Im Fokus: Durm vor seinem 100. Profispiel

Regelmäßig stellt DFB.de einen Spieler des A-Teams vor, für den am Wochenende Außergewöhnliches ansteht. Heute: Erik Durm, der im Spiel gegen Hertha BSC (Samstag 15.30 Uhr, live bei Sky) vor seinem 100. Profispiel steht.

Die erste irgendwie unfreiwillige Auszeit nahm Erik Durm um den Jahreswechsel herum. Am 24. Dezember galt es, den Geburtstag seiner Mutter zu feiern, ach so, und Weihnachten natürlich auch. Man saß beieinander, es gab Raclette und so manche Boulette - im Hause Durm war es sehr nett. Wie in jedem Jahr. Mit seinen Eltern düste er danach für ein paar Tage nach Barcelona, keine Angst, Sightseeing stand auf dem Plan, nicht die Suche nach einem neuen Arbeitgeber. Durm bekam, was er noch nie angestrebt hat: Abstand vom Fußball.

In den Monaten zuvor war es für ihn so sehr Schlag auf Schlag gegangen, dass man sich wundern konnte, wie blessurenfrei der 22-Jährige die vielen Wendungen überstanden hat. Binnen kurzer Zeit vollzog Durm die Verwandlung vom Studenten zum Profi und die vom Stürmer zum Abwehrspieler. Es folgten die Metamorphosen vom Bankspieler zum Stammspieler, die vom Bundesligaspieler zum Nationalspieler, die vom Nationalspieler zum Weltmeister und die vom Normalbürger zum Prominenten. Durm hat sich so oft verwandelt, Franz Kafka hätte seine Freude an ihm gehabt.

Tempo und Häufigkeit des Wandels in seinem Leben haben Durm nie etwas ausgemacht. Im Gegenteil: in der Rotation um die eigene Achse kam er nicht dazu, zu reflektieren, was da gerade alles mit ihm passiert. Die hohe Taktung mit Bundesliga, Nationalmannschaft, Champions League und DFB-Pokal war für ihn mehr Entlastung als Belastung. Weil es ihn an einer Sache hinderte, die oft hinderlich ist: nachdenken. "Ich bin ein Mensch, der sehr kopflastig ist", sagte er ein paar Wochen nach der WM in einer Zeit, als die Bundesliga gerade wieder Fahrt aufgenommen hatte. "Ich glaube deswegen, dass mir dieser Rhythmus sehr gut tut. Es geht Schlag auf Schlag – und das ist gut so. In diesem Tunnel würde ich gerne noch ein bisschen bleiben."

Weihnachten war ihm natürlich dennoch willkommen. Mehr jedenfalls als die Auszeit, die bald folgen sollte und die eine komplett unfreiwillige war. Im Trainingslager in La Manga zog sich der Weltmeister einen Muskelfaserriss im Adduktorenbereich zu. Er fand sich fortan häufig in einem Bereich wieder, der ihn zwar brennend interessiert, allerdings war die Perspektive falsch: Sportmedizin. Zu seiner Zeit in Mainz hatte Durm Sportwissenschaften studiert, das Thema Verletzungen und deren Behandlung dabei voller Akribie verinnerlicht. Durm hätte das Studium gerne mit Abschluss beendet, für den Traum vom Profifußball musste er darauf verzichten. "Es war aber relativ schwer, auch weil ich noch nicht die finanziellen Mittel für ein Auto hatte", erzählt Durm. "Ich musste immer mit dem Rad zu Uni, es klingt vielleicht blöd, aber das hat sehr viel Zeit gekostet. Ich habe dann einsehen müssen, dass es nicht möglich ist, an der Uni und im Fußball parallel 100 Prozent zu bringen."

So konnte er im Frühjahr 2015 Verletzungen und deren Behandlung in der Praxis studieren. Und dazu noch ein halbes Semester Allgemeinmedizin. Zum Muskelfaserriss gesellte sich eine hartnäckige Grippe mit Schüttelfrost, 40 Grad Fieber und einer Nasennebenhöhlenentzündung. Durm verlor offiziellen Angabe zufolge mehrere Kilo, was die Frage beantwortet, ob Durm zuvor aus mehreren Kilo bestanden hatte. Mit neuerlichen Problemen im Adduktorenbereich und in der Wade fiel er für die erste Mannschaft des BVB insgesamt mehr als drei Monate aus.

