Mario Götze: Ein "cooler Hund" mit einem "coolen Move"

Manche Geschichten schreibt so eben nur der Fußball. Keine vier Jahre ist es her, dass ein gewisser Mario Götze auf einer nostalgischen Couch im südspanischen Marbella in seinem ersten großen Interview auf die Frage, was er denn in fünf Jahren gerne mal über sich lesen wolle, antwortete: "Götze schießt BVB zum Champions-League-Sieg gegen Barca."

Dazu wird es bekanntlich nicht mehr kommen. Dafür schoss Götze am Samstagabend nun den FC Bayern München - im Mai Champions-League-Sieger gegen seinen damaligen Klub BVB - zum Sieg gegen Borussia Dortmund. Sein 1:0 ebnete den Weg, am Ende fiel der Sieg durch weitere Tore von Arjen Robben und Nationalspieler Thomas Müller mit 3:0 etwas hoch aus. Es war eine bittersüße Pointe des ersten Wiedersehens mit der alten Liebe. Bitter für die Borussen, süß für die Bayern.

"Mario, diesmal steht dein Bus rechts"

Der Ordner unten in den Katakomben des Signal-Iduna-Parks, dort, wo noch das Fundament des alten Westfalenstadions steht, hatte am Ende eines ereignisreichen Tages noch einen gut gemeinten Rat. "Mario", hob er an, "denk' dran, diesmal steht dein Bus rechts." Dort, wo in Dortmund immer die Gäste parken. Mario Götze, Ex-Borusse und Münchens Matchwinner an diesem Abend, lächelte. Es war dieses Lächeln, das meint: Ja ja, du, ich weiß Bescheid. Dann sagte er einfach: "Tschüss."

Und mehr sagte Götze nicht an diesem Samstagabend. Musste er auch nicht. Schließlich sprachen ja alle anderen über ihn. Mitspieler Arjen Robben beispielsweise, seines Zeichens ein Spieler der Weltklasse: "Mario ist einfach ein super Spieler. Ich habe großen Respekt vor seiner Leistung." Bayern-Kapitän Philipp Lahm sah es pragmatisch: "Er hat sehr viel Qualität, das ist schön für uns." Und es war schlecht für Dortmund.

Das Werk einen Künstlers

Denn eine gute Stunde zuvor hatte dieser Mario Götze Taten sprechen und so gleichzeitig all die wütenden Unmutsbekundungen des Dortmunder Anhangs verstummen lassen. Mit seinem erst sechsten Ballkontakt hatte er, ausgerechnet er, das vorentscheidende 1:0 für den FC Bayern erzielt und so Unordnung in die Gefühlswelten gebracht. Es war das Werk eines Künstlers. Ein Geniestreich. Ballannahme mit links, Schuss mit rechts, halb Pike, halb Außenrist. Nur ein Bruchteil einer Sekunde später, und es wäre zu spät gewesen. Vier Mann waren sehr nah an ihm dran - und doch zu weit weg.

Vorbereitet worden ist dieser Auftritt von langer Hand. Der feinsinnige Pep Guardiola hat in der Personalie Götze nachgewiesen, dass er nicht nur ziemlich viel von Taktik versteht, sondern obendrein auch um die immense Bedeutung der Psyche beim Spiel mit dem Ball weiß. Schon Tage vorher hatte er seinen Zugang vom großen Widersacher zur Seite genommen. "Wir haben darüber gesprochen, dass ihm das alles viel bedeutet, der Trainer, die Fans, der Verein" berichtete der Spanier - und fügte an: "Ich weiß, dass er ein sehr gut erzogener Junge ist und seinen Verstand beisammen hat."

Warmmachen im Spielertunnel

Gemeinsam hatten die Bayern dann einen ausgeklügelten Plan geschmiedet. Götze sollte trotz des Ausfalls eines Franck Ribéry nicht in der Startelf stehen, er sollte nicht mal - und das war durchdacht - mit der ersten Elf zum Warmmachen rauskommen. Der 21-Jährige kam etwas später und dadurch beinahe unbemerkt auf den Rasen, der bis neulich seine Bühne war.

Götze sollte sich dann später auch nicht vor der Südtribüne warmmachen. Es konnte ja schließlich niemand verlässlich sagen, ob bei der Ankunft Manuel Neuers im Tor vor der "Gelben Wand" bereits alles gerufen worden waren oder nicht. Der Nationalspieler machte sich geschützt vor Blicken und Pfiffen - wie alle Bayern-Spieler an diesem Abend - im Spielertunnel warm.

