Ottmar Hitzfeld: "Ich wurde zu meinem Glück gezwungen"

Nach der WM 2014 war für Ottmar Hitzfeld (67) Schluss. Sein letztes Spiel als Trainer war das WM-Achtelfinale, gegen Argentinien schied die Schweiz nach Verlängerung aus. Und ein Großer verließ die große Bühne. Zweimal hatte Hitzfeld die Schweiz zu einer WM-Endrunde geführt, und das ist nur der Schlussakt in der Liste seiner Erfolge. Sieben Mal wurde er Deutscher Meister, dreimal wurde er DFB-Pokalsieger, Meister und Pokalsieger wurde er auch in der Schweiz. Seine bedeutendsten Triumphe holte er international, mit Borussia Dortmund (1997) und Bayern München (2001) gewann er die Champions League. Bis heute ist Ottmar Hitzfeld der einzige Trainer, dem dies mit zwei Vereinen aus demselben Land gelang.

Für sein Wirken wurde Hitzfeld heute in Frankfurt vom DFB mit dem "Ehrenpreis Lebenswerk" bedacht. Mit Redakteur Steffen Lüdeke hat sich Hitzfeld über den Preis, seine Werte und sein Leben unterhalten.

DFB.de: Herr Hitzfeld, Sie erhalten den Ehrenpreis für Ihr Lebenswerk im Rahmen der DFB-Gala zum Abschluss des Fußball-Lehrer-Lehrgangs an der Hennes-Weisweiler-Akademie. Fühlen Sie sich als Exot in diesem Rahmen nicht unwohl?

Ottmar Hitzfeld: Exot? Weil ich meine Karriere beendet habe?

DFB.de: Auch. Vor allem aber, weil Sie Ihre Ausbildung nicht an der Hennes-Weisweiler-Akademie gemacht haben. Sie haben keine Fußball-Lehrer-Lizenz…

Hitzfeld: Das stimmt. Ich habe die B- und A-Lizenz in Deutschland gemacht. Aber das Nationalliga-Diplom habe ich in der Schweiz erworben. Das war beim FC Luzern, während meines letzten Jahres als aktiver Spieler. Für mich war das ideal, die Ausbildung in Köln dauerte damals zwar nur ein halbes Jahr – für einen Profi in der Schweiz wäre es dennoch unmöglich gewesen, dies parallel zu seinen Verpflichtungen als Spieler zu bewerkstelligen. In der Schweiz ließ sich beides verbinden.

DFB.de: Welches Niveau hatte die Ausbildung in der Schweiz?

Hitzfeld: Ich habe keinen Vergleich, aber mir hat die Ausbildung viel gegeben, ich habe viel gelernt. Angesichts der Größe des Landes hat die Schweiz auch im Fußball schon immer viel Wert auf die Ausbildung gelegt, davon habe ich profitiert. Die Trainerausbildung in der Schweiz orientiert sich traditionell an der Schule der Nordländer, Norwegen, Schweden - und in diesen Ländern war das Ausbildungsniveau immer sehr hoch.

DFB.de: Nicht nur während der Ausbildung wurden Sie auf die Trainerkarriere vorbereitet. Auch als Spieler haben Sie von Ihren Trainern gelernt. Von welchem Ihrer Trainer haben Sie für die spätere Trainerlaufbahn am meisten mitgenommen?

Hitzfeld: Sehr imponiert hat mir Helmut Benthaus. Beim FC Basel war er vier Jahre lang mein Coach. Er war sehr sachlich, sehr menschlich. Er hat vom Fußball viel verstanden – auch durch seine Ausbildung an der Sporthochschule Köln -, und er konnte seine Ideen und Ansätze gut vermitteln. Von ihm habe ich mir einiges abgeschaut, wenn auch eher unbewusst. Wobei ich auch von den Trainern profitiert habe, deren Arbeit mich nicht überzeugt hat. Weil ich dann wusste, dass ich so nicht arbeiten will. Auch dass ich eine andere Art haben will, mit meinen Mannschaften und Spielern umzugehen.



