Lutz Pfannenstiel: Weltrekordler unter den Weltenbummlern

Der deutsche Fußball genießt weltweit einen hervorragenden Ruf. Die Erfolge der Nationalmannschaften und die Titelgewinne der Vereine auf internationaler Ebene haben zu diesem Renommee geführt. Diesem Ansehen wollen viele Spielerinnen und Spieler gerecht werden, die ihr Glück im Ausland versuchen. Dafür gibt es viele Beispiele – manche prominente Namen sind dabei, aber auch eher unbekannte Spieler. DFB.de stellt einige von ihnen vor, in der Serie Made in Germany. Heute: Weltenbummler Lutz Pfannenstiel.

Begonnen hat die Weltreise zum Weltrekord in Zwiesel, einem Städtchen in Niederbayern mit nicht einmal 10.000 Einwohnern. Hier ist Lutz Pfannenstiel aufgewachsen, der Mann, der heute allen eines voraus hat: Er war Fußballprofi in allen sechs Kontinentalverbänden der Welt.

Der 39-jährige Pfannenstiel spielte in 19 Jahren für 25 verschiedene Vereine, von seiner ersten Station Penang FA (Malaysia) über die Orlando Pirates (Südafrika), TBV Tampere (Finnland), Dunedin Technical (Neuseeland) und Bradford Park Avenue (England) bis zu den Vancouver Whitecaps (Kanada) und Hermann Aichinger (Brasilien). Seine unglaubliche Geschichte gibt es auch als Buch ("Unhaltbar – Meine Abenteuer als Weltttorhüter").

Im Rahmen der DFB.de-Serie "Made in Germany" spricht Lutz Pfannenstiel über seine Erfahrungen und Ängste, über Kulturen, den Verzicht auf die Bundesliga, Ausländerfeindlichkeit und abenteuerliche Anekdoten.

DFB.de: Herr Pfannenstiel, hatten Sie schon immer den Drang in die große weite Welt? Oder hat sich das erst im Laufe der Jahre entwickelt?

Lutz Pfannenstiel: Als Kind hatte ich den Spleen, irgendwann mal für Flamengo Rio de Janeiro spielen zu wollen. Trotzdem hatte ich anfangs keinen großen Entdeckerdrang, ich hatte einfach den Traum, später in der Bundesliga aufzulaufen. Als Jugendlicher hatte ich vier, fünf Angebote von größeren Klubs, aber meine Eltern wollten immer, dass ich erst die Schule abschließe. Unter den heutigen Umständen wäre ich wohl in einem Nachwuchsleistungszentrum gelandet.

DFB.de: Stattdessen...

Pfannenstiel: ...hatte ich irgendwann ein so hohes Selbstwertgefühl, dass ich nicht zu der Amateurmannschaft eines Bundesligisten wechseln wollte. Ich hatte unter anderem Angebote von Bayern München und vom 1. FC Nürnberg. Aber beim Wort Vertragsamateur hat sich bei mir alles gesträubt. Ich wollte dort als Profi hin oder gar nicht. Diese Sturheit habe ich gnadenlos durchgezogen, auch bei einigen Größen des deutschen Fußballs. Als sich dann die Möglichkeit bot, habe ich aus dem Bauch heraus entschieden: Dann gehe ich halt nach Malaysia und werde dort Profi. Gehört habe ich dabei auf niemanden, nicht auf Familie, nicht auf Freunde, nicht auf Bekannte. Es gab keinen einzigen, der mich für normal gehalten hat. (lacht)



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Der deutsche Fußball genießt weltweit einen hervorragenden Ruf. Die Erfolge der Nationalmannschaften und die Titelgewinne der Vereine auf internationaler Ebene haben zu diesem Renommee geführt. Diesem Ansehen wollen viele Spielerinnen und Spieler gerecht werden, die ihr Glück im Ausland versuchen. Dafür gibt es viele Beispiele – manche prominente Namen sind dabei, aber auch eher unbekannte Spieler. DFB.de stellt einige von ihnen vor, in der Serie Made in Germany. Heute: Weltenbummler Lutz Pfannenstiel.

Begonnen hat die Weltreise zum Weltrekord in Zwiesel, einem Städtchen in Niederbayern mit nicht einmal 10.000 Einwohnern. Hier ist Lutz Pfannenstiel aufgewachsen, der Mann, der heute allen eines voraus hat: Er war Fußballprofi in allen sechs Kontinentalverbänden der Welt.

Der 39-jährige Pfannenstiel spielte in 19 Jahren für 25 verschiedene Vereine, von seiner ersten Station Penang FA (Malaysia) über die Orlando Pirates (Südafrika), TBV Tampere (Finnland), Dunedin Technical (Neuseeland) und Bradford Park Avenue (England) bis zu den Vancouver Whitecaps (Kanada) und Hermann Aichinger (Brasilien). Seine unglaubliche Geschichte gibt es auch als Buch ("Unhaltbar – Meine Abenteuer als Weltttorhüter").

