Jürgen Kohler: Der Weltmeister wird 50

Den "Fußball-Gott" gibt es nicht, auch wenn manch einer mit diesem Etikett versehen wurde. Einer wieJürgen Kohler. Mit einer artistischen Rettungsaktion auf der Torlinie im mythischen Stadion von Old Trafford hatte sich der Manndecker endgültig in die Herzen der Fans von Borussia Dortmund gespielt, besser: gekämpft. Da war er zwar schon sieben Jahre Weltmeister und im ganzen Land angesehen als ein ehrlicher, allürenfreier Sportsmann - aber eben noch kein Fußball-Gott. Die kamen erst Mitte der Neunziger in Mode, und es gibt für einen Spieler wahrlich Schlimmeres als diese Form der Verehrung.

Heute wird Jürgen Kohler, den Freunde etwas weniger huldvoll "Kokser" nennen (nur ein in Spiel mit seinem Nachnamen und keine Anspielung auf zweifelhafte Neigungen), 50 Jahre jung. DFB.de würdigt einen der besten Verteidiger der DFB-Geschichte - und einen der erfolgreichsten deutschen Fußballer überhaupt.

Der Weltmeister ist Trainer in der fünften Liga

Fußball-Gott wird er nur noch selten gerufen, er ist jetzt Fußball-Trainer in der fünften Liga - beim SC Hauenstein. Drei bis viermal die Woche fährt er 250 Kilometer von Grafschaft bei Bonn nach Hauenstein und am Wochenende steht er auf Plätzen am Seitenrand, zu denen selten mehr als 200 Zuschauer kommen. Aber die Bilanz kann sich sehen lassen: Neun Siege und ein Remis gab es 2015/206 unter Kohler in der Oberliga Südwest, das bedeutet nicht mehr und nicht weniger als die Tabellenführung. "Es macht Spaß, ich brauche keine Bundesliga um glücklich zu sein", sagte er dem Kicker.

Das war einmal anders. Der Spieler Kohler hat der Bundesliga einiges zu verdanken und die ihm auch. Die Beziehung begann am 7. April 1984, er war erst 18. Von Jahn Lambsheim war Kohler 1982 zu Waldhof Mannheim gewechselt, das 1983 in die Bundesliga aufstieg. Kurz vor Ende der ersten Mannheimer Bundesligasaison warf ihn Trainer Klaus Schlappner ins Feuer. Gegen den 1. FC Kaiserslautern durfte er helfen, den 2:0-Sieg über die Zeit retten - er spielte zwei Minuten. Aber dann folgten noch vier Einsätze über die volle Distanz, als Innenverteidiger. Was anderes hat er nie gespielt. "Ich bin ein Paradebeispiel dafür, wie man mit wenig Talent viel erreichen kann", sagte er mal im Rückblick.

Der Kaiser entdeckt den Fußball-Gott

Es war noch nicht die Zeit der Allrounder, Verteidiger mussten das Spiel nicht eröffnen, sie mussten es zerstören. In Deutschland konnte das am besten der Stuttgarter Karl-Heinz Förster, und als der Weltklasse-Vorstopper nach dem WM-Finale 1986 in Mexiko aus der Nationalmannschaft zurücktrat, da blickte Teamchef Franz Beckenbauer gen Mannheim, wo angeblich ein neuer Stern am Verteidiger-Himmel leuchten sollte. 20-mal hatte Kohler schon in den U-Mannschaften des DFB gespielt, nun sollte er mit den Erwachsenen spielen.

Der Kaiser lud Kohler zum Testspiel gegen Dänemark ein, wo er zwei Wochen vor seinem 21. Geburtstag in Kopenhagen am 24. September 1986 prompt debütierte. Damit wurden alle Experten überrascht, in der Startelf hatte ihn niemand vermutet. Schon gar nicht als Rechtsverteidiger, aber Jürgen Kohler schaltete Weltklassestürmer Preben Elkjaer-Larsen aus und erntete sogar kaiserliches Sonderlob: "Der konnte gar nicht besser spielen, der hat einen der besten Spieler der Welt abgemeldet." Und so einer durfte wieder kommen. Von den folgenden 139 Länderspielen bestritt er 104, aus Formgründen fehlte er so gut wie nie.

Zu seinem ersten großen Turnier fuhr er schon als Spieler des 1. FC Köln, der sich ab 1987 seine Dienste sicherte. Bei der EM 1988 im eigenen Land erlebte Kohler einen prägenden Karrieremoment. Die Zehntelsekunde oder die fünf Zentimeter, die fehlten, um Marco van Bastens Schuss zum 1:2-Endstand noch abzugrätschen, gingen ihm noch lange nach jenem 21. Juni 1988 von Hamburg nicht aus dem Kopf. Er war gewiss nicht der Alleinschuldige am deutschen Aus im Halbfinale, aber nach diesem Tor hatte er noch etwas, das ihn antrieb: "Eigentlich bin ich sogar dankbar dafür. Weil ich gemerkt habe, dass ich noch nicht so gut bin. Van Basten hat mir gezeigt, dass im Fußball immer noch mehr geht."



