Lemke: "Der Sport kann Brücken bauen"

Heute ehrt Werder Bremen einen der Größten in der langen Geschichte des norddeutschen Traditionsvereins. Willi Lemke wird 70 Jahre alt, und Werder schmeißt die Party zum runden Geburtstag. Mit Otto Rehhagel an seiner Seite gestaltete Lemke die goldenen Jahre an der Weser, gipfelnd 1992 im Gewinn des Europapokals der Pokalsieger durch ein 2:0 über AS Monacco in Lissabon. Im vergangenen Jahr zeichneten DFB und Mercedes Benz Lemke mit dem Integrationspreis aus. Noch bis Jahresende wird Lemke sich seiner Aufgabe als Sonderberater des UN-Generalsekretärs widmen. Anlässlich Willi Lemkes 70. Geburtstag veröffentlicht DFB.de noch einmal ein Interview aus dem Frühjahr 2015, in dem Lemke vor allem auch über die soziale und friedensstiftende Rolle des Sports sprach - ein Thema, das nicht an Aktualität verloren hat.

DFB.de: Herr Lemke, am 27. Juni 2012 standen sich Spanien und Portugal im EM-Halbfinale gegenüber. Das Stadion des EM-Halbfinals, die Arena des Klubs Schachtor Donezk, wurde mittlerweile durch zwei Einschläge strukturell schwer beschädigt. Gibt es sie überhaupt, die friedensstiftende Wirkung des Sports?

Willi Lemke: Der Sport hat den großen Vorteil, dass er Menschen aus ganz unterschiedlichen Bereichen zusammenbringt, also Menschen unterschiedlicher Religion, Erziehung, Sprache, Hautfarbe. Dank der universellen Sprache des Sports können sie gemeinsam den Regeln folgen. Der Sport kann Brücken bauen und auf diesen Brücken kann Dialog stattfinden. Was der Sport nicht kann, ist Kriege verhindern. Aber über die sportliche Begegnung kann Dialog entstehen. Das ist in meiner Sicht eine große Funktion.

DFB.de: Sie reisen als Berater des UN-Generalsekretärs seit 2007 gerade in die armen Teile dieser Welt, initiieren und unterstützen überall Projekte. Warum haben Sie nochmal um ein Jahr verlängert?

Lemke: Weil Generalsekretär Ban Ki-moon mich darum gebeten hat.

DFB.de: Guter Grund, aber was reizt Sie an dieser Aufgabe?

Lemke: Menschen zusammenzuführen. Durch Projekte das Leben von Menschen positiv zu beeinflussen. 2012 habe ich mit meinem Büro das 'Youth Leadership Programme' entwickelt. Mittlerweile haben wir mit Hilfe dieses Projekts fast 400 besonders engagierte Jugendliche aus Townships, Favelas, Slums und Flüchtlingslagern zu Bildungsprogrammen eingeladen. Dort lernen die jungen Menschen, wie sie in ihrem Umfeld Sport für Entwicklung und Frieden nutzen können. Das befriedigt mich unendlich. Ich erfahre damit eine große Sinnhaftigkeit.

DFB.de: Woher kommen denn diese jungen Menschen?

Lemke: Alle aus dem Sport, alle haben sich bereits sozial verdient gemacht. Ich denke jetzt an ein Mädchen, das in Sambia bei einem Frauenprojekt mitarbeitet. Als Entlohnung für ihre Arbeit bekam sie bislang eine Flasche Mineralwasser und das Busticket. Eine andere Teilnehmerin hatte zuvor am Aufbau der Frauen-Nationalmannschaft von Palästina mitgewirkt. Sie hat sich über unser Programm fortgebildet und arbeitet heute bei der FIFA. Ich bin keiner, der ausschließlich Texte schreibt oder nur in Diskussionsrunden sitzen mag. Ich bin lieber gerne dabei, wenn Dinge durch die Kraft des Sportes umgesetzt werden.

DFB.de: Den Fußball nutzen, um sozial zu wirken oder positive Werte zu vermitteln, ist auch eine Säule des DFB. Kennen Sie die von der DFB-Stiftung Sepp Herberger geförderte Blindenfußball-Bundesliga?

