Matthias Brandt: "Lieber 200 Millionen für Lahm ausgeben"

Matthias Brandt ist Schauspieler. Ein sehr guter noch dazu. Auszeichnungen wie der Deutsche Fernsehpreis, Bambi oder Bayerische Fernsehpreis zeugen von der hohen Anerkennung, die der 52-Jährige genießt. Von seinen Fähigkeiten kann man sich regelmäßig im Münchner Polizeiruf 110 überzeugen, in dem er den Kommissar Hanns von Meuffels gibt.

Völlig ohne schauspielerisches Geschick kommt der Sohn von Bundeskanzler Willy Brandt beim Thema Fußball aus. An der ZDF-Torwand traf er zweimal, obwohl er nur viermal schießen durfte, als er seinen Vater bei einem Besuch des Aktuellen Sportstudios begleiten durfte. Dennoch ist aus einer Karriere als Fußballer nichts geworden. Die Liebe und Leidenschaft für den Sport hat der Werder Bremen-Fan bewahrt. Im fanclub.dfb.de-Interview mit Redakteur Niels Barnhofer sprach Matthias Brandt über Idole, Idiotien und Irritationen.

fanclub.dfb.de: Herr Brandt, welcher Spieler wollten Sie als Kind beim Fußball sein?

Matthias Brandt: Günter Netzer, Günter Netzer und... Günter Netzer.

fanclub.dfb.de: Was hat Sie an ihm so fasziniert?

Matthias Brandt: Naja, zum einen war er zweifelsfrei ein begnadeter Spieler. Damals stand man als Junge vor der Frage: Bist du für Gladbach oder Bayern? Und ich mochte halt die Gladbacher. Und dann gab es zum anderen zu dieser Zeit, wir sprechen von der ersten Hälfte der 70er-Jahre, keinen deutschen Spieler, der annähernd so cool gewesen wäre wie Netzer. Ich wollte so sein, oder besser: so werden wir er. Traumpässe spielen, die langen Haare, die schwarzen Klamotten, der Ferrari. Er war halt schon auch ein Rockstar.

fanclub.dfb.de: Welche Beziehung hatten Sie zu ihrem Star - respektvolles Bewundern eines Unerreichbaren oder haben sie aus ihrem Idol praktische Lebenshilfe für den Sportplatz ziehen können?

Matthias Brandt: Damals natürlich das erstere. Was ich von ihm gelernt haben könnte? Vielleicht, dass man sich manchmal, wenn es gar nicht mehr weitergeht, selbst einwechseln muss und nicht drauf warten sollte, dass andere das tun...



Matthias Brandt ist Schauspieler. Ein sehr guter noch dazu. Auszeichnungen wie der Deutsche Fernsehpreis, Bambi oder Bayerische Fernsehpreis zeugen von der hohen Anerkennung, die der 52-Jährige genießt. Von seinen Fähigkeiten kann man sich regelmäßig im Münchner Polizeiruf 110 überzeugen, in dem er den Kommissar Hanns von Meuffels gibt.

Völlig ohne schauspielerisches Geschick kommt der Sohn von Bundeskanzler Willy Brandt beim Thema Fußball aus. An der ZDF-Torwand traf er zweimal, obwohl er nur viermal schießen durfte, als er seinen Vater bei einem Besuch des Aktuellen Sportstudios begleiten durfte. Dennoch ist aus einer Karriere als Fußballer nichts geworden. Die Liebe und Leidenschaft für den Sport hat der Werder Bremen-Fan bewahrt. Im fanclub.dfb.de-Interview mit Redakteur Niels Barnhofer sprach Matthias Brandt über Idole, Idiotien und Irritationen.

fanclub.dfb.de: Herr Brandt, welcher Spieler wollten Sie als Kind beim Fußball sein?

Matthias Brandt: Günter Netzer, Günter Netzer und... Günter Netzer.

fanclub.dfb.de: Was hat Sie an ihm so fasziniert?

Matthias Brandt: Naja, zum einen war er zweifelsfrei ein begnadeter Spieler. Damals stand man als Junge vor der Frage: Bist du für Gladbach oder Bayern? Und ich mochte halt die Gladbacher. Und dann gab es zum anderen zu dieser Zeit, wir sprechen von der ersten Hälfte der 70er-Jahre, keinen deutschen Spieler, der annähernd so cool gewesen wäre wie Netzer. Ich wollte so sein, oder besser: so werden wir er. Traumpässe spielen, die langen Haare, die schwarzen Klamotten, der Ferrari. Er war halt schon auch ein Rockstar.

fanclub.dfb.de: Welche Beziehung hatten Sie zu ihrem Star - respektvolles Bewundern eines Unerreichbaren oder haben sie aus ihrem Idol praktische Lebenshilfe für den Sportplatz ziehen können?

