Matthäus: "Neuer ist wie ein Magnet"

Er führte die deutsche Nationalmannschaft 1990 als Kapitän und bester Spieler des Turniers zum WM-Titel, weshalb er damals von der Fachzeitschrift France Football zum Weltfußballer des Jahres gewählt wurde. Seit 1991 vergibt die FIFA diesen Titel auch offiziell - und Lothar Matthäus wurde nach einem herausragenden Jahr bei Inter Mailand mit dem Gewinn des UEFA-Cups auch in diesem Jahr zum Weltfußballer gekürt. Eine Auszeichnung, die bisher kein anderer Deutscher und auch kein Bundesligaspieler erreichen konnte.

Im DFB-de-Exklusivinterview mit Mitarbeiter Wolfgang Tobien nennt Lothar Matthäus vor der Weltfußballer-Kür am Montag (ab 18.30 Uhr, live bei Eurosport, n-tv und Sky) bei der FIFA-Gala in Zürich seinen Favoriten, beurteilt die Chancen von Manuel Neuer und erklärt, warum mit einer Ausnahme bislang nur Offensivspieler diese Wahl gewinnen konnten. Daneben beurteilt Deutschlands Rekordnationalspieler, der mit seiner Familie in Budapest lebt, die Entwicklung von Toni Kroos bei Real Madrid, schätzt die Ausgangssituation der sechs deutschen Bundesligisten vor den anstehenden K.o.-Runden im Europapokal ein und äußert sich zu seinen eigenen Plänen für 2015.

DFB.de: Herr Matthäus, am kommenden Montag wird der unter anderem von den Cheftrainern der FIFA-Nationalverbände gewählte Weltfußballer des Jahres 2014 gekürt. Wem hätten Sie Ihre Stimme gegeben, wenn Sie zum Beispiel noch Nationaltrainer von Ungarn wären?

Lothar Matthäus: Da ja ein Deutscher in der Endauswahl ist, hat man natürlich ein bisschen patriotische Empfindungen. Daher würde ich für Manuel Neuer stimmen. Zunächst einmal vermisse ich unter den letzten Drei Arjen Robben, den ich an Stelle von Lionel Messi nominiert hätte. Für mich ist aber ganz klar Cristiano Ronaldo der Favorit für den Gewinn der Wahl.

DFB.de: Was hebt Ihrer Meinung nach Ronaldo über die Mitkandidaten Neuer und Messi hinaus?

Matthäus: Ronaldo hatte 2014 eine wahnsinnige Torquote, vor und auch nach der WM. Sein einziger Nachteil ist, dass er mit Portugal bei der WM nicht viel gerissen hat. Doch ohne Ronaldo wären die Portugiesen gar nicht zur WM gefahren. Als Champions-League-Gewinner mit Real Madrid und neuer Rekordschütze der europäischen Königsklasse hat er aber trotzdem einen großen Titel gewonnen, wenn dieser auch nicht ganz so herausragend ist wie ein WM-Triumph. Seine insgesamt tolle Torquote auch in der spanischen Liga ist jedoch einfach überzeugend.

DFB.de: Was würden Sie sagen, wenn dennoch Manuel Neuer die Wahl gewinnen würde?

Matthäus: Er hätte es ebenfalls verdient, und ich würde mich für ihn sehr freuen. Neuers Torwartspiel hat dem Fußball neue Impulse gegeben, hat unser Spiel neu geprägt. Er ist nicht der Torwart, der mit Glanzparaden in Serie auffällt, sondern die Bälle vielmehr wie ein Magnet ansaugt. Es gibt Torhüter, die nach jedem Ball dorthin hechten müssen, wo Manuel schon steht. Er ist ein Magnet. Natürlich hat auch er ein überragendes Reaktionsvermögen auf und vor der Linie. Doch er kann ein Spiel von seiner Position aus lesen, abwehren und einleiten wie kein anderer. Das ist seine ganz große Stärke.



Er führte die deutsche Nationalmannschaft 1990 als Kapitän und bester Spieler des Turniers zum WM-Titel, weshalb er damals von der Fachzeitschrift France Football zum Weltfußballer des Jahres gewählt wurde. Seit 1991 vergibt die FIFA diesen Titel auch offiziell - und Lothar Matthäus wurde nach einem herausragenden Jahr bei Inter Mailand mit dem Gewinn des UEFA-Cups auch in diesem Jahr zum Weltfußballer gekürt. Eine Auszeichnung, die bisher kein anderer Deutscher und auch kein Bundesligaspieler erreichen konnte.

