Julius Hirsch zum 125.: Früher Rekordspieler im deutschen Fußball

Heute jährt sich der Geburtstag von Julius Hirsch zum 125. Mal. Er war neben dem im kanadischen Exil verstorbenen Gottfried Fuchs alias Godfrey E. Fochs, der bis heute den Torrekord der Nationalmannschaft mit zehn Treffer beim 16:0 gegen Russland 1912 hält, einer von zwei deutschen Fußball-Nationalspielern jüdischen Glaubens. DFB.de mit einer Würdigung von Julius Hirsch, nach dem der DFB einen bedeutenden Sozialpreis benannt hat.

Dass es "nur" zwei waren, hatte damit zu tun, dass der Fußballsport in seinen Anfängen vorrangig vom Nachwuchs des Bürgertums, also Studenten und Oberschülern, betrieben wurde. Zum Massensport wurde er erst mit Einführung des Acht-Stunden-Tags in der Weimarer Republik. Doch auch da gab es noch jüdische Spieler, die auf dem Sprung in die Nationalelf schienen - beispielsweise Walter Vollweiler (Ulmer FV 94) und Walter Hersch (Würzburger FV) -, ehe sie die Machtübernahme der NSDAP 1933 zur Flucht ins Ausland zwang.

Julius Hirsch, genannt "Juller", Jahrgang 1892, war erst flinker Linksaußen, später als Halbstürmer Regisseur. Er stammte aus Karlsruhe und damit "aus Deutschlands Fußballmetropole". Diesen Ruf hatte 1910 die Illustrierte Sportzeitung aus München der badischen Residenzstadt verliehen: "Heute findet dort fast kein erstklassiges Wettspiel ohne die Teilnahme Tausender statt", hieß es. 1909 hieß der Deutsche Meister Phönix Karlsruhe (ein Vorläufer des heutigen KSC), sein Nachfolger im darauffolgenden Jahr in Köln mit dem 1:0 n. V. gegen Kiel der Karlsruher Fußball-Verein (KFV) - mit Julius Hirsch als jüngstem Spieler. "Dieser Linksaußen spielt jetzt immer", hatte sein Trainer, der legendäre William Townley, nach seinem Debüt 1909 verfügt.

Hirsch als erster mit vier Toren in einem Länderspiel

Der junge Kaufmann macht rasch Karriere im noch neuen Sport: 1911 debütiert er in der Nationalmannschaft in München gegen Ungarn. Es folgen sechs weitere Länderspiele, wobei Hirsch als erstem Akteur der DFB-Auswahl vier Tore in einer Partie gelingen, beim 5:5 gegen die Niederlande 1912 in Zwolle. Auch nimmt er an den Olympischen Spielen 1912 in Stockholm teil, wo der DFB erstmals mit einem Team dabei ist. Im selben Jahr erreicht der KFV in Hamburg erneut das Endspiel um die Deutsche Meisterschaft, unterliegt diesmal aber dem Kieler SV Holstein mit 0:1. Nach dem in vollkommener Harmonie aufgrund eines beruflichen Angebots vollzogenen Wechsel vom KFV zur SpVgg Fürth wird Julius Hirsch als Kapitän 1914 erneut Deutscher Meister - ein Novum im deutschen Fußball.

Als Freiwilliger nimmt der Nationalspieler von 1914 bis 1918 am 1. Weltkrieg teil (EK II, Bayerische Dienstauszeichnung) und muss alle fußballerischen Aktivitäten bis 1919 zurückstellen, ehe er wieder bei Fürth und schließlich bis 1924 erneut beim KFV spielt. Dem badischen Klub dient er weiterhin als Funktionär.



Heute jährt sich der Geburtstag von Julius Hirsch zum 125. Mal. Er war neben dem im kanadischen Exil verstorbenen Gottfried Fuchs alias Godfrey E. Fochs, der bis heute den Torrekord der Nationalmannschaft mit zehn Treffer beim 16:0 gegen Russland 1912 hält, einer von zwei deutschen Fußball-Nationalspielern jüdischen Glaubens. DFB.de mit einer Würdigung von Julius Hirsch, nach dem der DFB einen bedeutenden Sozialpreis benannt hat.