Matthias Brandt: Damals natürlich das erstere. Was ich von ihm gelernt haben könnte? Vielleicht, dass man sich manchmal, wenn es gar nicht mehr weitergeht, selbst einwechseln muss und nicht drauf warten sollte, dass andere das tun...

fanclub.dfb.de: Wie gut waren Sie als Fußballer?

Matthias Brandt: Leidenschaftlich vor allem, es gab eine Zeit lang nichts Wichtigeres in meinem Leben. Aber das änderte leider nichts daran, dass ich letztlich nicht begabt genug war.

fanclub.dfb.de: Sie haben zwei Treffer an der ZDF-Torwand erzielt - Spieler wie Pele oder Eusebio blieben ohne Treffer – was bedeutetet Ihnen das damals?

Matthias Brandt: Ich fand’s einfach schön, als Zwölfjähriger dort sein und das machen zu dürfen, sehr aufregend. Mein Vater, damals Bundeskanzler, war zum Interview eingeladen worden und einer seiner Mitarbeiter hatte die kluge Idee, ihn vor der voraussehbaren Blamage an der Torwand zu bewahren, er war nicht gerade eine Sportskanone, und gleichzeitig mir eine Freude zu machen, indem man mich mitnähme.

fanclub.dfb.de: Wie sind Sie dem Fußball heute verbunden?

Matthias Brandt: Ich bin nun schon seit langer Zeit Fan von Werder Bremen. Als ganz junger Schauspieler, Mitte der 80er, war ich am Theater in Oldenburg engagiert, also nicht so weit weg vom Weserstadion. Das war die Zeit, als Otto Rehagel dort erkennbar etwas Großes in Gang setzte. Spektakulärer, begeisternder Fußball, diese unglaublichen Europapokal-Abende bei Flutlicht. Ich war oft im Stadion und habe mich irgendwie zuhause gefühlt. Ja, ich denke, so kann man das sagen: zuhause, angekommen, ich fand, ich passe dort hin. Wenn Sie so wollen, habe ich mich damals verliebt. Und das hat bis heute gehalten. Und ist im übrigen nicht ergebnisabhängig. Haha, so viel Pathos darf in dem Zusammenhang ruhig mal sein.

fanclub.dfb.de: Haben Sie heute noch Fußball-Idole?

Matthias Brandt: Naja, das ist jetzt schon anders. Aber natürlich gibt es Spieler, die ich sehr bewundere. Ich war ein großer Bewunderer des Spiels von Zidane. Ein wirklicher Künstler. Mit der Komponente des tragischen Helden, das ist ja in dem Zusammenhang, also wenn wir über Idole sprechen, nicht unwichtig. Zidane war wiederum der Grund, weshalb der Werder-Spieler, den ich im letzten Jahrzehnt am meisten bewunderte, der große Johan Micoud, in Frankreich nie zu einer nennenswerten Nationalmannschaftskarriere kam. Heute? Messi ist wahrscheinlich der genialischste. Ribery spielt ein ganz, ganz großes Jahr. Aber wissen Sie, wen ich sofort zum Weltfußballer wählen würde? Philipp Lahm. In der Kombination von Fähigkeiten und Spielintelligenz, sprich: dem Verständnis für das gesamte Geschehen auf dem Platz ist er im Moment unerreicht, oder? Bei allem Respekt für Gareth Bale - Real Madrid hätte, wenn sie schon mit Geld um sich werfen wollten, statt 100 Millionen Ablöse für Bale zu zahlen, 200 Millionen für Lahm zahlen sollen, dann stünden sie jetzt besser da, ganz sicher.

fanclub.dfb.de: Was unterscheidet die Idole von damals zu denen von heute?

Matthias Brandt: Diese heute herrschende Dauerbeobachtung ist natürlich schon der pure Terror. Früher gab’s für die Spieler sicher mehr und andere Freiräume und Möglichkeiten, ab und zu mal auszubrechen. Ich meine, das sind Jungs, Teenager zum Teil, oder dem erst vor kurzem entwachsen. Die müssen auch mal Scheiße bauen dürfen. Und zwar unbehelligt.

fanclub.dfb.de: Haben Sie für die Idole heute Bewunderung oder eher Mitleid übrig?

