Meyer: "Kein Hinweis auf Blutdoping abzuleiten"

Erstmals führt der organisierte Fußball in Deutschland Bluttests durch. Der DFB hat der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) freigestellt, bei den 500 jährlichen Trainingskontrollen auch Blut zu entnehmen. Kritiker monieren, dass es sich hierbei lediglich um direkte Nachweise handele und fordern zusätzlich die Einführung von Blutprofilen. Prof. Dr. Tim Meyer spricht im DFB.de-Interview über den Unterschied zwischen Blutproben und Blutprofilen. Er bezieht auch Stellung zu jüngsten Mutmaßungen über angeblich erhöhte Hämoglobinwerte in der Bundesliga.

DFB.de: Prof. Dr. Meyer, es gibt eine Behauptung, wonach in einer Studie bei Fußballspielern bereits auffällige Hämoglobinwerte nachgewiesen worden seien. Was sagen Sie dazu?

Prof. Dr. Meyer: Das stimmt so nicht. Man muss die Daten schon sauber interpretieren. Die Studie über vier Messzeitpunkte aus der Saison 2008/2009 zeigt vielmehr, dass nur bei knapp 1 Prozent der Spieler ein Hämoglobinwert über 17,0 g/dl vorlag. Bei Männern liegt nach dem Standardwerk der Labormedizin in Deutschland der Normalbereich zwischen 14 und 17,5 g/dl, und 2,5% der gesunden männlichen Bevölkerung liegen sogar über 17,5 g/dl. Damit liegen schätzungsweise 4-5% der gesunden Männer über 17,0 g/dl, so dass die Fußballer offenbar deutlich seltener hochnormale Werte haben, als es in der Allgemeinbevölkerung der Fall ist. Der Hämoglobinwert zeigt uns, wie die Voraussetzungen für den Sauerstofftransport im Blut sind. EPO oder Blutdoping würden diesen Wert vorübergehend erhöhen. Alle Laborwerte, nicht nur das Hämoglobin, wurden unter Wahrung der notwendigen Diskretion und Schweigepflicht zeitnah an die Vereinsärzte übermittelt.

DFB.de: Was war der Zweck dieser Studie?

Meyer: Es ging überhaupt nicht um Doping, sondern darum, Normwerte für die Gesundheitsbeurteilung von professionellen Fußballspielern unter üblichen Belastungsbedingungen einer Saison zu bekommen. Denn gelegentlich kann es schwierig sein, zwischen einem krankhaft und einem sportbedingt veränderten Blutwert zu unterscheiden. Dementsprechend hat sich auch die Auswahl der gemessenen Werte an diesem Zweck orientiert – und nicht daran, einen eventuellen Dopinghinweis zu finden. Ich halte es vor diesem Hintergrund für nicht sachgerecht, aus dieser Untersuchung, an der alle Spieler freiwillig teilnahmen, Schlüsse auf die Verbreitung von EPO- oder Blutdoping vorzunehmen. Will man das aber unbedingt tun, sprechen die Ergebnisse eher gegen den Einsatz. Es ist bei so breit angelegten Screenings immer zu berücksichtigen, dass eine bestimmte Streuung vorliegt. Das liegt neben messtechnischen Aspekten auch an genetischen Voraussetzungen und nie perfekt kontrollierbaren Rahmenbedingungen. Daher liegen selbstverständlich nicht alle Spieler direkt am Mittelwert, sowohl nach oben als auch nach unten ergibt sich eine Streuung. Deswegen darf man für eine Bewertung solcher Untersuchungsresultate nie nur auf Einzelfälle schauen, sondern muss Vergleichsgruppen und deren Streuung heranziehen. Von der Allgemeinbevölkerung unterscheiden die Fußballspieler sich schon einmal deutlich – in positiver Richtung. Vergleiche mit Sportlerkollektiven sind nicht einfach und werden auch die jeweilige Sportartspezifik berücksichtigen müssen.

DFB.de: Seit dieser Saison führt die NADA Blutproben im Training durch. Wie bewerten Sie diese Erweiterung des bestehenden Systems?

