er sich auf zum Sportplatz. "Kaum war ich angekommen, klingelte mein Telefon und mir wurde mitgeteilt, dass das Spiel ausfallen würde. Man habe nicht genug Spieler zusammenbekommen. Ein wenig enttäuscht war ich schon", gibt er zu.

Glücklicherweise blieb das die Ausnahme. Ralph Vollmers pfiff sich von der B-Jugend bis hoch in die Oberliga Hamburg, der stärksten Spielklasse der Stadt. "Die Schiedsrichterei hat viel mit Psychologie zu tun", lautet seine Erfahrung. "Ich muss auf 22 Spieler mit unterschiedlichen Charakteren eingehen und die Emotionen beruhigen."

Ohne Fußball würde etwas fehlen

Die Emotionen kochen nicht nur bei Spielern und Trainern, sondern oftmals auch bei den Zuschauern über. Ralph Vollmers blieb von solchen Erfahrungen nicht verschont. Ein Oberligaspiel zwischen SC Vorwärts/Wacker Billstedt und Altona 93 war ein unschönes Beispiel. Kurz vor Spielende pfiff er einen umstrittenen Elfmeter für Altona 93, die dadurch mit 3:2 gewannen. "Einige Zuschauer waren etwas heißblütig und vermutlich auch betrunken", so Vollmers. Diese Menschen stürmten auf ihn zu und wollten ihn verprügeln. "Hätten mich die Spieler nicht beschützt und einen Kreis um mich gebildet, wäre das böse ausgegangen", glaubt er.

In solchen Momenten überlegt sogar ein Fußballverrückter wie Ralph Vollmers, warum er sich das Woche für Woche antut. Die 25 Euro plus Fahrgeld, die ein Schiedsrichter in der Oberliga pro Spiel verdient, dürften kaum der Grund sein. "Fußball ist mein Sport. Mir würde etwas fehlen", erklärt er. "Es ist der perfekte Ausgleich zu meinem Beruf als Versicherungsangestellter."

"Beim Futsal pfeife ich mit meiner Frau zusammen"

Ralph Vollmers hat gelernt, mit Emotionen anderer Menschen umzugehen. Beschweren sich Spieler und Trainer über ihn, bleibt er ganz gelassen. "So lange eine gewisse Grenze nicht überschritten und niemand beleidigt wird, ist das völlig in Ordnung", sagt er.

Auch das unschöne Verhalten vereinzelter Zuschauer lässt er ins Leere laufen. Sogar wenn er von jemandem mit einem gefüllten Trinkbecher beworfen wird. "Einmal habe ich mich umgedreht und gerufen, Alkohol sei zum Saufen und nicht zum Werfen da. Die Zuschauer fanden das lustig. Von diesem Zeitpunkt an war das ganz entspannt."

Glücklicherweise gehören solche Vorfälle ohnehin der Seltenheit an. Laut Ralph Vollmers, der rund drei Spiele pro Monat leitet, überwiegen die schönen Momente. Besonders wenn seine Ehefrau, die ebenfalls als Schiedsrichterin tätig ist, und sein kleiner Sohn am Spielfeldrand zuschauen. "Beim Futsal pfeife ich sogar mit meiner Frau zusammen. Das funktioniert sehr gut", sagt er.

Zum Abschluss ein Pokalfinale?

Ralph Vollmers macht keinen Hehl darum, dass er gerne auch in der Bundesliga gepfiffen hätte. "Aber dafür habe ich zu spät angefangen", weiß er. Tränen vergießt er deswegen nicht. Auch so hatte er beeindruckende Erlebnisse. "Vor einigen Jahren pfiff ich ein Oberligaspiel zwischen Emden und Neumünster vor 2500 Zuschauern. Die Kulisse brachte Stimmung, es hat richtig gekribbelt", sagt er mit leuchtenden Augen.

Sein Wunsch ist es, einmal das Oddset-Pokalfinale in Hamburg zu pfeifen: "Da kommen 5000 Zuschauer. Das wäre ein tolles Karriereende." Die Hamburger Fußballer hoffen, dass es bis zum Ende seiner Karriere noch einige Jahre dauern wird.