Den Weg zurück fand Durm über die Zweitvertretung der Borussia, sein Comeback feierte der Weltmeister am 7. März in der 3. Liga im Spiel gegen Arminia Bielefeld (1:1). Es war die nächste Metamorphose in seinem Leben, die vom Rekonvaleszenten zum Hoffnungsträger. Mittlerweile ist Durm wieder in der Mannschaft von Jürgen Klopp angekommen. Seine Rückkehr fiel auf ein besonderes Spiel. Im Viertelfinale des DFB-Pokals gegen Hoffenheim (3:2) stand er erstmals wieder bei den Profis auf dem Platz, seine Vorlage zum 2:2-Ausgleich von Pierre-Emerick Aubameyang ist ein wichtiger Absatz eines Fußballmärchens, das am 30. Mai beim Pokalfinale gegen den VfL Wolfsburg im Berliner Olympiastadion hollywoodreif weitergehen könnte.

Am Wochenende spielen Durm und der BVB nicht in Berlin, dafür gegen Berlin. Das Spiel gegen Hertha BSC (Samstag 15.30 Uhr, live bei Sky) ist für die Borussen etwas Besonderes, schließlich geht es gegen den Hauptstadtklub, es geht um die Europa League. Durm feiert darüber hinaus aus ein Jubiläum. 99 Spiele hat er bisher im Seniorenbereich absolviert, 33 für den FSV Mainz 05, 66 für Borussia Dortmund. Gegen die alte Dame wird der junge Herr also 100, und alles ist angerichtet für ein großes Spiel. Hertha benötigt Punkte im Kampf gegen den Abstieg - Dortmund im Kampf um Europa. Durm hat im Mai noch viel vor. Erst wenn die Saison vorüber ist, wird er die nächste Auszeit haben – dann eine komplett freiwillige.

[sl]

Regelmäßig stellt DFB.de einen Spieler des A-Teams vor, für den am Wochenende Außergewöhnliches ansteht. Heute: Erik Durm, der im Spiel gegen Hertha BSC (Samstag 15.30 Uhr, live bei Sky) vor seinem 100. Profispiel steht.

Die erste irgendwie unfreiwillige Auszeit nahm Erik Durm um den Jahreswechsel herum. Am 24. Dezember galt es, den Geburtstag seiner Mutter zu feiern, ach so, und Weihnachten natürlich auch. Man saß beieinander, es gab Raclette und so manche Boulette - im Hause Durm war es sehr nett. Wie in jedem Jahr. Mit seinen Eltern düste er danach für ein paar Tage nach Barcelona, keine Angst, Sightseeing stand auf dem Plan, nicht die Suche nach einem neuen Arbeitgeber. Durm bekam, was er noch nie angestrebt hat: Abstand vom Fußball.

In den Monaten zuvor war es für ihn so sehr Schlag auf Schlag gegangen, dass man sich wundern konnte, wie blessurenfrei der 22-Jährige die vielen Wendungen überstanden hat. Binnen kurzer Zeit vollzog Durm die Verwandlung vom Studenten zum Profi und die vom Stürmer zum Abwehrspieler. Es folgten die Metamorphosen vom Bankspieler zum Stammspieler, die vom Bundesligaspieler zum Nationalspieler, die vom Nationalspieler zum Weltmeister und die vom Normalbürger zum Prominenten. Durm hat sich so oft verwandelt, Franz Kafka hätte seine Freude an ihm gehabt.