Lemke: Ein großartiges Projekt. Leider war ich noch nicht bei einem Spieltag dabei, aber bei den Paralympics in London hat mich der Blindenfußball stark beeindruckt. Im Rahmen meines UN-Mandats fördern wir etliche Projekte des Behindertensports. An der Blindenfußball-Bundesliga gefällt mir, dass einige Spieltage auch diesen Sommer wieder in den Innenstädten ausgetragen werden. Der Behindertensport muss mitten in der Gesellschaft stattfinden. Es ist eindrucksvoll mitzuerleben, wie diese Spieler ohne Augenlicht guten Fußball zeigen.



Heute ehrt Werder Bremen einen der Größten in der langen Geschichte des norddeutschen Traditionsvereins. Willi Lemke wird 70 Jahre alt, und Werder schmeißt die Party zum runden Geburtstag. Mit Otto Rehhagel an seiner Seite gestaltete Lemke die goldenen Jahre an der Weser, gipfelnd 1992 im Gewinn des Europapokals der Pokalsieger durch ein 2:0 über AS Monacco in Lissabon. Im vergangenen Jahr zeichneten DFB und Mercedes Benz Lemke mit dem Integrationspreis aus. Noch bis Jahresende wird Lemke sich seiner Aufgabe als Sonderberater des UN-Generalsekretärs widmen. Anlässlich Willi Lemkes 70. Geburtstag veröffentlicht DFB.de noch einmal ein Interview aus dem Frühjahr 2015, in dem Lemke vor allem auch über die soziale und friedensstiftende Rolle des Sports sprach - ein Thema, das nicht an Aktualität verloren hat.

DFB.de: Herr Lemke, am 27. Juni 2012 standen sich Spanien und Portugal im EM-Halbfinale gegenüber. Das Stadion des EM-Halbfinals, die Arena des Klubs Schachtor Donezk, wurde mittlerweile durch zwei Einschläge strukturell schwer beschädigt. Gibt es sie überhaupt, die friedensstiftende Wirkung des Sports?

Willi Lemke: Der Sport hat den großen Vorteil, dass er Menschen aus ganz unterschiedlichen Bereichen zusammenbringt, also Menschen unterschiedlicher Religion, Erziehung, Sprache, Hautfarbe. Dank der universellen Sprache des Sports können sie gemeinsam den Regeln folgen. Der Sport kann Brücken bauen und auf diesen Brücken kann Dialog stattfinden. Was der Sport nicht kann, ist Kriege verhindern. Aber über die sportliche Begegnung kann Dialog entstehen. Das ist in meiner Sicht eine große Funktion.

DFB.de: Sie reisen als Berater des UN-Generalsekretärs seit 2007 gerade in die armen Teile dieser Welt, initiieren und unterstützen überall Projekte. Warum haben Sie nochmal um ein Jahr verlängert?

Lemke: Weil Generalsekretär Ban Ki-moon mich darum gebeten hat.

DFB.de: Guter Grund, aber was reizt Sie an dieser Aufgabe?

Lemke: Menschen zusammenzuführen. Durch Projekte das Leben von Menschen positiv zu beeinflussen. 2012 habe ich mit meinem Büro das 'Youth Leadership Programme' entwickelt. Mittlerweile haben wir mit Hilfe dieses Projekts fast 400 besonders engagierte Jugendliche aus Townships, Favelas, Slums und Flüchtlingslagern zu Bildungsprogrammen eingeladen. Dort lernen die jungen Menschen, wie sie in ihrem Umfeld Sport für Entwicklung und Frieden nutzen können. Das befriedigt mich unendlich. Ich erfahre damit eine große Sinnhaftigkeit.

DFB.de: Woher kommen denn diese jungen Menschen?

Lemke: Alle aus dem Sport, alle haben sich bereits sozial verdient gemacht. Ich denke jetzt an ein Mädchen, das in Sambia bei einem Frauenprojekt mitarbeitet. Als Entlohnung für ihre Arbeit bekam sie bislang eine Flasche Mineralwasser und das Busticket. Eine andere Teilnehmerin hatte zuvor am Aufbau der Frauen-Nationalmannschaft von Palästina mitgewirkt. Sie hat sich über unser Programm fortgebildet und arbeitet heute bei der FIFA. Ich bin keiner, der ausschließlich Texte schreibt oder nur in Diskussionsrunden sitzen mag. Ich bin lieber gerne dabei, wenn Dinge durch die Kraft des Sportes umgesetzt werden.