Das meinen DFB.de-User

"Solche Schiris braucht der Fußball, nicht nur fachlich kompetent, sondern auch noch sympathisch und immer für einen guten Spruch zu haben. So etwas kommt bei jedem Fußballer gut an. Ich hoffe mit Dir, dass Du noch einmal das Hamburger Pokalendspiel pfeifen darfst, verdient hast Du es allemal." (Jörn Wilkens, Glinde)

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Der kleine Fußball ist in Deutschland riesengroß. In fast 26.000 Vereinen wird unter dem Dach des DFB Fußball gespielt, im Schnitt finden 4400 Spiele statt - pro Tag. Das Rampenlicht gehört normalerweise den Stars aus der Bundesliga, der Nationalmannschaft, den Klubs wie Bayern München, Borussia Dortmund oder Schalke 04. Die heimlichen Helden aber spielen woanders, in der Verbands-, Bezirks-, Kreisliga, auf kleinen Sportplätzen, mit hingebungsvollen Ehrenamtlichen an ihrer Seite. Sie alle haben eines gemeinsam: die Liebe zum Fußball.

Diesen heimlichen Helden widmet sich DFB.de in seiner neuen Serie. Auf der Reise durch die Republik stellt die Redaktion jeden Dienstag einen Amateurverein vor - ob aufstrebender Newcomer oder gestrauchelter Traditionsklub, ob kleiner Dorf- oder städtischer Großverein, ob Oberligist oder C-Ligist, ob Jugendspielgemeinschaft oder reine Hobbytruppe. Wir zeigen, wie besonders der deutsche Fußball-Alltag ist. Heute: Ralph Vollmers, der Hamburger Schiedsrichter des Jahres 2009.

Hamburger Schiedsrichter des Jahres 2009

Ralph Vollmers hat sich einen Namen gemacht. Im Jahre 2009 wurde er vom Onlineportal Fußball-Hamburg zum Hamburger Schiedsrichter des Jahres gewählt. Im vergangenen Jahr sogar von den Lesern der Bild-Hamburg. Spricht man den 44-Jährigen darauf an, kann er sich ein stolzes Grinsen nicht verkneifen. "Das bedeutet mir viel. Es ist eine Anerkennung für die Arbeit, die man jede Woche leistet", sagt er im Gespräch mit DFB.de.

Der Unparteiische fing verhältnismäßig spät mit dem Pfeifen an. Bis er 28 Jahre alt war, spielte er noch beim SV Börnsen in der Oberliga. "Dann gab es einen Trainerwechsel und der Spaß blieb auf der Strecke", sagt er rückblickend. Der Verein fragte ihn, ob er lieber als Jugendtrainer tätig werden möchte. "Das kam für mich überhaupt nicht in Frage. Ich sagte spaßeshalber, ich würde sogar eher Schiedsrichter werden als Trainer", erinnert er sich.

Ralph Vollmers ahnte nicht, wie wörtlich man seine Aussage nehmen würde: "Drei Wochen später rief unsere Obfrau bei mir an und sagte, sie habe mich für den Schiedsrichterlehrgang angemeldet." So begann eine erfolgreiche Schiedsrichterlaufbahn auf die unfreiwillige Art und Weise.

Erstes Spiel, erste Absage

An den dreitägigen Schiedsrichterlehrgang denkt Ralph Vollmers gerne zurück. "Als langjähriger Fußballer dachte ich, die Regeln zu kennen. Dabei war ich doof wie eine Hupe", gibt er lachend zu. Mit der kompletten Regelkunde im Kopf stand bald sein erstes Spiel an. Ein wenig aufgeregt, aber voller Vorfreude, machte er sich auf zum Sportplatz. "Kaum war ich angekommen, klingelte mein Telefon und mir wurde mitgeteilt, dass das Spiel ausfallen würde. Man habe nicht genug Spieler zusammenbekommen. Ein wenig enttäuscht war ich schon", gibt er zu.