Im DFB-de-Exklusivinterview mit Mitarbeiter Wolfgang Tobien nennt Lothar Matthäus vor der Weltfußballer-Kür am Montag (ab 18.30 Uhr, live bei Eurosport, n-tv und Sky) bei der FIFA-Gala in Zürich seinen Favoriten, beurteilt die Chancen von Manuel Neuer und erklärt, warum mit einer Ausnahme bislang nur Offensivspieler diese Wahl gewinnen konnten. Daneben beurteilt Deutschlands Rekordnationalspieler, der mit seiner Familie in Budapest lebt, die Entwicklung von Toni Kroos bei Real Madrid, schätzt die Ausgangssituation der sechs deutschen Bundesligisten vor den anstehenden K.o.-Runden im Europapokal ein und äußert sich zu seinen eigenen Plänen für 2015.

DFB.de: Herr Matthäus, am kommenden Montag wird der unter anderem von den Cheftrainern der FIFA-Nationalverbände gewählte Weltfußballer des Jahres 2014 gekürt. Wem hätten Sie Ihre Stimme gegeben, wenn Sie zum Beispiel noch Nationaltrainer von Ungarn wären?

Lothar Matthäus: Da ja ein Deutscher in der Endauswahl ist, hat man natürlich ein bisschen patriotische Empfindungen. Daher würde ich für Manuel Neuer stimmen. Zunächst einmal vermisse ich unter den letzten Drei Arjen Robben, den ich an Stelle von Lionel Messi nominiert hätte. Für mich ist aber ganz klar Cristiano Ronaldo der Favorit für den Gewinn der Wahl.

DFB.de: Was hebt Ihrer Meinung nach Ronaldo über die Mitkandidaten Neuer und Messi hinaus?

Matthäus: Ronaldo hatte 2014 eine wahnsinnige Torquote, vor und auch nach der WM. Sein einziger Nachteil ist, dass er mit Portugal bei der WM nicht viel gerissen hat. Doch ohne Ronaldo wären die Portugiesen gar nicht zur WM gefahren. Als Champions-League-Gewinner mit Real Madrid und neuer Rekordschütze der europäischen Königsklasse hat er aber trotzdem einen großen Titel gewonnen, wenn dieser auch nicht ganz so herausragend ist wie ein WM-Triumph. Seine insgesamt tolle Torquote auch in der spanischen Liga ist jedoch einfach überzeugend.

DFB.de: Was würden Sie sagen, wenn dennoch Manuel Neuer die Wahl gewinnen würde?

Matthäus: Er hätte es ebenfalls verdient, und ich würde mich für ihn sehr freuen. Neuers Torwartspiel hat dem Fußball neue Impulse gegeben, hat unser Spiel neu geprägt. Er ist nicht der Torwart, der mit Glanzparaden in Serie auffällt, sondern die Bälle vielmehr wie ein Magnet ansaugt. Es gibt Torhüter, die nach jedem Ball dorthin hechten müssen, wo Manuel schon steht. Er ist ein Magnet. Natürlich hat auch er ein überragendes Reaktionsvermögen auf und vor der Linie. Doch er kann ein Spiel von seiner Position aus lesen, abwehren und einleiten wie kein anderer. Das ist seine ganz große Stärke.

DFB.de: Warum hat es ein Torhüter generell so schwer, zum weltbesten Spieler gekrönt zu werden?

Matthäus: Ein Torhüter, der hierfür in Frage käme, befindet sich in einem Dilemma. Einerseits muss er bei einer Mannschaft spielen, mit der er große Erfolge nachweisen kann. Andererseits wird ein Torwart bei einem erfolgreichen und dominanten Team nie so beschäftigt, dass er permanent, wie ein Stürmer, im Blickpunkt steht. Doch gerade dies zeichnet einen großen Torwart in einer großen Mannschaft aus, dass er auch dann voll konzentriert ist, wenn er nur zwei gefährliche Aktionen pro Spiel oder pro Halbzeit entschärfen muss. Auch diese Fähigkeit hat Manuel Neuer. Er bringt alle Voraussetzungen mit. Nicht umsonst ist er ja der weltbeste Torhüter. Doch ein herausragender Torwart in einem außergewöhnlichen Team steht nun mal nicht andauernd so im Blickpunkt wie ein Offensivspieler.

