"Katsche" Schwarzenbeck wird 70

Nur gut, dass sein FC Bayern München heute nur gegen Sevilla und nicht gegen Atletico Madrid spielt. Das hat es in den vergangenen Jahren ja auch schon mal gegeben in der Champions League, aber dann wäre es wohl vollends vorbei gewesen mit der Ruhe im Hause Schwarzenbeck. Ausgerechnet an seinem 70. Geburtstag hätte er dann wieder über sein größtes Spiel, über den Moment seines Fußballerlebens reden müssen, wo er doch am liebsten gar nichts sagt. Jedenfalls nicht zu den Journalisten und all den anderen, die in solchen Momenten etwas von einem wollen. Friedlich im kleinsten familiären Rahmen kann er also heute feiern, der Mann, der Hans-Georg, den alle Welt "Katsche" nennt, und der einer der erfolgreichsten Fußballer des Landes ist. Weil er in der richtigen Zeit am richtigen Ort war und seinen Job getan hat. Schnörkellos, zuverlässig, fair.

Seine Erfolge und Leistungen sind unbestritten und stehen in den Chroniken und Almanachen, aber das größte Rätsel, das sich um den unscheinbaren Hans-Georg Schwarzenbeck rankt, wird wohl nie geklärt werden. Das, warum ihn eigentlich alle "Katsche" nennen. Es ist genauso unklar wie die Frage, warum sein genialer Mitspieler Franz Beckenbauer "Kaiser" genannt wird. Aber dafür gibt es wenigstens einige Theorien und die eine, dass es daher kommt, dass Beckenbauer sich vor einer Büste des Habsburger-Kaisers Franz Joseph hat fotografieren lassen, vertritt Beckenbauer gelegentlich selbst.

"Ich wusste immer, wo ich in der Mannschaft stehe"

Katsche Schwarzenbeck hat niemand mit einem Kaiser verglichen, er gehörte selbst auf dem Zenit seiner Karriere stets zum Fußvolk. Weltmeister 1974, Europameister 1972, fünfmal Meister mit den Bayern, drei Europapokalsiege, drei DFB-Pokalsiege – es ist die Bilanz eines Weltklassespielers. Doch dafür hat sich der robuste Verteidiger nie gehalten, für einen Star schon gar nicht. "Ich wusste immer, wo ich in dieser Mannschaft stehe", hat er mal gesagt.

Schwarzenbeck war der Kontrapunkt in einer erwachenden Glamourwelt. Untauglich für alle Boulevard-Formate in einer Zeit, als Fußballer allmählich auch Popstars sein mussten – oder durften. Werbespots, Plattenaufnahmen, TV-Auftritte – all das überließ er liebend gern dem Kaiser, Sepp Maier, Gerd Müller oder den jungen Himmelsstürmern Paul Breitner und Uli Hoeneß. Die Ausnahme bildet ein Auftritt als radelnder Postbote in der Komödie "Wehe, wenn Schwarzenbeck kommt". Das war es aber auch an Extravaganzen. An politischen Diskussionen, auch unter Profis in den Siebzigern angesagt, hat er sich nie beteiligt.

"Putzer des Kaisers"

Es heißt, als junger Kerl habe er sich wegen seiner markanten Nase geniert, ins Rampenlicht zu drängen. Vor allem aber war er einfach nicht der Typ dafür. Um sein Spiel machte auch niemand viel Aufsehen, er war schlicht "der Putzer des Kaisers" und sicherte zuverlässig dessen Offensivausflüge ab. Sein Gegenspieler wollte man nicht sein, Katsche war – wie man sagt – eine richtige Kante. Für seine Größe war er unheimlich schnell und er schoss hart mit beiden Füßen.

Niemand schalt ihn unfair, in 416 Bundesligaspielen für den FC Bayern ist er nie vom Platz geflogen. Im Sog der Stars der ersten großen Bayern-Ära schwamm auch er mit auf der Erfolgswelle des deutschen Fußballs in den Siebzigern. Mancher Kritiker mäkelt, ohne die Bayern-Lobby um Sepp Maier und Beckenbauer hätte er nicht halb so viele Länderspiele wie sie nun in den Chroniken stehen – 44.

