Löhr über Olympia 1988: "Wir wollten nicht ohne Medaille nach Hause"

Der 30. September 1988 war ein historischer Tag. Denn heute vor genau 25 Jahren gewann die DFB-Auswahl durch ein 3:0 gegen Italien die Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen in Seoul. Trainer der DFB-Auswahl war damals Hannes Löhr. "Es war ein einmaliges Erlebnis", sagt der 71-Jährige rückblickend im DFB.de-Gespräch der Woche mit Mitarbeiter Sven Winterschladen. "Das olympische Flair war großartig. Ich erinnere mich noch heute gerne an diese Zeit mit den ehemaligen Weggefährten zurück."

Löhr hatte trotz vieler Schwierigkeiten eine gute Mannschaft zusammengestellt. Zum Beispiel Jürgen Klinsmann und Thomas Häßler zählten zum Kader, die später zu Leistungsträgern bei den Weltmeistern von 1990 wurden. Mit etwas mehr Glück wäre also sogar mehr möglich gewesen als der dritte Platz - davon ist Löhr noch heute überzeugt. Aber im Halbfinale gab es ein bitteres Aus im Elfmeterschießen gegen Brasilien. Und dann die richtige Reaktion gegen Italien, auch weil Frank Mill seinem Sohn etwas versprochen hatte.

DFB.de: Herr Löhr, war der 30. September 1988 für Sie ein besonderer Tag?

Hannes Löhr: Natürlich. Wir haben mit der deutschen Nationalmannschaft die Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen in Seoul geholt - ein toller Moment.

DFB.de: Es ist jetzt genau 25 Jahre her...

Hannes Löhr: Wahnsinn, wie die Zeit vergeht. 25 Jahre ist das schon wieder her? Ich kann mich noch gut daran erinnern. Wir hatten leider das Halbfinale unglücklich im Elfmeterschießen gegen Brasilien verloren. Aber im Spiel um Platz drei gegen Italien waren wir klar besser - das 3:0 ging völlig in Ordnung. Jürgen Klinsmann, Gerhard Kleppinger und Christian Schreier haben die Tore gemacht.

DFB.de: War es schwer, nach dem Halbfinal-Aus die Mannschaft noch mal zu motivieren?

Hannes Löhr: Wir waren enttäuscht, ganz klar. Wir hatten vorher den Traum von der Goldmedaille. Und plötzlich war fast alles vorbei. Es war moralisch eine schwierige Situation. Ich weiß noch, dass die Spieler am Tag danach mit hängenden Köpfen auf dem Trainingsplatz gesessen haben. Dann hat Frank Mill das Wort ergriffen und gesagt: "Jungs, ich habe meinem Sohn versprochen, mit einer Medaille nach Hause zu kommen. Also, auf geht's!" Das hat alle angespornt. So haben wir die Aufgabe angenommen und souverän gelöst.

DFB.de: Rückblickend hatten Sie einige herausragende Spieler im Kader.

Hannes Löhr: Die Mannschaft war nicht schlecht. Wir hatten Jürgen Klinsmann dabei, auch Thomas Häßler oder Wolfram Wuttke waren tolle Fußballer. Zudem mussten wir noch einige wichtige Spieler ersetzen. Mit Andreas Köpke ist uns kurz vorher zum Beispiel der Torhüter verletzt ausgefallen. Auch Michael Zorc war eigentlich als Stütze eingeplant und konnte dann nicht mitreisen. Aber das Team hat das gut aufgefangen und einen sehr ordentlichen Wettbewerb gespielt. Das waren gute Jungs. Nicht ohne Grund waren wir in der Öffentlichkeit und im Olympischen Dorf sehr beliebt.

DFB.de: Was ist das für ein Gefühl, wenn man die Medaille überreicht bekommt?

Hannes Löhr: Ich denke gerne an diese Augenblicke zurück. Das war ein außergewöhnlicher Moment meiner Karriere. Ein Jugendtraum ist in Erfüllung gegangen. Erst die Teilnahme an Olympischen Spielen, dann auch noch der Gewinn einer Medaille - großartig.

DFB.de: Hatten Sie vor dem Turnier die Hoffnung, eine so gute Rolle spielen zu können? Oder kam die Bronzemedaille überraschend?

