Krupp: "Erwartungshaltung ist sehr hoch"

Vom 26. Juni bis 17. Juli findet in Deutschland die Frauen-WM 2011 statt - für die Spielerinnen der DFB-Auswahl der Höhepunkt in ihrer Karriere. Ihr Ziel: die Titelverteidigung.

Das wichtigste Turnier vor heimischer Kulisse bestreiten zu dürfen, wird für die 21 Frauen, die letztlich im WM-Kader von DFB-Trainerin Silvia Neid stehen werden, aber auch unabhängig vom Abschneiden ein außergewöhnliches Erlebnis sein.

Das können auch die Trainer und Athleten aus anderen Sportarten bestätigen, die in den vergangenen Jahren ebenfalls in den Genuss einer Heim-WM gekommen sind - und erfolgreich waren. In einer Interview-Serie spricht DFB.de immer dienstags mit deutschen Protagonisten und blickt zurück auf deren ganz persönliche Faszination Heim-WM.

Im vergangenen Jahr startete die Eishockey-Weltmeisterschaft mit einem Paukenschlag. 77.803 Fans verfolgten das Eröffnungsspiel zwischen der DEB-Auswahl und den USA in der Arena „AufSchalke“. Vor der Rekordkulisse gewann das deutsche Team mit 2:1 in der Overtime und verbuchte damit einen erfolgreichen Start ins Turnier. Am Ende sprang ein sensationeller vierter Platz heraus. Vater des Erfolges war Bundestrainer Uwe Krupp. Im Interview mit DFB-Redakteur Niels Barnhofer schaut er auf die WM im eigenen Land zurück.

DFB.de: Herr Krupp, wenn Sie über die WM im vergangenen Jahr nachdenken: Wie häufig taucht das Bild von der ausverkauften Arena „AufSchalke“ vor ihrem geistigen Auge auf?

Uwe Krupp: Ja, das war natürlich eine unglaubliche Kulisse, aber ich muss ganz ehrlich sagen, als Trainer hab ich das gar nicht so wahrgenommen. Wir waren vorher in der Halle, wir wussten, dass die Bedingungen gut sein werden, um Eishockey zu spielen - und dass es ein riesiges Event wird. Aber ich komme nicht aus meiner Trainerperspektive raus. Für mich stand im Vordergrund, dass wir mit dem Druck, der auf uns lastete, dass wir mit der Fußball-Arena umgehen und uns auf unser Spiel konzentrieren können. Das war für mich viel wichtiger und ist auch im Nachhinein noch viel mehr in meinem Kopf geblieben als diese knapp 80.000 Zuschauer in der Halle.

DFB.de: Beschreiben Sie mal die Drucksituation: Was unterscheidet die WM im eigenen Land von einem anderen Turnier?

Krupp: Ich habe mit Trainerkollegen gesprochen, viele reden vom Heimnachteil, weil man unter der Lupe und die Erwartungshaltung sehr hoch ist. Es bedarf einer sehr guten Planung, um diese Erwartungshaltung zu managen. Es geht dabei darum, die Mannschaft darauf vorzubereiten und auch alle anderen auf die gleiche Wellenlänge zu bringen. Und mit allen meine ich das komplette Umfeld der Mannschaft, die Betreuer, die Offiziellen, die Medienvertreter. Darauf haben wir sehr großen Wert gelegt.

DFB.de: Können Sie diese Planung näher beschreiben? Haben Sie mit einem Psychologen gearbeitet?

Krupp: Wir haben mit einem Sportpsychologen gearbeitet, der uns viele Tipps gegeben hat. Wir haben dann auch zusammen einige Teambuilding-Maßnahmen durchgeführt. Bei mir herrscht generell eine gewisse Skepsis darüber, eine neue Person in den Stab hineinzubringen. Meiner Meinung nach formt der Trainer mit seiner Philosophie und Persönlichkeit die Identität der Mannschaft. Im Wettbewerb muss sich dann diese Identität entwickeln, und sportlicher Erfolg ist ein wesentlicher Baustein in diesem Prozess. Wir hatten bei der Heim-WM das Glück, dass wir sofort gepunktet haben. Dadurch kamen Selbstbewusstsein und auch der Glaube und Biss, um mehr zu erreichen.

DFB.de: Was davon ist planbar?