Meyer: Die Blutkontrollen schließen eine Lücke, die vorher bestand. Nun ist ein Nachweis von Wachstumshormonen und EPO-Nachfolgeprodukten möglich, selbst wenn man über die angemessene Probenzahl offenbar trefflich streiten kann. Urin ist dennoch für den weitaus größten Anteil der Substanzen auf der Dopingliste immer noch das beste Nachweismedium. Man sollte nicht so tun, als seien Blutkontrollen Urinproben gegenüber generell überlegen. Kleine Spuren vieler Substanzen oder ihrer Abbauprodukte sind nach wie vor mit größerer Empfindlichkeit im Urin feststellbar. Die Einführung der Blutkontrollen stellt einen kleinen Schritt nach vorn dar, revolutioniert aber gewiss nicht das Kontrollwesen.

DFB.de: Die Unterscheidung zwischen Blutprobe und Blutprofil ist entscheidend.



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Erstmals führt der organisierte Fußball in Deutschland Bluttests durch. Der DFB hat der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) freigestellt, bei den 500 jährlichen Trainingskontrollen auch Blut zu entnehmen. Kritiker monieren, dass es sich hierbei lediglich um direkte Nachweise handele und fordern zusätzlich die Einführung von Blutprofilen. Prof. Dr. Tim Meyer spricht im DFB.de-Interview über den Unterschied zwischen Blutproben und Blutprofilen. Er bezieht auch Stellung zu jüngsten Mutmaßungen über angeblich erhöhte Hämoglobinwerte in der Bundesliga.

DFB.de: Prof. Dr. Meyer, es gibt eine Behauptung, wonach in einer Studie bei Fußballspielern bereits auffällige Hämoglobinwerte nachgewiesen worden seien. Was sagen Sie dazu?

Prof. Dr. Meyer: Das stimmt so nicht. Man muss die Daten schon sauber interpretieren. Die Studie über vier Messzeitpunkte aus der Saison 2008/2009 zeigt vielmehr, dass nur bei knapp 1 Prozent der Spieler ein Hämoglobinwert über 17,0 g/dl vorlag. Bei Männern liegt nach dem Standardwerk der Labormedizin in Deutschland der Normalbereich zwischen 14 und 17,5 g/dl, und 2,5% der gesunden männlichen Bevölkerung liegen sogar über 17,5 g/dl. Damit liegen schätzungsweise 4-5% der gesunden Männer über 17,0 g/dl, so dass die Fußballer offenbar deutlich seltener hochnormale Werte haben, als es in der Allgemeinbevölkerung der Fall ist. Der Hämoglobinwert zeigt uns, wie die Voraussetzungen für den Sauerstofftransport im Blut sind. EPO oder Blutdoping würden diesen Wert vorübergehend erhöhen. Alle Laborwerte, nicht nur das Hämoglobin, wurden unter Wahrung der notwendigen Diskretion und Schweigepflicht zeitnah an die Vereinsärzte übermittelt.

DFB.de: Was war der Zweck dieser Studie?

Meyer: Es ging überhaupt nicht um Doping, sondern darum, Normwerte für die Gesundheitsbeurteilung von professionellen Fußballspielern unter üblichen Belastungsbedingungen einer Saison zu bekommen. Denn gelegentlich kann es schwierig sein, zwischen einem krankhaft und einem sportbedingt veränderten Blutwert zu unterscheiden. Dementsprechend hat sich auch die Auswahl der gemessenen Werte an diesem Zweck orientiert – und nicht daran, einen eventuellen Dopinghinweis zu finden. Ich halte es vor diesem Hintergrund für nicht sachgerecht, aus dieser Untersuchung, an der alle Spieler freiwillig teilnahmen, Schlüsse auf die Verbreitung von EPO- oder Blutdoping vorzunehmen. Will man das aber unbedingt tun, sprechen die Ergebnisse eher gegen den Einsatz. Es ist bei so breit angelegten Screenings immer zu berücksichtigen, dass eine bestimmte Streuung vorliegt. Das liegt neben messtechnischen Aspekten auch an genetischen Voraussetzungen und nie perfekt kontrollierbaren Rahmenbedingungen. Daher liegen selbstverständlich nicht alle Spieler direkt am Mittelwert, sowohl nach oben als auch nach unten ergibt sich eine Streuung. Deswegen darf man für eine Bewertung solcher Untersuchungsresultate nie nur auf Einzelfälle schauen, sondern muss Vergleichsgruppen und deren Streuung heranziehen. Von der Allgemeinbevölkerung unterscheiden die Fußballspieler sich schon einmal deutlich – in positiver Richtung. Vergleiche mit Sportlerkollektiven sind nicht einfach und werden auch die jeweilige Sportartspezifik berücksichtigen müssen.