Nach der WM 2014 war für Ottmar Hitzfeld (67) Schluss. Sein letztes Spiel als Trainer war das WM-Achtelfinale, gegen Argentinien schied die Schweiz nach Verlängerung aus. Und ein Großer verließ die große Bühne. Zweimal hatte Hitzfeld die Schweiz zu einer WM-Endrunde geführt, und das ist nur der Schlussakt in der Liste seiner Erfolge. Sieben Mal wurde er Deutscher Meister, dreimal wurde er DFB-Pokalsieger, Meister und Pokalsieger wurde er auch in der Schweiz. Seine bedeutendsten Triumphe holte er international, mit Borussia Dortmund (1997) und Bayern München (2001) gewann er die Champions League. Bis heute ist Ottmar Hitzfeld der einzige Trainer, dem dies mit zwei Vereinen aus demselben Land gelang.

Für sein Wirken wurde Hitzfeld heute in Frankfurt vom DFB mit dem "Ehrenpreis Lebenswerk" bedacht. Mit Redakteur Steffen Lüdeke hat sich Hitzfeld über den Preis, seine Werte und sein Leben unterhalten.

DFB.de: Herr Hitzfeld, Sie erhalten den Ehrenpreis für Ihr Lebenswerk im Rahmen der DFB-Gala zum Abschluss des Fußball-Lehrer-Lehrgangs an der Hennes-Weisweiler-Akademie. Fühlen Sie sich als Exot in diesem Rahmen nicht unwohl?

Ottmar Hitzfeld: Exot? Weil ich meine Karriere beendet habe?

DFB.de: Auch. Vor allem aber, weil Sie Ihre Ausbildung nicht an der Hennes-Weisweiler-Akademie gemacht haben. Sie haben keine Fußball-Lehrer-Lizenz…

Hitzfeld: Das stimmt. Ich habe die B- und A-Lizenz in Deutschland gemacht. Aber das Nationalliga-Diplom habe ich in der Schweiz erworben. Das war beim FC Luzern, während meines letzten Jahres als aktiver Spieler. Für mich war das ideal, die Ausbildung in Köln dauerte damals zwar nur ein halbes Jahr – für einen Profi in der Schweiz wäre es dennoch unmöglich gewesen, dies parallel zu seinen Verpflichtungen als Spieler zu bewerkstelligen. In der Schweiz ließ sich beides verbinden.

DFB.de: Welches Niveau hatte die Ausbildung in der Schweiz?

Hitzfeld: Ich habe keinen Vergleich, aber mir hat die Ausbildung viel gegeben, ich habe viel gelernt. Angesichts der Größe des Landes hat die Schweiz auch im Fußball schon immer viel Wert auf die Ausbildung gelegt, davon habe ich profitiert. Die Trainerausbildung in der Schweiz orientiert sich traditionell an der Schule der Nordländer, Norwegen, Schweden - und in diesen Ländern war das Ausbildungsniveau immer sehr hoch.

DFB.de: Nicht nur während der Ausbildung wurden Sie auf die Trainerkarriere vorbereitet. Auch als Spieler haben Sie von Ihren Trainern gelernt. Von welchem Ihrer Trainer haben Sie für die spätere Trainerlaufbahn am meisten mitgenommen?

Hitzfeld: Sehr imponiert hat mir Helmut Benthaus. Beim FC Basel war er vier Jahre lang mein Coach. Er war sehr sachlich, sehr menschlich. Er hat vom Fußball viel verstanden – auch durch seine Ausbildung an der Sporthochschule Köln -, und er konnte seine Ideen und Ansätze gut vermitteln. Von ihm habe ich mir einiges abgeschaut, wenn auch eher unbewusst. Wobei ich auch von den Trainern profitiert habe, deren Arbeit mich nicht überzeugt hat. Weil ich dann wusste, dass ich so nicht arbeiten will. Auch dass ich eine andere Art haben will, mit meinen Mannschaften und Spielern umzugehen.

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DFB.de: Wissen Sie noch, wann Sie zum ersten Mal den Gedanken hatten, dass für Sie nach der Zeit als aktiver Fußballer auch eine Laufbahn als Trainer infrage kommen würde?

