Leidenschaft Sportplatzfotos: "Lieber Kreisklasse als Champions League"

Der kleine Fußball ist in Deutschland riesengroß. In fast 26.000 Vereinen wird unter dem Dach des DFB Fußball gespielt. Das Rampenlicht gehört normalerweise den Stars aus der Bundesliga und der Nationalmannschaft. Die heimlichen Helden aber spielen und engagieren sich woanders an der Basis.

Ihnen widmet sich DFB.de jeden Dienstag in seiner Serie. Sie zeigt wie besonders der deutsche Fußballalltag ist. Heute: Christian Hahn und seine Leidenschaft für die Sportfotografie.

Christian Hahn ist Designer, Gestalter und Fotograf. Hahn ist aber auch Fußballfan - und das mit viel Leidenschaft. Auf seiner Webseite platzbesichtigung.de verbindet er Beruf und Hobby. Der 37-Jährige fotografiert berühmte Stadien in aller Welt, aber auch Dorfplätze in Joss, Bad Meinberg oder Dorndiel - das Ganze in einer 180-Panorama-Technik. Im Interview mit FUSSBALL.de hat Hahn über seine Begeisterung für den Amateurfußball, neumodische Arenen und übergewichtige Männer mit Oberlippenbart gesprochen.

Frage: Herr Hahn, seit wann fotografieren Sie schon Stadien und Fußballplätze?

Christian Hahn: Das Ganze hat im Jahr 2002 angefangen. Zu dieser Zeit habe ich in England studiert und war in Manchester im Old Trafford. Ich wollte das Erlebnis in diesem riesigen Stadion so fotografieren, dass ich es meiner Freundin zu Hause zeigen kann. Danach habe ich diese 180-Grad-Technik auch auf Stadien in Deutschland, im Ausland und auf Amateurplätze angewendet. Für mich haben gerade diese Dorfplätze einen sehr starken visuellen Reitz. Die Webseite betreibe ich erst seit kurzer Zeit.

Frage: Wie oft besuchen Sie Fußballspiele?

Hahn: Ich habe als Frankfurt-Fan eine Dauerkarte für die Eintracht und fahre auch gelegentlich zu den Auswärtsspielen. Am Wochenende und unter der Woche bin ich oft bei unterklassigen Spielen in Frankfurt und im Rhein-Main-Gebiet. Im Moment gibt es gerade unter der Woche viele Nachholspiele mit Flutlicht – eine tolle Atmosphäre. Ehrlich gesagt, habe ich mich über den langen Winter gefreut, sonst gäbe es im Moment nicht so viele Nachholspiele (lacht).

Frage: Fotografieren Sie nur, wenn auch Spiele stattfinden?

Hahn: Nicht unbedingt. Ich versuche natürlich, die Fotografie mit einem Spiel zu verknüpfen. Wenn ich aber irgendwo auf Reisen bin, dann mache ich auch Bilder von Plätzen, auf denen gerade kein Spiel stattfindet.

Frage: Was motiviert Sie, diese Bilder zu machen?

Hahn: Es ist nicht das Ziel, eine bestimmte Anzahl von Fotos oder alle Bundesligastadien komplett zu dokumentieren. Es geht ganz einfach um die Liebe zum Fußball. Hier bin ich in erster Linie Fußballfan und nicht Fotograf. Ich gehe als Fan zu den Spielen, der quasi nebenher noch Fotos macht. Durch den ganzen Neubauwahn um die WM 2006 gab es im Profibereich ja viele bauliche Veränderungen in den Stadien. Aber auch in der 3. Liga wollten viele Klubs aus dem Stadion eine Arena machen und haben jetzt - wie Offenbach, Aachen oder Bielefeld – mit den finanziellen Folgen zu kämpfen. Da geht auch leider viel verloren. Mit den Bildern versuche ich, einen Ist-Zustand zu dokumentieren und einen Erinnerungswert zu schaffen.