DFB.de: Seit dieser Saison führt die NADA Blutproben im Training durch. Wie bewerten Sie diese Erweiterung des bestehenden Systems?

Meyer: Die Blutkontrollen schließen eine Lücke, die vorher bestand. Nun ist ein Nachweis von Wachstumshormonen und EPO-Nachfolgeprodukten möglich, selbst wenn man über die angemessene Probenzahl offenbar trefflich streiten kann. Urin ist dennoch für den weitaus größten Anteil der Substanzen auf der Dopingliste immer noch das beste Nachweismedium. Man sollte nicht so tun, als seien Blutkontrollen Urinproben gegenüber generell überlegen. Kleine Spuren vieler Substanzen oder ihrer Abbauprodukte sind nach wie vor mit größerer Empfindlichkeit im Urin feststellbar. Die Einführung der Blutkontrollen stellt einen kleinen Schritt nach vorn dar, revolutioniert aber gewiss nicht das Kontrollwesen.

DFB.de: Die Unterscheidung zwischen Blutprobe und Blutprofil ist entscheidend.

Meyer: Genau. Die Blutkontrollen dienen dem direkten Nachweis verschiedener Substanzen. Eine Probe ist positiv, wenn eine Substanz oder Methode von der Dopingliste nachgewiesen wird. Für das Blutprofil eines Spielers dagegen benötigt man eine Reihe von Entnahmen. Um bei unserem Beispiel zu bleiben: Wenn einem Athleten fünfmal Blut entnommen wurde, und die Werte liegen immer zwischen 14,8 und 15,3, dann ist ein nächster Wert von 16,3 g/dl bei einer weiteren Testung vielleicht schon auffällig. Obwohl dieses Ergebnis noch in der für Männer üblichen Toleranz liegt, kann man aufgrund der Vortestungen mit hoher Wahrscheinlichkeit sagen, dass für diese getestete Person eine Manipulation oder zumindest eine sehr ungewöhnliche Konstellation vorlag. Das Wesen des Blutprofils ist es demnach, anhand eines von Blutprobe zu Blutprobe sicherer bestimmten individuellen "Korridors" zu erkennen, wann bei einem Athleten verdächtige Werte vorliegen.

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DFB.de: Warum sollte der Fußball denn nun nicht als nächsten logischen Schritt Blutprofile einführen?

Meyer: Da wir keine Hinweise auf eine Verbreitung von ausdauerwirksamen Dopingmethoden im deutschen Fußball haben - auch nicht vom Hörensagen oder durch andere Indizien -, erscheinen uns aktuell die Blutprofile mit der Notwendigkeit häufiger Blutentnahmen nicht verhältnismäßig. Fußball ist eine komplexe Sportart. Ausdauer spielt natürlich auch eine Rolle, aber nicht die führende, und steht aber nach unserem Dafürhalten im Bereich des Dopings nicht im Vordergrund. Das heißt nicht, dass wir diesen Aspekt ausblenden oder Blutprofile für alle Zeit ausschließen. So könnten Blutprofile plötzlich viel attraktiver erscheinen, wenn darüber weitere Substanzklassen indirekt nachweisbar sind.

DFB.de: Geht’s am Ende nur darum, dass der reiche Fußball Kosten sparen will?

Meyer: Mir geht es weder um Polemik noch Populismus. Ich stelle mich gerne jeder sachlich und seriös geführten Diskussion. Ziel muss aber auch jenseits finanzieller Überlegungen das sportartangemessene System sein, nicht das größte, das man sich leisten kann. Bei anderen Sportarten – etwa Schwimmen, Radsport oder dem Nordischen Skisport – ist eine Topleistung viel stärker von der Ausdauer abhängig als beim Fußball. Dementsprechend haben die dort tätigen Kollegen unter anderen Aspekten über die beste Vorgehensweise bei den Dopingkontrollen zu beraten.