"Offen sein, aber unabhängig bleiben - das funktioniert"

Am 21. Mai 2010 übernahmen Herbert Fandel und sein Stellvertreter Lutz Michael Fröhlich die Leitung der neu konzipierten DFB-Schiedsrichter-Kommission. Für die DFB-Schiedsrichter-Zeitung (SRZ) haben die Journalisten Lutz Lüttig und David Bittner mit den beiden ehemaligen FIFA-Schiedsrichtern sowie DFL-Vertreter Hellmut Krug ein Gespräch über ein arbeitsreiches Jahr geführt.

SRZ: Herr Fandel, Herr Fröhlich, Herr Krug, haben Sie sich am 15. Mai gegenseitig gratuliert?

Herbert Fandel: Warum sollten wir?

SRZ: Wenn unser Eindruck nicht täuscht, ist Ihre erste Saison in verantwortlicher Position vor allem im Profibereich geräuschlos zu Ende gegangen.

Fandel: Das stimmt. Wir sind hochzufrieden, dass unsere Top- Schiedsrichter in der Bundesliga die Saison so unaufgeregt und souverän zu Ende gebracht haben. Ich behaupte, es war eine der schwierigsten Spielzeiten der vergangenen zehn Jahre. Trotz dieser Schwierigkeiten während der Saison können wir als Verantwortliche feststellen, dass der Ausklang ohne jeden Ärger erfolgte.

SRZ: Gab es zwischendurch Phasen, in denen Sie eingreifen oder Dinge verändern mussten?

Fandel: Wir waren während der Saison sehr nah dran an den Schiedsrichtern und haben ständig Dinge verändert. Wir haben viel mit unseren Schiedsrichtern gesprochen und die Spiele zügig aufgearbeitet. Nach der Hinrunde – daraus machen wir kein Geheimnis – waren die Leistungen zwar okay, aber wir waren längst nicht mit allem zufrieden. Das haben wir den Schiedsrichtern klar gesagt. In der Rückrunde sind sie dann auf einen Kurs eingeschwenkt, der wirklich von Erfolg gekrönt war.

SRZ: Woran konkret haben Sie in der Winterpause mit den Schiedsrichtern gearbeitet?



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Am 21. Mai 2010 übernahmen Herbert Fandel und sein Stellvertreter Lutz Michael Fröhlich die Leitung der neu konzipierten DFB-Schiedsrichter-Kommission. Für die DFB-Schiedsrichter-Zeitung (SRZ) haben die Journalisten Lutz Lüttig und David Bittner mit den beiden ehemaligen FIFA-Schiedsrichtern sowie DFL-Vertreter Hellmut Krug ein Gespräch über ein arbeitsreiches Jahr geführt.

SRZ: Herr Fandel, Herr Fröhlich, Herr Krug, haben Sie sich am 15. Mai gegenseitig gratuliert?

Herbert Fandel: Warum sollten wir?

SRZ: Wenn unser Eindruck nicht täuscht, ist Ihre erste Saison in verantwortlicher Position vor allem im Profibereich geräuschlos zu Ende gegangen.

Fandel: Das stimmt. Wir sind hochzufrieden, dass unsere Top- Schiedsrichter in der Bundesliga die Saison so unaufgeregt und souverän zu Ende gebracht haben. Ich behaupte, es war eine der schwierigsten Spielzeiten der vergangenen zehn Jahre. Trotz dieser Schwierigkeiten während der Saison können wir als Verantwortliche feststellen, dass der Ausklang ohne jeden Ärger erfolgte.

SRZ: Gab es zwischendurch Phasen, in denen Sie eingreifen oder Dinge verändern mussten?

Fandel: Wir waren während der Saison sehr nah dran an den Schiedsrichtern und haben ständig Dinge verändert. Wir haben viel mit unseren Schiedsrichtern gesprochen und die Spiele zügig aufgearbeitet. Nach der Hinrunde – daraus machen wir kein Geheimnis – waren die Leistungen zwar okay, aber wir waren längst nicht mit allem zufrieden. Das haben wir den Schiedsrichtern klar gesagt. In der Rückrunde sind sie dann auf einen Kurs eingeschwenkt, der wirklich von Erfolg gekrönt war.

