Jugend forscht in Südafrika

Manchmal sagen ein paar Zahlen mehr als viele Worte. Und manchmal hilft die Statistik, um ein Phänomen zu erklären. Deutschland gegen England - 4:1, Deutschland gegen Argentinien - 4:0. Fünf Spiele bei dieser WM, vier Siege, 13 Tore. Und noch eine Zahl, die besser als alle anderen die Leichtigkeit, die Perspektive und die große Chance für die Zukunft des deutschen Fußballs erklärt: 24,96. Genau so alt ist die Nationalmannschaft im Schnitt. Nach Ghana ist sie das jüngste Team der WM. Seit 1934 hat der DFB keine jüngere Auswahl zu einer Weltmeisterschaft geschickt.

Jugend forscht also in Südafrika. Nach einem 37 Zentimeter hohen Pokal, der knapp vier Kilo Gold enthält. Ist diese Mannschaft eine goldene Generation? Sind die Spieler Teil einer Fügung des Schicksals, die Deutschland einen besonders talentierten Jahrgang geschenkt hat? Nicht nur. Der Erfolg und die Spielweise des Teams sind keine Fügung des Schicksals. Hinter der Generation steht eine Nachwuchsförderung, die generationenübergreifend die talentierten Fußballer in Deutschland erkennt, ausbildet und unterstützt. Und damit die Basis schafft für eine erfolgreiche Fußball-Nation. Gerne wird beim fünfmaligen Weltmeister Brasilien das schier unerschöpfliche Reservoir an Talenten betont. Unbestritten, aber nur die halbe Wahrheit. „Noch wichtiger ist, dass von diesen Talenten keines verloren geht“, sagt Carlos Alberto Parreira, der brasilianische Weltmeister-Coach von 1994 und behauptet: „Wer in Brasilien gut mit dem Ball umgehen kann, der wird auch entdeckt.“

Seit 2000 ist Nachwuchsförderung Chefsache

Entdecken und entwickeln. Genau daran wird seit einem Jahrzehnt auch ganz gezielt in Deutschland gearbeitet. Nach dem Vorrunden-Aus einer überalterten Mannschaft bei der EM 2000 erklärte der DFB die Nachwuchsförderung zur Chefsache. Mit Sebastian Deisler stand vor zehn Jahren nur ein Spieler im Kader, der auch für die U 21 spielberechtigt gewesen wäre. Ganz anders das Bild heute. Sechs Spieler der Startformation des Sieges gegen Argentinien gehörten im vergangenen Sommer zum Team von Trainer Horst Hrubesch, das bei der U 21-EM in Schweden den Titel holte – mit beeindruckendem Fußball. Die deutsche Jugend hat sich durchgesetzt, zuerst international unter Gleichaltrigen. Und später national im Wettstreit mit älteren Spielern um einen Platz im Kader von Bundestrainer Joachim Löw. Ein erfolgreicher Wandel, der Ausdruck einen nachhaltigen Prozesses ist.

„Ziel aller Anstrengungen in der Nachwuchsförderung ist es, die Basis für eine konkurrenzfähige Nationalmannschaft zu bilden.“ Dieser Satz steht als Präambel über der Nachwuchsförderung des DFB. Voraussetzung dafür ist unter anderem, dass sich die vom Verband und in den Vereinen ausgebildeten Spieler in der Bundesliga durchsetzen. Und das ist immer häufiger der Fall. In der Saison 2000/2001 wurden insgesamt 36 Spieler der Jahrgänge U 18 bis U 21 in der Bundesliga eingesetzt. In der zurückliegenden Spielzeit liefen insgesamt 76 Spieler der Jahrgänge U 18 – U 21 in der Bundesliga auf den Rasen. Die Anzahl gut ausgebildeter, junger deutscher Spieler in der höchsten Spielklasse hat sich in den letzten neun Jahren demnach mehr als verdoppelt. Es war nur eine Frage der Zeit, bis auch die A-Nationalmannschaft von dieser Entwicklung profitiert.