Tempo und Häufigkeit des Wandels in seinem Leben haben Durm nie etwas ausgemacht. Im Gegenteil: in der Rotation um die eigene Achse kam er nicht dazu, zu reflektieren, was da gerade alles mit ihm passiert. Die hohe Taktung mit Bundesliga, Nationalmannschaft, Champions League und DFB-Pokal war für ihn mehr Entlastung als Belastung. Weil es ihn an einer Sache hinderte, die oft hinderlich ist: nachdenken. "Ich bin ein Mensch, der sehr kopflastig ist", sagte er ein paar Wochen nach der WM in einer Zeit, als die Bundesliga gerade wieder Fahrt aufgenommen hatte. "Ich glaube deswegen, dass mir dieser Rhythmus sehr gut tut. Es geht Schlag auf Schlag – und das ist gut so. In diesem Tunnel würde ich gerne noch ein bisschen bleiben."

Weihnachten war ihm natürlich dennoch willkommen. Mehr jedenfalls als die Auszeit, die bald folgen sollte und die eine komplett unfreiwillige war. Im Trainingslager in La Manga zog sich der Weltmeister einen Muskelfaserriss im Adduktorenbereich zu. Er fand sich fortan häufig in einem Bereich wieder, der ihn zwar brennend interessiert, allerdings war die Perspektive falsch: Sportmedizin. Zu seiner Zeit in Mainz hatte Durm Sportwissenschaften studiert, das Thema Verletzungen und deren Behandlung dabei voller Akribie verinnerlicht. Durm hätte das Studium gerne mit Abschluss beendet, für den Traum vom Profifußball musste er darauf verzichten. "Es war aber relativ schwer, auch weil ich noch nicht die finanziellen Mittel für ein Auto hatte", erzählt Durm. "Ich musste immer mit dem Rad zu Uni, es klingt vielleicht blöd, aber das hat sehr viel Zeit gekostet. Ich habe dann einsehen müssen, dass es nicht möglich ist, an der Uni und im Fußball parallel 100 Prozent zu bringen."

So konnte er im Frühjahr 2015 Verletzungen und deren Behandlung in der Praxis studieren. Und dazu noch ein halbes Semester Allgemeinmedizin. Zum Muskelfaserriss gesellte sich eine hartnäckige Grippe mit Schüttelfrost, 40 Grad Fieber und einer Nasennebenhöhlenentzündung. Durm verlor offiziellen Angabe zufolge mehrere Kilo, was die Frage beantwortet, ob Durm zuvor aus mehreren Kilo bestanden hatte. Mit neuerlichen Problemen im Adduktorenbereich und in der Wade fiel er für die erste Mannschaft des BVB insgesamt mehr als drei Monate aus.

Den Weg zurück fand Durm über die Zweitvertretung der Borussia, sein Comeback feierte der Weltmeister am 7. März in der 3. Liga im Spiel gegen Arminia Bielefeld (1:1). Es war die nächste Metamorphose in seinem Leben, die vom Rekonvaleszenten zum Hoffnungsträger. Mittlerweile ist Durm wieder in der Mannschaft von Jürgen Klopp angekommen. Seine Rückkehr fiel auf ein besonderes Spiel. Im Viertelfinale des DFB-Pokals gegen Hoffenheim (3:2) stand er erstmals wieder bei den Profis auf dem Platz, seine Vorlage zum 2:2-Ausgleich von Pierre-Emerick Aubameyang ist ein wichtiger Absatz eines Fußballmärchens, das am 30. Mai beim Pokalfinale gegen den VfL Wolfsburg im Berliner Olympiastadion hollywoodreif weitergehen könnte.

Am Wochenende spielen Durm und der BVB nicht in Berlin, dafür gegen Berlin. Das Spiel gegen Hertha BSC (Samstag 15.30 Uhr, live bei Sky) ist für die Borussen etwas Besonderes, schließlich geht es gegen den Hauptstadtklub, es geht um die Europa League. Durm feiert darüber hinaus aus ein Jubiläum. 99 Spiele hat er bisher im Seniorenbereich absolviert, 33 für den FSV Mainz 05, 66 für Borussia Dortmund. Gegen die alte Dame wird der junge Herr also 100, und alles ist angerichtet für ein großes Spiel. Hertha benötigt Punkte im Kampf gegen den Abstieg - Dortmund im Kampf um Europa. Durm hat im Mai noch viel vor. Erst wenn die Saison vorüber ist, wird er die nächste Auszeit haben – dann eine komplett freiwillige.