DFB.de: Gilt dieses Kriterium auch für reine Abwehrspieler? Schließlich triumphierte bisher nur einmal ein Verteidiger bei der Wahl zum Weltfußballer des Jahres, der italienische Weltmeister Fabio Cannavaro 2006.

Matthäus: Das ist sicherlich richtig. Denn wenn Zinédine Zidane im WM-Endspiel 2006 nicht diese Tätlichkeit unterlaufen wäre, hätte man wohl ihn damals zum Weltfußballer gewählt, und noch immer würde kein Abwehrspieler an der Spitze dieser Rubrik stehen.

DFB.de: Ist Ihrer Meinung nach allein das erfolgreiche Auftreten auf dem Spielfeld das entscheidende Kriterium, oder spielt auch die generelle Persönlichkeit eine Rolle?

Matthäus: Grundsätzlich sollte die Leistung auf dem Spielfeld das entscheidende Kriterium sein und nicht, ob zum äußeren Erscheinungsbild außerhalb des Platzes ein Ferrari oder ein Fahrrad gehört. Der Weltfußballer sollte auf jeden Fall aber auch eine starke Persönlichkeit sein.

DFB.de: Wie sehen Sie vor diesem Hintergrund das Gesamtbild der drei Kandidaten Ronaldo, Neuer und Messi?

Matthäus: Nicht nur Manuel Neuer, sondern auch die beiden anderen sind, soweit ich weiß, sozial sehr engagiert mit Projekten für hilfsbedürftige Menschen. Und wie Neuer und Messi hat auch Ronaldo im Verein und bei seinen Kollegen ein sehr hohes Standing, wird intern ganz anders und weitaus positiver bewertet als von vielen Außenstehenden. Mich stört ganz einfach, dass sich viele Leute ein Urteil über Ronaldo erlauben, die ihn lediglich vom Fernsehen her kennen. Nur weil einer Gel im Haar hat und sein Trikot auszieht, um einen Körper zu präsentieren, auf den man neidisch sein kann, disqualifiziert ihn dies doch nicht als Persönlichkeit. Natürlich ist er extrovertierter und auch extravaganter als Messi und Neuer, die viel ruhiger und zurückhaltender sind. Doch ohne Ronaldo würden wir im Weltfußball meiner Meinung nach ein entscheidendes hochkarätiges Element vermissen.

DFB.de: 2015 wird ein Jahr ohne WM und EM. Welche Chancen hätte Manuel Neuer in diesem Fall, um Weltfußballer zu werden?

Matthäus: (lacht) Wenn er beim Champions-League-Finale am 6. Juni in Berlin im Elfmeterschießen drei oder vier von fünf Elfmetern abwehrt und damit der FC Bayern die Königsklasse gewinnt! Damit wäre er für die Wahl 2015 wohl ganz entscheidend im Fokus.

DFB.de: Der Gewinn der Champions League könnte dann aber auch das besondere Verdienst von Arjen Robben sein, der wie Neuer vor, bei und nun auch seit der WM in Brasilien auf ganz hohem Niveau spielt. Wäre er, zumal als Offensivser, ein zusätzlicher heißer Kandidat für die Weltfußballer-Wahl 2015?

Matthäus: Das wäre er für mich schon diesmal gewesen, weil er einfach auf mich einen stärkeren Eindruck machte als Messi, den ich als Fußballer und als Mensch über alles schätze, der aber mit Barcelona 2014 nichts gewonnen hat. Es war nicht Messis Jahr, und ich habe nach dem Abpfiff des WM-Finales in Rio festgestellt, dass er sich nicht sehr wohl gefühlt und fast ein bisschen geschämt hat, als er dort die Trophäe für den besten Spieler der WM entgegennahm. Doch jetzt müssen wir erst mal abwarten, wie die erste Jahreshälfte 2015 speziell für die Bayern in der Champions League verläuft. Arjen Robben kommt dabei in seiner seit Monaten bestechenden Form eine mitentscheidende Rolle zu.

DFB.de: Wie beurteilen Sie die Ausgangssituation der drei anderen Bundesligateams für die demnächst anstehenden K.o.-Runden in der Champions League? Was bringen die sechs deutschen Teams in den beiden Europapokal-Wettbewerben generell über die Stärke der Bundesliga zum Ausdruck?

