Mission 2012: Der lange Weg zum Titel

Die Bilder sind noch präsent, beide Szenen haben sich eingeprägt ins Gedächtnis der Fußball-Fans in Deutschland. Weil sie für große Erfolge stehen, für große Emotionen und auch, weil sie untypisch für die Protagonisten sind. 1990, beim letzten WM-Triumph einer deutschen Nationalmannschaft, stand Franz Beckenbauer im Mittelkreis des Olympiastadions in Rom. Während das Geschehen um ihn herum äußerst turbulent war, genoss der „Kaiser“ den großen Sieg mit kleinen Gesten. Einsam. Versonnen. Still. Sechs Jahre später war es der sonst meist zurückhaltende Berti Vogts, der nach dem Sieg im EM-Endspiel gegen Tschechien im Mittelpunkt stand. Der Bundestrainer feierte gemeinsam mit den deutschen Fans, im Wembley-Stadion in London initiierte er die „La Ola“. Dreimal. Ausgelassen. Extrovertiert. Anders als sonst.

Joachim Löw hat heute noch keine Vorstellung davon, wie er am 1. Juli 2012 im Olympiastadion in Kiew die ersten Augenblicke nach dem EM-Coup begehen würde. Wie der Weg dorthin aussehen könnte, ist aber seit dem 2. Dezember vorgezeichnet. Bei der Auslosung in Kiew wurden die letzten Fragezeichen beseitigt. Als Marco van Basten am Abend im Kunstpalast aus Topf zwei die Kugel mit dem Zettel der deutschen Nationalmannschaft zog, war klar: Das DFB-Team spielt dreimal in der Ukraine. Am 9. Juni in Lwiw gegen Portugal, am 13. Juni gegen die Niederlande in Charkiw und am Ende der Gruppenphase am 17. Juni gegen Dänemark, wiederum in Lwiw.

"Wir haben keine Angst"

Glückslose? Wohl kaum! „Ich glaube, dass dies die schwerste, stärkste und ausgeglichenste Gruppe des Turniers ist“, sagte Bundestrainer Löw und ist mit dieser Meinung nicht allein. Wobei für Löw die Namen der Rivalen im Grunde wenig relevant sind. Schon vor der Ziehung hatte der 51-Jährige betont, dass er weder Wunsch- noch Angstgegner hat. Wer Europameister werden will, muss schließlich jedes Team schlagen können. „Wir haben keine Angst vor den drei Nationen“, sagte Löw daher nach der Losung und hat die Lösung schon parat: „Wenn wir spielen, was wir können, müssen wir uns bestimmt nicht verstecken. Wir müssen diese Gruppe als Favorit angehen und meistern.“ An Selbstvertrauen mangelt es nicht.

Für den Bundestrainer und seinen Stab gilt es nun, ihre Stärken auszuspielen. Gegner beobachten, analysieren, Systeme und Taktiken erkennen, um das eigene Team akribisch vorzubereiten und optimal einzustellen. „Wir werden künftig natürlich auch internationale Begegnungen besuchen, in denen entscheidende Spieler der Gruppengegner zu sehen sind“, sagte Löw-Assistent Hansi Flick in Kiew. Die Trainer werden in den kommenden Wochen folglich viel reisen, die Scoutingabteilung um Urs Siegenthaler wird zusätzlich alle erdenklichen Informationen zusammentragen, am Ende wird ein lückenloses Bild stehen, das Stärken und Schwächen aller Spieler und EM-Teilnehmer aufzeigt. Die deutsche Mannschaft wird gewappnet sein – so viel steht fest.