Nachwuchsleistungszentren sind Pflicht

Erfreuliche Zahlen. Und eine erfreuliche Entwicklung, die systematische Gründe hat. Wie genau hat sich die Nachwuchsförderung in den letzten Jahren verändert? Was hat der DFB im Talentbereich unternommen? Welche Maßnahmen haben dazu geführt, dass der deutsche Fußball inzwischen in der Nachwuchsarbeit wieder eine maßgebliche Rolle spielt? Und wie schafft man es, junge Talente bis in die A-Mannschaft zu bringen? Fragen, die sich in den vergangenen Wochen vor allem die Experten in den Ländern gestellt haben, die längst die Heimreise von Südafrika antreten mussten.

Die Antworten sind vielschichtig. Eine gemeinsame Anstrengung von Verband und Vereinen sind dafür Grundvoraussetzung. Ganz wesentlich war, dass die Lizenzklubs zu Beginn des neuen Jahrtausends verpflichtet wurden, ihr Engagement für den Nachwuchsbereich zu vergrößern. So wurde der Aufbau von Nachwuchsleistungszentren als Lizenzierungsvoraussetzung für die Vereine der ersten und zweiten Bundesliga vorgeschrieben. Die Vereine wurden in die Pflicht genommen. Und gleichzeitig die Kommunikation zwischen dem DFB und den Profiklubs verbessert. Darin sieht DFB-Sportdirektor Matthias Sammer einen der Schlüssel für die aktuellen Erfolge. Und er betont, wie wichtig Kontinuität ist. „Wer denkt, wir sind bereits am Ende angekommen, der irrt. Wir stehen erst am Anfang einer sehr positiven Entwicklung.“



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Manchmal sagen ein paar Zahlen mehr als viele Worte. Und manchmal hilft die Statistik, um ein Phänomen zu erklären. Deutschland gegen England - 4:1, Deutschland gegen Argentinien - 4:0. Fünf Spiele bei dieser WM, vier Siege, 13 Tore. Und noch eine Zahl, die besser als alle anderen die Leichtigkeit, die Perspektive und die große Chance für die Zukunft des deutschen Fußballs erklärt: 24,96. Genau so alt ist die Nationalmannschaft im Schnitt. Nach Ghana ist sie das jüngste Team der WM. Seit 1934 hat der DFB keine jüngere Auswahl zu einer Weltmeisterschaft geschickt.

Jugend forscht also in Südafrika. Nach einem 37 Zentimeter hohen Pokal, der knapp vier Kilo Gold enthält. Ist diese Mannschaft eine goldene Generation? Sind die Spieler Teil einer Fügung des Schicksals, die Deutschland einen besonders talentierten Jahrgang geschenkt hat? Nicht nur. Der Erfolg und die Spielweise des Teams sind keine Fügung des Schicksals. Hinter der Generation steht eine Nachwuchsförderung, die generationenübergreifend die talentierten Fußballer in Deutschland erkennt, ausbildet und unterstützt. Und damit die Basis schafft für eine erfolgreiche Fußball-Nation. Gerne wird beim fünfmaligen Weltmeister Brasilien das schier unerschöpfliche Reservoir an Talenten betont. Unbestritten, aber nur die halbe Wahrheit. „Noch wichtiger ist, dass von diesen Talenten keines verloren geht“, sagt Carlos Alberto Parreira, der brasilianische Weltmeister-Coach von 1994 und behauptet: „Wer in Brasilien gut mit dem Ball umgehen kann, der wird auch entdeckt.“

Seit 2000 ist Nachwuchsförderung Chefsache

Entdecken und entwickeln. Genau daran wird seit einem Jahrzehnt auch ganz gezielt in Deutschland gearbeitet. Nach dem Vorrunden-Aus einer überalterten Mannschaft bei der EM 2000 erklärte der DFB die Nachwuchsförderung zur Chefsache. Mit Sebastian Deisler stand vor zehn Jahren nur ein Spieler im Kader, der auch für die U 21 spielberechtigt gewesen wäre. Ganz anders das Bild heute. Sechs Spieler der Startformation des Sieges gegen Argentinien gehörten im vergangenen Sommer zum Team von Trainer Horst Hrubesch, das bei der U 21-EM in Schweden den Titel holte – mit beeindruckendem Fußball. Die deutsche Jugend hat sich durchgesetzt, zuerst international unter Gleichaltrigen. Und später national im Wettstreit mit älteren Spielern um einen Platz im Kader von Bundestrainer Joachim Löw. Ein erfolgreicher Wandel, der Ausdruck einen nachhaltigen Prozesses ist.