SRZ: Woran konkret haben Sie in der Winterpause mit den Schiedsrichtern gearbeitet?

Fandel: Unsere Schwerpunkte lagen in den Bereichen Teamarbeit sowie Körpersprache und Auftreten – da hat sich seitdem einiges getan. Es gibt Schiedsrichter, die ihre Leistung im Winter kritisch hinterfragt haben, obwohl sie zum Topbereich in Deutschland und darüber hinaus gehören. Mit einer etwas verbesserten Art ihres Auftretens konnten sie in der Rückrunde eine deutlich bessere Wirkung erzielen und wieder zu alter Stärke zurückfinden. Andere Schiedsrichter sind in den Topbereich dazugestoßen, weil sie zugehört und ihre Art verändert haben. Hinzu kommt, dass die Assistenten und Vierten Offiziellen in die Teams integriert wurden, so wie wir es uns vorstellen, indem sie ihre Möglichkeiten ausnutzten, mit dem Schiedsrichter die richtige Entscheidung zu treffen. Genau das waren unsere Schwerpunkte – und deshalb sind wir als Verantwortliche auch so zufrieden.

SRZ: Wie ist die erste Saison unter der neuen Federführung aus Sicht der Liga verlaufen?

Hellmut Krug: Ich kann das bisher Gesagte nur bestätigen: Wir haben ohne Zweifel die richtigen Dinge auf den Weg gebracht. Nachdem wir bei der WM 2010 gesehen hatten, dass insbesondere im Bereich „Teamarbeit“ vieles nicht funktionierte, stand dieses Thema bei uns mit ganz oben auf der Agenda. Dabei waren wir uns durchaus darüber im Klaren, dass eine neue Ausrichtung selten ohne Rückschläge abgeht. Tatsächlich gab es zunächst auch die eine oder andere überschießende Reaktion eines Schiedsrichter-Assistenten – dass also Assistenten in Situationen eingriffen, in denen sie ihre Kompetenz überschritten. Wir haben bei allen Stützpunkten und Lehrgängen diese Fälle thematisiert und nachjustiert. Zuletzt hatte sich die Sache sehr gut eingespielt, und die Ergebnisse sind bemerkenswert. Es wurde in den letzten Spielen keine einzige Fehlentscheidung getroffen, bei der man im Nachhinein feststellte, dass sie bei funktionierender Teamarbeit hätte vermieden werden können. Wir haben eine Entwicklung in die richtige Richtung vollzogen. In der Liga wurde außerdem festgestellt, dass insbesondere junge Schiedsrichter einen deutlichen Aufwärtstrend zeigen.

SRZ: Ist das Konzept, die Schiedsrichter möglichst jung in die Zweite Liga und dann nicht viel älter schon in die Bundesliga zu bringen, verändert worden?

Lutz Michael Fröhlich: Das Konzept ist nicht verändert, aber relativiert worden. Der Aspekt „jung“ ist nicht mehr der zentrale Punkt, auf den wir setzen, sondern die Leistung, die Entwicklung und die Qualität müssen stimmen. Dabei spielt auch die Lebenserfahrung eine große Rolle.

SRZ: Welchen Einfluss hat das auf das Beobachtungswesen? Die Coaches sollen ja nicht nur die Fehler der Schiedsrichter aufzeigen, sondern diese auch in ihrer Entwicklung unterstützen…

Fandel: Eines der zentralen Anliegen in unserem ersten Jahr war es, diejenigen Leute zu schulen, die dann anschließend unsere Schiedsrichter weiterbringen sollen. Wir wollen im Spitzenbereich der Schiedsrichter nicht die Jüngsten und Schnellsten haben, sondern die besten Persönlichkeiten, die uns garantieren, ein Spiel gut zu leiten. Andere Parameter wie zum Beispiel Fitness sind eine Selbstverständlichkeit, aber im Zentrum stehen die fachlichen Themen: Welche Reife bringt ein Schiedsrichter mit? Wie kommuniziert der Schiedsrichter mit seinen Assistenten? Wie stellt sich der Schiedsrichter im Spiel dar?