Logistische Herausforderung

Logistisch sind die langen Wege vom Teamquartier in Danzig zu den Spielorten in der Ukraine eine Herausforderung. 620 Kilometer trennen Danzig und Lwiw, doppelt so viele Danzig und Charkiw. Seit der Auslosung steht zudem fest: Mindestens bei vier der sechs Spiele auf dem Weg zum angestrebten Titel muss die deutsche Mannschaft aus Polen ins Nachbarland reisen, im Fall des Gruppensiegs würden lediglich Viertel- und Halbfinale in Polen ausgetragen. Als umso richtiger und wichtiger erweist sich im Rückblick, dass die Mannschaft im Oktober nach Kiew geflogen ist. Für drei Tage weilte das Team in der ukrainischen Hauptstadt, um dort einen kurzen Blick auf das Stadion, die Stadt und die Menschen aus der Ukraine gewinnen zu können. Und natürlich war das Spiel gegen einen der beiden EM-Gastgeber auch dafür gedacht, Appetit auf die EURO zu wecken. Bei den Ukrainern, aber auch in den Reihen der deutschen Nationalmannschaft. 3:3 hieß es am Ende zwischen Deutschland und der Ukraine, sechs Tore in 90 Minuten, Mission erfüllt.

Diese Mission. Die Erfüllung der Mission 2012 steht noch aus. Deutschland will den Titel, und die Planungen des Weges dorthin sind weitgehend abgeschlossen. Zu einer ersten Begegnung der Nationalmannschaft kommt es am 29. und 30. Januar. Bei den Marketing-Tagen in München werden unter anderem die TV-Spots mit den DFB-Partnern gedreht, zudem stehen Foto-Shootings mit den Ausrüstern an. Sportlich beginnt das Jahr einen Monat später. Am 29. Februar ist Frankreich zum Länderspiel in Bremen zu Gast. Es wird ein Test auf hohem Niveau, ein Test gegen einen Mitfavoriten der EM. „Ganz sicher gehört Frankreich zu den Nationen, die man auf der Rechnung haben muss“, sagt Löw. Der Bundestrainer ist der Überzeugung, dass Länder wie England, Italien und eben auch Frankreich bei der EM wieder zu alter Stärke zurückfinden werden. Ohnehin zum Kreis der Favoriten zählen für Löw die Niederlande. „Es wäre ein Fehler, sich nur auf Spanien zu konzentrieren“, sagt Löw.



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Die Bilder sind noch präsent, beide Szenen haben sich eingeprägt ins Gedächtnis der Fußball-Fans in Deutschland. Weil sie für große Erfolge stehen, für große Emotionen und auch, weil sie untypisch für die Protagonisten sind. 1990, beim letzten WM-Triumph einer deutschen Nationalmannschaft, stand Franz Beckenbauer im Mittelkreis des Olympiastadions in Rom. Während das Geschehen um ihn herum äußerst turbulent war, genoss der „Kaiser“ den großen Sieg mit kleinen Gesten. Einsam. Versonnen. Still. Sechs Jahre später war es der sonst meist zurückhaltende Berti Vogts, der nach dem Sieg im EM-Endspiel gegen Tschechien im Mittelpunkt stand. Der Bundestrainer feierte gemeinsam mit den deutschen Fans, im Wembley-Stadion in London initiierte er die „La Ola“. Dreimal. Ausgelassen. Extrovertiert. Anders als sonst.

Joachim Löw hat heute noch keine Vorstellung davon, wie er am 1. Juli 2012 im Olympiastadion in Kiew die ersten Augenblicke nach dem EM-Coup begehen würde. Wie der Weg dorthin aussehen könnte, ist aber seit dem 2. Dezember vorgezeichnet. Bei der Auslosung in Kiew wurden die letzten Fragezeichen beseitigt. Als Marco van Basten am Abend im Kunstpalast aus Topf zwei die Kugel mit dem Zettel der deutschen Nationalmannschaft zog, war klar: Das DFB-Team spielt dreimal in der Ukraine. Am 9. Juni in Lwiw gegen Portugal, am 13. Juni gegen die Niederlande in Charkiw und am Ende der Gruppenphase am 17. Juni gegen Dänemark, wiederum in Lwiw.

"Wir haben keine Angst"

Glückslose? Wohl kaum! „Ich glaube, dass dies die schwerste, stärkste und ausgeglichenste Gruppe des Turniers ist“, sagte Bundestrainer Löw und ist mit dieser Meinung nicht allein. Wobei für Löw die Namen der Rivalen im Grunde wenig relevant sind. Schon vor der Ziehung hatte der 51-Jährige betont, dass er weder Wunsch- noch Angstgegner hat. Wer Europameister werden will, muss schließlich jedes Team schlagen können. „Wir haben keine Angst vor den drei Nationen“, sagte Löw daher nach der Losung und hat die Lösung schon parat: „Wenn wir spielen, was wir können, müssen wir uns bestimmt nicht verstecken. Wir müssen diese Gruppe als Favorit angehen und meistern.“ An Selbstvertrauen mangelt es nicht.