„Ziel aller Anstrengungen in der Nachwuchsförderung ist es, die Basis für eine konkurrenzfähige Nationalmannschaft zu bilden.“ Dieser Satz steht als Präambel über der Nachwuchsförderung des DFB. Voraussetzung dafür ist unter anderem, dass sich die vom Verband und in den Vereinen ausgebildeten Spieler in der Bundesliga durchsetzen. Und das ist immer häufiger der Fall. In der Saison 2000/2001 wurden insgesamt 36 Spieler der Jahrgänge U 18 bis U 21 in der Bundesliga eingesetzt. In der zurückliegenden Spielzeit liefen insgesamt 76 Spieler der Jahrgänge U 18 – U 21 in der Bundesliga auf den Rasen. Die Anzahl gut ausgebildeter, junger deutscher Spieler in der höchsten Spielklasse hat sich in den letzten neun Jahren demnach mehr als verdoppelt. Es war nur eine Frage der Zeit, bis auch die A-Nationalmannschaft von dieser Entwicklung profitiert.

Nachwuchsleistungszentren sind Pflicht

Erfreuliche Zahlen. Und eine erfreuliche Entwicklung, die systematische Gründe hat. Wie genau hat sich die Nachwuchsförderung in den letzten Jahren verändert? Was hat der DFB im Talentbereich unternommen? Welche Maßnahmen haben dazu geführt, dass der deutsche Fußball inzwischen in der Nachwuchsarbeit wieder eine maßgebliche Rolle spielt? Und wie schafft man es, junge Talente bis in die A-Mannschaft zu bringen? Fragen, die sich in den vergangenen Wochen vor allem die Experten in den Ländern gestellt haben, die längst die Heimreise von Südafrika antreten mussten.

Die Antworten sind vielschichtig. Eine gemeinsame Anstrengung von Verband und Vereinen sind dafür Grundvoraussetzung. Ganz wesentlich war, dass die Lizenzklubs zu Beginn des neuen Jahrtausends verpflichtet wurden, ihr Engagement für den Nachwuchsbereich zu vergrößern. So wurde der Aufbau von Nachwuchsleistungszentren als Lizenzierungsvoraussetzung für die Vereine der ersten und zweiten Bundesliga vorgeschrieben. Die Vereine wurden in die Pflicht genommen. Und gleichzeitig die Kommunikation zwischen dem DFB und den Profiklubs verbessert. Darin sieht DFB-Sportdirektor Matthias Sammer einen der Schlüssel für die aktuellen Erfolge. Und er betont, wie wichtig Kontinuität ist. „Wer denkt, wir sind bereits am Ende angekommen, der irrt. Wir stehen erst am Anfang einer sehr positiven Entwicklung.“

Langfristige Planung statt kurzfristiger Erfolg

Langfristige Konzepte statt kurzfristiger Projekte. Der DFB hat dafür neben der Förderung in den Vereinen ein flächendeckendes Talentförderprogramm implementiert, das die Sichtung und Förderung optimiert. Dieses Förderprogramm des Dachverbandes startete mit Beginn der Saison 2002/2003. Das Projekt mit seinen derzeit 366 Stützpunkten bildet die Brücke zwischen der Jungendarbeit an der Vereinsbasis und der Talentförderung über die Leistungszentren und die 29 Eliteschulen des Fußballs in ganz Deutschland. Etwa 14 000 Jugendliche im Alter von elf bis fünfzehn Jahren werden in Zusammenrbeit mit den Landesverbänden aktuell gefördert. Ganz wesentlich in diesem System ist die Ausbildung der Trainer. Die Trainerausbildung hat „absolut zentrale Bedeutung für uns“, sagt Sammer, „der Trainer ist die alles entscheidende Person.“