SRZ: Zur Entwicklung des einzelnen Schiedsrichters soll auch das Videoportal des DFB beitragen, in dem nach jedem Spieltag die strittigsten Entscheidungen unter den Spitzenschiedsrichtern diskutiert werden.

Fröhlich: Das System ist zwar ausgereift, aber noch nicht ausreichend für das, was wir mit unseren Schiedsrichtern geplant haben. Für das Individualcoaching wollen wir zum Beispiel ein eigenes Portal für jeden Schiedsrichter einrichten, in dem er genau diejenigen Szenen abrufen kann, die ihn selbst betreffen.

Krug: Der Schiedsrichter muss sich selbst wiederfinden. Dadurch ist die individuelle Betroffenheit größer, er sieht die aufgezeigte Fehlerproblematik nicht lediglich bei den anderen, sondern eben auch bei sich selbst. Wenn ein Schiedsrichter beispielsweise in jedem Spiel Einzelszenen wiederfindet, in denen er zu großzügig war, und er neben dem Beobachtungsbogen das nun auch in bewegten Bildern sieht, wird er sich umstellen – davon sind wir überzeugt. Weil den Coaches in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung zukommt, haben wir sie in dieser Saison intensiv geschult und werden dies auch weiterhin tun.

SRZ: Die „Ausbildung der Ausbilder“ nimmt also eine wichtige Rolle ein. Inwieweit werden diese auch in Zukunft bei ihrer Arbeit beobachtet?

Fröhlich: Die Auswertung der Beobachtungsberichte in Verbindung mit der Sichtung von Videomaterial ist viel intensiver geworden. Das darf allerdings nicht dazu führen, dass wir den Videobeobachter einführen und uns nur noch an TV-Bildern orientieren wollen.

SRZ: Welche Bedeutung hat die „Wahrheit der TV-Bilder“ bei der Beobachtung von Schiedsrichtern?

Fandel: Wir dürfen uns vor den Medien nicht verschließen, sondern wir wollen sie nutzen, um in der Schiedsrichterei voran zu kommen. Es ist ein großer Unterschied, ob ein Beobachter eine Strafraumentscheidung aus 80 Metern Entfernung bewertet, oder ob er sich zu Hause auf der DVD den Zweikampf nochmal in Ruhe anschaut. Wenn ein Beobachter im Nachhinein erkennt, dass der Schiedsrichter einen klaren Strafstoß nicht gegeben hat, kann er es nicht einfach unter den Teppich kehren, nur weil er es von der Tribüne aus nicht erkannt hatte. Vielmehr gilt es, im Anschluss zu analysieren, warum der Fehler passiert ist, und vor allem wie der Schiedsrichter ihn abstellen kann. Dafür können und müssen wir die Medien nutzen.

SRZ: Welche Qualifikation muss ein Coach in der Bundesliga haben?

Fandel: Er muss eine Führungspersönlichkeit sein. Ob er in seiner aktiven Zeit selbst FIFA-Schiedsrichter war, ist eher zweitrangig. Wir haben hochqualifizierte Leute um uns herum, die zwar als Schiedsrichter nicht im absoluten Topbereich waren, aber trotzdem in der Lage sind, in einer moderaten Art und Weise klug mit den Schiedsrichtern umzugehen und ein Spiel in einer guten Analyse zusammenzufassen. Für die kommenden Jahre würden wir uns wünschen, die Zahl geeigneter Coaches zu erweitern, um – wie bei den Schiedsrichtern – auch hier einen Leistungsgedanken einzuführen. Im Moment sind wir noch etwas knapp an geeignetem Personal.

SRZ: Wo liegt eigentlich der genaue Unterschied zwischen einem Coach und einem Beobachter?

Krug: Der Beobachter ist derjenige, der im Stadion vor Ort ist, während der Coach den Schiedsrichter individuell über einen längeren Zeitraum betreut. Der Coach hat den Gesamtüberblick über die Leistungsfähigkeit des Schiedsrichters und kanalisiert in Zusammenarbeit mit ihm seine Entwicklung. Dazu gehört auch, dass der Coach jedes Spiel mit Hilfe einer DVD gemeinsam mit dem Schiedsrichter noch einmal aufarbeitet. Mit dieser Ergänzung der Spielbeobachtung vor Ort soll das Spiel lückenlos aufbereitet werden, es gehen keine wichtigen Informationen verloren. Dennoch darf man sich nicht darauf beschränken, die Spiele nur vor dem Fernseher zu analysieren. Der Eindruck des Beobachters im Stadion ist immer noch von allergrößter Bedeutung.