Im Rahmen der DFB.de-Serie "Made in Germany" spricht Lutz Pfannenstiel über seine Erfahrungen und Ängste, über Kulturen, den Verzicht auf die Bundesliga, Ausländerfeindlichkeit und abenteuerliche Anekdoten.

DFB.de: Herr Pfannenstiel, hatten Sie schon immer den Drang in die große weite Welt? Oder hat sich das erst im Laufe der Jahre entwickelt?

Lutz Pfannenstiel: Als Kind hatte ich den Spleen, irgendwann mal für Flamengo Rio de Janeiro spielen zu wollen. Trotzdem hatte ich anfangs keinen großen Entdeckerdrang, ich hatte einfach den Traum, später in der Bundesliga aufzulaufen. Als Jugendlicher hatte ich vier, fünf Angebote von größeren Klubs, aber meine Eltern wollten immer, dass ich erst die Schule abschließe. Unter den heutigen Umständen wäre ich wohl in einem Nachwuchsleistungszentrum gelandet.

DFB.de: Stattdessen...

Pfannenstiel: ...hatte ich irgendwann ein so hohes Selbstwertgefühl, dass ich nicht zu der Amateurmannschaft eines Bundesligisten wechseln wollte. Ich hatte unter anderem Angebote von Bayern München und vom 1. FC Nürnberg. Aber beim Wort Vertragsamateur hat sich bei mir alles gesträubt. Ich wollte dort als Profi hin oder gar nicht. Diese Sturheit habe ich gnadenlos durchgezogen, auch bei einigen Größen des deutschen Fußballs. Als sich dann die Möglichkeit bot, habe ich aus dem Bauch heraus entschieden: Dann gehe ich halt nach Malaysia und werde dort Profi. Gehört habe ich dabei auf niemanden, nicht auf Familie, nicht auf Freunde, nicht auf Bekannte. Es gab keinen einzigen, der mich für normal gehalten hat. (lacht)

DFB.de: Haben Sie eine Vorstellung, wie alles gekommen wäre, wenn Sie bei den Bayern-Amateuren unterschrieben hätten?

Pfannenstiel: Ich hätte bis 22 oder 23 bei den Bayern gespielt, fünf Bundesligaspiele gemacht, sonst nur auf der Bank gesessen und im Amateurteam gespielt. Anschließend wäre ich für fünf, sechs Jahre zum MSV Duisburg in die 2. Bundesliga gewechselt, die meiste Zeit als Nummer eins, zwischendurch als Nummer zwei. Meine aktive Karriere wäre bei Hessen Kassel in der 3. Liga ausgeklungen. Heute wäre ich Torwarttrainer bei Jahn Regensburg.

DFB.de: Hört sich ganz danach an, dass Sie heilfroh sind, wie Ihre Karriere verlaufen ist.

Pfannenstiel: Für mich war es die beste Schule. Man muss ja weiterdenken – auch wenn ich das nie gemacht habe (lacht). Der Fußball hat sich so international entwickelt, dass ich in vielen Bereichen und Regionen durch meine Erfahrungen einen Wissensvorsprung habe. Ich habe ein gigantisches Netzwerk und in jedem Land mindestens zwei, drei Topkontakte. Ich kenne auch den Wolfgang Niersbach Neukaledoniens. Sollte ich mal die Staatsbürgerschaft wechseln wollen, hätte ich noch mehr Optionen als Gérard Depardieu.

DFB.de: Was hat ein Spieler, der jahrelang in der Bundesliga gespielt hat, und was hat er nicht im Vergleich zu Ihnen?

Pfannenstiel: Er hat wahrscheinlich mehr Geld verdient. Dafür habe ich mehr internationale Lebenserfahrung und Straßenschläue. Damit meine ich die Fähigkeit, aus einer Situation, in der es gefährlich werden könnte, mit einem Lächeln herauszukommen. Oder ein anderes Beispiel: Wenn der Taxifahrer in Südafrika denkt, da sitzt ein Tourist, den er ausnehmen kann, indem er einen Umweg zum Hotel fährt, sage ich ihm nach der dritten falschen Kurve, dass er Probleme bekommt, wenn er jetzt nicht richtig fährt. Anschließend frage ich ihn, ob er Fan der Orlando Pirates oder der Kaiser Chiefs ist. Ist er Kaiser-Fan, zahle ich den vollen Preis. Ist er Pirates-Fan, fährt er mich wahrscheinlich zwei Wochen lang kostenlos, weil ich mal für den Klub gespielt habe.

DFB.de: Sie vermissen im Rückblick nichts?

