Mustafa Hadid: Amateur in Hamburg, Volksheld in Afghanistan

Der kleine Fußball ist in Deutschland riesengroß. In fast 26.000 Vereinen wird unter dem Dach des DFB Fußball gespielt. Das Rampenlicht gehört normalerweise den Stars aus der Bundesliga und der Nationalmannschaft. Die heimlichen Helden aber spielen und engagieren sich woanders, an der Basis.

Ihnen widmet sich DFB.de jeden Dienstag in einer Serie. Sie zeigt, wie besonders der deutsche Fußballalltag ist. Heute: Mustafa Hadid - in Hamburg ist er ein Amateur, aber in Afghanistan wird er als Volksheld gefeiert.

Ein bedeutender Titelgewinn, zehntausende von Zuschauern, eine Ehrung beim Präsidenten - von solchen Erlebnissen können normalerweise nur Profis berichten. Mustafa Hadid ist eine Ausnahme. Der Rechtsverteidiger spielt in der Hamburger Oberliga für Altona 93, ist aber auch afghanischer Nationalspieler. Im September gewannen die Löwen von Khorasan, so der Spitzname der Nationalelf, die Südasienmeisterschaft in Nepal. "Es war ein schönes Erlebnis. Es ist ein Traum von jedem Fußballer, vor so einem großen Publikum zu spielen", sagt er im Gespräch mit DFB.de. Als die Mannschaft mit der Trophäe in die Heimat zurückkehrte, wurde ein offizieller Feiertag ausgerufen. Im Korso kutschierte man die Fußballer durch die Straßen, die Menschen jubelten ihnen begeistert zu. "Jeder hat uns gefeiert und mit der Fahne geschwenkt. Wir wurden als Helden dort gesehen", erinnert sich der 25-Jährige an die bewegenden Momente.

Beim HSV blieb der Durchbruch verwehrt

Allzu viele Eindrücke von der Heimat hatte Mustafa Hadid zuvor nicht gesammelt. Zwei Jahre war er alt, als die Familie nach Deutschland floh. Hier erlebte er eine schöne Jugend - war ein guter Schüler, vor allem aber ein begnadeter Fußballer. In der B-Jugend wechselte er zum HSV und spielte später sogar für die zweite Mannschaft. Der Durchbruch blieb ihm verwehrt: "Es gab einfach viele Talente wie Sidney Sam und Maxim Choupo-Moting. Von daher war es schwer, mich dort durchzusetzen." Er stellte sich auf eine Karriere als ambitionierter Amateurfußballer ein, begann zudem ein Studium im Bereich Umwelttechnik. Nicht einmal im Traum hätte er daran gedacht, später einmal vor bis zu 30.000 Zuschauern zu spielen. Bis sich der afghanische Fußballverband bei ihm meldete: "Ein anderer Nationalspieler, der auch in der Oberliga spielte, hatte mich empfohlen. Gleich im ersten Spiel gegen Sri Lanka machte ich ein Tor. Seitdem gehöre ich zur Mannschaft." Auch wenn er fast sein ganzes Leben in Deutschland verbrachte, fühlte er sich immer mit seinem Heimatland verbunden. "Wir sprachen schließlich auch zu Hause in unserer Muttersprache. Außerdem leben viele Cousins dort", führt er fort.

Und trotzdem: Als im Krisengebiet Afghanistan das erste Heimspiel seit zehn Jahren stattfand, war die Rückkehr in die Heimat mit einem komischen Bauchgefühl verbunden. "Ich hatte wirklich Angst", gibt er zu. Dass ausgerechnet der langjährige Erzfeind Pakistan zu Gast war, sorgte nicht gerade für Beruhigung. "Meine Mutter war total dagegen. Aber ich habe entschieden, hinzufliegen und für mein Land zu spielen." Die ersten Eindrücke von der Heimat waren gemischt. Einerseits fühlte er sich gut und sicher aufgehoben, andererseits war die schlimme Armut überall sichtbar. "An jeder Ecke saßen Kinder und haben gebettelt. Das hat mich schon traurig gemacht", erzählt er.

