Oranje Berlin: Nur der Chef fiebert mit Holland

Cristiano Ronaldo oder Bastian Schweinsteiger? Robin van Persie oder Lukas Podolski? Nicklas Bendtner oder Mario Gomez? Wem die Daumen drücken? In manchem deutschen Amateurverein mit ausländischen Wurzeln kommt es während der EURO zu Interessenskonflikten. Dort können bei den deutschen Partien verschiedene Herzen in einer Brust schlagen. DFB.de stellt Beispiele vor. Heute: Oranje Berlin.

Der Vereinschef weiß, dass er heute Abend ziemlich alleine sein wird. Auch wenn er das Duell zwischen der deutschen und niederländischen Nationalmannschaft keineswegs alleine schauen wird. Viele Kinder und Eltern werden da sein, wenn Oranje Berlin auf dem Sportplatz in Charlottenburg beim Tag der offenen Tür seine Mannschaften und Trainer vorstellt und anschließend auf einer Leinwand das zweite EM-Gruppenspiel des DFB-Teams überträgt. "99 Prozent werden für Deutschland sein", sagt Michel Kooistra. Er ist Vorsitzender und Trainer bei Oranje Berlin – und er gehört zu dem übrigen Prozent, das den Niederländern die Daumen drückt.

Kooistra ist in Holland geboren, 1974, in einer Gemeinde namens Slootdorp. In der Jugend spielte er für Ajax Amsterdam, seine Kollegen hießen Kluivert, Davids, de Boer. Sie wurden später Nationalspieler und Champions-League-Sieger. Kooistra hatte seine Karriere da schon beendet, sein Knöchel war den Belastungen nach drei Bänderrissen in kurzer Zeit nicht mehr gewachsen.

In der U 16 Trainer von Jerome Boateng

Doch Kooistra blieb dem Fußball verbunden. Neben dem BWL-Studium machte er seinen Trainerschein und kümmerte sich um den Nachwuchs. 2000 kam er nach Deutschland und blieb dort hängen. Er heiratete, wurde Vater einer Tochter. Als Trainer arbeitete Kooistra zunächst in Ingolstadt, dann in der Jugendabteilung von Hertha BSC, wo er in der U 16 unter anderem den heutigen Nationalverteidiger Jerome Boateng unter seinen Fittichen hatte. "Jerome war ein sehr ruhiger Spieler, sein großes Potenzial war damals schon zu erkennen", erinnert sich Kooistra: "Er ist einen tollen Weg gegangen."

Auch Kooistra ging irgendwann. Weg von Hertha, weg vom Profifußball. Erfolgsbesessenheit, Druck und Verbissenheit waren ihm zu groß. "Deutschland hat eine sehr leistungsorientierte Gesellschaft", meint er. Die Freude, die Lockerheit, das Verspielte kommen ihm bisweilen zu kurz. Gerade im Jugendfußball. "Die Kreativität wird den Kindern schnell abgewöhnt", sagt der 37-Jährige. Darum baute er eine eigene Fußballschule auf und gründete 2009 Oranje Berlin.

Mit sechs Mannschaften fingen Kooistra und seine Mitstreiter an, drei Jahre später sind es 13 Teams und insgesamt 150 Kinder. Es könnten noch mehr Mannschaften sein, "aber es ist schwierig, ehrenamtliche Trainer zu finden".

Neben der Spielfreude zählen Respekt, Toleranz und Zuverlässigkeit

Zur kommenden Saison hat Oranje erstmals eine C-Jugend. Auf Dauer möchte Kooistra auch ein Männerteam aufbauen, ausschließlich mit Spielern aus den eigenen Reihen. Mit seiner Fußballschule arbeitet der Niederländer regelmäßig an Grundschulen, um weitere Kinder für den Fußball zu begeistern. Im August startet ein neues Projekt, in dem Schulmannschaften gebildet werden sollen, die für Oranje Berlin im offiziellen Spielbetrieb starten.

Kooistras Rezept? "Der Ton macht die Musik", sagt er und erklärt: "Wir gehen mit den Kindern sehr liebevoll um und verhalten uns nicht wie Proleten." Der Verein hat einen Verhaltenskodex entwickelt, an den sich Vorstand, Mitglieder, Spieler und Eltern zu halten haben. Respekt, Toleranz, Fairness und Zuverlässigkeit sind die zentralen Punkte. "Natürlich wollen wir über den Spaß und die Freude auch Erfolg entwickeln", sagt Kooistra, "aber ob wir in einem tollen Spiel 6:5 gewinnen oder 5:6 verlieren, ist letztlich egal."

"Wenn Deutschland gut spielt und gewinnt, kann ich damit leben"


[bild1] Cristiano Ronaldo oder Bastian Schweinsteiger? Robin van Persie oder Lukas Podolski? Nicklas Bendtner oder Mario Gomez? Wem die Daumen drücken? In manchem deutschen Amateurverein mit ausländischen Wurzeln kommt es während der EURO zu Interessenskonflikten. Dort können bei den deutschen Partien verschiedene Herzen in einer Brust schlagen. DFB.de stellt Beispiele vor. Heute: Oranje Berlin.