Hitzfeld: Genau benennen kann ich das nicht. Es war aber schon früh so, dass ich mit dem Gedanken gespielt habe, eines Tages als Trainer eine Mannschaft zu übernehmen. Aber abseits der großen Bühne. Zu meiner Zeit als Spieler hatte ich eine professionelle Karriere als Trainer nie im Sinn, das war mir fern. Mein primäres Ziel war es, nach der Karriere in den Schuldienst einzusteigen. Das habe ich ja auch versucht.

DFB.de: 1973 hatten Sie das Staatsexamen bestanden. 1983 haben Sie sich beim Schulamt Freiburg beworben.

Hitzfeld: Richtig. Aber das Schulamt hat eine Nachprüfung von mir verlangt. Und das habe ich nicht eingesehen.

DFB.de: Haben Sie je darüber nachgedacht, wie Ihr Leben verlaufen wäre, wenn Ihre Bewerbung beim Schulamt erfolgreich gewesen wäre?

Hitzfeld: Wahrscheinlich hätte ich mein Leben lang an einer Schule in Lörrach unterrichtet, aber auf jeden Fall hätte ich in der Region nebenbei Fußballmannschaften trainiert.

DFB.de: Auch nicht so schlecht.

Hitzfeld: Nein, natürlich nicht. Aber ich bin dennoch dankbar, dass es anders gekommen ist. Ich wurde zu meinem Glück gezwungen, denn es ist natürlich fantastisch, was ich im Fußball alles erleben konnte.

DFB.de: Zu Beginn Ihrer Trainerkarriere haben Sie sich eine Frist von fünf Jahren gesetzt. Danach wollten Sie Bilanz ziehen und bewerten, ob Sie eine erfolgreiche Karriere als Trainer machen können. Für diese Einschätzung haben Sie dann keine fünf Jahre benötigt.

Hitzfeld: Mein schwierigstes Jahr war mein erstes Jahr. Beim SC Zug hatte ich einen sehr speziellen Präsidenten, einen Tyrannen, der alles diktieren wollte. Meine Trainerlaufbahn begann also mit einem Kampf, und diesen Kampf habe ich gewonnen. Der Präsident ist zurückgetreten – wir haben sechs, sieben Punkte aufgeholt und sind noch in diesem Jahr Meister der Nationalliga B geworden.

DFB.de: Sie sind dann zum FC Aarau gegangen – und hatten auch dort sofort Erfolg.

Hitzfeld: Wir sind Pokalsieger in der Schweiz geworden – und fast auch Meister. Uns haben 20 Minuten gefehlt. Aber durch diese Erfolge hatte ich die Gewissheit, dass meine Art ankommt und dass ich eine Mannschaft führen kann. Daraus habe ich das Selbstvertrauen gewonnen, dass ich langfristig erfolgreich sein kann.

DFB.de: Sie haben zu einer Zeit Fußball gespielt, als noch keine Millionengehälter gezahlt wurden. Auch zu Beginn Ihrer Trainerkarriere war das noch so. Sie haben häufig über Druck gesprochen – erinnern Sie sich noch an den Zeitpunkt Ihrer Karriere, an dem Sie realisiert haben, dass der existenzielle Druck weggefallen ist?

Hitzfeld: Existenziell ist als Wort zu groß. Aber als Trainer hat man zu Beginn der Laufbahn immer die Problematik, dass die Karriere beendet sein kann, bevor sie Fahrt bekommen hat. Eine Entlassung, dann eine zweite – und schon kann es vorbei sein. Mit diesem Druck habe ich lange gelebt. Richtig befreit habe ich mich von diesem Druck erst in Deutschland. Nachdem ich mit Borussia Dortmund Deutscher Meister geworden war. Danach war mir klar, dass ich mir um meine Karriere so schnell keine Sorgen mehr machen muss.

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DFB.de: Wie befreiend war das?

Hitzfeld: Extrem.

