Philipp Lahm: "Wir wollen den zehnten Sieg"

Philipp Lahm ist Kapitän. Bei der Nationalmannschaft und beim FC Bayern München. Fußball ist sein Beruf, Fußball ist seine Leidenschaft. Doch gibt es für ihn auch andere Themen. Welche? Im DFB.de-Gespräch der Woche mit Redakteur Steffen Lüdeke redet er über die Wechselwirkung zwischen Nation und Nationalmannschaft, über fehlende Höflichkeit und natürlich auch über die EM-Qualifikation und das Spiel gegen Belgien.

DFB.de: Herr Lahm, heute spielen Sie in Düsseldorf mit der Nationalmannschaft gegen Belgien, der Kreis schließt sich. Mit dem Hinspiel in Belgien begann die EM-Qualifikation. Hätten Sie damals gedacht, dass Sie zum Abschluss der Qualifikation die Möglichkeit haben, mit dem zehnten Sieg in Serie Historisches zu schaffen?

Philipp Lahm: Nein, die Auslosung war ja gar nicht so leicht. Mit Belgien und Österreich zwei Nachbarn von uns, dazu die Türkei – das waren drei ambitionierte Gegner. An zehn Siege in Serie war da kaum zu denken. Auch nach dem Spiel in Belgien nicht. Wir haben beim 1:0 in Brüssel echt kämpfen müssen, das Spiel war relativ eng. Dass es danach so glatt laufen würde, damit konnte man nicht rechnen.

DFB.de: Bei Turnieren gibt es oft Schlüsselspiele. Gab es auch in der Qualifikation ein Schlüsselspiel?

Lahm: Mehrere Spiele waren besonders wichtig. Der Start natürlich. Wenn wir gleich Punkte liegen gelassen hätten, wären wir sofort unter Druck geraten. Auch der Sieg zu Hause gegen die Türkei war von großer Bedeutung, weil wir damit einen gewissen Abstand zu unseren Hauptkonkurrenten gewinnen konnten. Ein Knackpunkt war zudem der Sieg in Österreich. Danach war der Sack ja im Grunde schon zu.

DFB.de: Joachim Löw hat gesagt, dass er überrascht ist, dass die Abstände in der deutschen Gruppe so groß sind. Sie auch?

Lahm: Ja. Am Anfang hat man gesagt, dass es auf ein Duell zwischen der Türkei und Deutschland hinauslaufen würde. Es hat sich dann aber gezeigt, dass andere Mannschaften auch auf einem ähnlichen Niveau spielen können. Deswegen haben sich unsere Gruppengegner gegenseitig viele Punkte weggenommen. Dass die Türkei zum Beispiel in Aserbaidschan verliert, damit rechnet man nicht. Ich habe Ausschnitte des Spiels gesehen. Sie hatten dort viel Pech, hatten vier, fünf Großchancen, die sie ausgelassen haben.

DFB.de: Also sind Sie eher überrascht, wie groß die Probleme der anderen Mannschaften waren, als darüber, wie erfolgreich die deutsche Mannschaft gespielt hat?



[bild1]

Philipp Lahm ist Kapitän. Bei der Nationalmannschaft und beim FC Bayern München. Fußball ist sein Beruf, Fußball ist seine Leidenschaft. Doch gibt es für ihn auch andere Themen. Welche? Im DFB.de-Gespräch der Woche mit Redakteur Steffen Lüdeke redet er über die Wechselwirkung zwischen Nation und Nationalmannschaft, über fehlende Höflichkeit und natürlich auch über die EM-Qualifikation und das Spiel gegen Belgien.

DFB.de: Herr Lahm, heute spielen Sie in Düsseldorf mit der Nationalmannschaft gegen Belgien, der Kreis schließt sich. Mit dem Hinspiel in Belgien begann die EM-Qualifikation. Hätten Sie damals gedacht, dass Sie zum Abschluss der Qualifikation die Möglichkeit haben, mit dem zehnten Sieg in Serie Historisches zu schaffen?

Philipp Lahm: Nein, die Auslosung war ja gar nicht so leicht. Mit Belgien und Österreich zwei Nachbarn von uns, dazu die Türkei – das waren drei ambitionierte Gegner. An zehn Siege in Serie war da kaum zu denken. Auch nach dem Spiel in Belgien nicht. Wir haben beim 1:0 in Brüssel echt kämpfen müssen, das Spiel war relativ eng. Dass es danach so glatt laufen würde, damit konnte man nicht rechnen.

DFB.de: Bei Turnieren gibt es oft Schlüsselspiele. Gab es auch in der Qualifikation ein Schlüsselspiel?