Für den Bundestrainer und seinen Stab gilt es nun, ihre Stärken auszuspielen. Gegner beobachten, analysieren, Systeme und Taktiken erkennen, um das eigene Team akribisch vorzubereiten und optimal einzustellen. „Wir werden künftig natürlich auch internationale Begegnungen besuchen, in denen entscheidende Spieler der Gruppengegner zu sehen sind“, sagte Löw-Assistent Hansi Flick in Kiew. Die Trainer werden in den kommenden Wochen folglich viel reisen, die Scoutingabteilung um Urs Siegenthaler wird zusätzlich alle erdenklichen Informationen zusammentragen, am Ende wird ein lückenloses Bild stehen, das Stärken und Schwächen aller Spieler und EM-Teilnehmer aufzeigt. Die deutsche Mannschaft wird gewappnet sein – so viel steht fest.

Logistische Herausforderung

Logistisch sind die langen Wege vom Teamquartier in Danzig zu den Spielorten in der Ukraine eine Herausforderung. 620 Kilometer trennen Danzig und Lwiw, doppelt so viele Danzig und Charkiw. Seit der Auslosung steht zudem fest: Mindestens bei vier der sechs Spiele auf dem Weg zum angestrebten Titel muss die deutsche Mannschaft aus Polen ins Nachbarland reisen, im Fall des Gruppensiegs würden lediglich Viertel- und Halbfinale in Polen ausgetragen. Als umso richtiger und wichtiger erweist sich im Rückblick, dass die Mannschaft im Oktober nach Kiew geflogen ist. Für drei Tage weilte das Team in der ukrainischen Hauptstadt, um dort einen kurzen Blick auf das Stadion, die Stadt und die Menschen aus der Ukraine gewinnen zu können. Und natürlich war das Spiel gegen einen der beiden EM-Gastgeber auch dafür gedacht, Appetit auf die EURO zu wecken. Bei den Ukrainern, aber auch in den Reihen der deutschen Nationalmannschaft. 3:3 hieß es am Ende zwischen Deutschland und der Ukraine, sechs Tore in 90 Minuten, Mission erfüllt.

Diese Mission. Die Erfüllung der Mission 2012 steht noch aus. Deutschland will den Titel, und die Planungen des Weges dorthin sind weitgehend abgeschlossen. Zu einer ersten Begegnung der Nationalmannschaft kommt es am 29. und 30. Januar. Bei den Marketing-Tagen in München werden unter anderem die TV-Spots mit den DFB-Partnern gedreht, zudem stehen Foto-Shootings mit den Ausrüstern an. Sportlich beginnt das Jahr einen Monat später. Am 29. Februar ist Frankreich zum Länderspiel in Bremen zu Gast. Es wird ein Test auf hohem Niveau, ein Test gegen einen Mitfavoriten der EM. „Ganz sicher gehört Frankreich zu den Nationen, die man auf der Rechnung haben muss“, sagt Löw. Der Bundestrainer ist der Überzeugung, dass Länder wie England, Italien und eben auch Frankreich bei der EM wieder zu alter Stärke zurückfinden werden. Ohnehin zum Kreis der Favoriten zählen für Löw die Niederlande. „Es wäre ein Fehler, sich nur auf Spanien zu konzentrieren“, sagt Löw.

Fußball „Made in Germany“ hat sich nachhaltig gewandelt

Und doch: Mit dem amtierenden Welt- und Europameister muss gerechnet werden, nach wie vor gilt Spanien für viele als Maß aller Dinge. Dennoch ist Löw optimistisch. Schon im Sommer 2010 nach dem Halbfinal-Aus in Durban hatte er eine Prognose abgegeben: „Wenn wir das nächste Mal bei einem Turnier auf Spanien treffen, dann werden wir sie besiegen.“ Löw hat damit in Worte gefasst, wovon er fest überzeugt war und ist: dass Spanien schlagbar ist.