DFB.de: Dem ersten Titel folgten viele weitere. Mit Borussia Dortmund und Bayern München haben Sie die Champions League gewonnen, dazu zahlreiche nationale Meisterschaften und Pokale. Abseits dieser Erfolge – gibt es etwas, dass Sie beim Blick auf Ihre Karriere mit ähnlich großem Stolz erfüllt?

Hitzfeld: Ich bin sehr glücklich, dass ich mir seit meinem ersten Tag als Trainer immer treu geblieben bin. Ich habe meine Mannschaften stets so geführt, wie ich selber gerne geführt worden wäre. Ich habe mich immer an den Werten, die mir wichtig waren, orientiert. Und ich habe sie vorgelebt. Dazu gehören Integrität, Loyalität, Empathie, Respekt, Solidarität. Daran hat sich von 1983 bis 2014 nichts geändert.

DFB.de: Der Trainer Hitzfeld aus dem Jahr 2014 unterscheidet sich also nicht groß vom Trainer Hitzfeld aus dem Jahr 1983.

Hitzfeld: Nicht in den wesentlichen Qualitäten.

DFB.de: Finden auch Sie das erstaunlich?

Hitzfeld: Es ist konsequent. Wie gesagt: Ich habe meine Mannschaften immer so geführt, wie ich gerne geführt worden wäre. In meiner Spielerlaufbahn hatte ich auch autoritäre Trainer, Trainer, die zudem didaktisch schwach waren. Die auch wenig Einfühlungsvermögen besessen haben. Ich wollte anders sein, und daran habe ich mich während meiner gesamten Trainerkarriere gehalten.

DFB.de: Mannschafts- und Menschenführung ist das Eine. Sie haben beim SC Zug und dem FC Aarau auch Erfolg gehabt, weil Sie taktische Neuerungen in der Schweiz eingeführt haben.

Hitzfeld: Beim SC Zug haben wir 1983 in Raumdeckung verteidigen lassen, das war ein Novum. Wir haben 4-4-2 gespielt, haben mit extremen Pressing agiert. Und nicht nur in Zug. In Aarau wurden wir dadurch zum "FC Wunder", auch gegen die großen Mannschaften haben wir Pressing gespielt, sie kamen gegen uns fast nicht aus ihrer Hälfte raus. Das hat damals für großen Wirbel gesorgt. Lange ist es her. (lacht)

DFB.de: Haben Sie für die 23 neuen Fußball-Lehrer einen allgemeinen Rat – abseits von klassischer Trainingslehre?

Hitzfeld: Im Grunde habe ich das schon beschrieben: Wichtig ist, dass Trainer authentisch bleiben. Sie müssen für ihre Überzeugungen einstehen und ihren Weg konsequent gehen. Trainer müssen Vorbild sein, wer das nicht ist, hat bei den Spielern keine Chance. In allen meinen Entscheidungen habe ich mir dies zum Maßstab gemacht.

DFB.de: Können Sie dafür ein Beispiel geben?

Hitzfeld: Zum Vorbildsein gehört Vertragstreue dazu. Zu meiner Zeit beim FC Aarau hatte ich ein Angebot von den "Millionarios", von Servette Genf. Sie hatten einen Milliardär, der sie unterstützt hat. Und er wollte mich nach Genf locken. Aber ich hatte Vertrag beim FC Aarau, und für mich kam es nicht infrage, vertragsbrüchig zu werden. Als Trainer darf man seine Glaubwürdigkeit nicht verlieren. Was will ich den Spielern noch erzählen, wenn ich den Vertrag breche, was für ein Vorbild kann ich dann noch sein? Dann ist man als Trainer gleich beschädigt. Neue Jobs kann ich nur dann übernehmen, wenn ich zu 100 Prozent hinter ihnen stehe.

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DFB.de: War das auch der Grund Ihrer Absage an den DFB? Im Jahr 2004 hatten Sie das Angebot, Bundestrainer zu werden und die Nationalmannschaft zur WM 2006 nach Deutschland zu führen.

Hitzfeld: Das war eine Verstandsentscheidung, vom Gefühl her hätte ich es gerne gemacht. Aber ich musste mich nach meiner Zeit beim FC Bayern erholen, ich hatte ein Burnout. Und der Verstand hat mir gesagt, dass man so eine Aufgabe nur angehen kann, wenn man topfit ist. Bundestrainer kann man nicht nebenbei sein.

