Hybridrasen bei der EURO: Halb künstlich, halb natürlich

Hybridrasen soll belastbar und trotzdem natürlich sein. Die Fußballklubs der Weltspitze setzen schon seit einigen Jahren auf die moderne Naturrasen-Alternative. Auch bei der Euro 2016 in Frankreich kommt Hybridrasen zum Einsatz. Acht der zehn Spielstadien sind mit dem verbesserten Naturrasen ausgestattet.

Dr. Paul Baader ist Experte im Bereich Vegetationstechnik und Sportplatzbau, beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) leitet er die AG Rasen. Der promovierte Diplom-Ingenieur studierte die Wechselwirkungen zwischen Boden und Rasengräsern. Seit Mai 2014 führt er für den gemeinnützigen Fördererkreis Landschafts- und Sportplatzbauliche Forschung e.V. einen Feldversuch in Basel durch und testet fünf Hybridrasen-Systeme in der Praxis auf ihre Belastbarkeit. Im DFB.de-Interview mit Franziska Eichholz verrät Baader, was eine Nähmaschine und ein Igel mit Hybridrasen zu tun haben und ob sich hybride Rasensysteme für Amateurvereine lohnen.

DFB.de: Herr Dr. Baader, Was genau ist Hybridrasen?

Dr. Paul Baader: Das Wort "hybrid" ist aktuell ein modischer Begriff. Es bezeichnet das Zusammenwirken verschiedener Materialien, um dadurch ein verbessertes System zu erhalten. Hybride Rasensysteme kombinieren natürliche und künstliche Elemente, um den Rasen widerstandsfähiger zu machen. Sie bestehen aus Naturrasen, der durch Kunstfasern oder Kunststoffmatten im Boden stabilisiert wird.

DFB.de: In acht der zehn EM-Stadien in Frankreich wird auf Hybridrasen gespielt. Welche Vorteile hat er gegenüber Naturrasen?

Baader: In Frankreich kommen zwei verschiedene Hybrid-Systeme zum Einsatz. Eine Möglichkeit ist das Einnähen mit einer Art großen "Nähmaschine" von zwanzig Zentimeter langen Kunststofffäden in den Boden, die dann zwei Zentimeter oben heraus ragen. Die Graswurzeln sollen sich an den Fasern verankern und verleihen dem Naturrasen und vor allem der Rasentragschicht zusätzliche Stabilität. Bei der zweiten Art des Hybridrasens wird ein Gemisch aus Kork, feinem Quarzsand und Kunststoffmikrofasern als Wurzelschicht für die Rasengräser eingebaut. Kork fängt Stöße auf und ist elastisch. Quarzsand gibt Stabilität. Die synthetischen Mikrofasern bilden den Verbund für ein festes Wurzelwerk. Dieses Produkt bietet eine Mischung aus Weichheit und gewisser Widerstandsfähigkeit.

DFB.de: Warum spielen die Profis der EM eher auf weichem Boden?

Baader: Gerade im professionellen Bereich, wie auch bei der EM in Frankreich, kommt immer häufiger Hybridrasen zum Einsatz. Durch seine Elastizität sollen die Gelenke der Profis geschont werden und die weiche Rasentragschicht soll bei Stürzen vor Verletzungen schützen. Für Amateurvereine ist dieser Hybridrasen nicht geeignet, wie unsere Versuchsergebnisse aus Basel zeigen.

DFB.de: Warum?

Baader: Weil er wenig scherfest ist. Grätscht ein Spieler beispielsweise nach dem Ball, verhaken sich seine Stollen in der Rasennarbe bzw. im Boden. Ein weicher Boden kann nur geringe Scherkräfte aufnehmen und hält einer Grätsche nicht stand. Es reißt ein Rasenstück heraus. In großen Stadien wird der Rasen nicht so oft bespielt wie bei den Amateuren. Bei Amateurvereinen trainieren teilweise zehn Mannschaften auf einer Rasenfläche. Die Frage ist auch: Kann der Verein sich Pflege, Ausbesserung und Instandhaltung von Hybridrasen leisten?

DFB.de: Also ist die Umrüstung auf Hybridrasen eine Geldfrage?