19 Spiele später teilen die Deutschen und viele Fußball-Experten in Europa und der ganzen Welt die Einschätzung des Bundestrainers. Zwar weist die FIFA-Weltrangliste Spanien und die Niederlande als führende Nationen aus, die Wahrnehmung abseits von Zahlen und Statistiken ist aber eine andere. Beide Teams haben sich ähnlich souverän für die EM-Endrunde qualifiziert wie die deutsche Nationalmannschaft, sie haben in jüngerer Vergangenheit jedoch nicht in vergleichbarer Weise überzeugt wie Manuel Neuer und seine Vorderleute von Mesut Özil bis Miro Klose, von Bastian Schweinsteiger bis Mario Gomez, von Thomas Müller bis Mario Götze. Im Kampf um ein Ticket für die EUR0 2012 hat das von Kapitän Philipp Lahm angeführte DFB-Team alle zehn Spiele gewonnen, daneben hat die Mannschaft auch in den Testspielen gerade gegen große Gegner demonstriert, dass sich der Fußball „Made in Germany“ nachhaltig gewandelt hat: mit erstaunlicher Leichtigkeit, mit Hochgeschwindigkeitsfußball und bemerkenswerten Kombinationen.

Brasilianischer als Brasilien

Die deutsche Nationalmannschaft hat auf hohem Niveau Fußball gespielt, mit nur geringen Ausschlägen. „Die fußballerischen Unterschiede in unseren Leistungen waren geringer als in den Jahren zuvor“, sagt Löw. Beim 3:2-Sieg im August in Stuttgart gegen Brasilien hat Deutschland brasilianischer gespielt als der fünfmalige Weltmeister, im November hat das 3:0 in Hamburg im Testspiel gegen die Niederlande demonstriert, dass Deutschland auch den Vergleich mit dem WM-Finalisten nicht scheuen muss. In Summe kommt Löw zu dem Schluss: „Wir sind ein Stück näher dran an den Spaniern.“ Den Beweis im direkten Vergleich kann Deutschland bei der EM frühestens im Halbfinale antreten. Der Spielplan verhindert, dass Löws Team schon vorher auf die Mannschaft von Trainer Vicente del Bosque treffen könnte. Zukunftsmusik – und aktuell zu weit gedacht. Noch ist es nicht so weit. Zunächst gilt es, die Gruppenphase zu überstehen. Dafür werden derzeit die Voraussetzungen geschaffen. Woche für Woche in der Bundesliga. Wichtig ist zudem auch, dass viele Nationalspieler mit ihren Vereinen nach wie vor in europäischen Wettbewerben vertreten sind und weiter internationale Erfahrungen sammeln können.

Elementar – und darauf hat Joachim Löw mehrfach mit Nachdruck hingewiesen – wird die unmittelbare Turniervorbereitung. Hier wird die Feinarbeit geleistet, hier wird dafür Sorge getragen, dass die Spieler in Form sind und die Taktik stimmt. Bevor es am 4. Juni ins DFB-Quartier nach Danzig geht, wird die deutsche Nationalmannschaft zwei Trainingslager und zwei Länderspiele absolvieren, zunächst auswärts, danach in Leipzig. Wie schon bei den vorigen Turnieren steht zum Auftakt die Regeneration im Mittelpunkt. Vom 11. bis 18. Mai wird das Team im Hotel Romazzino an der Costa Smeralda auf Sardinien ihr erstes Trainingslager bestreiten. Auch die Partnerinnen und Kinder der Spieler können auf der ersten Station der Turniervorbereitung dabei sein. Im Anschluss daran wird der DFB-Tross ohne Familienangehörige nach Tourrettes in Südfrankreich reisen und im Hotel Four Seasons Terre Blanche einchecken. „Nur eine gelungene Vorbereitung führt zum Titel“, betont Löw und unterstreicht, was für einige Gegner wie eine Drohung klingen mag: „Eine unserer Stärken war immer, dass es uns gelungen ist, uns in den Wochen der EM-Vorbereitung noch einmal entscheidend zu steigern.“