Frage: Gibt es für Sie Unterschiede zwischen den alten Stadien und den neuen Arenen?

Hahn: Auf alle Fälle. Der alte Bieberer Berg in Offenbach zum Beispiel war für mich immer ein tolles Stadion – auch ohne viel Komfort. Bei der neuen Arena wurde für mich viel Charme wegrenoviert. Natürlich argumentieren die Vereine mit den tollen neuen Logen und den damit verbundenen Einnahmequellen. Aber das ist in Offenbach aus meiner Sicht nach hinten losgegangen. Mir fehlt das Individuelle.

Frage: Und das Individuelle finden Sie dann auf den Amateurplätzen?

Hahn: Ja, auf jeden Fall. Es ist aber nicht nur der Ort, auch die Menschen machen den Charme der Dorfplätze aus.

Frage: Wie reagieren die Leute auf Sie, wenn Sie als Fremder auf einem Sportplatz auftauchen und dort ihre Bilder machen?

Hahn: Die Leute fragen sich oft: Was fotografiert der da? Sie denken dann, ich wäre von der Presse oder ein Talentscout. Meistens kommt man dann ins Gespräch und alles klärt sich auf. Ich habe ja auch ein Interesse am Spiel und bin nicht nur wegen der Fotos vor Ort – ganz im Gegenteil. Die meisten Leute nehmen es einfach zur Kenntnis und denken sich vielleicht insgeheim: "Was ist denn das für ein Depp, der diesen Quatsch fotografiert?"

Frage: Was fasziniert die Menschen am Amateurfußball?

Hahn: Die Leute gehen mit einer ganz anderen Ernsthaftigkeit zum Amateurfußball als zum Beispiel zu einem Spiel zwischen Bayern München und Borussia Dortmund. Wer zum Amateurfußball geht, erwartet kein Spektakel, das finde ich gerade das Schöne. Die Menschen gehen nicht auf den Platz, um ein 4:4 oder einen spektakulären Fallrückzieher zu sehen. Trotzdem ist es diesen Menschen sehr ernst, und es ist ihnen wichtig, dass zum Beispiel Zwingenberg II am Sonntag sein Spiel gewinnt. Der Fußball ist ja auch so, dass in einem D-Klasse-Spiel etwas total Schönes passieren kann. Wenn ein Siegtor in der letzten Minute fällt, flippen die Leute aus – und es ist egal, ob ein Mario Götze das Tor gemacht hat oder ein übergewichtiger Mann mit Oberlippenbart. Ich persönlich würde jederzeit ein Kreisklasse-Spiel einem Champions-League-Spiel vorziehen.

Frage: Haben Sie ein Lieblingsbild in Ihrer Sammlung?

Hahn: Den Platz in Dorndiel finde ich super. Er liegt in Hessen, im Landkreis Darmstadt-Dieburg, in einem Ortsteil von Groß-Umstadt. Er ist sehr, sehr idyllisch. Da war ich letztes Jahr bei einem Spiel, dort sind die Frösche über das Feld gehüpft, unglaublich. Außerdem gibt es dort immer eine gute Bewirtung mit leckerem, selbstgebackenem Kuchen und Kaffee.

Frage: Welche Plätze haben Sie noch auf der Wunschliste?

Hahn: Ich würde sehr gerne mal zum VfR Bürstadt. Das ist ein traditionsreicher Sportplatz, auf dem immerhin einmal 2. Liga gespielt wurde. Ansonsten einfach Stadien, von denen man weiß, dass es sie vielleicht nicht mehr lange gibt. Zum Beispiel die Rosenau in Augsburg, den Uhlenkrug in Essen oder die Grotenburg-Kampfbahn in Krefeld. Generell hat jeder unterklassige Platz seinen Charme.

Seit Februar sind einige Bilder von Christian Hahn in der Ausstellung "Frankfurter Sportstätten" im Museum von Eintracht Frankfurt zu sehen.