Pfannenstiel: Natürlich hätte ich gerne mal ein Bundesligaspiel gemacht. Aber ich möchte nicht tauschen.

DFB.de: Hatten Sie niemals Berührungsängste?

Pfannenstiel: Eigentlich nicht. Ich konnte mich gut anpassen, habe mich immer in die Kulturen hineinziehen lassen. Wichtig im Alltag ist der Umgang mit den Menschen und das Essen. Sich kulinarisch an das Land anzupassen, freut die Einheimischen und zeigt Respekt vor ihnen. Ich habe mir immer gesagt: Was andere nicht umbringt, kann ich auch essen.

DFB.de: Ist Wissbegierigkeit wichtig, um sich wohl zu fühlen?

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Pfannenstiel: Auf alle Fälle. Ich bin mit 19 nach Malaysia gegangen, mit 20 nach England. Ich wusste nichts, hatte vorher nur oberflächlich gelebt. Kennenzulernen, wie unterschiedlich die Kulturen sind und wie verschieden die Menschen ticken, hat mir sehr viel gebracht. Wenn der Amerikaner traurig ist, schreit er herum und weint, während der Chinese so gut wie keine Emotionen zeigt und seine Gefühle "überschweigt". Ganz anders bei einer Beerdigung: Dort herrscht in China – im Gegensatz zu Deutschland – eher gute Laune.

DFB.de: Wo war es am schönsten?

Pfannenstiel: Das ist ein enges Rennen zwischen Vancouver und Brasilien. Vancouver ist die vielleicht schönste Stadt der Welt, sehr international. Dort kann man innerhalb einer Stunde Skifahren und im Freien schwimmen. Die Rocky Mountains sind nur 15 Minuten entfernt. In Brasilien ist die Begeisterung für den Fußball riesig. Aber ich möchte auch England, Norwegen und Neuseeland nicht missen. Gerade zu Neuseeland habe ich eine sehr emotionale Bindung, weil mir dort mein Leben als Fußballer nach dem Gefängnis zurückgegeben wurde. Ich werde dem Präsidenten von Dunedin Technical, Marc Chidley, ewig dankbar sein, weil er mich von der Straße in den Profifußball zurückgeholt hat.

DFB.de: Inwiefern sind Sie mit Ausländerfeindlichkeit konfrontiert worden?

Pfannenstiel: Kaum. In England gab es ab und zu Hitler-Grüße oder ein paar Fans sind im Stechschritt an mir vorbeigelaufen. Ich habe das weggelacht. Extrem attackiert worden bin ich nach meiner Zeit im Gefängnis, in Nordamerika haben die Leute im Stadion daraus zum Teil eine Show gemacht. Ich habe gute Miene zum bösen Spiel gemacht, aber manchmal war ich kurz davor auszuflippen.

DFB.de: Sie saßen in Singapur drei Monate im Gefängnis – zwischen Schwerstverbrechern, unschuldig verurteilt wegen des Vorwurfs der Spielmanipulation. Wie sehr hat Sie diese Zeit verändert?

Pfannenstiel: Sie hat mir das Leben gelehrt. Man merkt, wie wichtig Freiheit ist, wie schön es ist, Einkaufen oder Spazieren zu gehen. Vorher habe ich immer sehr oberflächlich gedacht. Themen wie Politik, Armut oder gesellschaftliches Engagement haben mich als Fußballer wenig interessiert. Meine Perspektive hat sich durch den Aufenthalt im Gefängnis total verschoben. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal jemandem eine ins Gesicht pflastern kann. Man musste sich im Knast wehren und immer nach rechts und links schauen, um zu überleben und Vergewaltigungen zu entgehen. Die Prügeleien waren nicht wie bei einem Volksfest, wo man mal eine fängt, im Gefängnis wollten sie dich zerstören.

DFB.de: Welchen Rat würden Sie nach all Ihren Erfahrungen einem Talent geben, das am Anfang seiner Karriere steht?

Pfannenstiel: Wenn der Junge das Zeug dazu hat, es über den geraden Weg in Deutschland zu schaffen, würde ich ihm immer dazu raten. Wenn es sich um einen Spieler handelt, der eher kein Star und Nationalspieler wird, dafür aber vielleicht etwas fürs Leben lernen will, würde ich durchaus das Ausland empfehlen. Von den Strukturen ist Deutschland natürlich top. Nirgendwo kriegt man eine bessere Ausbildung. Im Vergleich zu meiner Zeit damals hat sich viel verändert. Talente bekommen jetzt viel eher und häufiger ihre Chancen, nicht zuletzt bei den Torhütern. Manuel Neuer und René Adler sind die besten Beispiele. Beide verkörpern in meinen Augen Weltklasse, Manuel ist vielleicht der modernste Torwart der Welt.