Mittelfeldstratege Toni Kroos: "Wir spielen mit einer Idee"

Los geht's. Heute (ab 20.45 Uhr, live in der ARD) beginnt das Länderspieljahr. Deutschland spielt gegen Chile. Toni Kroos wird in Stuttgart mit dabei sein - so viel hat Bundestrainer Joachim Löw vorab verraten. Vor dem Spiel hat sich der 24-Jährige im DFB.de-Interview mit Redakteur Steffen Lüdeke über seine Entwicklung, seinen Sohn und seine Ambitionen bei der WM unterhalten.

DFB.de: Herr Kroos, Joachim Löw hat für das Länderspiel heute Abend gegen Chile vier Neulinge nominiert. Bei Ihnen liegt die erste Nominierung fast auf den Tag genau vier Jahre zurück. Erinnern Sie sich noch, wie Sie damals vor dem Spiel in München gegen Argentinien die ersten Tage im Kreis der Mannschaft erlebt haben?

Toni Kroos: Ich habe es so erlebt, wie es alle erleben, die das erste Mal bei der Nationalmannschaft sind. Natürlich ist dies etwas sehr Spezielles, natürlich ist man neugierig auf alles, was einen erwartet. Aber es war damals so, wie es heute ist: Es wird einem sehr leicht gemacht, sich gleich wohl zu fühlen.

DFB.de: Gibt es einen der Neuen, der Sie an den Toni Kroos von damals erinnert?

Kroos: So ganz genau weiß ich nicht mehr, wie ich mich damals verhalten habe. Es ist auch schwer, dies miteinander zu vergleichen. Generell ist es ja so, dass die meisten eher etwas zurückhaltend sind, wenn sie neu in eine Mannschaft kommen. Wahrscheinlich war ich genauso. Ich bin aber sicher, dass sich alle vier hier sehr gut aufgenommen fühlen. Bei der Nationalmannschaft zu sein, macht immer Spaß, das gilt vom ersten Tag an.

DFB.de: Wie hat sich das DFB-Team in der Zeit von 2010 bis heute verändert?

Kroos: Unsere gesamte Spielanlage ist in diesem Zeitraum deutlich attraktiver geworden. Wir spielen mit der Idee, die meisten Situationen spielerisch zu lösen. Im fußballerischen Bereich haben wir uns unglaublich entwickelt. Wir kombinieren viel, wir sind bestrebt, unsere Gegner zu dominieren und mit Kreativität und Zielstrebigkeit zum Erfolg zu kommen. In der Nationalmannschaft spielen mittlerweile etliche Spieler, die diese Ideen umsetzen können. Das ist ganz entscheidend: Die schönste Idee hilft ja nichts, wenn keine Spieler da sind, die sie verwirklichen können.

DFB.de: Joachim Löw hat in einer Pressekonferenz gesagt: "Toni Kroos wird auf jeden Fall spielen." Hat Sie diese Äußerung gefreut, oder sind Sie ohnehin fest davon ausgegangen, dass Sie dabei sein werden?



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Los geht's. Heute (ab 20.45 Uhr, live in der ARD) beginnt das Länderspieljahr. Deutschland spielt gegen Chile. Toni Kroos wird in Stuttgart mit dabei sein - so viel hat Bundestrainer Joachim Löw vorab verraten. Vor dem Spiel hat sich der 24-Jährige im DFB.de-Interview mit Redakteur Steffen Lüdeke über seine Entwicklung, seinen Sohn und seine Ambitionen bei der WM unterhalten.

DFB.de: Herr Kroos, Joachim Löw hat für das Länderspiel heute Abend gegen Chile vier Neulinge nominiert. Bei Ihnen liegt die erste Nominierung fast auf den Tag genau vier Jahre zurück. Erinnern Sie sich noch, wie Sie damals vor dem Spiel in München gegen Argentinien die ersten Tage im Kreis der Mannschaft erlebt haben?