Hannes Löhr: Nein, damit war nicht unbedingt zu rechnen. Wir sind praktisch ohne Vorbereitung nach Seoul geflogen. Heute wäre das ganz anders. Aber damals war die ganze Organisation noch nicht so professionell. Das Fußballturnier war Ende September. In Deutschland lief also schon längst wieder die neue Bundesligasaison. Ich glaube, samstags war noch ein Spieltag. Und direkt am Abend oder Sonntagmorgen sind wir dann nach Südkorea gereist. Genau weiß ich es nicht mehr. Ich kann mich aber noch erinnern, dass wir 40 Stunden nach dem Schlusspfiff in der Bundesliga schon auf dem Platz standen. Die Bundesliga wurde dafür nur kurz unterbrochen.

DFB.de: Haben Sie bei all dem Terminstress auch das Olympiaflair erleben können?

Hannes Löhr: Oh ja. Wir haben im Olympischen Dorf gewohnt. Das war wirklich ein tolles Erlebnis. Für mich, aber besonders für die Spieler. Das waren damals ja noch junge Kerle. So etwas vergisst man nicht so schnell.

DFB.de: An welche Höhepunkte erinnern Sie sich noch von diesen Olympischen Spielen?

Hannes Löhr: Es gab einige. Ben Johnson zum Beispiel hat den 100-Meter-Lauf in Weltrekordzeit gegen seinen großen Rivalen Carl Lewis gewonnen. Wenige Tage später wurde er dann des Dopings überführt.

DFB.de: Es gab ja auch noch die Geschichte um Zehnkämpfer Jürgen Hingsen...

Hannes Löhr: Ja, das haben wir ebenfalls fast hautnah mitbekommen. Es war schon dramatisch, dass er damals nach drei Fehlstarts im 100-Meter-Lauf disqualifiziert wurde. Da konnten wir mal wieder erleben, dass im Sport Glück und Pech manchmal ganz eng beieinander liegen. Steffi Graf war das totale Gegenteil. Sie hat das Olympische Tennisturnier (und damit den "Golden Slam", also nach den vier Grand-Slam-Turnieren noch Olympiagold) gewonnen.

DFB.de: Ist man sich dort auch mal über den Weg gelaufen?

Hannes Löhr: Sicher. Das zeichnet Olympische Spiele ja auch aus. Wir haben mit den meisten in einem Haus gewohnt. Es war einfach schön, auch mal Einblicke in andere Sportarten zu bekommen. Insgesamt war das eine einmalige Sache.

DFB.de: Ist dieses Turnier noch ein Thema, wenn Sie heute Weggefährten von damals begegnen?

Hannes Löhr: Durchaus, so etwas vergisst man nicht. Im Gegenteil, das verbindet. Ich bin noch immer viel in den Stadien in Deutschland. Beim 1. FC Köln bin ich bei jedem Heimspiel. Da gibt es immer wieder ein freudiges und herzliches Wiedersehen. Fußball ist noch immer meine Leidenschaft.

DFB.de: Wie sehen Sie die Entwicklung in all den Jahren?

Hannes Löhr: Der Fußball hat sich grundlegend verändert. In Deutschland stelle ich eine sehr, sehr positive Entwicklung fest. Vor einigen Jahren wurden genau die richtigen Entscheidungen getroffen, zum Beispiel die Errichtung von Leistungszentren. Davon profitieren wir heute. Dadurch haben wir einen Schub nach vorne bekommen. Der deutsche Fußball ist ohne Frage absolute Weltspitze.

DFB.de: Also ist nächstes Jahr bei der WM in Brasilien auch der Titel drin?

Hannes Löhr: Wir sind langsam mal wieder dran. Das Potenzial ist da, davon bin ich überzeugt. Wir haben eine sehr gute Mannschaft, mit vielen herausragenden Spielern. Nun kommt es darauf an, im richtigen Moment all das abzurufen. Allerdings gehört immer eine Portion Glück dazu.

Der deutsche Olympiakader 1988: Uwe Kamps, Oliver Reck, Rudi Bommer, Gunnar Sauer, Michael Schulz, Holger Fach, Wolfgang Funkel, Armin Görtz, Roland Grahammer, Thomas Hörster, Gerhard Kleppinger, Ralf Sievers, Thomas Häßler, Olaf Janßen, Christian Schreier, Wolfram Wuttke, Fritz Walter, Jürgen Klinsmann, Karl-Heinz Riedle, Frank Mill. Trainer: Hannes Löhr.

