HSV-Juwel Tah: "Wir müssen konstanter werden"

"Keine Zeit" ist ein uralter Song, in dem Marius Müller-Westernhagen sich freute "Ich habe keine Zeit für Vergangenheit". Jonathan Tah geht es genauso, selbst für die Gegenwart ist es knapp. Der 17 Jahre alte Innenverteidiger des HSV hört gerne R&B, aber die Grammys hat er verpasst. "Hatte ich leider keine Zeit", sagt er. Die Führerscheinprüfung muss er verschieben, zu wenige Fahrstunden. "Skyfall" war sein letztgesehener Streifen. Der Bond-Film lief im Oktober 2012.

Das Zeitproblem des jungen Innenverteidigers ist verständlich. Jonathan Glao Tah ist voll damit beschäftigt, sich in der Bundesliga zu etablieren und den Hamburger SV vor dem drohenden Abstieg zu retten. Als ihn der damalige Trainer Thorsten Fink im vergangenen Sommer erstmals einwechselte, war Tah 17 Jahre, sechs Monate und 13 Tage jung und damit der jüngste Bundesligaspieler in der Geschichte des HSV.

Inzwischen ist viel passiert: Jonathan Tah hat sich in die Stammelf gespielt, die Leser der Hamburger Morgenpost wählten ihn vor Pierre-Michel Lasogga und Hakan Calhanoglu zum beliebtesten HSV-Spieler. Trainieren aber kann Tah meistens nur mittags, schließlich will er bis zum Sommer auch noch sein Abitur bestehen. Keine Zeit - also los! Jonathan Tah im DFB.de-Interview mit Redakteur Thomas Hackbarth.

DFB.de: Herr Tah, was sind Sie außerhalb des Platzes für ein Typ?

Jonathan Tah: Ich bin von meiner Art her eher ruhig und zurückhaltend, was manche Leute schon vermuten ließ, ich sei schüchtern. Dabei bin ich das gar nicht. Ich mag es halt eher ruhig und gelassen, aber schüchtern bin ich nicht. Ich mache schon meine Späße, aber beim Training und beim Spiel muss ich mich absolut konzentrieren.

DFB.de: Mit welchen Mitspielern verstehen Sie sich gut?

Tah: Ich komme mit allen Jungs in der Mannschaft klar, aber privat unternehme ich öfter mal was mit Hakan Calhanoglu, Johan Djourou oder Jacques Zoua.

DFB.de: Mit Heiko Westermann spielt ein deutscher Nationalspieler in der Innenverteidigung neben Ihnen.

Tah: Heiko hilft mir in meiner Entwicklung, ganz klar. Es ist ein Vorteil, neben so einem erfahren Profi zu spielen. Er kann mir im Training und sogar im Spiel was zurufen.

DFB.de: Sie sind ein echter Hamburger Jung. In welchem Stadtteil sind Sie eigentlich aufgewachsen?

Tah: In Hamburg-Altona, für mich der schönste Teil der Stadt. Hier leben Menschen aus allen möglichen Kulturen, man kann hier einkaufen gehen, es gibt Restaurants, dabei ist alles nicht so überdreht. Altona ist wie eine Kleinstadt in Hamburg. Mir gefällt es hier sehr. Hamburg insgesamt ist eine überragende Stadt. Ich bin schon etwas rumgekommen, aber meine Heimat gehört sicher zu den schönsten Städten der Welt. Nur das Wetter manchmal…

DFB.de: Wie weit sind Sie mit der Führerschein-Prüfung?

Tah: Ich stehe kurz vor der Theorieprüfung, in der Praxis muss ich noch mehr fahren. Aber das bekomme ich schon hin. Leider werde ich es nicht schaffen, pünktlich zu meinem 18. Geburtstag am 11. Februar die Führerscheinprüfung abzulegen.

DFB.de: Haben Sie sich schon ein Auto ausgesucht?

Tah: Ja – das wird ein kleines, entspanntes Auto sein, und weil es eine Überraschung wird, verrate ich hier noch nichts.

DFB.de: Ihre Mutter ist Deutsche, ihr Vater stammt von der Elfenbeinküste. Waren Sie mal im Urlaub in der Heimat Ihres Vaters?

Tah: Ja, schon ein paar Mal. Es ist wunderschön dort. Wer zum ersten Mal aus Deutschland nach Afrika reist, erleidet dann sicher einen Kulturschock. Das Leben läuft anders. Ich wollte immer dorthin, denn die Heimat meines Vaters ist auch ein Teil meiner Geschichte. Mir hat es sehr gut gefallen. Ich war in der Hauptstadt Abidjan, eine Küstenstadt im Süden des Landes.