Krupp: In der Mannschaft setzt man sich ein gemeinsames Ziel. Das ist nicht mein Ziel, das Ziel des Präsidenten oder das einer Zeitung, sondern das unseres Teams. Und wenn das identifiziert ist, dann kannst du angreifen, dann kann man darauf hinarbeiten. Das ist eine wichtige Sache, dass sich das innerhalb der Mannschaft entwickelt. Ich sehe das als meinen Job an, das aus den Spielern herauszukitzeln. Ich will, dass jeder die Hosen runterlässt und sagt, was er für Ziele bei der WM hat. Und das haben auch alle gemacht. Das war sehr interessant, weil wir zunächst einmal kein einheitliches Meinungsbild hatten. Da hattest du den einen oder anderen, der sagte, ich will Weltmeister werden, und das ist ja im Eishockey noch nie dagewesen. Und es gab andere, die sagten, wir wollen den zehnten Platz erreichen. Damit hatten wir eine ziemliche Streuung, aber wir wollten ja auf einen gemeinsamen Nenner kommen. Um das zu erreichen, haben wir uns die dafür notwendige Zeit genommen.

DFB.de: Man redet miteinander, betreibt Kommunikation - klingt einfach.

Krupp: Ja, man offenbart sich so ein bisschen als Spieler gegenüber seinen Mitspielern. Was sind deine Ziele? Und die zweite Frage ist: Was bist du bereit, dafür zu tun?

DFB.de: Sie hatten kommuniziert, dass es Ihr Ziel gewesen sei, die Vorrunde zu überstehen. War das der Konsens innerhalb der Mannschaft oder eher das, was man nach außen spielt?

Krupp: Die Mehrzahl der Spieler hat tatsächlich gesagt, für uns zählt nur die Zwischenrunde. Aber bei unserem WM-Spielmodus beinhaltet dieses Level ja die Möglichkeit, dass man sich noch weiter vorne platzieren kann. Wir konnten darin übereinstimmen, dass unser Hauptziel vor der Weltmeisterschaft hieß, in den ersten drei Spielen so zu punkten, dass wir uns für die Zwischenrunde qualifizieren. Da haben auch unsere Goldmedaillen-Gewinner zugestimmt. Und wenn wir das nicht schaffen, ist die ganze WM schlecht. Dann ist egal, wie wir das nach außen darstellen, die WM ist eine riesige Enttäuschung. Und wenn wir das schaffen, ist alles gut.

DFB.de: Wenn man diese erste Hürde genommen und sein Soll erfüllt hat, nimmt das Ganze dann eine eigene Dynamik an?

Krupp: Ja, danach haben wir uns wieder zusammengesetzt und gesprochen. Okay, was sagen wir jetzt als Mannschaft, was ist das nächste Ziel? Auch da wurde eine ganz klare Sprache gesprochen. Wir wollen uns fürs Viertelfinale qualifizieren, hieß es. Und dann wurde in der Runde wieder jeder angeschaut, Augenkontakt, und gefragt: Stimmen wir alle überein? Oder, weil ein paar gesagt haben, wir kommen ins Halbfinale, können auch die Halbfinalisten, obwohl sie höhere Ziele gesteckt haben, runter auf dieses nächste Ziel?

DFB.de: Zurück zu den Zuschauern: Gibt es den Funken, der zwischen Mannschaft und Fans hin- und hersprüht?

Krupp: Ja, den gibt’s, und den verdient sich eine Mannschaft. Nach der für uns sehr enttäuschenden WM im vorangegangenen Jahr, spürte man vor allem in den Medien eine gewisse negative Erwartungshaltung, und das überträgt sich natürlich auch auf die Fans. Diese Vorbehalte überwindest du nur über Qualität auf dem Eis. Mit Kampfgeist, Arbeitsbereitschaft, mit Tugenden, mit denen sich der Fan identifizieren kann. Das sind Attribute, die der Fan vielleicht selbst an den Tag legen muss, wenn er montags bis freitags arbeiten geht. Von daher kann er damit etwas anfangen. Dass die Mannschaft dann belohnt wird für diese außergewöhnlich harte, gute Arbeit, damit kann er sich identifizieren, weil er darauf ja auch in seinem Job hofft.

DFB.de: Wurde so etwas auch in Ihren Meetings thematisiert?

Krupp: Ja, man muss den Spieler vorbereiten, dass das Pendel umschwenken kann. Sehr schnell kommt ja dann Unmut von außen auf. Aber man darf sich dann nicht aus der Bahn werfen lassen, wenn kritisiert wird, wenn gepfiffen wird, wenn geunkt wird.