SRZ: Was sind die Kompetenzen, die ein Coach im Spitzenbereich und ein Beobachter zum Beispiel im Landesverband mitbringen müssen? Was vereint sie?

Krug: Beide müssen pädagogisch in der Lage sein, mit dem Schiedsrichter Ergebnisse zu erarbeiten. Sie dürfen dem Schiedsrichter nichts aufzwingen, nur weil sie es zu ihrer aktiven Zeit selbst so gemacht haben. Als Führungspersönlichkeit, aber zugleich auf Augenhöhe, müssen die Beobachter mit dem Schiedsrichter Möglichkeiten erarbeiten, die dessen individuellem Wesen entsprechen und seine Entwicklung sicherstellen.

SRZ: In welcher Form wurde das Lehrgangskonzept in dieser Saison überarbeitet?

Fröhlich: Inhaltlich ist eine Menge passiert, es werden viel mehr Bereiche bearbeitet. Herbert Fandel befasst sich zum Beispiel mit der Körpersprache, Hellmut Krug kümmert sich um das spezielle Thema Zusammenarbeit von Schiedsrichtern mit ihren Assistenten, Lutz Wagner mit der Regelauslegung. Ich habe den Schwerpunkt auf den Umgang mit Fehlern gelegt und wie man aus ihnen lernen kann. Somit sind wir bei den Lehrgängen inhaltlich differenzierter aufgestellt, und das kommt bei den Schiedsrichtern gut an. In der Zukunft wollen wir mit den Schiedsrichtern noch zielgruppenorientierter arbeiten. Das heißt: Es wird künftig Lehrgänge geben, bei denen alle Beteiligten einer speziellen Liga zusammenkommen, also zum Beispiel alle Bundesliga-Schiedsrichter gemeinsam mit allen Bundesliga-Assistenten.

SRZ: Immer wieder wird darüber gesprochen, das Schiedsrichter-Wesen nach außen hin zu öffnen und transparenter zu machen. Wie zeigt sich das in der Praxis?

Fandel: Nachdem wir in dieser Saison an Trainer-Tagungen teilgenommen haben, wollen wir nun die Trainer bei der Vorbereitung der DVD mitarbeiten lassen, die wir vor der Saison in den Vereinen besprechen. Dabei wollen wir von ihnen wissen, wie sie bestimmte Spielsituationen aus Trainersicht bewerten. Das gehört für uns zum Beispiel zur Öffnung des Schiedsrichter-Wesens. Ich nenne es eine „Kommunikationsstrategie“, nicht die Türen zu verschließen, sondern auf die Trainer und Manager zuzugehen. Wir haben ihnen unser Konzept offengelegt, wie wir uns eine moderne Schiedsrichterei in einem so professionellen Fußball-Land wie Deutschland vorstellen und haben uns angehört, was die Trainer über unsere Schiedsrichter denken. Am Ende hatten wir sogar das Gefühl, dass wir ein wenig zusammenarbeiten können – bei aller Unterschiedlichkeit der Interessen. Es muss möglich sein, im persönlichen Gespräch – und nicht über die Presse – normal und informativ zu kommunizieren. Damit erreicht man viel mehr, als wenn man mit dem Kopf durch die Wand geht. Die Führungsspitzen der Vereine wissen, dass ich jederzeit ein offenes Ohr für sie habe und für den Dialog bereit bin. Meine bisherige Erfahrung ist: Offen zu sein und dennoch in jeder Hinsicht unabhängig zu bleiben – das funktioniert.

SRZ: Zum Thema Nachwuchsförderung: Bisher sind die Junioren-Bundesligen das Sprungbrett in den DFB. Wer dort nicht gepfiffen hat, konnte bisher kaum in die Regionalliga aufsteigen.

