Kramer: "Wir haben gegen die Bayern eine realistische Chance"

Christoph Kramer hat Prioritäten gesetzt. Der Weltmeister musste nicht lange überlegen, ob er sich nun das Heimspiel des FC Bayern München gegen 1899 Hoffenheim oder aber das zeitgleiche stattfindende EM-Finale der deutschen Handballer gegen Spanien anschaut.

Denn auch der überraschende EM-Triumph der DHB-Auswahl am vergangenen Sonntag war in gewisser Weise eine gelungene Vorbereitung auf das Topspiel des 20. Spieltags am Samstag (ab 18.30 Uhr, live auf Sky) zwischen Bayer Leverkusen und dem Rekordmeister.

Im exklusiven Interview mit DFB.de-Mitarbeiter Andreas Reiners spricht der 24-Jährige über die Inspiration durch die deutschen Handball-Helden, die bisherige Bilanz für Bayer und ihn persönlich, Tränen in der Jugend und seine Rolle innerhalb der Nationalmannschaft.

DFB.de: Christoph Kramer, Sie hatten am vergangenen Sonntag das EM-Finale im Handball dem zeitgleichen Spiel des FC Bayern vorgezogen. Wie konnten Sie sich vom DHB-Team für das Bayern-Spiel inspirieren lassen?

Christoph Kramer: Ich schaue mir gerne andere Sportarten an. Das EM-Finale der Handballer war etwas Besonderes für den deutschen Sport. Wenn man sieht, wie sich eine Mannschaft motiviert, kann man selbst immer etwas mitnehmen. Und bei den Handballern war das auch so. Sie haben eindrucksvoll gezeigt, dass durch mannschaftliche Geschlossenheit viel geht und viel Gutes gelingen kann.

DFB.de: Warum gewinnt Bayer denn gegen die Bayern?

Kramer: Wir haben eine realistische Chance. Über die ganze Saison gesehen kann man sie kaum schlagen, in einem Spiel ist aber alles möglich. Bayer hat in den vergangenen Jahren vor allem auf eigenem Platz immer gut ausgesehen gegen die Bayern, die zum jetzigen Zeitpunkt vielleicht auch noch nicht so gefestigt sind, wie sie das gerne wären. Wir brauchen einen guten Tag und sie nicht den besten, dann haben wir gute Chancen.

DFB.de: Die Bayern sind der Auftakt zu einem richtungsweisenden Monat. Wie groß war die Erleichterung nach dem Sieg gegen Hannover?

Kramer: Natürlich sehr. Wir können jetzt die Weichen stellen, im DFB-Pokal, in der Europa League und in der Bundesliga. Dort geht es darum, gegen die Bayern oder auch gegen Dortmund sehr wichtige Bonuspunkte zu holen, weil sehr viele Mannschaften gegen die beiden verlieren. Und wenn man da einen "Dreier" holen kann, sind das in einer Liga, in der es in diesem Jahr am Ende oben ganz eng zugehen wird, sehr wichtige Punkte.

DFB.de: Wie würden Sie die Saison für Bayer und für Sie persönlich bisher bewerten?

Kramer: Das läuft ein wenig im Einklang miteinander, es war bisher gemischt. Wir hatten mit Bayer schon tolle und atemberaubende Spiele, wir hatten aber auch einfach nicht so gute Spiele, wie ich selbst auch. Uns fehlt die Konstanz. Wenn man rein auf die Statistik schaut, ist die Bilanz eigentlich gut. Aber sowohl der Verein, als auch ich selbst, sind nicht zu 100 Prozent zufrieden. Ich wusste, dass es nach einem Wechsel von Gladbach nach Leverkusen, wo aus fußballerischer Sicht verschiedene Welten aufeinandertreffen, schwer werden würde, reinzukommen. Ich mache mir aber keinen künstlichen Druck oder Stress. Ich habe gezeigt und weiß, dass ich es kann. Und ich hoffe, dass ich die Konstanz bald auf den Platz bringen kann. Das ist auch das einzige, das mich an der Saison ein wenig stört.



Christoph Kramer hat Prioritäten gesetzt. Der Weltmeister musste nicht lange überlegen, ob er sich nun das Heimspiel des FC Bayern München gegen 1899 Hoffenheim oder aber das zeitgleiche stattfindende EM-Finale der deutschen Handballer gegen Spanien anschaut.