DFB.de: Hatten Sie denn damit Probleme bei der WM?

Krupp: Nicht bei dieser Heim-WM, aber bei anderen Weltmeisterschaften hatten wir schon Probleme, weil ich, egal was man mir sagt, glaube, dass der Unmut der Fans einen negativen Effekt auf die Leistung der Mannschaft hat. Wenn mir einer sagt, dass es seiner Mannschaft nichts ausmacht, wenn da 30.000 Leute pfeifen, dann sage ich: Das ist Bullshit! Denn in der Mannschaft sind immer welche, die davon beeinträchtigt werden, und diese Leute muss man auf die Situation vorbereiten.

DFB.de: Sie haben es ins WM-Halbfinale geschafft - das haben nur wenige erwartet vorher. Erklären Sie bitte, wie das trotzdem "passieren" konnte.

Krupp: Natürlich basiert ein solch erfolgreiches Ergebnis auf besonderen Leistungen individueller Spieler. Bei uns allen voran von unserem Torhüter Denis Endras, aber auch auf einer ganz geschlossenen Mannschaftsleistung. Unser Team ist absolut beherzt, kämpferisch aufgetreten. Die Spieler sind in jedem Spiel über sich hinausgewachsen. Die sind in jeden Zweikampf mit Biss reingegangen.

DFB.de: Ist so etwas wiederholbar?

Krupp: Schwer zu sagen. Solch einen Erfolg hat es seit 60 Jahren im deutschen Eishockey nicht gegeben. Natürlich, wenn man man sich jedem neuen Turnier kämpferisch und mit diesem Spirit stellt, glaube ich, dass diese Leistung wiederholbar ist. Und das muss auch unser Ziel sein. Wir wissen doch jetzt, dass es möglich ist. Das war eine junge Mannschaft, die das erreicht hat, die hat da jetzt reingeschnuppert - aber jeder muss sich bewusst sein, dass dieser Weg dahin noch mal schwerer wird. Auch weil wir jetzt mit einer bisschen besseren Anmeldung kommen. Aber im vergangenen Jahr hast du die Party natürlich so ein bisschen gecrasht.

DFB.de: Die Konkurrenz nimmt die Deutschen also jetzt ernster?

Krupp: Ziel ist immer, dass der Gegner hochguckt, sein Losglück sieht und sagt: Mist, wir haben die deutsche Mannschaft!

DFB.de: Welchen Stellenwert hat die Heim-WM in Ihrem Sportlerleben eingenommen?

Krupp: Ich war der erste deutsche Spieler, der in die NHL ging und sich durchgesetzt hat. Ich sah mich dadurch auch irgendwann in einer Botschafter-Rolle, ich fühlte mich zumindest als Repräsentant des deutschen Eishockeys in Nordamerika. Aber ich hatte nicht das Gefühl, dass das so in Deutschland dargestellt wurde. Ich hatte jedenfalls nie den Eindruck, dass meine Karriere hierzulande intensiv verfolgt wurde. Diese Wahrnehmung und auch Anerkennung ist mir nun durch die Weltmeisterschaft, durch die Arbeit als Bundestrainer zu Teil geworden. Ich bin der Meinung, dass wir es durch dieses Turnier geschafft haben, eine Bindung zwischen Deutschland, deutschen Eishockey-Fans, der deutschen Mannschaft und dem internationalen Eishockey zu schaffen.

DFB.de: Anders als in Ihrer Sportlerkarriere?

Krupp: Zu meiner aktiven Zeit hatte ich immer das Gefühl, ein Einzelkämpfer, auf mich alleine gestellt zu sein, und das war auch okay. Allerdings war hier nun die deutsche Nationalmannschaft mit der Unterstützung der Fans, der Öffentlichkeit bei der WM im eigenen Land - da konnten wir endlich zeigen, was wir drauf haben. Und dieses patriotische Gefühl kannte ich als Spieler nicht. Da gab es vereinzelt Leute, die wussten, was ich gemacht habe. Aber ich bin deswegen nicht im Aktuellen Sportstudio aufgetreten oder konnte unsere Sportart derart in der Öffentlichkeit darstellen. Bei der WM hat das geklappt.

DFB: Das klingt sehr positiv.

Krupp: Ich bin sehr stolz darauf, dass ich als Trainer meinen Beitrag dazu beisteuern konnte. Von daher hat diese WM eine sehr hohe Wertigkeit in meinem Eishockeyleben, sie war ein absolutes Highlight für mich.