Fandel: Wir sind dabei, ein neues Denken zu installieren. Wir haben gesagt, das Alter spielt für den Aufstieg keine Rolle mehr. Ein Aufstieg ist – wenn er über die Persönlichkeit kommen soll – auf jeden Fall nur noch über den Herrenbereich möglich. Diese klare Botschaft haben wir von Anfang an auch an die Regional- und Landesverbände gegeben. Der Junioren-Bereich hingegen bleibt eine wunderbare Möglichkeit für junge talentierte Leute, Erfahrungen zu sammeln. Aber die notwendige Wettkampfhärte, die persönliche Ausstrahlung und die Fähigkeit zur angemessenen Kommunikation mit den Spielern erfährt man nur im Herrenbereich. In den Junioren-Wettbewerben ist der Anspruch für den Schiedsrichter in dieser Hinsicht zu gering.

SRZ: Bisher musste man als Schiedsrichter auch mindestens einmal beim Junioren-Lager in Duisburg Spiele geleitet haben, um nach oben zu kommen.

Fandel: Das ist Schnee von gestern. Die Lehrgänge in Duisburg werden weiterhin Highlights für die Schiedsrichter sein, die dort zum Einsatz kommen. Aber sie sind keine Voraussetzung mehr für einen Schiedsrichter, der irgendwann in der Bundesliga ankommen soll. Wir haben das Personalkonzept für das Turnier so umgestellt, dass künftig einige unserer Coaches aus dem Spitzenbereich dort teilnehmen werden, weil sie uns nützliche Informationen liefern können. Ihre Ergebnisse von dort sind relevant für die Schwerpunktsetzung bei künftigen Lehrgangsplanungen.

SRZ: Wie kann der DFB junge Schiedsrichter dabei unterstützen, den richtigen Weg einzuschlagen?

Fandel: Wir können zwar nicht direkt eingreifen, aber hinsehen. Jeder Schiedsrichter sollte sowohl ein privates als auch berufliches Fundament haben. Dort, wo Lücken sind, entstehen sehr schnell in irgendeiner Form Abhängigkeiten. Im Spitzenbereich allerdings muss es eine völlige Unabhängigkeit von dem Amt geben. Ein Schiedsrichter, der aus irgendeinem Grund am Wochenende pfeifen „muss“, zum Beispiel, um finanziell über die Runden zu kommen, hat den Kopf nicht frei.

Fröhlich: Diese Notwendigkeit gilt auch für die Beobachter. Sie müssen die Schiedsrichter gerecht beurteilen – ohne zum Beispiel von regionalen oder gar persönlichen Interessen geleitet zu sein. Nur so können Dinge nach außen glaubhaft kommuniziert werden. Aus diesem Grund sind wir auch in der Spitze der Schiedsrichter-Kommission mit einem Führungsteam aufgestellt, das unabhängig von jeglichen regionalen Interessen entscheiden kann. Dies war eine Grundvoraussetzung für unseren Amtsantritt.

SRZ: Ab der Saison 2012/2013 wird die Verwaltung der Regionalligen vom DFB an die Regionalverbände zurückgegeben. Welche Folgen hat das für die Schiedsrichter dieser Liga?

Fröhlich: Einige Regionalliga-Schiedsrichter werden weiterhin als Assistenten in der 2. Bundesliga und der 3. Liga zum Einsatz kommen. Diese Schiedsrichter nehmen dann an den bereits erwähnten „Liga-Lehrgängen“ des DFB teil. Die reinen Regionalliga-Schiedsrichter fallen jedoch in die Obhut der Regionalverbände. Wir werden sicherlich weiterhin unterstützend eingreifen, zum Beispiel in der Qualifizierung und zu Einzelthemen bei den Lehrgängen, aber Organisation und Zuständigkeit dafür liegen ab 2012/2013 bei den Regionalverbänden.

SRZ: Der Aufstieg von Schiedsrichtern in die 3. Liga wird demnach künftig wieder von den Regionalverbänden bestimmt?