Den "Fußball-Gott" gibt es nicht, auch wenn manch einer mit diesem Etikett versehen wurde. Einer wieJürgen Kohler. Mit einer artistischen Rettungsaktion auf der Torlinie im mythischen Stadion von Old Trafford hatte sich der Manndecker endgültig in die Herzen der Fans von Borussia Dortmund gespielt, besser: gekämpft. Da war er zwar schon sieben Jahre Weltmeister und im ganzen Land angesehen als ein ehrlicher, allürenfreier Sportsmann - aber eben noch kein Fußball-Gott. Die kamen erst Mitte der Neunziger in Mode, und es gibt für einen Spieler wahrlich Schlimmeres als diese Form der Verehrung.

Heute wird Jürgen Kohler, den Freunde etwas weniger huldvoll "Kokser" nennen (nur ein in Spiel mit seinem Nachnamen und keine Anspielung auf zweifelhafte Neigungen), 50 Jahre jung. DFB.de würdigt einen der besten Verteidiger der DFB-Geschichte - und einen der erfolgreichsten deutschen Fußballer überhaupt.

Der Weltmeister ist Trainer in der fünften Liga

Fußball-Gott wird er nur noch selten gerufen, er ist jetzt Fußball-Trainer in der fünften Liga - beim SC Hauenstein. Drei bis viermal die Woche fährt er 250 Kilometer von Grafschaft bei Bonn nach Hauenstein und am Wochenende steht er auf Plätzen am Seitenrand, zu denen selten mehr als 200 Zuschauer kommen. Aber die Bilanz kann sich sehen lassen: Neun Siege und ein Remis gab es 2015/206 unter Kohler in der Oberliga Südwest, das bedeutet nicht mehr und nicht weniger als die Tabellenführung. "Es macht Spaß, ich brauche keine Bundesliga um glücklich zu sein", sagte er dem Kicker.

Das war einmal anders. Der Spieler Kohler hat der Bundesliga einiges zu verdanken und die ihm auch. Die Beziehung begann am 7. April 1984, er war erst 18. Von Jahn Lambsheim war Kohler 1982 zu Waldhof Mannheim gewechselt, das 1983 in die Bundesliga aufstieg. Kurz vor Ende der ersten Mannheimer Bundesligasaison warf ihn Trainer Klaus Schlappner ins Feuer. Gegen den 1. FC Kaiserslautern durfte er helfen, den 2:0-Sieg über die Zeit retten - er spielte zwei Minuten. Aber dann folgten noch vier Einsätze über die volle Distanz, als Innenverteidiger. Was anderes hat er nie gespielt. "Ich bin ein Paradebeispiel dafür, wie man mit wenig Talent viel erreichen kann", sagte er mal im Rückblick.

Der Kaiser entdeckt den Fußball-Gott

Es war noch nicht die Zeit der Allrounder, Verteidiger mussten das Spiel nicht eröffnen, sie mussten es zerstören. In Deutschland konnte das am besten der Stuttgarter Karl-Heinz Förster, und als der Weltklasse-Vorstopper nach dem WM-Finale 1986 in Mexiko aus der Nationalmannschaft zurücktrat, da blickte Teamchef Franz Beckenbauer gen Mannheim, wo angeblich ein neuer Stern am Verteidiger-Himmel leuchten sollte. 20-mal hatte Kohler schon in den U-Mannschaften des DFB gespielt, nun sollte er mit den Erwachsenen spielen.

Der Kaiser lud Kohler zum Testspiel gegen Dänemark ein, wo er zwei Wochen vor seinem 21. Geburtstag in Kopenhagen am 24. September 1986 prompt debütierte. Damit wurden alle Experten überrascht, in der Startelf hatte ihn niemand vermutet. Schon gar nicht als Rechtsverteidiger, aber Jürgen Kohler schaltete Weltklassestürmer Preben Elkjaer-Larsen aus und erntete sogar kaiserliches Sonderlob: "Der konnte gar nicht besser spielen, der hat einen der besten Spieler der Welt abgemeldet." Und so einer durfte wieder kommen. Von den folgenden 139 Länderspielen bestritt er 104, aus Formgründen fehlte er so gut wie nie.

Zu seinem ersten großen Turnier fuhr er schon als Spieler des 1. FC Köln, der sich ab 1987 seine Dienste sicherte. Bei der EM 1988 im eigenen Land erlebte Kohler einen prägenden Karrieremoment. Die Zehntelsekunde oder die fünf Zentimeter, die fehlten, um Marco van Bastens Schuss zum 1:2-Endstand noch abzugrätschen, gingen ihm noch lange nach jenem 21. Juni 1988 von Hamburg nicht aus dem Kopf. Er war gewiss nicht der Alleinschuldige am deutschen Aus im Halbfinale, aber nach diesem Tor hatte er noch etwas, das ihn antrieb: "Eigentlich bin ich sogar dankbar dafür. Weil ich gemerkt habe, dass ich noch nicht so gut bin. Van Basten hat mir gezeigt, dass im Fußball immer noch mehr geht."