Matthias Brandt: Ganz ehrlich: Es wird oft so getan, als sei das ein ausschließlich beneidenswertes Leben, das diese Spieler heute haben, mit dem vielen Geld, der Bewunderung und so weiter. Aber ich würde nicht tauschen wollen. Kein Grund für Mitleid, aber wir sollten manchmal auch daran denken, dass Profis einen hohen Preis zahlen, vor allem, was die persönliche Freiheit angeht.

fanclub.dfb.de: Sie haben die Biografie von Robert Enke als Hörbuch eingelesen - aus Interesse für den Fall?

Matthias Brandt: Ja, schon. Mich hat das damals wirklich sehr traurig gemacht.

fanclub.dfb.de: Was denken Sie darüber?

Matthias Brandt: Ich denke vor allem, dass damals, als Robert Enke sein Leben nicht mehr aushielt und es beendete, viele Reden gehalten wurden, in denen ein anderer Umgang miteinander beschworen wurde und alle sich letztlich einig waren, dass dieser elende Hass und der daraus entstehende Druck das Gegenteil dessen ist, was wir wollen, im Fußball und darüber hinaus. Aber was ist von diesen Bekenntnissen und Versprechungen eigentlich übrig geblieben? Es hat nicht lange gedauert und man hat diesen ganzen Mist in den Stadien wieder gehört und gesehen: Hass, Herabsetzungen, Beleidigungen, homophobe, rassistische, das ganze Programm. Das will mir nicht in den Kopf. Natürlich gibt‘s sportliche Rivalitäten. Natürlich frotzelt man sich an. Aber ich hasse doch niemanden, weil er HSV-Fan ist, das ist doch Wahnsinn. Ich kann doch nicht mittwochs die Bayern für ihr grandioses Spiel bewundern und sie dann am Samstag, wenn sie zufällig gegen meine Mannschaft spielen, mit Dreck bewerfen. Oder dieser Derby-Quatsch bei Dortmund und Schalke. Was muss denn da eigentlich noch passieren, damit die alle mal wieder ein bisschen auf den Teppich kommen? Oder liegt irgendwann einer da und steht nicht mehr auf und es werden wieder Reden gehalten und alle sind ganz betroffen? Nein, ich finde, man muss sich dem noch viel klarer verweigern und darf nicht so tun, als hätten die Ersatzkriege, die da von ein paar Bescheuerten ausgetragen werden, irgendetwas mit Stimmung und Atmosphäre zu tun.

fanclub.dfb.de: Sie haben selbst einen hohen Bekanntheitsgrad, sind sie auch ein Idol?

Matthias Brandt: Nein, bin ich nicht. Ich habe einen öffentlichen Beruf und freue mich deshalb, wenn möglichst viele Leute das, was ich mache, wahrnehmen und im günstigsten Fall auch mögen. Das war’s dann aber auch. Ich kann meine Arbeit nur machen, wenn ich auch noch die Möglichkeit habe, zu sagen, so, Leute, das war’s, ich geh’ jetzt mal nach Hause und mache meinen Kram und das geht dann auch keinen was an.

fanclub.dfb.de: Zum Abschluss: Seien sie Vorbild, indem sie eine faire Erwartungshaltung für die Nationalmannschaft bei der WM 2014 in Brasilien formulieren.

Matthias Brandt: Ehrlich gesagt, macht mir das ganze Favoriten- oder wenigstens Mitfavoritengerede ein bisschen Sorgen. Nicht, weil ich der Mannschaft nicht zutraue, Weltmeister zu werden, das tue ich nämlich durchaus. Aber ein paar anderen eben auch und ich fände es blöd, sich durch zu viel Druck unlocker zu machen. Der große Spaß, den wir bei den letzten beiden Weltmeisterschaften mit der deutschen Mannschaft hatten, kam ja nicht zuletzt daher, dass wir vorher gar nicht so viel erwartet haben. Also: Erwarten tue ich von der Mannschaft, dass sie schönen und leidenschaftlichen Fußball spielt und dass sie alles versucht, was in ihrer Macht und in ihren Möglichkeiten steht, um jedes Spiel zu gewinnen. Und wünschen tue ich mir dazu dann noch das Glück, ohne dass es trotzdem nicht geht. Ist doch toll, dass wir Weltmeister werden können. Wir müssen aber nicht. „Kein Mensch muss müssen“ - hat Lessing gesagt, vor über 200 Jahren. Okay, das ist mein WM-Motto.