DFB.de: Den Fußball nutzen, um sozial zu wirken oder positive Werte zu vermitteln, ist auch eine Säule des DFB. Kennen Sie die von der DFB-Stiftung Sepp Herberger geförderte Blindenfußball-Bundesliga?

Lemke: Ein großartiges Projekt. Leider war ich noch nicht bei einem Spieltag dabei, aber bei den Paralympics in London hat mich der Blindenfußball stark beeindruckt. Im Rahmen meines UN-Mandats fördern wir etliche Projekte des Behindertensports. An der Blindenfußball-Bundesliga gefällt mir, dass einige Spieltage auch diesen Sommer wieder in den Innenstädten ausgetragen werden. Der Behindertensport muss mitten in der Gesellschaft stattfinden. Es ist eindrucksvoll mitzuerleben, wie diese Spieler ohne Augenlicht guten Fußball zeigen.

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DFB.de: Weltweit sind laut offiziellen Zahlen derzeit 50 Millionen Menschen auf der Flucht. Was kann der Fußball hier leisten?

Lemke: Auch Werder Bremen engagiert sich hier. Ich selbst habe mit mehreren jungen Flüchtlingen in den letzten Wochen in Bremen an der Bremer Winterlaufserie teilgenommen. Da laufen wir mit etwa 1000 Bremerinnen und Bremern eine Strecke von zehn Kilometern. Auch andere Gemeinden und Vereine nehmen sich, sehr zu meiner Freude, dieses Themas an. Wir müssen uns doch nur vorstellen, wie es uns gehen würde, wären wir plötzlich aus unserem Leben gerissen und müssten in einem fremden Land oft ohne Sprachkenntnisse völlig neu anfangen. Die Fußballbegeisterung in Afrika und vielen anderen Teilen der Welt ist riesig. Also kann auch für Flüchtlinge der Fußball so etwas wie ein Heimatgefühl vermitteln.

DFB.de: Werder Bremen hat eine große CSR-Abteilung, der VfL Wolfsburg hat einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht, der DFB tat dies 2013 auch. Passt das überhaupt zum Fußball?

Lemke: Unbedingt. Ich kann nur allen Vereinen raten, diesen Beispielen zu folgen. Das macht doch heute aus gutem Grund fast jedes mittelgroße Unternehmen. Der DFB ist bei dieser Aufgabe ein Vorbild für andere Sportverbände in Deutschland, die sich aber auch bemühen. Also ganz klar, dazu sage ich 'Verstärkt das noch!'.

DFB.de: Aber wenn Werder Bremen mal drei Spiele in Folge verliert, sagen die Kritiker, das liegt nur an der Nachhaltigkeit, die sollten sich mehr auf das Kerngeschäft konzentrieren.

Lemke: Das hat doch überhaupt nichts miteinander zu tun. Man muss nur mal gegenüberstellen, was die Vereine für ihre soziale Verantwortung und im Vergleich für Spielerberater ausgeben. Das müsste der internationale Fußball mal in den Griff bekommen, dieses Unwesen. In dieser Saison werden wir in der Bundesliga rund 100 Millionen Euro für Spielerberater ausgeben. Mit diesen 100 Millionen vom deutschen Fußball für soziale Verantwortung wären wir weltweit ganz, ganz vorne und würden einen sehr wichtigen sozialen Beitrag leisten.

DFB.de: Die übernächste Fußball-WM wird in Katar ausgetragen. Es wird immer wieder über die Arbeitsbedingungen auf den Baustellen gesprochen. Sie waren während der Handball-WM im Land, kommen auch gerade aus Katar. Was für Eindrücke konnten Sie sammeln?