Fandel: Ja, und diese Entwicklung halte ich auch für gesund. Dadurch rücken die Regionalverbände noch enger an den DFB heran. Es entsteht eine harmonische Struktur, denn eine enge Zusammenarbeit zwischen DFB und Regionalverbänden ist an dieser Stelle unbedingt notwendig, um die Besten nach oben zu bringen. Die tolle Arbeit der Regional- und Landesverbände, die die Basis für das gesamte Schiedsrichter-Wesen in Deutschland darstellt, wird dadurch aufgewertet. Ohne sie wäre das, was in der Spitze passiert, überhaupt nicht möglich. An der Zusammenarbeit in der abgelaufenen Saison sieht man, dass hier schon Vertrauen entstanden ist. Bei den Sitzungen unserer Kommission gibt es einen neuen Umgang untereinander. Das ist sehr wichtig, gerade wenn man Entscheidungen treffen muss, die nicht unbedingt positiv für jemanden sind.

Fröhlich: In der Zukunft wird sich die Verantwortung der Regionalobleute wieder erhöhen. Hier sind Sachverstand und Koordinationsfähigkeit unabdingbar, weil sie innerhalb der Kommission als Schnittstelle in die Verbände fungieren.

SRZ: Derzeit gibt es rund 3000 Schiedsrichterinnen. Inwieweit kann und soll dieser Bereich weiter ausgebaut werden?

Fröhlich: Gerade im Zuge der Frauen-Weltmeisterschaft gibt es eine Menge Veranstaltungen, die zur Schiedsrichterinnen-Gewinnung beitragen sollen. Darüber hinaus ist in diesem Jahr die „Danke, Schiri!“- Kampagne des DFB angelaufen, bei der auch die Schiedsrichterinnen eine wichtige Rolle spielen. Es wäre schön, wenn von der Frauen-WM auch ein Impuls zur Gewinnung neuer Schiedsrichterinnen ausgeht.

SRZ: Wie hat sich der Spitzenbereich der Schiedsrichterinnen entwickelt?

Fröhlich: Die Leistungen haben sich deutlich verbessert – was wir allerdings auch gefordert haben. Inzwischen vollzieht sich dort ein Generationenwechsel: Die jungen Schiedsrichterinnen, die nachrücken, sind von Anfang an körperlich topfit. Es ist beeindruckend zu sehen, wie die jungen Frauen den Fitnesstest absolvieren. Sie sind von Anfang an sehr leistungsorientiert.

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Fandel: Es ist uns wirklich ein Anliegen, dass die Frauen einen deutlichen Schritt nach vorne machen. Wir haben mit Bibiana Steinhaus ein tolles Aushängeschild, aber es sind viele weitere Schiedsrichterinnen dahinter, bei denen man sieht, dass sie großes Potenzial haben.

SRZ: Sollten Schiedsrichterinnen es anstreben, eher im Frauenfußball oder im Männerfußball möglichst weit zu kommen?

Fandel: Wo es im Einzelfall Sinn macht, kann eine Frau in den Profibereich bei den Männern aufsteigen. Aber wenn sich der Frauenbereich so weiterentwickelt wie in den vergangenen Jahren, glaube ich, dass man als Schiedsrichterin auch dort große Herausforderungen finden und sich sportliche Ziele setzen kann. Wir werden den Schiedsrichterinnen nicht gerecht, wenn wir von ihnen öffentlich verlangen, dass sie im Männerbereich Karriere machen müssen. Wir vergleichen schließlich auch keine 100-Meter-Läuferin mit einem 100-Meter-Läufer – das geht einfach nicht. Die Frauen-Bundesliga- Schiedsrichterinnen sind in ihrem Bereich an der Spitze, vielleicht sogar Weltspitze, und das muss man deutlich machen, ohne sie in eine Konkurrenz zu Männern zu zwingen.

SRZ: Welche Vision möchten Sie umgesetzt haben, wenn wir uns in zwölf Monaten erneut zum Interview treffen sollten?

Fandel: Ich wünsche mir, dass wir uns im Spitzenbereich der Schiedsrichterei von allen Baustellen der Vergangenheit lösen können, und dass wir mit der Schiedsrichterarbeit in Deutschland eine europaweite Vorbildfunktion darstellen, weil wir die deutschen Schiedsrichter unabhängig und fachbezogen führen.