DFB.de: Sie hatten das Angebot. Sie haben es abgelehnt. Und Sie bedauern dies nicht?

Hitzfeld: Nein. Aber zu einem passenden Zeitpunkt hätte ich dieses ehrenvolle Amt sehr gerne angenommen!

DFB.de: Nationaltrainer sind Sie dennoch geworden – in der Schweiz. Es sollte Ihre letzte Station werden, nach der WM 2014 haben Sie Ihre Karriere beendet.

Hitzfeld: Das war schon lange so geplant. Im Jahr 2013 hatte ich entschieden, dass nach dem Turnier in Brasilien für mich Schluss ist. Und ich habe damit alles richtig gemacht. Eine WM in Brasilien ist ein schöner und runder Abschluss meiner Laufbahn.

DFB.de: Eineinhalb Jahre sind Sie nun schon im Ruhestand. Wie schnell sind Sie seither gealtert?

Hitzfeld: Gealtert? Ich bin jünger geworden. Warum hätte ich altern sollen?

DFB.de: Weil Sie gesagt haben, dass es Ihre Mannschaften sind, die Sie jung halten. Dass die Jugend der Spieler Ihr Jungbrunnen ist.

Hitzfeld: Das ist richtig, das habe ich so ausgedrückt. Aber noch erheblicher ist, dass der Stressfaktor weggefallen ist. Und davon profitiere ich sehr. Ich kann besser schlafen. Ich kann den Tag ruhiger planen. Ich kann den Alltag besser genießen. Ich kann Fußballspiele viel entspannter betrachten. Ich habe ganz neue Freiheiten – und deshalb fühle ich mich jünger als im Sommer 2014.

DFB.de: Sie haben im Fußball fast alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Was hat Ihnen der Fußball neben Geld, Ruhm und Titeln gegeben?

Hitzfeld: Ein erfülltes Leben mit fantastischen Erlebnissen und tollen Menschen, die ich kennenlernen konnte.

DFB.de: Zum Beispiel Alex Ferguson. Zu ihm hatten Sie immer einen besonderen Draht. Existiert diese Verbindung noch heute?

Hitzfeld: Wir haben Kontakt, ja, hin und wieder schreiben wir uns.

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DFB.de: Das macht es einfacher, zu verstehen, was er sagen wollte. Über seine Aussprache haben Sie sich oft mokiert.

Hitzfeld: Stimmt. (lacht) Insbesondere am Telefon ist es fast unmöglich, ihn zu verstehen. Da ist Schreiben die sinnvollere Variante.

DFB.de: Wen würden Sie sonst nennen? Welche Freundschaften sind geblieben?

Hitzfeld: Meine engsten Mitarbeiter sind Freunde geworden, vor allem Michael Henke. Mit ihm habe ich in Dortmund und München hervorragend zusammengearbeitet. Auf ihn konnte ich mich tausendprozentig verlassen, er war total loyal und unglaublich wichtig für mich. Als Freund würde ich genauso Michael Meier bei Borussia Dortmund bezeichnen oder Uli Hoeneß bei Bayern München. Wir haben gemeinsam Siege gefeiert und Krisen überstanden. Das verbindet, und das bleibt. Meine Karriere habe ich nur machen können, weil mir an wichtigen Stellen von wichtigen Menschen wichtiges Vertrauen geschenkt wurde.

DFB.de: Auch deshalb erhalten Sie nun den Ehrenpreis für Ihr Lebenswerk. Sie stehen in einer Reihe mit Dettmar Cramer, Udo Lattek, Gero Bisanz, Otto Rehhagel und Jupp Heynckes. Welchen Stellenwert hat diese Auszeichnung für Sie?