Das brisante Spiel fand unter höchsten Sicherheitsbestimmungen statt. Schwer bewaffnete Polizisten und Soldaten bildeten einen Kreis um das Stadion in der Hauptstadt Kabul. In diesen 90 Minuten ging es um weit mehr als nur Sport. Weil sich die beiden verfeindeten Länder politisch annähern, sollte das Freundschaftsspiel ein Zeichen setzen. Letztendlich gewannen die Afghanen souverän mit 3:0. "Afghanistan wurde politisch lange unterdrückt von Pakistan", erklärt Hadid. "Für uns Spieler war es schön, mit diesem Sieg für das Volk wieder etwas gut zu machen." Überhaupt befindet sich die afghanische Nationalmannschaft seitdem auf einer Welle des Triumphs. Nur 22 Tage später gab es die Südasienmeisterschaft zu feiern. Seine Vereinskameraden aus Hamburg haben alles per Internet verfolgt. "Es ist natürlich eine tolle Sache, dass ein Spieler von Altona 93 so im Rampenlicht steht", sagt Manager Andre Jütting, der Mustafa als einen zielstrebigen Fußballer mit toller Einstellung beschreibt.

Die Asienmeisterschaft 2015 ist sein Ziel

Die Erfolgsgeschichte der afghanische Nationalmannschaft soll noch längst nicht abgeschlossen sein. 2015 findet die Asienmeisterschaft in Australien statt. Mustafa Hadid wäre mit seiner Nationalelf gerne dabei. Den Fußballern geht es nicht zuletzt darum, den Einheimischen ein Vorbild zu sein. Hadid erklärt: "Afghanistan ist ein Vielvölkerstaat. Die Menschen bekämpfen sich gegenseitig, jeder will an die Macht. Auch in unserer Mannschaft sind Spieler aus verschiedenen Völkern. Aber wir haben zusammen Erfolg gehabt. Das soll ein politischer Wendepunkt sein. Die Menschen sollen sehen, dass man etwas zählbares erreichen kann, wenn man zusammenarbeitet."

Sein Lebensmittelpunkt ist und bleibt Hamburg. Die Spiele sind hier etwas weniger brisant, die Tribünen deutlich spärlicher besetzt. "Hier kommen etwa 700 Fans. Aber dafür machen die richtig gute Stimmung", sagt er lächelnd. Der Traditionsverein zählt zu den stärksten Mannschaften der Liga. Mustafa Hadid traut seiner Truppe die Meisterschaft und den Aufstieg in die Regionalliga zu. "Es wäre schön, wenn wir das packen würden", sagt er. Spätestens dann wäre er auch für die Menschen in Altona ein Held.

[oj]

Der kleine Fußball ist in Deutschland riesengroß. In fast 26.000 Vereinen wird unter dem Dach des DFB Fußball gespielt. Das Rampenlicht gehört normalerweise den Stars aus der Bundesliga und der Nationalmannschaft. Die heimlichen Helden aber spielen und engagieren sich woanders, an der Basis.

Ihnen widmet sich DFB.de jeden Dienstag in einer Serie. Sie zeigt, wie besonders der deutsche Fußballalltag ist. Heute: Mustafa Hadid - in Hamburg ist er ein Amateur, aber in Afghanistan wird er als Volksheld gefeiert.

Ein bedeutender Titelgewinn, zehntausende von Zuschauern, eine Ehrung beim Präsidenten - von solchen Erlebnissen können normalerweise nur Profis berichten. Mustafa Hadid ist eine Ausnahme. Der Rechtsverteidiger spielt in der Hamburger Oberliga für Altona 93, ist aber auch afghanischer Nationalspieler. Im September gewannen die Löwen von Khorasan, so der Spitzname der Nationalelf, die Südasienmeisterschaft in Nepal. "Es war ein schönes Erlebnis. Es ist ein Traum von jedem Fußballer, vor so einem großen Publikum zu spielen", sagt er im Gespräch mit DFB.de. Als die Mannschaft mit der Trophäe in die Heimat zurückkehrte, wurde ein offizieller Feiertag ausgerufen. Im Korso kutschierte man die Fußballer durch die Straßen, die Menschen jubelten ihnen begeistert zu. "Jeder hat uns gefeiert und mit der Fahne geschwenkt. Wir wurden als Helden dort gesehen", erinnert sich der 25-Jährige an die bewegenden Momente.