DFB.de: Jonathan Tah, wir stellen uns das emotional sehr schwer vor. Eigentlich schweben Sie doch auf Wolke 7. Sie sind mit 17 Jahren Stammspieler in einem Traditionsteam der Bundesliga und die Fans haben Sie zum besten Spieler der Hinrunde gewählt. Sie sind der jüngste Bundesliga-Debütant in 50 Jahren HSV. Gleichzeitig könnte der HSV nach 50 Jahren absteigen. Wie verkraften Sie diese Gegensätze?

Tah: Für meine Entwicklung ist dieses erste Jahr in der Bundesliga natürlich sehr wichtig. Und ich lerne sehr viel, jeden Tag, in jedem Training. Klar ist aber auch, dass man als Fußballspieler etwas erreichen möchte. Ich kann mich über meine persönlichen Erfolge nicht wirklich freuen, angesichts der Situation in der Mannschaft. Ich werde weiter versuchen, der Mannschaft zu helfen, damit wir am Ende unsere sportlichen Ziele erreichen.

DFB.de: Was muss besser werden?

Tah: Wir haben zu viele Ballverluste. Wir müssen taktisch besser werden, gerade daran haben wir im Training gearbeitet. Wir zeigen ein gutes Spiel, dann wieder ein schlechtes. Wir müssen konstanter werden. Der Teamgeist spielt eine große Rolle.

DFB.de: Sie haben die Hinrunde fast durch gespielt. Hätten Sie vor einem Jahr gedacht, dass Sie so schnell den Durchbruch schaffen würden?

Tah: Niemals. Vor einem Jahr habe ich noch bei den A-Junioren des HSV gespielt.

DFB.de: Ihr heutiger Trainer lobt Ihre Ruhe am Ball, Ihr ehemaliger Jugendtrainer ihr Zweikampfverhalten und ihr Aufbauspiel. Was würden Sie an Jonathan Tah loben?

Tah: Da bin ich eigentlich nicht so gut drin. Aber wahrscheinlich das Kopfballspiel, ich bin 1,92 Meter groß, da habe ich einfach sehr gute körperliche Voraussetzungen. Mein Zweikampfverhalten ist sicherlich auch eine Stärke, auch meine Schnelligkeit. Vor knapp einem Jahr wurde mal unser Antritt gestoppt. Da brachte ich es auf 1,65 Sekunden für die ersten zehn Meter. Das ist für meine Größe schon ganz gut.

DFB.de: Was muss besser werden?

Tah: Mein schwacher linker Fuß. Ich muss bestimmte Situationen besser lösen. Wie muss ich mich stellen, wenn der Gegner flankt, damit ich Ball und Gegenspieler gleichzeitig sehe? Und auch wenn ich noch sehr jung bin, muss ein Innenverteidiger auch mal ein Kommando rufen, wir nennen das "Coachen". Ich muss Verantwortung übernehmen können. Ich arbeite konsequent an meinem Spiel, dabei muss ich aber auch meine Stärken noch weiter ausbauen.

DFB.de: Sie waren Kapitän der deutschen U 17-Junioren. Theoretisch können Sie später auch für die Elfenbeinküste international spielen. Immer für Deutschland oder doch irgendwann für die Elefanten?

Tah: Ich bin da sehr entspannt. Ich bin noch ziemlich jung, habe noch Zeit, mir über diese Entscheidung Gedanken zu machen. Ich warte in aller Ruhe ab, schließlich spiele ich gerade mal ein halbes Jahr in der Bundesliga.

DFB: Am 12. Februar kommen die Bayern nach Hamburg, es geht um den Einzug ins Pokalhalbfinale.

Tah: Manche Fans haben regelrecht Angst vor diesem Termin, aber ich persönlich freue mich darauf. Es ist doch toll, gegen diese Mannschaft spielen zu können. Mit Teamgeist, mit Disziplin und mit Konzentration auf dem Platz glauben wir an unsere Chance, sonst brauchen wir ja gar nicht antreten.

DFB.de: Wie groß ist der Druck vor dem kommenden Bundesliga-Spiel am Samstag in Hoffenheim?

Tah: Wir sind uns der Situation bewusst. Wir müssen drei Punkte holen. Die Kritik war deftig nach der Heimniederlage gegen Schalke. Zu Recht! Mannschaftsintern sprechen wir die Fehler schonungslos an. Wir kritisieren uns selbst. Wir analysieren unser Spiel, suchen die Fehler und versuchen die künftig abzustellen. Darauf kommt es auch an. Ich will mich nicht zu sehr beeinflussen lassen von externer Kritik. Stattdessen arbeiten wir daran, dass es besser wird.