Hitzfeld: Es macht mich unendlich stolz, dass ich mich in diese Liste einreihen kann. So etwas Großes zu schaffen – das hätte ich mir früher nicht träumen lassen. Diese Auszeichnung ist wirklich etwas Besonderes, ich freue mich sehr. Für mich ist die Ehrung auch eine Zäsur. Wenn man einen Ehrenpreis für sein Lebenswerk erhält, dann ist noch greifbarer, dass die Karriere wirklich zu Ende, dass der Job endgültig abgeschlossen ist.

DFB.de: Wie zementiert ist diese Endgültigkeit? Sie hatten vor Kurzem ein Angebot aus China…

Hitzfeld: Ein unmoralisches Angebot.

DFB.de: Kolportiert ist, der Klub Guangzhou Evergrande Ihnen bis zu 25 Millionen Euro in 18 Monaten gezahlt hätte. Zum Nachdenken hat Sie diese Zahl nicht gebracht? Sie haben nicht gezuckt?

Hitzfeld: Doch, gezuckt habe ich, das muss ich zugegen. Aber letztlich muss man sich immer fragen, welche Schwerpunkte man in seinem Leben setzt. Mit vollem Herzen wäre ich in China nicht bei der Sache gewesen. Und das wäre nicht fair gewesen. Ich habe meine Prioritäten jetzt anders gelegt. Meine Familie steht im Vordergrund, ich will die Zeit mit ihr genießen. Und die Familie ist nun mal das Wertvollste überhaupt. Kein Geld der Welt kann mir die Zeit mit ihr ersetzen.

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DFB.de: Zumal die Familie größer geworden ist. Sie sind Opa geworden.

Hitzfeld: Stolzer Opa, seit einem halben Jahr. Es ist fantastisch, das erleben zu dürfen.

DFB.de: Sie haben sehr darauf gedrängt und Ihrem Sohn ganz schön Druck gemacht.

Hitzfeld: Es hat lange gedauert, aber jetzt ist es perfekt. (lacht)

DFB.de: Das Timing passt. Sie haben Zeit, Sie können Ihre Opa-Rolle voll füllen.

Hitzfeld: Ja, das ist herrlich, besser hätte es nicht kommen können.

DFB.de: Seit 2008 waren Sie für die Schweiz als Nationaltrainer im Einsatz. Die EM 2016 wird seit Langem das erste Turnier, bei dem Sie keine Funktion haben. Wie sehr freuen Sie sich auf die EM in Frankreich?

Hitzfeld: Mehr als auf die vergangenen Turniere. Ich habe jetzt keinen Druck mehr, dieses Gefühl habe ich lange vermisst. Ich hoffe auf schönen Fußball, auf hochklassige Spiele und ein fröhliches und friedliches Fußballfest.

DFB.de: Welche Rolle trauen Sie Ihrer ehemaligen Mannschaft zu?

Hitzfeld: Rumänien, Frankreich, Albanien – die Gruppe ist machbar, der Modus kommt hinzu. Die Schweiz sollte also das Achtelfinale erreichen. Dann beginnen die K.o.-Spiele, dann hängt vieles von der Konstellation ab, auch von der Tagesform, da sind Prognosen schwierig.

DFB.de: Und was erwarten Sie von der deutschen Nationalmannschaft?

Hitzfeld: Es ist nicht so schwierig, die Ziele des Weltmeisters zu nennen. Das ist so, wie wenn man Bayern München trainiert: Man muss alles gewinnen. Diesem Druck müssen sich der Bundestrainer und seine Mannschaft stellen - das muss man aushalten. Es kann aber auch beflügeln. Als Weltmeister kann man stolz sein und mit breiter Brust ins Turnier gehen.

DFB.de: Wen sehen Sie als größte Konkurrenten der deutschen Mannschaft?

Hitzfeld: Ich glaube, dass Spanien wieder stärker geworden ist. Frankreich gehört nicht nur als Gastgeber zu den Anwärtern, sie haben schon 2014 gezeigt, wie gut sie sind. Die Italiener haben schon oft unter Beweis gestellt, dass sie eine Turniermannschaft haben. Belgien muss man auch nennen, sie sind nicht zufällig Weltranglistenerster. Es gibt also einige Kandidaten – ich bin gespannt, wer sich am Ende durchsetzen wird.

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