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Vom 26. Juni bis 17. Juli findet in Deutschland die Frauen-WM 2011 statt - für die Spielerinnen der DFB-Auswahl der Höhepunkt in ihrer Karriere. Ihr Ziel: die Titelverteidigung.

Das wichtigste Turnier vor heimischer Kulisse bestreiten zu dürfen, wird für die 21 Frauen, die letztlich im WM-Kader von DFB-Trainerin Silvia Neid stehen werden, aber auch unabhängig vom Abschneiden ein außergewöhnliches Erlebnis sein.

Das können auch die Trainer und Athleten aus anderen Sportarten bestätigen, die in den vergangenen Jahren ebenfalls in den Genuss einer Heim-WM gekommen sind - und erfolgreich waren. In einer Interview-Serie spricht DFB.de immer dienstags mit deutschen Protagonisten und blickt zurück auf deren ganz persönliche Faszination Heim-WM.

Im vergangenen Jahr startete die Eishockey-Weltmeisterschaft mit einem Paukenschlag. 77.803 Fans verfolgten das Eröffnungsspiel zwischen der DEB-Auswahl und den USA in der Arena „AufSchalke“. Vor der Rekordkulisse gewann das deutsche Team mit 2:1 in der Overtime und verbuchte damit einen erfolgreichen Start ins Turnier. Am Ende sprang ein sensationeller vierter Platz heraus. Vater des Erfolges war Bundestrainer Uwe Krupp. Im Interview mit DFB-Redakteur Niels Barnhofer schaut er auf die WM im eigenen Land zurück.

DFB.de: Herr Krupp, wenn Sie über die WM im vergangenen Jahr nachdenken: Wie häufig taucht das Bild von der ausverkauften Arena „AufSchalke“ vor ihrem geistigen Auge auf?

Uwe Krupp: Ja, das war natürlich eine unglaubliche Kulisse, aber ich muss ganz ehrlich sagen, als Trainer hab ich das gar nicht so wahrgenommen. Wir waren vorher in der Halle, wir wussten, dass die Bedingungen gut sein werden, um Eishockey zu spielen - und dass es ein riesiges Event wird. Aber ich komme nicht aus meiner Trainerperspektive raus. Für mich stand im Vordergrund, dass wir mit dem Druck, der auf uns lastete, dass wir mit der Fußball-Arena umgehen und uns auf unser Spiel konzentrieren können. Das war für mich viel wichtiger und ist auch im Nachhinein noch viel mehr in meinem Kopf geblieben als diese knapp 80.000 Zuschauer in der Halle.

DFB.de: Beschreiben Sie mal die Drucksituation: Was unterscheidet die WM im eigenen Land von einem anderen Turnier?

Krupp: Ich habe mit Trainerkollegen gesprochen, viele reden vom Heimnachteil, weil man unter der Lupe und die Erwartungshaltung sehr hoch ist. Es bedarf einer sehr guten Planung, um diese Erwartungshaltung zu managen. Es geht dabei darum, die Mannschaft darauf vorzubereiten und auch alle anderen auf die gleiche Wellenlänge zu bringen. Und mit allen meine ich das komplette Umfeld der Mannschaft, die Betreuer, die Offiziellen, die Medienvertreter. Darauf haben wir sehr großen Wert gelegt.

DFB.de: Können Sie diese Planung näher beschreiben? Haben Sie mit einem Psychologen gearbeitet?

Krupp: Wir haben mit einem Sportpsychologen gearbeitet, der uns viele Tipps gegeben hat. Wir haben dann auch zusammen einige Teambuilding-Maßnahmen durchgeführt. Bei mir herrscht generell eine gewisse Skepsis darüber, eine neue Person in den Stab hineinzubringen. Meiner Meinung nach formt der Trainer mit seiner Philosophie und Persönlichkeit die Identität der Mannschaft. Im Wettbewerb muss sich dann diese Identität entwickeln, und sportlicher Erfolg ist ein wesentlicher Baustein in diesem Prozess. Wir hatten bei der Heim-WM das Glück, dass wir sofort gepunktet haben. Dadurch kamen Selbstbewusstsein und auch der Glaube und Biss, um mehr zu erreichen.

DFB.de: Was davon ist planbar?