Toni Kroos: Ich habe es so erlebt, wie es alle erleben, die das erste Mal bei der Nationalmannschaft sind. Natürlich ist dies etwas sehr Spezielles, natürlich ist man neugierig auf alles, was einen erwartet. Aber es war damals so, wie es heute ist: Es wird einem sehr leicht gemacht, sich gleich wohl zu fühlen.

DFB.de: Gibt es einen der Neuen, der Sie an den Toni Kroos von damals erinnert?

Kroos: So ganz genau weiß ich nicht mehr, wie ich mich damals verhalten habe. Es ist auch schwer, dies miteinander zu vergleichen. Generell ist es ja so, dass die meisten eher etwas zurückhaltend sind, wenn sie neu in eine Mannschaft kommen. Wahrscheinlich war ich genauso. Ich bin aber sicher, dass sich alle vier hier sehr gut aufgenommen fühlen. Bei der Nationalmannschaft zu sein, macht immer Spaß, das gilt vom ersten Tag an.

DFB.de: Wie hat sich das DFB-Team in der Zeit von 2010 bis heute verändert?

Kroos: Unsere gesamte Spielanlage ist in diesem Zeitraum deutlich attraktiver geworden. Wir spielen mit der Idee, die meisten Situationen spielerisch zu lösen. Im fußballerischen Bereich haben wir uns unglaublich entwickelt. Wir kombinieren viel, wir sind bestrebt, unsere Gegner zu dominieren und mit Kreativität und Zielstrebigkeit zum Erfolg zu kommen. In der Nationalmannschaft spielen mittlerweile etliche Spieler, die diese Ideen umsetzen können. Das ist ganz entscheidend: Die schönste Idee hilft ja nichts, wenn keine Spieler da sind, die sie verwirklichen können.

DFB.de: Joachim Löw hat in einer Pressekonferenz gesagt: "Toni Kroos wird auf jeden Fall spielen." Hat Sie diese Äußerung gefreut, oder sind Sie ohnehin fest davon ausgegangen, dass Sie dabei sein werden?

Kroos: Natürlich ist es schön, so etwas zu hören. Es ist eine Bestätigung für meine Entwicklung in den vergangenen Jahren. Ich habe es geschafft, bei Bayern fester Bestandteil und Leistungsträger zu sein. Und auch in den Länderspielen ist es mir gelungen, konstant auf hohem Niveau zu spielen und für unser Spiel wichtig zu sein. Ich habe mir damit ein gewisses Standing erarbeitet, das drückt sich wohl auch in der Äußerung des Bundestrainers aus.

DFB.de: Joachim Löw hat auch gesagt: "Toni hat sich wahnsinnig entwickelt." Erklären Sie uns, wie genau?

Kroos: Ich bin jetzt 24 Jahre alt, meine Entwicklung ist noch lange nicht am Ende. Und es ist doch klar, dass ich mich in einigen Bereichen auch in den vergangenen Monaten und Jahren noch verbessert habe. Alleine durch die Einflüsse der verschiedenen Trainer, zuletzt Jupp Heynckes und jetzt Pep Guardiola. Man lernt unterschiedliche Philosophien kennen, man spielt unterschiedliche Rollen. Das ist es ganz normal, dass das eigene Spiel flexibler wird. Grundsätzlich glaube ich, dass mein Spiel dominanter geworden ist, dass ich immer mehr versuche, den Rhythmus des Spiels zu gestalten und eine größere Präsenz zu haben.

DFB.de: Die größte Änderung in Ihrem Leben dürfte durch die Geburt Ihres Sohnes Leon entstanden sein. Inwieweit hat dies den Menschen und den Sportler Toni Kroos beeinflusst?

Kroos: Ich denke, dass ich mich nicht verändert habe. Es kann sein, dass die Glücksgefühle in den ersten Spielen nach der Geburt mir auch auf dem Platz noch einmal einen Schub gegeben haben. Menschlich hoffe ich, so geblieben zu sein, wie ich vorher auch war. Es ist klar, dass ich jetzt eine viel größere Verantwortung habe. Natürlich ändert sich viel. Mir fällt es jetzt noch schwerer, mich von zu Hause zu verabschieden, die Sehnsucht ist größer. Die äußeren Umstände ändern sich, das heißt aber nicht, dass sich der Charakter mit ihnen ändern würde.