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Der kleine Fußball ist in Deutschland riesengroß. In fast 26.000 Vereinen wird unter dem Dach des DFB Fußball gespielt. Das Rampenlicht gehört normalerweise den Stars aus der Bundesliga und der Nationalmannschaft. Die heimlichen Helden aber spielen und engagieren sich woanders an der Basis.

Ihnen widmet sich DFB.de jeden Dienstag in seiner Serie. Sie zeigt wie besonders der deutsche Fußballalltag ist. Heute: Christian Hahn und seine Leidenschaft für die Sportfotografie.

Christian Hahn ist Designer, Gestalter und Fotograf. Hahn ist aber auch Fußballfan - und das mit viel Leidenschaft. Auf seiner Webseite platzbesichtigung.de verbindet er Beruf und Hobby. Der 37-Jährige fotografiert berühmte Stadien in aller Welt, aber auch Dorfplätze in Joss, Bad Meinberg oder Dorndiel - das Ganze in einer 180-Panorama-Technik. Im Interview mit FUSSBALL.de hat Hahn über seine Begeisterung für den Amateurfußball, neumodische Arenen und übergewichtige Männer mit Oberlippenbart gesprochen.

Frage: Herr Hahn, seit wann fotografieren Sie schon Stadien und Fußballplätze?

Christian Hahn: Das Ganze hat im Jahr 2002 angefangen. Zu dieser Zeit habe ich in England studiert und war in Manchester im Old Trafford. Ich wollte das Erlebnis in diesem riesigen Stadion so fotografieren, dass ich es meiner Freundin zu Hause zeigen kann. Danach habe ich diese 180-Grad-Technik auch auf Stadien in Deutschland, im Ausland und auf Amateurplätze angewendet. Für mich haben gerade diese Dorfplätze einen sehr starken visuellen Reitz. Die Webseite betreibe ich erst seit kurzer Zeit.

Frage: Wie oft besuchen Sie Fußballspiele?

Hahn: Ich habe als Frankfurt-Fan eine Dauerkarte für die Eintracht und fahre auch gelegentlich zu den Auswärtsspielen. Am Wochenende und unter der Woche bin ich oft bei unterklassigen Spielen in Frankfurt und im Rhein-Main-Gebiet. Im Moment gibt es gerade unter der Woche viele Nachholspiele mit Flutlicht – eine tolle Atmosphäre. Ehrlich gesagt, habe ich mich über den langen Winter gefreut, sonst gäbe es im Moment nicht so viele Nachholspiele (lacht).

Frage: Fotografieren Sie nur, wenn auch Spiele stattfinden?

Hahn: Nicht unbedingt. Ich versuche natürlich, die Fotografie mit einem Spiel zu verknüpfen. Wenn ich aber irgendwo auf Reisen bin, dann mache ich auch Bilder von Plätzen, auf denen gerade kein Spiel stattfindet.

Frage: Was motiviert Sie, diese Bilder zu machen?

Hahn: Es ist nicht das Ziel, eine bestimmte Anzahl von Fotos oder alle Bundesligastadien komplett zu dokumentieren. Es geht ganz einfach um die Liebe zum Fußball. Hier bin ich in erster Linie Fußballfan und nicht Fotograf. Ich gehe als Fan zu den Spielen, der quasi nebenher noch Fotos macht. Durch den ganzen Neubauwahn um die WM 2006 gab es im Profibereich ja viele bauliche Veränderungen in den Stadien. Aber auch in der 3. Liga wollten viele Klubs aus dem Stadion eine Arena machen und haben jetzt - wie Offenbach, Aachen oder Bielefeld – mit den finanziellen Folgen zu kämpfen. Da geht auch leider viel verloren. Mit den Bildern versuche ich, einen Ist-Zustand zu dokumentieren und einen Erinnerungswert zu schaffen.