Insbesondere bei der Förderung der Talente. Trainingswissenschaftlich ist erwiesen, dass die Entwicklung der technischen Fähigkeiten eines Fußballers entscheidend zwischen dem elften und 15. Lebensjahr geprägt wird. In diesem „goldenen Jahren“ werden Talente deswegen ganz besonders gefördert. Rund 1000 Honorartrainer betreuen die Jungen und Mädchen in 366 Stützpunkten, die flächendeckend in ganz Deutschland verteilt sind. Vorbei die Zeiten, als die Talente schon früh aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen werden mussten, weil optimale Förderung nur an wenigen Stützpunkten gewährleistet war. Heute ist man in der Lage, individuell auf jedes Talent einzugehen. Früh entwickelte Spieler wie Toni Kroos finden an den 46 Leistungszentren schon in ganz jungen Jahren eine optimale Betreuung, Spieler, die ihr Potenzial erst später abrufen, werden an den Stützpunkten ideal betreut.

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Diese individuelle und umfassende Betreuung kostet den DFB jährlich rund 16 Millionen Euro. Seit der Europameisterschaft vor zehn Jahren haben die Deutsche Fußball-Liga mit den Profiklubs und der DFB insgesamt mehr als 500 Millionen Euro in den Nachwuchsbereich investiert. Viel Geld, aber ein Investment, das sportliche Rendite abwirft. 2008 wurde die U 19 Europameister, 2009 gewannen die U 17 und U 21 ebenfalls die EM-Turniere. Alles binnen elf Monaten Dieses Kunststück, in allen drei kontinentalen Wettbewerbsklassen aktueller Titelträger zu sein, gelang zuvor noch keinem Verband.

"Titel sind ein logisches Produkt großer Anstrengungen"

„Die Titel sind ein logisches Produkt großer Anstrengungen des DFB, seiner Landesverbände und der Lizenzvereine, talentierte junge Spielerinnen und Spieler so intensiv wie möglich zu fördern und zu fordern“, sagt Sammer. Zuvor hatte der DFB 16 Jahre auf einen EM-Titel im Juniorenbereich warten müssen. „Es wurde immer gesagt, dass da nichts nachkommt. Wenn man jetzt sieht, wie wir in allen Mannschaftsteilen aufgestellt sind, dann muss man sagen: das ist heute absoluter Blödsinn“, erinnert sich Stürmer Miroslav Klose, der als 32-Jähriger zu den wenigen Spielern im aktuellen Kader gehört, die an die EM 2000 und die viel zitierte Krise im deutschen Fußball noch gute Erinnerungen haben.

Die Siege bei der WM in Südafrika sind also keine Folge glücklicher Umstände. Die Schulung in den Vereinen sowie das Stützpunkttraining und die Eliteförderung des Verbandes sind zu einem System zusammengewachsen, das in die Spitze durchlässig ist und beinahe zwangläufig junge Spieler in die A-Nationalmannschaft aufrücken lässt. Von dem aktuellen Kader besuchten mit Manuel Neuer, Dennis Aogo, Jerome Boateng, Per Mertesacker, Serdar Tasci, Toni Kroos, Mesut Özil und Mario Gomez, acht Spieler Eliteschulen des Fußballs. In den Stützpunkten zur Spezialförderung - dem Vorläufer des heutigen Talentförderprogramms - wurden Dennis Aogo, Mario Gomez, Toni Kroos und Stefan Kießling gefördert. Jeder der 23 Spieler durchlief später eines der Leistungszentren der Profivereine. Die Spieler des Teams von Joachim Löw haben also ausnahmslos und umfassend schon in jungen Jahren eine taktische und technische Schule durchlaufen.

In den nächsten Tagen wird sich zeigen, ob Deutschland zum vierten Mal Weltmeister wird. Am Mittwoch spielt die Mannschaft im Halbfinale gegen Europameister Spanien. „Auf diesem Niveau entscheiden Kleinigkeiten“, sagt Philipp Lahm. Die Tagesform, Glück und Pech, der Zufall. Eines aber steht jetzt schon fest. Die deutsche Mannschaft und der deutsche Fußball sind große Gewinner der WM in Südafrika. Die jungen Spieler haben die Fans begeistert und die Welt mit ihrer spielerischen Leichtigkeit erstaunt. Und eines waren diese Leistungen sicher nicht: die zufälligen Auftritte eines zufällig talentierten Jahrgangs.