Krupp: In der Mannschaft setzt man sich ein gemeinsames Ziel. Das ist nicht mein Ziel, das Ziel des Präsidenten oder das einer Zeitung, sondern das unseres Teams. Und wenn das identifiziert ist, dann kannst du angreifen, dann kann man darauf hinarbeiten. Das ist eine wichtige Sache, dass sich das innerhalb der Mannschaft entwickelt. Ich sehe das als meinen Job an, das aus den Spielern herauszukitzeln. Ich will, dass jeder die Hosen runterlässt und sagt, was er für Ziele bei der WM hat. Und das haben auch alle gemacht. Das war sehr interessant, weil wir zunächst einmal kein einheitliches Meinungsbild hatten. Da hattest du den einen oder anderen, der sagte, ich will Weltmeister werden, und das ist ja im Eishockey noch nie dagewesen. Und es gab andere, die sagten, wir wollen den zehnten Platz erreichen. Damit hatten wir eine ziemliche Streuung, aber wir wollten ja auf einen gemeinsamen Nenner kommen. Um das zu erreichen, haben wir uns die dafür notwendige Zeit genommen.

DFB.de: Man redet miteinander, betreibt Kommunikation - klingt einfach.

Krupp: Ja, man offenbart sich so ein bisschen als Spieler gegenüber seinen Mitspielern. Was sind deine Ziele? Und die zweite Frage ist: Was bist du bereit, dafür zu tun?

DFB.de: Sie hatten kommuniziert, dass es Ihr Ziel gewesen sei, die Vorrunde zu überstehen. War das der Konsens innerhalb der Mannschaft oder eher das, was man nach außen spielt?

Krupp: Die Mehrzahl der Spieler hat tatsächlich gesagt, für uns zählt nur die Zwischenrunde. Aber bei unserem WM-Spielmodus beinhaltet dieses Level ja die Möglichkeit, dass man sich noch weiter vorne platzieren kann. Wir konnten darin übereinstimmen, dass unser Hauptziel vor der Weltmeisterschaft hieß, in den ersten drei Spielen so zu punkten, dass wir uns für die Zwischenrunde qualifizieren. Da haben auch unsere Goldmedaillen-Gewinner zugestimmt. Und wenn wir das nicht schaffen, ist die ganze WM schlecht. Dann ist egal, wie wir das nach außen darstellen, die WM ist eine riesige Enttäuschung. Und wenn wir das schaffen, ist alles gut.

DFB.de: Wenn man diese erste Hürde genommen und sein Soll erfüllt hat, nimmt das Ganze dann eine eigene Dynamik an?

Krupp: Ja, danach haben wir uns wieder zusammengesetzt und gesprochen. Okay, was sagen wir jetzt als Mannschaft, was ist das nächste Ziel? Auch da wurde eine ganz klare Sprache gesprochen. Wir wollen uns fürs Viertelfinale qualifizieren, hieß es. Und dann wurde in der Runde wieder jeder angeschaut, Augenkontakt, und gefragt: Stimmen wir alle überein? Oder, weil ein paar gesagt haben, wir kommen ins Halbfinale, können auch die Halbfinalisten, obwohl sie höhere Ziele gesteckt haben, runter auf dieses nächste Ziel?

DFB.de: Zurück zu den Zuschauern: Gibt es den Funken, der zwischen Mannschaft und Fans hin- und hersprüht?

Krupp: Ja, den gibt’s, und den verdient sich eine Mannschaft. Nach der für uns sehr enttäuschenden WM im vorangegangenen Jahr, spürte man vor allem in den Medien eine gewisse negative Erwartungshaltung, und das überträgt sich natürlich auch auf die Fans. Diese Vorbehalte überwindest du nur über Qualität auf dem Eis. Mit Kampfgeist, Arbeitsbereitschaft, mit Tugenden, mit denen sich der Fan identifizieren kann. Das sind Attribute, die der Fan vielleicht selbst an den Tag legen muss, wenn er montags bis freitags arbeiten geht. Von daher kann er damit etwas anfangen. Dass die Mannschaft dann belohnt wird für diese außergewöhnlich harte, gute Arbeit, damit kann er sich identifizieren, weil er darauf ja auch in seinem Job hofft.

DFB.de: Wurde so etwas auch in Ihren Meetings thematisiert?

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Krupp: Ja, man muss den Spieler vorbereiten, dass das Pendel umschwenken kann. Sehr schnell kommt ja dann Unmut von außen auf. Aber man darf sich dann nicht aus der Bahn werfen lassen, wenn kritisiert wird, wenn gepfiffen wird, wenn geunkt wird.