Dass es "nur" zwei waren, hatte damit zu tun, dass der Fußballsport in seinen Anfängen vorrangig vom Nachwuchs des Bürgertums, also Studenten und Oberschülern, betrieben wurde. Zum Massensport wurde er erst mit Einführung des Acht-Stunden-Tags in der Weimarer Republik. Doch auch da gab es noch jüdische Spieler, die auf dem Sprung in die Nationalelf schienen - beispielsweise Walter Vollweiler (Ulmer FV 94) und Walter Hersch (Würzburger FV) -, ehe sie die Machtübernahme der NSDAP 1933 zur Flucht ins Ausland zwang.

Julius Hirsch, genannt "Juller", Jahrgang 1892, war erst flinker Linksaußen, später als Halbstürmer Regisseur. Er stammte aus Karlsruhe und damit "aus Deutschlands Fußballmetropole". Diesen Ruf hatte 1910 die Illustrierte Sportzeitung aus München der badischen Residenzstadt verliehen: "Heute findet dort fast kein erstklassiges Wettspiel ohne die Teilnahme Tausender statt", hieß es. 1909 hieß der Deutsche Meister Phönix Karlsruhe (ein Vorläufer des heutigen KSC), sein Nachfolger im darauffolgenden Jahr in Köln mit dem 1:0 n. V. gegen Kiel der Karlsruher Fußball-Verein (KFV) - mit Julius Hirsch als jüngstem Spieler. "Dieser Linksaußen spielt jetzt immer", hatte sein Trainer, der legendäre William Townley, nach seinem Debüt 1909 verfügt.

Hirsch als erster mit vier Toren in einem Länderspiel

Der junge Kaufmann macht rasch Karriere im noch neuen Sport: 1911 debütiert er in der Nationalmannschaft in München gegen Ungarn. Es folgen sechs weitere Länderspiele, wobei Hirsch als erstem Akteur der DFB-Auswahl vier Tore in einer Partie gelingen, beim 5:5 gegen die Niederlande 1912 in Zwolle. Auch nimmt er an den Olympischen Spielen 1912 in Stockholm teil, wo der DFB erstmals mit einem Team dabei ist. Im selben Jahr erreicht der KFV in Hamburg erneut das Endspiel um die Deutsche Meisterschaft, unterliegt diesmal aber dem Kieler SV Holstein mit 0:1. Nach dem in vollkommener Harmonie aufgrund eines beruflichen Angebots vollzogenen Wechsel vom KFV zur SpVgg Fürth wird Julius Hirsch als Kapitän 1914 erneut Deutscher Meister - ein Novum im deutschen Fußball.

Als Freiwilliger nimmt der Nationalspieler von 1914 bis 1918 am 1. Weltkrieg teil (EK II, Bayerische Dienstauszeichnung) und muss alle fußballerischen Aktivitäten bis 1919 zurückstellen, ehe er wieder bei Fürth und schließlich bis 1924 erneut beim KFV spielt. Dem badischen Klub dient er weiterhin als Funktionär.

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1933: "Entfernung der Juden aus den Sportvereinen" wird angestrebt

Die Machtübernahme der NSDAP begrüßen am 9. April 1933 "freudig und entschieden" die führenden süddeutschen Fußballvereine, darunter auch der Karlsruher FV, und versprechen, sich "insbesondere in der Frage der Entfernung der Juden aus den Sportvereinen" zu engagieren. Julius Hirsch liest die Erklärung im Stuttgarter Sportbericht und teilt dem KFV seinen Austritt mit: "Ich gehöre dem KFV seit dem Jahr 1902 an und habe demselben treu und ehrlich immer meine schwache Kraft zur Verfügung gestellt (...) Nicht unerwähnt möchte ich aber lassen, dass es in dem heute so gehassten Prügelkinde der deutschen Nation auch anständige Menschen und vielleicht noch viel mehr national denkende (...) deutsche Juden gibt."