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Der 30. September 1988 war ein historischer Tag. Denn heute vor genau 25 Jahren gewann die DFB-Auswahl durch ein 3:0 gegen Italien die Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen in Seoul. Trainer der DFB-Auswahl war damals Hannes Löhr. "Es war ein einmaliges Erlebnis", sagt der 71-Jährige rückblickend im DFB.de-Gespräch der Woche mit Mitarbeiter Sven Winterschladen. "Das olympische Flair war großartig. Ich erinnere mich noch heute gerne an diese Zeit mit den ehemaligen Weggefährten zurück."

Löhr hatte trotz vieler Schwierigkeiten eine gute Mannschaft zusammengestellt. Zum Beispiel Jürgen Klinsmann und Thomas Häßler zählten zum Kader, die später zu Leistungsträgern bei den Weltmeistern von 1990 wurden. Mit etwas mehr Glück wäre also sogar mehr möglich gewesen als der dritte Platz - davon ist Löhr noch heute überzeugt. Aber im Halbfinale gab es ein bitteres Aus im Elfmeterschießen gegen Brasilien. Und dann die richtige Reaktion gegen Italien, auch weil Frank Mill seinem Sohn etwas versprochen hatte.

DFB.de: Herr Löhr, war der 30. September 1988 für Sie ein besonderer Tag?

Hannes Löhr: Natürlich. Wir haben mit der deutschen Nationalmannschaft die Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen in Seoul geholt - ein toller Moment.

DFB.de: Es ist jetzt genau 25 Jahre her...

Hannes Löhr: Wahnsinn, wie die Zeit vergeht. 25 Jahre ist das schon wieder her? Ich kann mich noch gut daran erinnern. Wir hatten leider das Halbfinale unglücklich im Elfmeterschießen gegen Brasilien verloren. Aber im Spiel um Platz drei gegen Italien waren wir klar besser - das 3:0 ging völlig in Ordnung. Jürgen Klinsmann, Gerhard Kleppinger und Christian Schreier haben die Tore gemacht.

DFB.de: War es schwer, nach dem Halbfinal-Aus die Mannschaft noch mal zu motivieren?

Hannes Löhr: Wir waren enttäuscht, ganz klar. Wir hatten vorher den Traum von der Goldmedaille. Und plötzlich war fast alles vorbei. Es war moralisch eine schwierige Situation. Ich weiß noch, dass die Spieler am Tag danach mit hängenden Köpfen auf dem Trainingsplatz gesessen haben. Dann hat Frank Mill das Wort ergriffen und gesagt: "Jungs, ich habe meinem Sohn versprochen, mit einer Medaille nach Hause zu kommen. Also, auf geht's!" Das hat alle angespornt. So haben wir die Aufgabe angenommen und souverän gelöst.

DFB.de: Rückblickend hatten Sie einige herausragende Spieler im Kader.

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Hannes Löhr: Die Mannschaft war nicht schlecht. Wir hatten Jürgen Klinsmann dabei, auch Thomas Häßler oder Wolfram Wuttke waren tolle Fußballer. Zudem mussten wir noch einige wichtige Spieler ersetzen. Mit Andreas Köpke ist uns kurz vorher zum Beispiel der Torhüter verletzt ausgefallen. Auch Michael Zorc war eigentlich als Stütze eingeplant und konnte dann nicht mitreisen. Aber das Team hat das gut aufgefangen und einen sehr ordentlichen Wettbewerb gespielt. Das waren gute Jungs. Nicht ohne Grund waren wir in der Öffentlichkeit und im Olympischen Dorf sehr beliebt.

DFB.de: Was ist das für ein Gefühl, wenn man die Medaille überreicht bekommt?

Hannes Löhr: Ich denke gerne an diese Augenblicke zurück. Das war ein außergewöhnlicher Moment meiner Karriere. Ein Jugendtraum ist in Erfüllung gegangen. Erst die Teilnahme an Olympischen Spielen, dann auch noch der Gewinn einer Medaille - großartig.

DFB.de: Hatten Sie vor dem Turnier die Hoffnung, eine so gute Rolle spielen zu können? Oder kam die Bronzemedaille überraschend?