Klopp: "Ein cooler Move"

Und so stand er plötzlich einfach da, an der Seitenlinie, und nur sechs Ballkontakte später hatte er auch schon getroffen - mitten hinein ins Dortmunder Herz. Es hatte etwas von einem Überfallkommando. Den Tiraden des Dortmunder Anhangs war umgehend die Wirkung genommen. BVB-Trainer Jürgen Klopp bezeichnete diesen Schachzug hinterher als "coolen Move".

Kühl bleiben in der Hitze des Gefechts - diese Kunst verstand der 21 Jahre alte Götze meisterlich. Einen "coolen Hund" nannte denn auch Götzes ehemaliger Chef Hans-Joachim Watzke den Münchner Matchwinner. Der BVB-Geschäftsführer hatte schon vorher gewusst, "dass ihm die Pfiffe nichts ausmachen würden. Er ist halt ein überragender Fußballer, sonst wäre er ja auch nicht so teuer gewesen."

Auch Dortmunds Torwart Roman Weidenfeller hatte wohl schon geahnt, dass unter all den Qualitäten des ehemaligen Mannschaftskollegen auch Cleverness vorhanden ist. "Man kann also auch mal mit der Pike draufhalten", so der Neu-Nationalspieler, "das geht offensichtlich nicht nur in der Kreisliga, sondern auch in der Bundesliga."

Mit Badelatschen in die BVB-Kabine

Nachdem Mario Götze alle Emotionen, die so ein Gipfeltreffen zwischen Dortmund und Bayern haben kann, aufgedeckt hatte, hielt er sich bedeckt. Er feierte nicht mit seinen neuen Kollegen vor dem Gästeblock auf der Nordtribüne. Dafür war er der letzte Bayer in der Dortmunder Spielhälfte - und kurz darauf eher in der BVB-Kabine als der letzte Borusse.

In Badelatschen war er dorthin geschlurft, wo er neulich noch Deutsche Meisterschaften mit Borussia Dortmund gefeiert hatte. "Er ist eben ein anständiger Junge", sagte Bayern-Sportvorstand Matthias Sammer. "Mario", ergänzte sein ehemaliger Trainer Jürgen Klopp, "ist ein guter Junge - und ein unheimlich starker Fußballer."

[nh]


Manche Geschichten schreibt so eben nur der Fußball. Keine vier Jahre ist es her, dass ein gewisser Mario Götze auf einer nostalgischen Couch im südspanischen Marbella in seinem ersten großen Interview auf die Frage, was er denn in fünf Jahren gerne mal über sich lesen wolle, antwortete: "Götze schießt BVB zum Champions-League-Sieg gegen Barca."

Dazu wird es bekanntlich nicht mehr kommen. Dafür schoss Götze am Samstagabend nun den FC Bayern München - im Mai Champions-League-Sieger gegen seinen damaligen Klub BVB - zum Sieg gegen Borussia Dortmund. Sein 1:0 ebnete den Weg, am Ende fiel der Sieg durch weitere Tore von Arjen Robben und Nationalspieler Thomas Müller mit 3:0 etwas hoch aus. Es war eine bittersüße Pointe des ersten Wiedersehens mit der alten Liebe. Bitter für die Borussen, süß für die Bayern.

"Mario, diesmal steht dein Bus rechts"

Der Ordner unten in den Katakomben des Signal-Iduna-Parks, dort, wo noch das Fundament des alten Westfalenstadions steht, hatte am Ende eines ereignisreichen Tages noch einen gut gemeinten Rat. "Mario", hob er an, "denk' dran, diesmal steht dein Bus rechts." Dort, wo in Dortmund immer die Gäste parken. Mario Götze, Ex-Borusse und Münchens Matchwinner an diesem Abend, lächelte. Es war dieses Lächeln, das meint: Ja ja, du, ich weiß Bescheid. Dann sagte er einfach: "Tschüss."

Und mehr sagte Götze nicht an diesem Samstagabend. Musste er auch nicht. Schließlich sprachen ja alle anderen über ihn. Mitspieler Arjen Robben beispielsweise, seines Zeichens ein Spieler der Weltklasse: "Mario ist einfach ein super Spieler. Ich habe großen Respekt vor seiner Leistung." Bayern-Kapitän Philipp Lahm sah es pragmatisch: "Er hat sehr viel Qualität, das ist schön für uns." Und es war schlecht für Dortmund.