Frage: Gibt es für Sie Unterschiede zwischen den alten Stadien und den neuen Arenen?

Hahn: Auf alle Fälle. Der alte Bieberer Berg in Offenbach zum Beispiel war für mich immer ein tolles Stadion – auch ohne viel Komfort. Bei der neuen Arena wurde für mich viel Charme wegrenoviert. Natürlich argumentieren die Vereine mit den tollen neuen Logen und den damit verbundenen Einnahmequellen. Aber das ist in Offenbach aus meiner Sicht nach hinten losgegangen. Mir fehlt das Individuelle.

Frage: Und das Individuelle finden Sie dann auf den Amateurplätzen?

Hahn: Ja, auf jeden Fall. Es ist aber nicht nur der Ort, auch die Menschen machen den Charme der Dorfplätze aus.

Frage: Wie reagieren die Leute auf Sie, wenn Sie als Fremder auf einem Sportplatz auftauchen und dort ihre Bilder machen?

Hahn: Die Leute fragen sich oft: Was fotografiert der da? Sie denken dann, ich wäre von der Presse oder ein Talentscout. Meistens kommt man dann ins Gespräch und alles klärt sich auf. Ich habe ja auch ein Interesse am Spiel und bin nicht nur wegen der Fotos vor Ort – ganz im Gegenteil. Die meisten Leute nehmen es einfach zur Kenntnis und denken sich vielleicht insgeheim: "Was ist denn das für ein Depp, der diesen Quatsch fotografiert?"

Frage: Was fasziniert die Menschen am Amateurfußball?

Hahn: Die Leute gehen mit einer ganz anderen Ernsthaftigkeit zum Amateurfußball als zum Beispiel zu einem Spiel zwischen Bayern München und Borussia Dortmund. Wer zum Amateurfußball geht, erwartet kein Spektakel, das finde ich gerade das Schöne. Die Menschen gehen nicht auf den Platz, um ein 4:4 oder einen spektakulären Fallrückzieher zu sehen. Trotzdem ist es diesen Menschen sehr ernst, und es ist ihnen wichtig, dass zum Beispiel Zwingenberg II am Sonntag sein Spiel gewinnt. Der Fußball ist ja auch so, dass in einem D-Klasse-Spiel etwas total Schönes passieren kann. Wenn ein Siegtor in der letzten Minute fällt, flippen die Leute aus – und es ist egal, ob ein Mario Götze das Tor gemacht hat oder ein übergewichtiger Mann mit Oberlippenbart. Ich persönlich würde jederzeit ein Kreisklasse-Spiel einem Champions-League-Spiel vorziehen.

Frage: Haben Sie ein Lieblingsbild in Ihrer Sammlung?

Hahn: Den Platz in Dorndiel finde ich super. Er liegt in Hessen, im Landkreis Darmstadt-Dieburg, in einem Ortsteil von Groß-Umstadt. Er ist sehr, sehr idyllisch. Da war ich letztes Jahr bei einem Spiel, dort sind die Frösche über das Feld gehüpft, unglaublich. Außerdem gibt es dort immer eine gute Bewirtung mit leckerem, selbstgebackenem Kuchen und Kaffee.

Frage: Welche Plätze haben Sie noch auf der Wunschliste?

Hahn: Ich würde sehr gerne mal zum VfR Bürstadt. Das ist ein traditionsreicher Sportplatz, auf dem immerhin einmal 2. Liga gespielt wurde. Ansonsten einfach Stadien, von denen man weiß, dass es sie vielleicht nicht mehr lange gibt. Zum Beispiel die Rosenau in Augsburg, den Uhlenkrug in Essen oder die Grotenburg-Kampfbahn in Krefeld. Generell hat jeder unterklassige Platz seinen Charme.

Seit Februar sind einige Bilder von Christian Hahn in der Ausstellung "Frankfurter Sportstätten" im Museum von Eintracht Frankfurt zu sehen.