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"Wer nichts tut, wird immer zweite Wahl bleiben"

Kohler lebte sein Credo auf dem Platz: "Wer nichts für seinen Beruf tut, wird immer zweite Wahl bleiben." Berti Vogts würdigte ihn so: "Auch wenn ihm Weltklasse beschieden wurde, war Jürgen immer noch bereit, weiter an sich zu arbeiten, um noch besser zu sein."

Eine Möglichkeit ist, sich täglich mit den Besten zu messen. So wechselte Kohler 1989 zu den Bayern - was prompt mit seiner ersten Meisterschaft belohnt wurde. Wenige Wochen später stand er in Rom auf dem Gipfel seiner Karriere: Weltmeister. Die Vorrunde hatte er in Italien noch von der Tribüne aus verfolgt, der Kaiser hielt seinen Einsatz nach einer Verletzung noch für zu riskant. Kohler trat vor Enttäuschung eine Tür im Duschbereich in den Katakomben von San Siro ein, aber dann durfte er doch noch gegen den Ball treten.

Im Achtelfinale von Mailand rückte er ins Team. Wieder traf er auf van Basten, doch der sah diesmal kein Land. Bis er in letzter Minute einen Elfmeter gegen Kohler herausholte - einen schmeichelhaften und einen unwichtigen. Deutschland gewann 2:1, und Kohler machte seinen Frieden mit van Basten und den Holländern.

UEFA-Cupsieger mit Juve, Champions-League-Sieger mit dem BVB

Nach dem WM-Triumph zog es viele Weltmeister gen Italien, auch er konnte 1991 nicht widerstehen und ging zu Juventus Turin. Als Juve-Spieler stand er 1992 im EM-Finale, das gegen Dänemark 0:2 verloren wurde und Kohler als "meine bitterste Stunde" bezeichnete. Der UEFA-Pokalsieg mit Juventus tröstete ihn 1993 darüber hinweg, im Finale gewann er gegen den Klub, der seine letzte Station wurde: Borussia Dortmund. 1995 wechselte er als Italienischer Meister zum Deutschen Meister - und durfte am Saisonende den nächsten Titel feiern. 1997 folgte die Krönung als Vereinsspieler, ausgerechnet gegen Juventus gewann der BVB in München erstmals die Champions League. Kein Wunder, seit dem Halbfinale von Manchester hatten sie ja einen "Fußball-Gott" in ihren Reihen. Kohlers Wahl zum Fußballer des Jahres 1997 traf niemanden unvorbereitet.

Europameister durfte sich Kohler schon ein Jahr zuvor nennen, auch wenn er sich bei der EM 1996 in England schon nach drei Minuten am Knie verletzte und fortan nur noch als Zuschauer dabei war. Das Ende seiner Nationalmannschaftskarriere stand unter keinem guten Stern. Kohler gehörte noch mit 32 zum WM-Aufgebot, mit dem Berti Vogts 1998 gen Frankreich zog. Es war das älteste der DFB-Historie, und wie 1994 in den USA scheiterte Deutschland im Viertelfinale. Beim 0:3 gegen die Kroaten trug Kohler in Lyon zum 105. und letzten Mal das DFB-Trikot. Nur Lothar Matthäus und Jürgen Klinsmann hatten damals mehr Länderspiele absolviert, heute steht Kohler immer noch auf dem siebten Platz. Und noch mit 36, in seiner letzten Saison, wurde er Deutscher Meister.

Das letzte Spiel dauert nur 31 Minuten

Gerne hätte Kohler auch den UEFA-Pokal ein zweites Mal gewonnen, doch im letzten Spiel seiner Karriere zeigte sich, dass es keinen Fußball-Gott gibt. Der hätte bestimmt nicht zugelassen, dass Kohler in Rotterdam mit einer Roten Karte von der Fußball-Bühne abtreten würde. Die hat er trotz seines Rufs als knallharter Spieler in 398 Bundesligaspielen nur zweimal gesehen. Die Bilanz konnte sich trotzdem sehen lassen: Weltmeister, Europameister, Champions League-Sieger, zweimal UEFA-Cup-Sieger, drei Meisterschaften, drei Supercup-Siege, ein Pokalsieg (in Italien).

Nach der Karriere übernahm Kohler mehrere kurzfristige Engagements als Sportdirektor oder Trainer, auch für den DFB (U 21). Gesundheitliche Gründe ließen es nicht zu, sich über Jahre ins Bundesligageschäft zu stürzen. Er sollte Stress vermeiden, "der wirkt sich negativ auf alle Organe aus". Im Mai dieses Jahres wurde Jürgen Kohler am Herzen operiert - nun geht es dem dreimaligen Vater gut, und das soll so bleiben. Auch in Hauenstein, wo es gewiss keine Fußball-Götter gibt.