Beim HSV blieb der Durchbruch verwehrt

Allzu viele Eindrücke von der Heimat hatte Mustafa Hadid zuvor nicht gesammelt. Zwei Jahre war er alt, als die Familie nach Deutschland floh. Hier erlebte er eine schöne Jugend - war ein guter Schüler, vor allem aber ein begnadeter Fußballer. In der B-Jugend wechselte er zum HSV und spielte später sogar für die zweite Mannschaft. Der Durchbruch blieb ihm verwehrt: "Es gab einfach viele Talente wie Sidney Sam und Maxim Choupo-Moting. Von daher war es schwer, mich dort durchzusetzen." Er stellte sich auf eine Karriere als ambitionierter Amateurfußballer ein, begann zudem ein Studium im Bereich Umwelttechnik. Nicht einmal im Traum hätte er daran gedacht, später einmal vor bis zu 30.000 Zuschauern zu spielen. Bis sich der afghanische Fußballverband bei ihm meldete: "Ein anderer Nationalspieler, der auch in der Oberliga spielte, hatte mich empfohlen. Gleich im ersten Spiel gegen Sri Lanka machte ich ein Tor. Seitdem gehöre ich zur Mannschaft." Auch wenn er fast sein ganzes Leben in Deutschland verbrachte, fühlte er sich immer mit seinem Heimatland verbunden. "Wir sprachen schließlich auch zu Hause in unserer Muttersprache. Außerdem leben viele Cousins dort", führt er fort.

Und trotzdem: Als im Krisengebiet Afghanistan das erste Heimspiel seit zehn Jahren stattfand, war die Rückkehr in die Heimat mit einem komischen Bauchgefühl verbunden. "Ich hatte wirklich Angst", gibt er zu. Dass ausgerechnet der langjährige Erzfeind Pakistan zu Gast war, sorgte nicht gerade für Beruhigung. "Meine Mutter war total dagegen. Aber ich habe entschieden, hinzufliegen und für mein Land zu spielen." Die ersten Eindrücke von der Heimat waren gemischt. Einerseits fühlte er sich gut und sicher aufgehoben, andererseits war die schlimme Armut überall sichtbar. "An jeder Ecke saßen Kinder und haben gebettelt. Das hat mich schon traurig gemacht", erzählt er.

Das brisante Spiel fand unter höchsten Sicherheitsbestimmungen statt. Schwer bewaffnete Polizisten und Soldaten bildeten einen Kreis um das Stadion in der Hauptstadt Kabul. In diesen 90 Minuten ging es um weit mehr als nur Sport. Weil sich die beiden verfeindeten Länder politisch annähern, sollte das Freundschaftsspiel ein Zeichen setzen. Letztendlich gewannen die Afghanen souverän mit 3:0. "Afghanistan wurde politisch lange unterdrückt von Pakistan", erklärt Hadid. "Für uns Spieler war es schön, mit diesem Sieg für das Volk wieder etwas gut zu machen." Überhaupt befindet sich die afghanische Nationalmannschaft seitdem auf einer Welle des Triumphs. Nur 22 Tage später gab es die Südasienmeisterschaft zu feiern. Seine Vereinskameraden aus Hamburg haben alles per Internet verfolgt. "Es ist natürlich eine tolle Sache, dass ein Spieler von Altona 93 so im Rampenlicht steht", sagt Manager Andre Jütting, der Mustafa als einen zielstrebigen Fußballer mit toller Einstellung beschreibt.

Die Asienmeisterschaft 2015 ist sein Ziel

Die Erfolgsgeschichte der afghanische Nationalmannschaft soll noch längst nicht abgeschlossen sein. 2015 findet die Asienmeisterschaft in Australien statt. Mustafa Hadid wäre mit seiner Nationalelf gerne dabei. Den Fußballern geht es nicht zuletzt darum, den Einheimischen ein Vorbild zu sein. Hadid erklärt: "Afghanistan ist ein Vielvölkerstaat. Die Menschen bekämpfen sich gegenseitig, jeder will an die Macht. Auch in unserer Mannschaft sind Spieler aus verschiedenen Völkern. Aber wir haben zusammen Erfolg gehabt. Das soll ein politischer Wendepunkt sein. Die Menschen sollen sehen, dass man etwas zählbares erreichen kann, wenn man zusammenarbeitet."

Sein Lebensmittelpunkt ist und bleibt Hamburg. Die Spiele sind hier etwas weniger brisant, die Tribünen deutlich spärlicher besetzt. "Hier kommen etwa 700 Fans. Aber dafür machen die richtig gute Stimmung", sagt er lächelnd. Der Traditionsverein zählt zu den stärksten Mannschaften der Liga. Mustafa Hadid traut seiner Truppe die Meisterschaft und den Aufstieg in die Regionalliga zu. "Es wäre schön, wenn wir das packen würden", sagt er. Spätestens dann wäre er auch für die Menschen in Altona ein Held.