Das Werk einen Künstlers

Denn eine gute Stunde zuvor hatte dieser Mario Götze Taten sprechen und so gleichzeitig all die wütenden Unmutsbekundungen des Dortmunder Anhangs verstummen lassen. Mit seinem erst sechsten Ballkontakt hatte er, ausgerechnet er, das vorentscheidende 1:0 für den FC Bayern erzielt und so Unordnung in die Gefühlswelten gebracht. Es war das Werk eines Künstlers. Ein Geniestreich. Ballannahme mit links, Schuss mit rechts, halb Pike, halb Außenrist. Nur ein Bruchteil einer Sekunde später, und es wäre zu spät gewesen. Vier Mann waren sehr nah an ihm dran - und doch zu weit weg.

Vorbereitet worden ist dieser Auftritt von langer Hand. Der feinsinnige Pep Guardiola hat in der Personalie Götze nachgewiesen, dass er nicht nur ziemlich viel von Taktik versteht, sondern obendrein auch um die immense Bedeutung der Psyche beim Spiel mit dem Ball weiß. Schon Tage vorher hatte er seinen Zugang vom großen Widersacher zur Seite genommen. "Wir haben darüber gesprochen, dass ihm das alles viel bedeutet, der Trainer, die Fans, der Verein" berichtete der Spanier - und fügte an: "Ich weiß, dass er ein sehr gut erzogener Junge ist und seinen Verstand beisammen hat."

Warmmachen im Spielertunnel

Gemeinsam hatten die Bayern dann einen ausgeklügelten Plan geschmiedet. Götze sollte trotz des Ausfalls eines Franck Ribéry nicht in der Startelf stehen, er sollte nicht mal - und das war durchdacht - mit der ersten Elf zum Warmmachen rauskommen. Der 21-Jährige kam etwas später und dadurch beinahe unbemerkt auf den Rasen, der bis neulich seine Bühne war.

Götze sollte sich dann später auch nicht vor der Südtribüne warmmachen. Es konnte ja schließlich niemand verlässlich sagen, ob bei der Ankunft Manuel Neuers im Tor vor der "Gelben Wand" bereits alles gerufen worden waren oder nicht. Der Nationalspieler machte sich geschützt vor Blicken und Pfiffen - wie alle Bayern-Spieler an diesem Abend - im Spielertunnel warm.

Klopp: "Ein cooler Move"

Und so stand er plötzlich einfach da, an der Seitenlinie, und nur sechs Ballkontakte später hatte er auch schon getroffen - mitten hinein ins Dortmunder Herz. Es hatte etwas von einem Überfallkommando. Den Tiraden des Dortmunder Anhangs war umgehend die Wirkung genommen. BVB-Trainer Jürgen Klopp bezeichnete diesen Schachzug hinterher als "coolen Move".

Kühl bleiben in der Hitze des Gefechts - diese Kunst verstand der 21 Jahre alte Götze meisterlich. Einen "coolen Hund" nannte denn auch Götzes ehemaliger Chef Hans-Joachim Watzke den Münchner Matchwinner. Der BVB-Geschäftsführer hatte schon vorher gewusst, "dass ihm die Pfiffe nichts ausmachen würden. Er ist halt ein überragender Fußballer, sonst wäre er ja auch nicht so teuer gewesen."

Auch Dortmunds Torwart Roman Weidenfeller hatte wohl schon geahnt, dass unter all den Qualitäten des ehemaligen Mannschaftskollegen auch Cleverness vorhanden ist. "Man kann also auch mal mit der Pike draufhalten", so der Neu-Nationalspieler, "das geht offensichtlich nicht nur in der Kreisliga, sondern auch in der Bundesliga."

Mit Badelatschen in die BVB-Kabine

Nachdem Mario Götze alle Emotionen, die so ein Gipfeltreffen zwischen Dortmund und Bayern haben kann, aufgedeckt hatte, hielt er sich bedeckt. Er feierte nicht mit seinen neuen Kollegen vor dem Gästeblock auf der Nordtribüne. Dafür war er der letzte Bayer in der Dortmunder Spielhälfte - und kurz darauf eher in der BVB-Kabine als der letzte Borusse.

In Badelatschen war er dorthin geschlurft, wo er neulich noch Deutsche Meisterschaften mit Borussia Dortmund gefeiert hatte. "Er ist eben ein anständiger Junge", sagte Bayern-Sportvorstand Matthias Sammer. "Mario", ergänzte sein ehemaliger Trainer Jürgen Klopp, "ist ein guter Junge - und ein unheimlich starker Fußballer."