Schreibwaren-Lieferant des FC Bayern

Der gelernte Buchdrucker war eben kein Jahrhunderttalent, erst mit zwölf Jahren kam er zum Fußball – bei den Sportfreunden München. Mit 18 ging er zu den Bayern und dort blieb er – quasi ein Leben lang. Denn auch nach der 1979 nach einem Achillessehnenriss beendeten Karriere riss das Band zu seinem Klub nicht. Freilich auf andere Weise. Er arbeitete nie als Trainer, Manager oder wenigstens als Scout – nein, er lieferte die Buntstifte und Notizblöcke oder was das Büro Hoeneß sonst noch so brauchte. Denn der stille Held übernahm ganz unspektakulär einen Schreibwarenladen seiner Tanten.

Den gibt es seit 2008 nicht mehr, aber an seine Bayern liefert er immer noch brav und zuverlässig Zeitschriften, Blöcke, Kugelschreiber und alles, was die digitale Revolution in deutschen Büros überlebt hat. Zitat Katsche: "Ich arbeite immer noch, damit mir nicht langweilig wird." Ein Discounter mag bessere und günstigere Ware liefern, aber es gibt keinen besseren Lieferanten. Katsche ist Teil der Bayern-Familie geblieben und an der Säbener Straße immer ein gern gesehener Gast.

Dass dort noch kein Denkmal steht, ist eigentlich verwunderlich. Nicht weniger als das forderten freudetrunkene Fans nach dem größten Tag in seiner Karriere – dem 15. Mai 1974. Da schoss er in der 120. Minute des ersten Landesmeister-Finales gegen Atletico Madrid aus fast 30 Metern den Ausgleich, in der Wiederholung gewann Bayern 4:0 und plötzlich war er da, wo er nie sein wollte. Im Rampenlicht. "Hätt' doch bloß der Gerd das Tor geschossen", stöhnte er im Angesicht der Mikrofone und Kameras. Dann sagte er bescheiden: "Dass ich ausgerechnet in der letzten Sekunde der Verlängerung aus gut 20 bis 30 Metern genau getroffen habe, ja, das war schon Glück, weiter nichts." Das des ewig Tüchtigen. Hans-Georg Schwarzenbeck, den alle Katsche nennen, wird heute 70. Es geht ihm gut abseits der Scheinwerfer und wer möchte, dass das so bleibt, der lasse ihn dort, wo er immer gewesen ist. Auch, wenn das Los wieder einmal Atletico Madrid heißen sollte.

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Nur gut, dass sein FC Bayern München heute nur gegen Sevilla und nicht gegen Atletico Madrid spielt. Das hat es in den vergangenen Jahren ja auch schon mal gegeben in der Champions League, aber dann wäre es wohl vollends vorbei gewesen mit der Ruhe im Hause Schwarzenbeck. Ausgerechnet an seinem 70. Geburtstag hätte er dann wieder über sein größtes Spiel, über den Moment seines Fußballerlebens reden müssen, wo er doch am liebsten gar nichts sagt. Jedenfalls nicht zu den Journalisten und all den anderen, die in solchen Momenten etwas von einem wollen. Friedlich im kleinsten familiären Rahmen kann er also heute feiern, der Mann, der Hans-Georg, den alle Welt "Katsche" nennt, und der einer der erfolgreichsten Fußballer des Landes ist. Weil er in der richtigen Zeit am richtigen Ort war und seinen Job getan hat. Schnörkellos, zuverlässig, fair.

Seine Erfolge und Leistungen sind unbestritten und stehen in den Chroniken und Almanachen, aber das größte Rätsel, das sich um den unscheinbaren Hans-Georg Schwarzenbeck rankt, wird wohl nie geklärt werden. Das, warum ihn eigentlich alle "Katsche" nennen. Es ist genauso unklar wie die Frage, warum sein genialer Mitspieler Franz Beckenbauer "Kaiser" genannt wird. Aber dafür gibt es wenigstens einige Theorien und die eine, dass es daher kommt, dass Beckenbauer sich vor einer Büste des Habsburger-Kaisers Franz Joseph hat fotografieren lassen, vertritt Beckenbauer gelegentlich selbst.

"Ich wusste immer, wo ich in der Mannschaft stehe"

Katsche Schwarzenbeck hat niemand mit einem Kaiser verglichen, er gehörte selbst auf dem Zenit seiner Karriere stets zum Fußvolk. Weltmeister 1974, Europameister 1972, fünfmal Meister mit den Bayern, drei Europapokalsiege, drei DFB-Pokalsiege – es ist die Bilanz eines Weltklassespielers. Doch dafür hat sich der robuste Verteidiger nie gehalten, für einen Star schon gar nicht. "Ich wusste immer, wo ich in dieser Mannschaft stehe", hat er mal gesagt.