Glücklicherweise blieb das die Ausnahme. Ralph Vollmers pfiff sich von der B-Jugend bis hoch in die Oberliga Hamburg, der stärksten Spielklasse der Stadt. "Die Schiedsrichterei hat viel mit Psychologie zu tun", lautet seine Erfahrung. "Ich muss auf 22 Spieler mit unterschiedlichen Charakteren eingehen und die Emotionen beruhigen."

Ohne Fußball würde etwas fehlen

Die Emotionen kochen nicht nur bei Spielern und Trainern, sondern oftmals auch bei den Zuschauern über. Ralph Vollmers blieb von solchen Erfahrungen nicht verschont. Ein Oberligaspiel zwischen SC Vorwärts/Wacker Billstedt und Altona 93 war ein unschönes Beispiel. Kurz vor Spielende pfiff er einen umstrittenen Elfmeter für Altona 93, die dadurch mit 3:2 gewannen. "Einige Zuschauer waren etwas heißblütig und vermutlich auch betrunken", so Vollmers. Diese Menschen stürmten auf ihn zu und wollten ihn verprügeln. "Hätten mich die Spieler nicht beschützt und einen Kreis um mich gebildet, wäre das böse ausgegangen", glaubt er.

In solchen Momenten überlegt sogar ein Fußballverrückter wie Ralph Vollmers, warum er sich das Woche für Woche antut. Die 25 Euro plus Fahrgeld, die ein Schiedsrichter in der Oberliga pro Spiel verdient, dürften kaum der Grund sein. "Fußball ist mein Sport. Mir würde etwas fehlen", erklärt er. "Es ist der perfekte Ausgleich zu meinem Beruf als Versicherungsangestellter."

"Beim Futsal pfeife ich mit meiner Frau zusammen"

Ralph Vollmers hat gelernt, mit Emotionen anderer Menschen umzugehen. Beschweren sich Spieler und Trainer über ihn, bleibt er ganz gelassen. "So lange eine gewisse Grenze nicht überschritten und niemand beleidigt wird, ist das völlig in Ordnung", sagt er.

Auch das unschöne Verhalten vereinzelter Zuschauer lässt er ins Leere laufen. Sogar wenn er von jemandem mit einem gefüllten Trinkbecher beworfen wird. "Einmal habe ich mich umgedreht und gerufen, Alkohol sei zum Saufen und nicht zum Werfen da. Die Zuschauer fanden das lustig. Von diesem Zeitpunkt an war das ganz entspannt."

Glücklicherweise gehören solche Vorfälle ohnehin der Seltenheit an. Laut Ralph Vollmers, der rund drei Spiele pro Monat leitet, überwiegen die schönen Momente. Besonders wenn seine Ehefrau, die ebenfalls als Schiedsrichterin tätig ist, und sein kleiner Sohn am Spielfeldrand zuschauen. "Beim Futsal pfeife ich sogar mit meiner Frau zusammen. Das funktioniert sehr gut", sagt er.

Zum Abschluss ein Pokalfinale?

Ralph Vollmers macht keinen Hehl darum, dass er gerne auch in der Bundesliga gepfiffen hätte. "Aber dafür habe ich zu spät angefangen", weiß er. Tränen vergießt er deswegen nicht. Auch so hatte er beeindruckende Erlebnisse. "Vor einigen Jahren pfiff ich ein Oberligaspiel zwischen Emden und Neumünster vor 2500 Zuschauern. Die Kulisse brachte Stimmung, es hat richtig gekribbelt", sagt er mit leuchtenden Augen.

Sein Wunsch ist es, einmal das Oddset-Pokalfinale in Hamburg zu pfeifen: "Da kommen 5000 Zuschauer. Das wäre ein tolles Karriereende." Die Hamburger Fußballer hoffen, dass es bis zum Ende seiner Karriere noch einige Jahre dauern wird.

Das meinen DFB.de-User

"Solche Schiris braucht der Fußball, nicht nur fachlich kompetent, sondern auch noch sympathisch und immer für einen guten Spruch zu haben. So etwas kommt bei jedem Fußballer gut an. Ich hoffe mit Dir, dass Du noch einmal das Hamburger Pokalendspiel pfeifen darfst, verdient hast Du es allemal." (Jörn Wilkens, Glinde)