Lahm: Mehrere Spiele waren besonders wichtig. Der Start natürlich. Wenn wir gleich Punkte liegen gelassen hätten, wären wir sofort unter Druck geraten. Auch der Sieg zu Hause gegen die Türkei war von großer Bedeutung, weil wir damit einen gewissen Abstand zu unseren Hauptkonkurrenten gewinnen konnten. Ein Knackpunkt war zudem der Sieg in Österreich. Danach war der Sack ja im Grunde schon zu.

DFB.de: Joachim Löw hat gesagt, dass er überrascht ist, dass die Abstände in der deutschen Gruppe so groß sind. Sie auch?

Lahm: Ja. Am Anfang hat man gesagt, dass es auf ein Duell zwischen der Türkei und Deutschland hinauslaufen würde. Es hat sich dann aber gezeigt, dass andere Mannschaften auch auf einem ähnlichen Niveau spielen können. Deswegen haben sich unsere Gruppengegner gegenseitig viele Punkte weggenommen. Dass die Türkei zum Beispiel in Aserbaidschan verliert, damit rechnet man nicht. Ich habe Ausschnitte des Spiels gesehen. Sie hatten dort viel Pech, hatten vier, fünf Großchancen, die sie ausgelassen haben.

DFB.de: Also sind Sie eher überrascht, wie groß die Probleme der anderen Mannschaften waren, als darüber, wie erfolgreich die deutsche Mannschaft gespielt hat?

Lahm: Beides. Wie gesagt: Wir konnten nicht davon ausgehen, dass wir neun von neun Spielen gewinnen würden. Aber ich bin auch darüber erstaunt, wie viele Punkte unsere Konkurrenten liegen gelassen haben.

DFB.de: Beim DFB-Team läuft es in fast allen Belangen rund. Die Mannschaft ist allerdings lange nicht mehr ohne Gegentor geblieben, anders als der FC Bayern München, der mit fast identischen Spielern verteidigt. Haben Sie eine Erklärung dafür?

Lahm: In der Nationalmannschaft ist die Balance noch nicht ganz auf dem Niveau des FC Bayern. Wir erzielen extrem viele Tore, sind offensiv sehr, sehr stark. Aber defensiv haben wir manchmal Abstimmungsprobleme. Auch beim Spiel in der Türkei war zu sehen, dass nicht alle defensiv so mitarbeiten, wie wir uns das wünschen. Daran müssen wir noch arbeiten, aber zum Glück haben wir bis zur EM in Polen und der Ukraine im kommenden Jahr noch ein paar Monate Zeit. Ich bin genau wie der Bundestrainer ganz sicher, dass wir die noch vorhandenen Mängel spätestens in der Vorbereitung abstellen werden.

DFB.de: Beim letzten EM-Titel im Jahr 1996 waren Sie zwölf Jahre alt. Welche Erinnerungen haben Sie an das Turnier in England?

Lahm: Viele, und viele schöne. Ich habe so viel wie möglich Fernsehen geschaut, habe mitgefiebert und bei fast allen Spielen bis zum Schluss die Daumen gedrückt. Einmal wurde es kritisch. Als Deutschland im Halbfinale gegen England in die Verlängerung musste, wurde es für mich sehr spät. Das Spiel fand ja unter der Woche statt und ich musste am nächsten Tag in die Schule.

DFB.de: Bei der WM 1990 haben Sie Lothar Matthäus für sein Spiel bewundert. Gab es 1996 auch einen Spieler, den Sie besonders beachtet haben?

Lahm: Bei der WM in Italien hat Matthäus aus einer überragenden Mannschaft noch einmal herausgeragt. 1996? Matthias Sammer kann man vielleicht herausheben, aber insgesamt war es einfach eine starke Mannschaftsleistung. Und das Golden Goal von Oliver Bierhoff im Finale gegen Tschechien wird natürlich immer in Erinnerung bleiben.

DFB.de: Sie waren 1996 Jugend-Spieler des FC Bayern. Gab es damals Kontakt zu den Profis?

Lahm: Nur ganz am Rande. Natürlich haben wir die Europameister miterlebt, Mehmet Scholl, Christian Ziege, Markus Babbel und Thomas Strunz haben ja neben uns trainiert. Also sie auf dem Hauptplatz, und wir auf einem Nebenplatz. Da hat man halt mal über den Zaun geschaut und gestaunt. Es waren zwei Welten. Für mich war damals eine Profikarriere noch ganz weit weg, aber ich war begeisterter Fußballer und habe den Sport geliebt.