Denn auch der überraschende EM-Triumph der DHB-Auswahl am vergangenen Sonntag war in gewisser Weise eine gelungene Vorbereitung auf das Topspiel des 20. Spieltags am Samstag (ab 18.30 Uhr, live auf Sky) zwischen Bayer Leverkusen und dem Rekordmeister.

Im exklusiven Interview mit DFB.de-Mitarbeiter Andreas Reiners spricht der 24-Jährige über die Inspiration durch die deutschen Handball-Helden, die bisherige Bilanz für Bayer und ihn persönlich, Tränen in der Jugend und seine Rolle innerhalb der Nationalmannschaft.

DFB.de: Christoph Kramer, Sie hatten am vergangenen Sonntag das EM-Finale im Handball dem zeitgleichen Spiel des FC Bayern vorgezogen. Wie konnten Sie sich vom DHB-Team für das Bayern-Spiel inspirieren lassen?

Christoph Kramer: Ich schaue mir gerne andere Sportarten an. Das EM-Finale der Handballer war etwas Besonderes für den deutschen Sport. Wenn man sieht, wie sich eine Mannschaft motiviert, kann man selbst immer etwas mitnehmen. Und bei den Handballern war das auch so. Sie haben eindrucksvoll gezeigt, dass durch mannschaftliche Geschlossenheit viel geht und viel Gutes gelingen kann.

DFB.de: Warum gewinnt Bayer denn gegen die Bayern?

Kramer: Wir haben eine realistische Chance. Über die ganze Saison gesehen kann man sie kaum schlagen, in einem Spiel ist aber alles möglich. Bayer hat in den vergangenen Jahren vor allem auf eigenem Platz immer gut ausgesehen gegen die Bayern, die zum jetzigen Zeitpunkt vielleicht auch noch nicht so gefestigt sind, wie sie das gerne wären. Wir brauchen einen guten Tag und sie nicht den besten, dann haben wir gute Chancen.

DFB.de: Die Bayern sind der Auftakt zu einem richtungsweisenden Monat. Wie groß war die Erleichterung nach dem Sieg gegen Hannover?

Kramer: Natürlich sehr. Wir können jetzt die Weichen stellen, im DFB-Pokal, in der Europa League und in der Bundesliga. Dort geht es darum, gegen die Bayern oder auch gegen Dortmund sehr wichtige Bonuspunkte zu holen, weil sehr viele Mannschaften gegen die beiden verlieren. Und wenn man da einen "Dreier" holen kann, sind das in einer Liga, in der es in diesem Jahr am Ende oben ganz eng zugehen wird, sehr wichtige Punkte.

DFB.de: Wie würden Sie die Saison für Bayer und für Sie persönlich bisher bewerten?

Kramer: Das läuft ein wenig im Einklang miteinander, es war bisher gemischt. Wir hatten mit Bayer schon tolle und atemberaubende Spiele, wir hatten aber auch einfach nicht so gute Spiele, wie ich selbst auch. Uns fehlt die Konstanz. Wenn man rein auf die Statistik schaut, ist die Bilanz eigentlich gut. Aber sowohl der Verein, als auch ich selbst, sind nicht zu 100 Prozent zufrieden. Ich wusste, dass es nach einem Wechsel von Gladbach nach Leverkusen, wo aus fußballerischer Sicht verschiedene Welten aufeinandertreffen, schwer werden würde, reinzukommen. Ich mache mir aber keinen künstlichen Druck oder Stress. Ich habe gezeigt und weiß, dass ich es kann. Und ich hoffe, dass ich die Konstanz bald auf den Platz bringen kann. Das ist auch das einzige, das mich an der Saison ein wenig stört.

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DFB.de: Was ist der Grund für diese fehlende Konstanz?

Kramer: Meine Anpassungsprobleme bei Bayer waren ein längerer Prozess. Aber ich habe in dem neuen System auch am Anfang der Saison richtig gute Spiele gemacht, von daher kann man es nie so genau sagen, woran es liegt. Wenn man sich das Champions-League-Hinspiel in Barcelona anschaut und dann wenig später die Niederlage gegen Köln, dann fragt man sich: "Wieso ist das so?". Ich finde, dass man im Fußball nicht immer nach Gründen suchen muss, weil es schwer ist, alles zu erklären. Es gehören im Fußball so viele Umstände und Einflüsse dazu.