Lemke: Katar versucht mit großen Anstrengungen und wahnsinnig viel Geld ein internationales Zentrum des Sports zu werden. Es gibt gegenwärtig etwa 1,5 Millionen Arbeitsimmigranten in Katar. Wenn sich die Bedingungen für diese Menschen verbessern würden, wäre das ein großer Erfolg. Dieser Prozess muss sich aber beschleunigen, das würde sich auch positiv auf die anderen Emirate auswirken. Gegen Katars generelle Zielsetzung habe ich keine Einwände. Wenn aber internationale Verbände wie der Welt-Handballverband IHF es zulassen, dass Katar aufgrund finanzieller Potenz drei Jahre vor dem Turnier große Stars einkauft, dann habe ich größte Bedenken. Da hat nicht wirklich Katar gegen Deutschland gespielt. Das ist eine Entwicklung, die hat mir nicht gefallen. Wer 21 Jahre alt wird, sollte fest entscheiden, für welche Nation er sportlich aufläuft. Es kann doch nicht sein, dass ein Sportler auf dem Höhepunkt seiner Karriere die Nationalität wechselt, nur um nochmal fett abzukassieren. Mit der Entscheidung, die Fußball-WM im Winter 2022 auszutragen, hat man sichergestellt, dass die klimatischen Bedingungen kein Problem darstellen werden. Und deutsche Fußballfans, die sich jetzt schon sorgen, dass sie dort kein Bier bekommen, kann ich beruhigen. Das wird klappen. Deshalb muss niemand zuhause bleiben.

DFB.de: Waren Sie in Katar auf den Baustellen und in den Unterkünften?

Lemke: Ja. Ich habe mehrfach Quartiere besucht, aber ich habe sicher nicht die schlimmsten Zustände selbst gesehen. Wenn die Tatsache, dass in Katar eine Fußball-Weltmeisterschaft stattfindet, zu einer deutlichen Verbesserung der Arbeitssituation auf den Baustellen führt, wäre das ein riesiger Erfolg. Es muss sauber und transparent recherchiert werden. Eine englische Zeitung schrieb schon von 1000 Toten, da gab es noch keine WM-Baustellen. Und eins ist auch klar: Die Welt wäre ohne globale Sportveranstaltungen wesentlich ärmer. Nur müssen wir uns von der totalen Kommerzialisierung dieser Events verabschieden. Ich würde mir wünschen, dass wir hier das Rad wieder etwas zurückdrehen könnten. Ob das aber gelingt, da bin ich mir nicht sicher.

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DFB.de: Wie hält es der Sonderberater im zarten Alter von 68 Jahren selbst mit dem Sport?

Lemke: Ich bin nach wie vor ein begeisterter Läufer. In der Woche laufe ich mindestens einmal zwölf Kilometer, manchmal auch 20 oder mehr. Wenn ich vor Wettkämpfen stehe, werden es auch mal 50 oder 60 Kilometer. Wenn ich nicht laufen kann, bin ich unglücklich.

DFB.de: Was zeigt die Waage, Herr Lemke?

Lemke: Die zeigt 70 Kilogramm. Wenn ich gut im Training bin, zeigt sie 67,5 kg. Das Gewicht hatte ich als Sportstudent in Hamburg.

DFB.de: Wann haben Sie das letzte Mal mit Klaus-Dieter Fischer einen Kaffee getrunken?

Lemke: Gesehen habe ich Klaus-Dieter Fischer beim letzten Auswärtsspiel von Werder Bremen in Bielefeld. Einen Kaffee haben wir da allerdings nicht getrunken. Wir haben über Jahrzehnte im Erfolg und Misserfolg zusammen gestanden. Das wird sich jetzt auch nicht nach dem Konflikt im Herbst mehr ändern.

DFB.de: Auf YouTube kann man noch Bilder von der Pressekonferenz 1999 sehen, als Sie Thomas Schaaf den Medien präsentiert haben. Der Verein stand mit dem Rücken zur Wand, das Präsidium war zurückgetreten, aber Sie waren völlig ruhig. Typisch für den Bremer Weg, oder?

Lemke: Wir sind nicht so aufgeregt wie es in anderen Städten der Bundesliga die Regel ist. Das hat uns lange stark gemacht, den Kurs wollen wir gerne weiterfahren. Für die Mannschaft darf es nur einen zentralen Ansprechpartner geben. Der Boss ist der Trainer. Die Spieler dürfen nicht die Möglichkeit haben, sich beim Sportdirektor auszuweinen. Die Spieler wussten früher genau, wenn sie ein sportliches Problem haben, müssen sie nicht zu Präsident Franz Böhmert oder zu mir kommen. Da war die Tür zu Otto Rehhagel, der Trainer war ihr alleiniger Ansprechpartner.

DFB.de: Und was muss der UN-Sonderberater besser können – den Finger in die Wunde legen oder Brücken bauen?

Lemke: Brücken bauen ist viel wichtiger. Den Finger in die Wunde legen, das machen andere schon genug. Wenn ich auch nur reinhaue und alles kritisiere, das wäre wenig hilfreich.