Baader: Die Umrüstung und die Pflege von Hybridrasen sind teuer. Hybride Rasensysteme brauchen eine besondere Behandlung, da sie aus Naturrasen UND Kunststofffasern bestehen. Für einen optimalen Unterhalt benötigen die Amateurvereine dann andere, zum Teil teure Spezialgeräte, die mehrere Tausend Euro kosten können. Das kann sich ein Amateurverein oftmals nicht leisten. Der Rasen muss zum Beispiel regelmäßig "gestriegelt" werden. Mit einem speziellen Gerät mit Metallzinken, auch "Igel" genannt, wird der Rasen durchkämmt, um organisches Material wie Rasenfilz und abgestorbene Halme zu entfernen. Nach ein bis zwei Jahren – je nach Pflegeintensität - muss die Rasennarbe abgefräst und von wucherndem Naturgras befreit werden. Nur so kann das Hybridsystem wirksam bleiben.

DFB.de: Was raten Sie Amateurvereinen, die dennoch eine Hybridrasenfläche anlegen wollen?

Baader: Zunächst einmal: Holen sie sich fachliche Unterstützung! Lassen sie sich von unabhängiger Seite beraten, ob, und wenn ja, welches System für den Verein geeignet ist. Wenn sie bereits einen Rasenplatz besitzen, könnten Sie darüber nachdenken ein System zu wählen, bei dem Kunststofffasern in den Boden eingewebt werden und die Rasentragschicht stabilisiert wird. Hybridrasen kann so ein Stück "Profifeeling" in den eigenen Verein bringen.

Dr. Paul Baader ist Leiter der AG Rasen beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) und Mitglied der Kommission Sportstätten und Umwelt. Noch in diesem Jahr wird ein Kompendium zum Thema Sportplatzbau und -erhaltung veröffentlicht. Platzwarte sowie Vertreter von Vereinen, Kommunen und Landessportbünden werden darin über Themen zur Planung, Pflege und Instandhaltung von Sportplätzen informiert. Auch Hybridrasen wird ein Thema sein. Das Kompendium wird nach seiner Veröffentlichung auf DFB.de kostenlos zum Download verfügbar sein.

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Hybridrasen soll belastbar und trotzdem natürlich sein. Die Fußballklubs der Weltspitze setzen schon seit einigen Jahren auf die moderne Naturrasen-Alternative. Auch bei der Euro 2016 in Frankreich kommt Hybridrasen zum Einsatz. Acht der zehn Spielstadien sind mit dem verbesserten Naturrasen ausgestattet.

Dr. Paul Baader ist Experte im Bereich Vegetationstechnik und Sportplatzbau, beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) leitet er die AG Rasen. Der promovierte Diplom-Ingenieur studierte die Wechselwirkungen zwischen Boden und Rasengräsern. Seit Mai 2014 führt er für den gemeinnützigen Fördererkreis Landschafts- und Sportplatzbauliche Forschung e.V. einen Feldversuch in Basel durch und testet fünf Hybridrasen-Systeme in der Praxis auf ihre Belastbarkeit. Im DFB.de-Interview mit Franziska Eichholz verrät Baader, was eine Nähmaschine und ein Igel mit Hybridrasen zu tun haben und ob sich hybride Rasensysteme für Amateurvereine lohnen.

DFB.de: Herr Dr. Baader, Was genau ist Hybridrasen?

Dr. Paul Baader: Das Wort "hybrid" ist aktuell ein modischer Begriff. Es bezeichnet das Zusammenwirken verschiedener Materialien, um dadurch ein verbessertes System zu erhalten. Hybride Rasensysteme kombinieren natürliche und künstliche Elemente, um den Rasen widerstandsfähiger zu machen. Sie bestehen aus Naturrasen, der durch Kunstfasern oder Kunststoffmatten im Boden stabilisiert wird.

DFB.de: In acht der zehn EM-Stadien in Frankreich wird auf Hybridrasen gespielt. Welche Vorteile hat er gegenüber Naturrasen?