Und "nicht, um mich zu brüsten", führt der frühere Vizefeldwebel das Schicksal seiner Brüder an: Leopold, der älteste, "gefallen auf dem Felde der Ehre am 30. Juni 1918"; Max, obwohl auf einem Auge blind, Kriegsfreiwilliger; ebenso Rudolf, ausgezeichnet mit dem EK I.

Zwangsarbeit auf dem Schuttplatz

Zur Saison 1933/1934 wechselt der Karlsruher als Trainer ins französische Elsass. Zurück in Karlsruhe, kann er sich dem Fußball nur noch beim jüdischen Turnclub 03 widmen, wo er mit 42 Jahren "als Turm in der Schlacht" auch noch spielt. Zeitweise selbständiger Vertreter für Wäsche, ist seine letzte berufliche Tätigkeit die eines Hilfslohnbuchhalters - bis die Firma 1938 "arisiert" und er entlassen wird. Er versucht in Paris, wo seine Schwester lebt, Arbeit zu finden. Auf der Rückreise begeht Julius Hirsch in Lothringen einen Selbstmordversuch, es folgen Aufenthalte in Heilanstalten. Zurück in Karlsruhe setzt ihn die Stadt als Zwangsarbeiter auf einem Schuttplatz ein.

Bereits 1940 haben die Deportationen von 6504 Juden aus Baden, der Pfalz und dem Saarland nach Frankreich begonnen. Noch schützt Hirsch die sogenannte Mischehe mit Ehefrau Ellen, die nach der NS-Ideologie als "arisch" und "deutschblütig" gilt. Weil man aber um die gemeinsamen Kinder Heinold und Esther (die noch 1943 evangelisch getauft werden) fürchtet, wird 1942 die Scheidung vollzogen.

Ermordet im KZ Auschwitz-Birkenau

Am 1. März 1943 wird der frühere Nationalspieler von Karlsruhe über Stuttgart, Trier, Düsseldorf, Dortmund, Bielefeld, Hannover in das KZ Auschwitz-Birkenau deportiert. Unmittelbar nach Ankunft des Transports wird er dort ermordet. Tochter Esther: "Mein Vater hatte keinen Gedanken daran, dass ihm die Deutschen etwas antun könnten. Er hat sich das gar nicht vorstellen können, als Frontkämpfer und als bekannter Fußball-Nationalspieler." Die Kinder Heinold (22) und Esther (16) schickt die Gestapo als sogenannte "Mischlinge ersten Grades" noch 1945 ins KZ Theresienstadt, wo sie überleben.

Der Name Julius Hirsch gerät nach 1945 erst mal weitgehend in Vergessenheit. "Gestorben 1939/1945 im Ghetto", berichtet die offizielle DFB-Geschichte von 1954. Dank erster Publikationen des Autors zum Thema wird der einst so populäre Fußballer erstmals 1998 mit der Benennung der "Julius-Hirsch-Halle" des Gymnasiums Pfinztal-Berghausen in Nordbaden geehrt. 2005 lobt der Deutsche Fußball-Bund den Julius Hirsch Preis für das Engagement gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus aus, der seitdem jährlich verliehen wird. 2013 hat Karlsruhe, Hirschs Heimatstadt, eine Straße nach ihm benannt. Und am 1. Juni dieses Jahres erhält die neue Großsporthalle der Stadt Fürth seinen Namen.

Der Autor Werner Skrentny hat die fesselnde, sehr kenntnisreiche Biografie "Julius Hirsch. Nationalspieler. Ermordet." geschrieben, die auf 352 Seiten mit vielen Fotos aus den Anfangsjahren des Fußballs in Deutschland im Werkstatt-Verlag erschienen ist.

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