DFB.de: Bayer und Sie – das ist eine etwas längere Geschichte. In der C-Jugend wurden Sie als zu schlecht befunden. Wie steckt man so etwas als 14-Jähriger weg?

Kramer: Mir fiel es extrem schwer, ich habe damals auch die eine oder andere Träne vergossen. In der Phase steckt man in der Pubertät. Und weil man dem Fußball so viel Zeit widmet, hat man vielleicht auch den sozialen Anschluss in der Schule verloren und sowieso viel mit sich selbst zu kämpfen. Und dann geht es hier nicht weiter und von einem auf den anderen Tag platzt ein Traum, ohne dass man wirklich wahrnimmt, was da gerade passiert ist. Heute bin ich dankbar dafür, weil dich so etwas als Typ in relativ jungen Jahren reifen lässt und dafür sensibilisiert, was und wie schnell alles passieren kann.

DFB.de: Wie haben Sie sich den Spaß am Fußball zurückgeholt?

Kramer: Das ging eigentlich ganz schnell. Ich war zwar traurig, dass ich nicht mehr so weit oben spielen konnte, aber ich habe ja nicht den Spaß am Fußball verloren. Bei Fortuna Düsseldorf habe ich nicht mehr gegen Schalke und Dortmund gespielt, sondern gegen Bilk und Eller. Trotzdem hat es Spaß gemacht, wenn auch auf einem anderen Niveau. In Düsseldorf hatte ich die "Zehn" und war Kapitän. Es war einfach schön für mich, von der Mannschaft wieder wirklich akzeptiert zu werden. Ich bin aber auch kein Mensch, der Fußball aus finanziellen Gründen oder wegen des Erfolgs spielt. Ich spiele Fußball, weil es mir Spaß macht.

DFB.de: Bedeutet das, dass Sie die 2. Liga in Bochum heute genauso glücklich machen würde wie als Weltmeister in Leverkusen zu spielen?

Kramer: Gute Frage. Ich würde sagen ja. Ich hatte nie erwartet, dass es mal höher als die 2. Bundesliga gehen würde, denn ich war nie das gefeierte Talent. Als ich in Bochum Stammspieler war, dachte ich: "Boah, das ist das höchste der Gefühle. Es geht nicht weiter für dich." Ich war so glücklich und zufrieden mit meiner Rolle, mit meinem Leben und dass ich das geschafft habe. Alles was darüber hinaus gekommen ist, war unerwartet. Und das Unerwartete ist immer das Schönste. Anders wäre es gewesen, wenn ich ein gefeiertes Talent gewesen wäre und mir den Druck gemacht hätte, dass ich eigentlich höher spielen müsste. Ich bin jetzt in einer Situation, von der ich nicht gedacht hätte, dass sie einmal eintritt.

DFB.de: Unerwartet war für Sie auch Hype nach der WM. Nun ist es vergleichsweise ruhig geworden. Was ist Ihnen lieber?

Kramer: Die WM war medial eine coole Geschichte. Deshalb war es auch in Ordnung, dass der Hype damals zugenommen hat. Ich bin aber auch ganz froh, dass es wieder etwas weniger geworden ist. Es war schön, es mal erlebt zu haben, weil es wieder etwas Neues war. Ich bin aber keiner, der das braucht.

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DFB.de: Es gab rund um den Hype auch Kritik an Ihnen. Haben Sie damals alles gelesen, was so geschrieben wurde?

Kramer: In Bochum habe ich das gemacht, da habe ich mir alles angeschaut. Da wurde noch nicht so viel geschrieben. Mit der Zeit wurde es mehr und irgendwann habe ich es dann aber gelassen. Man sieht an der Schreibweise, ob ein Journalist dich mag oder nicht. Wenn Sie mir positiv gesonnen sind, schreiben Sie etwas Schönes oder etwas, das sich gut liest. Und wenn Sie denken: "Der Kramer geht mir auf den Sack, der ist mir zu arrogant, redet zu viel und sagt zu oft, dass das alles unerwartet war", dann kann man das auch in diese Richtung schreiben. Der Leser bekommt oft die Meinung des Journalisten und nicht das Wahrhaftige, finde ich.