Matthäus: Ich bin überzeugt, dass der deutsche Fußball insgesamt in naher Zukunft wieder die Nummer eins in Europa sein wird. Er hat sich wegen seiner umfassenden und effizienten Nachwuchsförderung, wegen der wirtschaftlichen Stabilität und auf Grund seiner hervorragenden Infrastruktur gegenüber anderen Mitkonkurrenten einen deutlichen Vorteil erarbeitet. Dass alle sechs deutschen Teams weitergekommen sind, ist daher für mich nicht überraschend und spiegelt die angesprochene Qualität wider. Andererseits haben unsere Teams, ausgenommen vielleicht der FC Bayern gegen Donezk, in den K.o.-Runden ein hartes Stück Arbeit vor sich, wobei die Aufgabe für Schalke 04 gegen Real Madrid in meinen Augen sogar fast unlösbar zu sein scheint.

DFB.de: Als Sie 1990 erstmals zum Weltfußballer gewählt wurden, war dies die logische Folg für Sie als Kapitän des damaligen Weltmeisters und besten WM-Spielers in Italien. 1991 gelang Ihnen dieser persönliche Triumph noch einmal. Was waren die Gründe für die Wiederwahl?

Matthäus: Ganz sicher haben damals alle, die im Fußball Rang und Namen hatten, in Italien gespielt. Der Fokus lag seinerzeit also eindeutig auf Italien. Das heißt, wer in Italien Topleistungen brachte, war ganz sicher ein Kandidat für diese Wahl. Wir sind 1991 mit Inter Mailand UEFA-Cup-Sieger geworden, wobei ich in jeder Runde entscheidende Tore erzielt habe. Und auch in der Liga hatte ich als Mittelfeldspieler eine beachtliche Trefferquote. Die Saison nach der WM 1990 war mein bestes Jahr in Italien. Der WM-Gewinn hatte mir zusätzliches Selbstvertrauen gegeben. Ich fühlte mich absolut gestärkt und spürte nach diesem tollen Turnier keinerlei Müdigkeit und Schwäche. Das dürften wohl die Gründe gewesen sein, dass ich erneut gewählt wurde.

DFB.de: Welchen Stellenwert haben diese beiden Auszeichnungen für Sie, zumal bisher kein weiterer Deutscher Weltfußballer werden konnte?

Matthäus: Ich sehe darin kein Alleinstellungsmerkmal als deutscher Fußballer. Natürlich war es toll, diese beiden Wahlen zu gewinnen. Im Endeffekt sind das schöne Erinnerungen. Doch für die Gegenwart haben diese vergangenen Ereignisse keine große Bedeutung. Mit einer Ausnahme: Weil seitdem kein Deutscher zum Weltfußballer gewählt wurde, fragt jetzt der DFB nach meiner Meinung zur bevorstehenden Auszeichnung. (lacht)

DFB.de: Welcher aktuelle deutsche Nationalspieler, außer Manuel Neuer, könnte in dieser Rolle Ihr Nachfolger werden?

Matthäus: Wir sind mit vielen Superspielern 2014 nicht umsonst als Mannschaft Weltmeister geworden. Als Mannschaft! Da stach keiner so heraus wie Arjen Robben bei den Holländern. Und er zeigt ja auch bei Bayern München, dass er der Spieler ist, der in den vergangenen ein, zwei Jahren oben den Unterschied ausgemacht hat. Wenn Toni Kroos sich bei Real Madrid, wo er sich auf hohem Niveau als eine zentrale Figur weiterentwickelt hat, noch mit meinen früheren Torjägerqualitäten als Mittelfeldspieler ausstattet, könnte er durchaus ein Kandidat werden.

DFB.de: Was sind Ihre Pläne für 2015 und die weitere Zukunft?

Matthäus: Bei Sky habe ich weiterhin einen Vertrag als Fußballexperte. Ein toller Job in einer tollen Umgebung bei einem Spitzensender, der mir Spaß macht. Von dieser Seite her stehen keine Veränderungen an. Ansonsten bin ich zum jetzigen Zeitpunkt sehr ausgeglichen, lebe mit meiner Familie von Sonntag bis Freitag in Budapest und bin am Wochenende für Sky in Deutschland im Einsatz.