Hannes Löhr: Nein, damit war nicht unbedingt zu rechnen. Wir sind praktisch ohne Vorbereitung nach Seoul geflogen. Heute wäre das ganz anders. Aber damals war die ganze Organisation noch nicht so professionell. Das Fußballturnier war Ende September. In Deutschland lief also schon längst wieder die neue Bundesligasaison. Ich glaube, samstags war noch ein Spieltag. Und direkt am Abend oder Sonntagmorgen sind wir dann nach Südkorea gereist. Genau weiß ich es nicht mehr. Ich kann mich aber noch erinnern, dass wir 40 Stunden nach dem Schlusspfiff in der Bundesliga schon auf dem Platz standen. Die Bundesliga wurde dafür nur kurz unterbrochen.

DFB.de: Haben Sie bei all dem Terminstress auch das Olympiaflair erleben können?

Hannes Löhr: Oh ja. Wir haben im Olympischen Dorf gewohnt. Das war wirklich ein tolles Erlebnis. Für mich, aber besonders für die Spieler. Das waren damals ja noch junge Kerle. So etwas vergisst man nicht so schnell.

DFB.de: An welche Höhepunkte erinnern Sie sich noch von diesen Olympischen Spielen?

Hannes Löhr: Es gab einige. Ben Johnson zum Beispiel hat den 100-Meter-Lauf in Weltrekordzeit gegen seinen großen Rivalen Carl Lewis gewonnen. Wenige Tage später wurde er dann des Dopings überführt.

DFB.de: Es gab ja auch noch die Geschichte um Zehnkämpfer Jürgen Hingsen...

Hannes Löhr: Ja, das haben wir ebenfalls fast hautnah mitbekommen. Es war schon dramatisch, dass er damals nach drei Fehlstarts im 100-Meter-Lauf disqualifiziert wurde. Da konnten wir mal wieder erleben, dass im Sport Glück und Pech manchmal ganz eng beieinander liegen. Steffi Graf war das totale Gegenteil. Sie hat das Olympische Tennisturnier (und damit den "Golden Slam", also nach den vier Grand-Slam-Turnieren noch Olympiagold) gewonnen.

DFB.de: Ist man sich dort auch mal über den Weg gelaufen?

Hannes Löhr: Sicher. Das zeichnet Olympische Spiele ja auch aus. Wir haben mit den meisten in einem Haus gewohnt. Es war einfach schön, auch mal Einblicke in andere Sportarten zu bekommen. Insgesamt war das eine einmalige Sache.

DFB.de: Ist dieses Turnier noch ein Thema, wenn Sie heute Weggefährten von damals begegnen?

Hannes Löhr: Durchaus, so etwas vergisst man nicht. Im Gegenteil, das verbindet. Ich bin noch immer viel in den Stadien in Deutschland. Beim 1. FC Köln bin ich bei jedem Heimspiel. Da gibt es immer wieder ein freudiges und herzliches Wiedersehen. Fußball ist noch immer meine Leidenschaft.

DFB.de: Wie sehen Sie die Entwicklung in all den Jahren?

Hannes Löhr: Der Fußball hat sich grundlegend verändert. In Deutschland stelle ich eine sehr, sehr positive Entwicklung fest. Vor einigen Jahren wurden genau die richtigen Entscheidungen getroffen, zum Beispiel die Errichtung von Leistungszentren. Davon profitieren wir heute. Dadurch haben wir einen Schub nach vorne bekommen. Der deutsche Fußball ist ohne Frage absolute Weltspitze.

DFB.de: Also ist nächstes Jahr bei der WM in Brasilien auch der Titel drin?

Hannes Löhr: Wir sind langsam mal wieder dran. Das Potenzial ist da, davon bin ich überzeugt. Wir haben eine sehr gute Mannschaft, mit vielen herausragenden Spielern. Nun kommt es darauf an, im richtigen Moment all das abzurufen. Allerdings gehört immer eine Portion Glück dazu.

Der deutsche Olympiakader 1988: Uwe Kamps, Oliver Reck, Rudi Bommer, Gunnar Sauer, Michael Schulz, Holger Fach, Wolfgang Funkel, Armin Görtz, Roland Grahammer, Thomas Hörster, Gerhard Kleppinger, Ralf Sievers, Thomas Häßler, Olaf Janßen, Christian Schreier, Wolfram Wuttke, Fritz Walter, Jürgen Klinsmann, Karl-Heinz Riedle, Frank Mill. Trainer: Hannes Löhr.