DFB.de: Hatten Sie denn damit Probleme bei der WM?

Krupp: Nicht bei dieser Heim-WM, aber bei anderen Weltmeisterschaften hatten wir schon Probleme, weil ich, egal was man mir sagt, glaube, dass der Unmut der Fans einen negativen Effekt auf die Leistung der Mannschaft hat. Wenn mir einer sagt, dass es seiner Mannschaft nichts ausmacht, wenn da 30.000 Leute pfeifen, dann sage ich: Das ist Bullshit! Denn in der Mannschaft sind immer welche, die davon beeinträchtigt werden, und diese Leute muss man auf die Situation vorbereiten.

DFB.de: Sie haben es ins WM-Halbfinale geschafft - das haben nur wenige erwartet vorher. Erklären Sie bitte, wie das trotzdem "passieren" konnte.

Krupp: Natürlich basiert ein solch erfolgreiches Ergebnis auf besonderen Leistungen individueller Spieler. Bei uns allen voran von unserem Torhüter Denis Endras, aber auch auf einer ganz geschlossenen Mannschaftsleistung. Unser Team ist absolut beherzt, kämpferisch aufgetreten. Die Spieler sind in jedem Spiel über sich hinausgewachsen. Die sind in jeden Zweikampf mit Biss reingegangen.

DFB.de: Ist so etwas wiederholbar?

Krupp: Schwer zu sagen. Solch einen Erfolg hat es seit 60 Jahren im deutschen Eishockey nicht gegeben. Natürlich, wenn man man sich jedem neuen Turnier kämpferisch und mit diesem Spirit stellt, glaube ich, dass diese Leistung wiederholbar ist. Und das muss auch unser Ziel sein. Wir wissen doch jetzt, dass es möglich ist. Das war eine junge Mannschaft, die das erreicht hat, die hat da jetzt reingeschnuppert - aber jeder muss sich bewusst sein, dass dieser Weg dahin noch mal schwerer wird. Auch weil wir jetzt mit einer bisschen besseren Anmeldung kommen. Aber im vergangenen Jahr hast du die Party natürlich so ein bisschen gecrasht.

DFB.de: Die Konkurrenz nimmt die Deutschen also jetzt ernster?

Krupp: Ziel ist immer, dass der Gegner hochguckt, sein Losglück sieht und sagt: Mist, wir haben die deutsche Mannschaft!

DFB.de: Welchen Stellenwert hat die Heim-WM in Ihrem Sportlerleben eingenommen?

Krupp: Ich war der erste deutsche Spieler, der in die NHL ging und sich durchgesetzt hat. Ich sah mich dadurch auch irgendwann in einer Botschafter-Rolle, ich fühlte mich zumindest als Repräsentant des deutschen Eishockeys in Nordamerika. Aber ich hatte nicht das Gefühl, dass das so in Deutschland dargestellt wurde. Ich hatte jedenfalls nie den Eindruck, dass meine Karriere hierzulande intensiv verfolgt wurde. Diese Wahrnehmung und auch Anerkennung ist mir nun durch die Weltmeisterschaft, durch die Arbeit als Bundestrainer zu Teil geworden. Ich bin der Meinung, dass wir es durch dieses Turnier geschafft haben, eine Bindung zwischen Deutschland, deutschen Eishockey-Fans, der deutschen Mannschaft und dem internationalen Eishockey zu schaffen.

DFB.de: Anders als in Ihrer Sportlerkarriere?

Krupp: Zu meiner aktiven Zeit hatte ich immer das Gefühl, ein Einzelkämpfer, auf mich alleine gestellt zu sein, und das war auch okay. Allerdings war hier nun die deutsche Nationalmannschaft mit der Unterstützung der Fans, der Öffentlichkeit bei der WM im eigenen Land - da konnten wir endlich zeigen, was wir drauf haben. Und dieses patriotische Gefühl kannte ich als Spieler nicht. Da gab es vereinzelt Leute, die wussten, was ich gemacht habe. Aber ich bin deswegen nicht im Aktuellen Sportstudio aufgetreten oder konnte unsere Sportart derart in der Öffentlichkeit darstellen. Bei der WM hat das geklappt.

DFB: Das klingt sehr positiv.

Krupp: Ich bin sehr stolz darauf, dass ich als Trainer meinen Beitrag dazu beisteuern konnte. Von daher hat diese WM eine sehr hohe Wertigkeit in meinem Eishockeyleben, sie war ein absolutes Highlight für mich.