[th]

"Keine Zeit" ist ein uralter Song, in dem Marius Müller-Westernhagen sich freute "Ich habe keine Zeit für Vergangenheit". Jonathan Tah geht es genauso, selbst für die Gegenwart ist es knapp. Der 17 Jahre alte Innenverteidiger des HSV hört gerne R&B, aber die Grammys hat er verpasst. "Hatte ich leider keine Zeit", sagt er. Die Führerscheinprüfung muss er verschieben, zu wenige Fahrstunden. "Skyfall" war sein letztgesehener Streifen. Der Bond-Film lief im Oktober 2012.

Das Zeitproblem des jungen Innenverteidigers ist verständlich. Jonathan Glao Tah ist voll damit beschäftigt, sich in der Bundesliga zu etablieren und den Hamburger SV vor dem drohenden Abstieg zu retten. Als ihn der damalige Trainer Thorsten Fink im vergangenen Sommer erstmals einwechselte, war Tah 17 Jahre, sechs Monate und 13 Tage jung und damit der jüngste Bundesligaspieler in der Geschichte des HSV.

Inzwischen ist viel passiert: Jonathan Tah hat sich in die Stammelf gespielt, die Leser der Hamburger Morgenpost wählten ihn vor Pierre-Michel Lasogga und Hakan Calhanoglu zum beliebtesten HSV-Spieler. Trainieren aber kann Tah meistens nur mittags, schließlich will er bis zum Sommer auch noch sein Abitur bestehen. Keine Zeit - also los! Jonathan Tah im DFB.de-Interview mit Redakteur Thomas Hackbarth.

DFB.de: Herr Tah, was sind Sie außerhalb des Platzes für ein Typ?

Jonathan Tah: Ich bin von meiner Art her eher ruhig und zurückhaltend, was manche Leute schon vermuten ließ, ich sei schüchtern. Dabei bin ich das gar nicht. Ich mag es halt eher ruhig und gelassen, aber schüchtern bin ich nicht. Ich mache schon meine Späße, aber beim Training und beim Spiel muss ich mich absolut konzentrieren.

DFB.de: Mit welchen Mitspielern verstehen Sie sich gut?

Tah: Ich komme mit allen Jungs in der Mannschaft klar, aber privat unternehme ich öfter mal was mit Hakan Calhanoglu, Johan Djourou oder Jacques Zoua.

DFB.de: Mit Heiko Westermann spielt ein deutscher Nationalspieler in der Innenverteidigung neben Ihnen.

Tah: Heiko hilft mir in meiner Entwicklung, ganz klar. Es ist ein Vorteil, neben so einem erfahren Profi zu spielen. Er kann mir im Training und sogar im Spiel was zurufen.

DFB.de: Sie sind ein echter Hamburger Jung. In welchem Stadtteil sind Sie eigentlich aufgewachsen?

Tah: In Hamburg-Altona, für mich der schönste Teil der Stadt. Hier leben Menschen aus allen möglichen Kulturen, man kann hier einkaufen gehen, es gibt Restaurants, dabei ist alles nicht so überdreht. Altona ist wie eine Kleinstadt in Hamburg. Mir gefällt es hier sehr. Hamburg insgesamt ist eine überragende Stadt. Ich bin schon etwas rumgekommen, aber meine Heimat gehört sicher zu den schönsten Städten der Welt. Nur das Wetter manchmal…

DFB.de: Wie weit sind Sie mit der Führerschein-Prüfung?

Tah: Ich stehe kurz vor der Theorieprüfung, in der Praxis muss ich noch mehr fahren. Aber das bekomme ich schon hin. Leider werde ich es nicht schaffen, pünktlich zu meinem 18. Geburtstag am 11. Februar die Führerscheinprüfung abzulegen.

DFB.de: Haben Sie sich schon ein Auto ausgesucht?

Tah: Ja – das wird ein kleines, entspanntes Auto sein, und weil es eine Überraschung wird, verrate ich hier noch nichts.

DFB.de: Ihre Mutter ist Deutsche, ihr Vater stammt von der Elfenbeinküste. Waren Sie mal im Urlaub in der Heimat Ihres Vaters?

Tah: Ja, schon ein paar Mal. Es ist wunderschön dort. Wer zum ersten Mal aus Deutschland nach Afrika reist, erleidet dann sicher einen Kulturschock. Das Leben läuft anders. Ich wollte immer dorthin, denn die Heimat meines Vaters ist auch ein Teil meiner Geschichte. Mir hat es sehr gut gefallen. Ich war in der Hauptstadt Abidjan, eine Küstenstadt im Süden des Landes.