DFB.de: Mehr Gelassenheit gibt Ihnen die Vaterrolle nicht? In dem Sinne, dass Ihnen mehr bewusst ist, dass Fußball zwar wichtig, die Familie aber noch viel wichtiger ist?

Kroos: Das wusste ich vorher auch schon. Ich kann das gut trennen. Die wirklich wichtigen Dinge spielen sich zu Hause ab. Dass es uns gut geht, dass alle gesund sind. Kein Titel, kein Sieg kann dies ersetzen. Durch die Geburt meines Sohnes gibt es jetzt eine Person mehr, die deutlich wichtiger ist als der Fußball.

DFB.de: In Ihren ersten Jahren bei Bayern haben Sie gesagt, dass Sie nach den Spielen viel Zeit damit verbringen, sich Ihre schlechten Szenen noch einmal anzuschauen, um daraus zu lernen. Machen Sie dies grundsätzlich heute auch noch?

Kroos: Ja, es ist nach wie vor so, dass mir meine Berateragentur nach den Spielen Zusammenschnitte ausgewählter Szenen zur Verfügung stellt. Mir hilft das, ich halte es für wichtig. So bekommt man Ideen davon, wie man sich hätte anders und besser verhalten können. Ich mache das nie direkt nach dem Spiel, aber hin und wieder unter der Woche. Wobei man es auch nicht übertreiben darf - es bringt nichts, jede einzelne Situation zu zerlegen.

DFB.de: Im Endspurt der vergangenen Saison sind Sie mit einem Muskelbündelriss ausgefallen. Wie schwer war es, im Endspiel der Champions League und im Finale des DFB-Pokals nur zugucken zu können? Und glauben Sie, dass Ihr Hunger auf Erfolg in diesem Jahr besonders groß ist - größer vielleicht als der Ihrer Bayern-Kollegen?

Kroos: Ich glaube, dass wir uns, was das angeht, alle auf einem ähnlichen Level befinden. In der Mannschaft ist zu merken, dass sich alle mit unseren Zielen identifizieren. Alle wollen die Champions League verteidigen und auch national alle Titel gewinnen. Da spielt es keine Rolle, ob ein Spieler in der vergangenen Saison bis zum Ende alle Spiele gemacht oder verletzt gefehlt hat. Es ist doch ganz klar, dass es für mich bitter war, dass ich zum Schluss nicht mehr dabei sein konnte. Ich habe bis zum Viertelfinale der Champions League alle Spiele gemacht, natürlich hätte ich dies gerne fortgesetzt. Das heißt aber nicht, dass ich mich weniger gefreut hätte. Wir haben alle Titel gewonnen, dies war für jeden Spieler, die Mannschaft und den Verein absolut großartig.

DFB.de: Heute steht das erste Länderspiel 2014 an. Wie wichtig wäre es, sich mit einem Sieg Schwung für das Jahr und die WM in Brasilien zu holen?

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Kroos: Jeder Sieg, jedes positive Spiel hilft uns. Zumal der Gegner wirklich stark ist. Nach Brasilien und Argentinien kommt in Südamerika ziemlich schnell Chile. Mein Gefühl ist, dass uns gegen Chile ein sehr schweres Spiel gegen einen sehr guten Gegner erwartet. Für uns ist es ein sehr guter Test, es ist im Grunde ja auch schon der letzte Test, bevor die unmittelbare WM-Vorbereitung beginnt.

DFB.de: Die Fans in Deutschland erwarten von der Nationalmannschaft den Titel. Wäre alles andere als der Titel auch für Sie ein Misserfolg?

Kroos: Der richtig große Erfolg wäre es nur, wenn wir Weltmeister würden. Nur muss doch jedem klar sein, dass es dafür keine Garantien geben kann. Dafür gibt es neben uns viel zu viele andere gute Nationen. Wir können auch eine gute WM spielen, wenn wir am Ende nicht ganz vorne liegen. Aber ich kann allen versprechen, dass wir alles tun werden, um so weit wie möglich zu kommen.