Baader: In Frankreich kommen zwei verschiedene Hybrid-Systeme zum Einsatz. Eine Möglichkeit ist das Einnähen mit einer Art großen "Nähmaschine" von zwanzig Zentimeter langen Kunststofffäden in den Boden, die dann zwei Zentimeter oben heraus ragen. Die Graswurzeln sollen sich an den Fasern verankern und verleihen dem Naturrasen und vor allem der Rasentragschicht zusätzliche Stabilität. Bei der zweiten Art des Hybridrasens wird ein Gemisch aus Kork, feinem Quarzsand und Kunststoffmikrofasern als Wurzelschicht für die Rasengräser eingebaut. Kork fängt Stöße auf und ist elastisch. Quarzsand gibt Stabilität. Die synthetischen Mikrofasern bilden den Verbund für ein festes Wurzelwerk. Dieses Produkt bietet eine Mischung aus Weichheit und gewisser Widerstandsfähigkeit.

DFB.de: Warum spielen die Profis der EM eher auf weichem Boden?

Baader: Gerade im professionellen Bereich, wie auch bei der EM in Frankreich, kommt immer häufiger Hybridrasen zum Einsatz. Durch seine Elastizität sollen die Gelenke der Profis geschont werden und die weiche Rasentragschicht soll bei Stürzen vor Verletzungen schützen. Für Amateurvereine ist dieser Hybridrasen nicht geeignet, wie unsere Versuchsergebnisse aus Basel zeigen.

DFB.de: Warum?

Baader: Weil er wenig scherfest ist. Grätscht ein Spieler beispielsweise nach dem Ball, verhaken sich seine Stollen in der Rasennarbe bzw. im Boden. Ein weicher Boden kann nur geringe Scherkräfte aufnehmen und hält einer Grätsche nicht stand. Es reißt ein Rasenstück heraus. In großen Stadien wird der Rasen nicht so oft bespielt wie bei den Amateuren. Bei Amateurvereinen trainieren teilweise zehn Mannschaften auf einer Rasenfläche. Die Frage ist auch: Kann der Verein sich Pflege, Ausbesserung und Instandhaltung von Hybridrasen leisten?

DFB.de: Also ist die Umrüstung auf Hybridrasen eine Geldfrage?

Baader: Die Umrüstung und die Pflege von Hybridrasen sind teuer. Hybride Rasensysteme brauchen eine besondere Behandlung, da sie aus Naturrasen UND Kunststofffasern bestehen. Für einen optimalen Unterhalt benötigen die Amateurvereine dann andere, zum Teil teure Spezialgeräte, die mehrere Tausend Euro kosten können. Das kann sich ein Amateurverein oftmals nicht leisten. Der Rasen muss zum Beispiel regelmäßig "gestriegelt" werden. Mit einem speziellen Gerät mit Metallzinken, auch "Igel" genannt, wird der Rasen durchkämmt, um organisches Material wie Rasenfilz und abgestorbene Halme zu entfernen. Nach ein bis zwei Jahren – je nach Pflegeintensität - muss die Rasennarbe abgefräst und von wucherndem Naturgras befreit werden. Nur so kann das Hybridsystem wirksam bleiben.

DFB.de: Was raten Sie Amateurvereinen, die dennoch eine Hybridrasenfläche anlegen wollen?

Baader: Zunächst einmal: Holen sie sich fachliche Unterstützung! Lassen sie sich von unabhängiger Seite beraten, ob, und wenn ja, welches System für den Verein geeignet ist. Wenn sie bereits einen Rasenplatz besitzen, könnten Sie darüber nachdenken ein System zu wählen, bei dem Kunststofffasern in den Boden eingewebt werden und die Rasentragschicht stabilisiert wird. Hybridrasen kann so ein Stück "Profifeeling" in den eigenen Verein bringen.

Dr. Paul Baader ist Leiter der AG Rasen beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) und Mitglied der Kommission Sportstätten und Umwelt. Noch in diesem Jahr wird ein Kompendium zum Thema Sportplatzbau und -erhaltung veröffentlicht. Platzwarte sowie Vertreter von Vereinen, Kommunen und Landessportbünden werden darin über Themen zur Planung, Pflege und Instandhaltung von Sportplätzen informiert. Auch Hybridrasen wird ein Thema sein. Das Kompendium wird nach seiner Veröffentlichung auf DFB.de kostenlos zum Download verfügbar sein.

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