DFB.de: Dabei ist Fußball heute kein großes Thema, wenn Sie sich mit Ihren Freunden unterhalten. Warum eigentlich nicht?

Lahm: Weil ich tagtäglich, von morgens bis abends, mit Fußball zu tun habe. Ich rede gerne über Fußball, Fußball ist meine Leidenschaft. Aber ich bin froh, dass Fußball nicht das einzige Thema ist, wenn ich privat unterwegs bin. Meine Freunde wissen ganz genau, dass ich keine Lust habe, mit ihnen darüber zu diskutieren, warum ich einen Pass wohin gespielt habe. Ich finde, dass es in der Freizeit viele Themen gibt, die wichtiger sind als Fußball.

DFB.de: Zum Beispiel?

Lahm: Privates eben. Was meine Freunde erlebt haben, wie es ihnen geht, wie sie beruflich vorankommen. Solche Sachen.

DFB.de: Sie legen viel Wert auf Umgangsformen. Wenn Kinder ein Autogramm wollen, kann es schon vorkommen, dass Sie auch mal sagen, die Kids könnten höflicher sein.

Lahm: Mir wurde das so beigebracht. „Danke“ und „Bitte“ zu sagen, das ist nicht viel verlangt. Ich kenne nichts anderes. Ich finde, dass eine gewisse Höflichkeit zum respektvollen Umgang miteinander gehört.

[bild2]

DFB.de: Achten Sie auf solche Dinge auch bei Ihren Teamkollegen?

Lahm: Ja. Aber das war bisher noch nie nötig. Wir haben eine Mannschaft, die ganz genau weiß, wie man miteinander umgeht. Doch wenn ich so etwas mitbekommen würde, dann würde ich das ansprechen. Nicht vor der ganzen Mannschaft, aber ich würde das Gespräch mit demjenigen suchen.

DFB.de: Spüren Sie diese Verantwortung noch mehr, seitdem Sie Kapitän des Teams sind?

Lahm: Nein. Ich hatte schon immer den Anspruch an mich, dass ich Höflichkeit vorlebe. Das verlange ich von meinen Mannschaftskameraden, das erwarte ich von den Fans und natürlich erwarte ich das auch von mir.

DFB.de: Stimmen Sie der These zu, dass sich der Charakter einer Nation immer auch ein wenig in der Spielweise ihrer Nationalmannschaft spiegelt.

Lahm: In der Spielweise vielleicht auch. Aber das Auftreten einer Nationalmannschaft zeigt ganz sicher ein Stück weit den Zustand einer Nation. Für uns trifft dies jedenfalls zu. Wir sind jung, fröhlich, dynamisch, höflich, multi-kulti – das sind alles Attribute, die ich auch der Gesellschaft in Deutschland zuschreiben würde. Daraus entsteht dann eine Wechselwirkung. Das hat die WM 2010 gezeigt. Jeder in Deutschland konnte sich mit der Nationalmannschaft identifizieren. Weil wir guten Fußball gespielt haben uns auch außerhalb des Platzes sympathisch aufgetreten sind.

DFB.de: Sie sind Kapitän dieser sympathischen Mannschaft. Nichts gegen Ihre Vorgänger und deren Mannschaften - aber es macht schon Spaß, Kapitän gerade dieser Mannschaft zu sein?

Lahm: Ich konnte mir das ja nicht aussuchen. Aber ich finde es sehr gut, so wie es ist. Überhaupt hatte ich viel Glück, dass ich gerade in dieser Zeit Nationalspieler bin. Eine WM im eigenen Land erlebt zu haben, dass war für uns alle ein großes Glück, dafür bin ich sehr dankbar. Auch dafür, dass die Qualität in der Mannschaft so groß ist und so viele junge Spieler nachkommen. In der Vergangenheit gab es das in dieser Form selten.

DFB.de: Selten gab es auch eine vergleichbare Serie. Neun Spiele, neun Siege. Wie groß ist die Ambition, den zehnten Sieg in der EM-Qualifikation perfekt zu machen?

Lahm: Das Spiel ist für uns ein guter Test. Die Belgier haben erstens eine starke Mannschaft, zweitens geht es für sie um alles. Und wir stecken jetzt schon in der EM-Vorbereitung. Für alle Spieler geht es darum, sich einen Platz im Kader zu erspielen. Deswegen: Wir wollen dieses Spiel gewinnen. Wir haben die Möglichkeit, eine tolle Serie erfolgreich abzuschließen. Ganz klar: Wir wollen den zehnten Sieg.