Der Vereinschef weiß, dass er heute Abend ziemlich alleine sein wird. Auch wenn er das Duell zwischen der deutschen und niederländischen Nationalmannschaft keineswegs alleine schauen wird. Viele Kinder und Eltern werden da sein, wenn Oranje Berlin auf dem Sportplatz in Charlottenburg beim Tag der offenen Tür seine Mannschaften und Trainer vorstellt und anschließend auf einer Leinwand das zweite EM-Gruppenspiel des DFB-Teams überträgt. "99 Prozent werden für Deutschland sein", sagt Michel Kooistra. Er ist Vorsitzender und Trainer bei Oranje Berlin – und er gehört zu dem übrigen Prozent, das den Niederländern die Daumen drückt.

Kooistra ist in Holland geboren, 1974, in einer Gemeinde namens Slootdorp. In der Jugend spielte er für Ajax Amsterdam, seine Kollegen hießen Kluivert, Davids, de Boer. Sie wurden später Nationalspieler und Champions-League-Sieger. Kooistra hatte seine Karriere da schon beendet, sein Knöchel war den Belastungen nach drei Bänderrissen in kurzer Zeit nicht mehr gewachsen.

In der U 16 Trainer von Jerome Boateng

Doch Kooistra blieb dem Fußball verbunden. Neben dem BWL-Studium machte er seinen Trainerschein und kümmerte sich um den Nachwuchs. 2000 kam er nach Deutschland und blieb dort hängen. Er heiratete, wurde Vater einer Tochter. Als Trainer arbeitete Kooistra zunächst in Ingolstadt, dann in der Jugendabteilung von Hertha BSC, wo er in der U 16 unter anderem den heutigen Nationalverteidiger Jerome Boateng unter seinen Fittichen hatte. "Jerome war ein sehr ruhiger Spieler, sein großes Potenzial war damals schon zu erkennen", erinnert sich Kooistra: "Er ist einen tollen Weg gegangen."

Auch Kooistra ging irgendwann. Weg von Hertha, weg vom Profifußball. Erfolgsbesessenheit, Druck und Verbissenheit waren ihm zu groß. "Deutschland hat eine sehr leistungsorientierte Gesellschaft", meint er. Die Freude, die Lockerheit, das Verspielte kommen ihm bisweilen zu kurz. Gerade im Jugendfußball. "Die Kreativität wird den Kindern schnell abgewöhnt", sagt der 37-Jährige. Darum baute er eine eigene Fußballschule auf und gründete 2009 Oranje Berlin.

Mit sechs Mannschaften fingen Kooistra und seine Mitstreiter an, drei Jahre später sind es 13 Teams und insgesamt 150 Kinder. Es könnten noch mehr Mannschaften sein, "aber es ist schwierig, ehrenamtliche Trainer zu finden".

Neben der Spielfreude zählen Respekt, Toleranz und Zuverlässigkeit

[bild2] Zur kommenden Saison hat Oranje erstmals eine C-Jugend. Auf Dauer möchte Kooistra auch ein Männerteam aufbauen, ausschließlich mit Spielern aus den eigenen Reihen. Mit seiner Fußballschule arbeitet der Niederländer regelmäßig an Grundschulen, um weitere Kinder für den Fußball zu begeistern. Im August startet ein neues Projekt, in dem Schulmannschaften gebildet werden sollen, die für Oranje Berlin im offiziellen Spielbetrieb starten.

Kooistras Rezept? "Der Ton macht die Musik", sagt er und erklärt: "Wir gehen mit den Kindern sehr liebevoll um und verhalten uns nicht wie Proleten." Der Verein hat einen Verhaltenskodex entwickelt, an den sich Vorstand, Mitglieder, Spieler und Eltern zu halten haben. Respekt, Toleranz, Fairness und Zuverlässigkeit sind die zentralen Punkte. "Natürlich wollen wir über den Spaß und die Freude auch Erfolg entwickeln", sagt Kooistra, "aber ob wir in einem tollen Spiel 6:5 gewinnen oder 5:6 verlieren, ist letztlich egal."

"Wenn Deutschland gut spielt und gewinnt, kann ich damit leben"

Da ist es nur logisch, dass Kooistra die Abkehr seines Nationalteams vom "Voetbal totaal" der 70er und 80er Jahre mit dominanten Spielertypen wie Johan Cruyff oder Ruud Gullit bedauert. "Van Persie und Huntelaar könnten zusammen vorne spielen, stattdessen bietet der Trainer am Samstag gegen Dänemark sechs Verteidiger auf", moniert er.

Trotzdem hofft der Berliner Vereinsvorsitzende bei der EURO auf ein Happy End in Orange. Seinem 2. Vorsitzenden Vincent de Roos dürfte es ähnlich gehen. "Aber wenn Deutschland gut spielt und gewinnt, kann ich damit auch leben", betont Kooistra. So weit, der DFB-Auswahl für das restliche Turnier die Daumen zu drücken, möchte er allerdings nicht gehen. Dafür ist er dann doch zu sehr Niederländer. "Da kann man nicht richtig für Deutschland sein", bemerkt Michel Kooistra mit einem Lächeln. Auch wenn er damit heute Abend in Charlottenburg ziemlich allein sein wird.