Schwarzenbeck war der Kontrapunkt in einer erwachenden Glamourwelt. Untauglich für alle Boulevard-Formate in einer Zeit, als Fußballer allmählich auch Popstars sein mussten – oder durften. Werbespots, Plattenaufnahmen, TV-Auftritte – all das überließ er liebend gern dem Kaiser, Sepp Maier, Gerd Müller oder den jungen Himmelsstürmern Paul Breitner und Uli Hoeneß. Die Ausnahme bildet ein Auftritt als radelnder Postbote in der Komödie "Wehe, wenn Schwarzenbeck kommt". Das war es aber auch an Extravaganzen. An politischen Diskussionen, auch unter Profis in den Siebzigern angesagt, hat er sich nie beteiligt.

"Putzer des Kaisers"

Es heißt, als junger Kerl habe er sich wegen seiner markanten Nase geniert, ins Rampenlicht zu drängen. Vor allem aber war er einfach nicht der Typ dafür. Um sein Spiel machte auch niemand viel Aufsehen, er war schlicht "der Putzer des Kaisers" und sicherte zuverlässig dessen Offensivausflüge ab. Sein Gegenspieler wollte man nicht sein, Katsche war – wie man sagt – eine richtige Kante. Für seine Größe war er unheimlich schnell und er schoss hart mit beiden Füßen.

Niemand schalt ihn unfair, in 416 Bundesligaspielen für den FC Bayern ist er nie vom Platz geflogen. Im Sog der Stars der ersten großen Bayern-Ära schwamm auch er mit auf der Erfolgswelle des deutschen Fußballs in den Siebzigern. Mancher Kritiker mäkelt, ohne die Bayern-Lobby um Sepp Maier und Beckenbauer hätte er nicht halb so viele Länderspiele wie sie nun in den Chroniken stehen – 44.

Schreibwaren-Lieferant des FC Bayern

Der gelernte Buchdrucker war eben kein Jahrhunderttalent, erst mit zwölf Jahren kam er zum Fußball – bei den Sportfreunden München. Mit 18 ging er zu den Bayern und dort blieb er – quasi ein Leben lang. Denn auch nach der 1979 nach einem Achillessehnenriss beendeten Karriere riss das Band zu seinem Klub nicht. Freilich auf andere Weise. Er arbeitete nie als Trainer, Manager oder wenigstens als Scout – nein, er lieferte die Buntstifte und Notizblöcke oder was das Büro Hoeneß sonst noch so brauchte. Denn der stille Held übernahm ganz unspektakulär einen Schreibwarenladen seiner Tanten.

Den gibt es seit 2008 nicht mehr, aber an seine Bayern liefert er immer noch brav und zuverlässig Zeitschriften, Blöcke, Kugelschreiber und alles, was die digitale Revolution in deutschen Büros überlebt hat. Zitat Katsche: "Ich arbeite immer noch, damit mir nicht langweilig wird." Ein Discounter mag bessere und günstigere Ware liefern, aber es gibt keinen besseren Lieferanten. Katsche ist Teil der Bayern-Familie geblieben und an der Säbener Straße immer ein gern gesehener Gast.

Dass dort noch kein Denkmal steht, ist eigentlich verwunderlich. Nicht weniger als das forderten freudetrunkene Fans nach dem größten Tag in seiner Karriere – dem 15. Mai 1974. Da schoss er in der 120. Minute des ersten Landesmeister-Finales gegen Atletico Madrid aus fast 30 Metern den Ausgleich, in der Wiederholung gewann Bayern 4:0 und plötzlich war er da, wo er nie sein wollte. Im Rampenlicht. "Hätt' doch bloß der Gerd das Tor geschossen", stöhnte er im Angesicht der Mikrofone und Kameras. Dann sagte er bescheiden: "Dass ich ausgerechnet in der letzten Sekunde der Verlängerung aus gut 20 bis 30 Metern genau getroffen habe, ja, das war schon Glück, weiter nichts." Das des ewig Tüchtigen. Hans-Georg Schwarzenbeck, den alle Katsche nennen, wird heute 70. Es geht ihm gut abseits der Scheinwerfer und wer möchte, dass das so bleibt, der lasse ihn dort, wo er immer gewesen ist. Auch, wenn das Los wieder einmal Atletico Madrid heißen sollte.

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