DFB.de: Jonathan Tah, wir stellen uns das emotional sehr schwer vor. Eigentlich schweben Sie doch auf Wolke 7. Sie sind mit 17 Jahren Stammspieler in einem Traditionsteam der Bundesliga und die Fans haben Sie zum besten Spieler der Hinrunde gewählt. Sie sind der jüngste Bundesliga-Debütant in 50 Jahren HSV. Gleichzeitig könnte der HSV nach 50 Jahren absteigen. Wie verkraften Sie diese Gegensätze?

Tah: Für meine Entwicklung ist dieses erste Jahr in der Bundesliga natürlich sehr wichtig. Und ich lerne sehr viel, jeden Tag, in jedem Training. Klar ist aber auch, dass man als Fußballspieler etwas erreichen möchte. Ich kann mich über meine persönlichen Erfolge nicht wirklich freuen, angesichts der Situation in der Mannschaft. Ich werde weiter versuchen, der Mannschaft zu helfen, damit wir am Ende unsere sportlichen Ziele erreichen.

DFB.de: Was muss besser werden?

Tah: Wir haben zu viele Ballverluste. Wir müssen taktisch besser werden, gerade daran haben wir im Training gearbeitet. Wir zeigen ein gutes Spiel, dann wieder ein schlechtes. Wir müssen konstanter werden. Der Teamgeist spielt eine große Rolle.

DFB.de: Sie haben die Hinrunde fast durch gespielt. Hätten Sie vor einem Jahr gedacht, dass Sie so schnell den Durchbruch schaffen würden?

Tah: Niemals. Vor einem Jahr habe ich noch bei den A-Junioren des HSV gespielt.

DFB.de: Ihr heutiger Trainer lobt Ihre Ruhe am Ball, Ihr ehemaliger Jugendtrainer ihr Zweikampfverhalten und ihr Aufbauspiel. Was würden Sie an Jonathan Tah loben?

Tah: Da bin ich eigentlich nicht so gut drin. Aber wahrscheinlich das Kopfballspiel, ich bin 1,92 Meter groß, da habe ich einfach sehr gute körperliche Voraussetzungen. Mein Zweikampfverhalten ist sicherlich auch eine Stärke, auch meine Schnelligkeit. Vor knapp einem Jahr wurde mal unser Antritt gestoppt. Da brachte ich es auf 1,65 Sekunden für die ersten zehn Meter. Das ist für meine Größe schon ganz gut.

DFB.de: Was muss besser werden?

Tah: Mein schwacher linker Fuß. Ich muss bestimmte Situationen besser lösen. Wie muss ich mich stellen, wenn der Gegner flankt, damit ich Ball und Gegenspieler gleichzeitig sehe? Und auch wenn ich noch sehr jung bin, muss ein Innenverteidiger auch mal ein Kommando rufen, wir nennen das "Coachen". Ich muss Verantwortung übernehmen können. Ich arbeite konsequent an meinem Spiel, dabei muss ich aber auch meine Stärken noch weiter ausbauen.

DFB.de: Sie waren Kapitän der deutschen U 17-Junioren. Theoretisch können Sie später auch für die Elfenbeinküste international spielen. Immer für Deutschland oder doch irgendwann für die Elefanten?

Tah: Ich bin da sehr entspannt. Ich bin noch ziemlich jung, habe noch Zeit, mir über diese Entscheidung Gedanken zu machen. Ich warte in aller Ruhe ab, schließlich spiele ich gerade mal ein halbes Jahr in der Bundesliga.

DFB: Am 12. Februar kommen die Bayern nach Hamburg, es geht um den Einzug ins Pokalhalbfinale.

Tah: Manche Fans haben regelrecht Angst vor diesem Termin, aber ich persönlich freue mich darauf. Es ist doch toll, gegen diese Mannschaft spielen zu können. Mit Teamgeist, mit Disziplin und mit Konzentration auf dem Platz glauben wir an unsere Chance, sonst brauchen wir ja gar nicht antreten.

DFB.de: Wie groß ist der Druck vor dem kommenden Bundesliga-Spiel am Samstag in Hoffenheim?

Tah: Wir sind uns der Situation bewusst. Wir müssen drei Punkte holen. Die Kritik war deftig nach der Heimniederlage gegen Schalke. Zu Recht! Mannschaftsintern sprechen wir die Fehler schonungslos an. Wir kritisieren uns selbst. Wir analysieren unser Spiel, suchen die Fehler und versuchen die künftig abzustellen. Darauf kommt es auch an. Ich will mich nicht zu sehr beeinflussen lassen von externer Kritik. Stattdessen arbeiten wir daran, dass es besser wird.