DFB.de: Hatten Sie den Eindruck, dass Sie oft schlecht weggekommen sind?

Kramer: Gerade nach der WM habe ich viel gesagt und fand das auch nicht so schlimm. Da gab es den einen oder anderen Artikel, wo ich Sachen blöd gesagt habe, das gebe ich zu und kann auch niemandem einen Vorwurf machen, dass er es falsch aufnimmt. Aber es ist auch falsch wahrgenommen worden. Wer mich kennt, hätte es nicht so gelesen, wie es da stand. Da war ich selbst schuld und ich habe auch daraus gelernt, dass ich mit meiner Wortwahl aufpasse.

DFB.de: Sind Sie zurückhaltender geworden?

Kramer: Ich bin noch jung und natürlich lernt man aus der eigenen Geschichte, dass man manche Dinge besser nicht gesagt hätte. Ich habe mir aber geschworen, dass ich auf Fragen immer klar das sage, was ich denke. Manchmal ist es eben nicht die Meinung von allen.

DFB.de: Haben die Anschläge von Paris etwas für Sie verändert?

Kramer: Gerade danach habe ich mir oft gesagt, dass Fußball einfach nur ein Sport ist. Es wird oft wichtig gemacht, was im Fußball passiert. Dabei gibt es darüber hinaus so viele Dinge, die in der Welt passieren, dass Fußball im Grunde unwichtig ist. Nach den Geschehnissen in Paris oder auch in Hannover denkt man über die Welt an sich nach, schaut über den Tellerrand und sieht den Fußball kleiner, als er gemacht wird. Aber so sind Menschen: Jetzt spricht kaum noch jemand darüber und man hat es selbst auch ein Stück weit vergessen. Für mich ist Fußball zwar das Größte, trotzdem bleibt es eben "nur" die schönste Nebensache der Welt.

DFB.de: Glauben Sie, dass es im Sommer eine schöne und unbeschwerte EM geben kann?

Kramer: Durch die Anschläge in Paris sind alle sehr sensibilisiert und ich habe absolutes Vertrauen in die Verantwortlichen, dass es eine wunderschöne EM wird.

DFB.de: Sie wären natürlich auch gerne dabei. Sie haben zuletzt gesagt, dass Sie sich erst einmal hinten anstellen bei der Konkurrenz im Mittelfeld. Wie schwierig ist das?

Kramer: Das ist nicht schwierig. Ich habe beim DFB nie Ansprüche gestellt. Das war wieder so etwas Unerwartetes, dass ich zur WM durfte und danach auch immer im Kader stand. Das ist etwas Besonderes und eine große Ehre für mich, dabei zu sein und für Deutschland spielen zu dürfen. Auf meiner Position gibt es nun einmal super Spieler. Ich bringe mich voll in den Teamgedanken ein und bin da, wenn ich gebraucht werden.

DFB.de: Wie ist Ihre Rolle innerhalb der Mannschaft gewachsen?

Kramer: Ich bin nicht der Typ, der etwas sagt, wenn die Leitwölfe vakante Themen unter sich ausmachen. Ich würde aber schon sagen, dass ich in der ganzen Mannschaft akzeptiert bin, wie jeder andere auch. Der Zusammenhalt und der Teamgeist in der Mannschaft sind Dinge, die der Mannschaft den Namen zurecht verleihen. Die Integration ist sehr leicht, jeder wird sofort akzeptiert und fühlt sich, als sei er schon zehn Jahre dabei. Das ist nicht überall so.

DFB.de: Ist der EM-Titel als Weltmeister automatisch Pflicht?

Kramer: Nein, das würde ich nicht sagen. Wir haben großartige Mannschaften in Europa. Klar ist, dass man um den Titel spielt und sich den auch als Ziel setzt. Aber das hat nichts mit der WM zu tun, Natürlich ist die Erwartungshaltung von außen größer geworden. Wir wollen in Frankreich unser Bestes geben und gehören natürlich zum Favoritenkreis.