Horst Köppel: "Wir sind Werder ins offene Messer gelaufen"

34 Spieltage, 34 besondere Begegnungen, 34 Zeitzeugen. Auf DFB.de erinnern sich prägende Figuren der Bundesligageschichte an ganz spezielle Duelle, passend zum jeweils aktuellen Spieltag der Saison 2013/2014.

Vor dem 21. Spieltag der Bundesliga und dem Duell Werder Bremen gegen Borussia Mönchengladbach am Samstag (ab 15.30 Uhr, live bei Sky) spricht Ex-Nationalspieler Horst Köppel im DFB.de-Interview mit Redakteur Jochen Breideband über die verrückte 5:6-Auswärtsniederlage im Weserstadion aus der Saison 1968/1969 und Gladbacher Glanzzeiten.

DFB.de: Saison 1968/1969, letzter Spieltag, Werder Bremen gegen Borussia Mönchengladbach. Klingelt es da bei Ihnen, Herr Köppel?

Horst Köppel: Na klar, die Meisterschaft war an den FC Bayern vergeben, aber wir hatten mit Gladbach noch die Möglichkeit, Vizemeister zu werden. Ein Unentschieden hätte uns gereicht. Und dann geht das Spiel 5:6 aus, Vizemeister wurde Alemannia Aachen.

DFB.de: Wie hat Ihr Trainer Hennes Weisweiler reagiert?

Köppel: Er war gar nicht in Bremen dabei, er war in Köln, um sich um einen neuen Spieler zu kümmern. Der 1. FC Köln und 1. FC Nürnberg kämpften damals im direkten Duell gegen den Abstieg. Es war klar: Steigt Köln ab, wechselt Wolfgang Weber zu uns. Erwischt es Nürnberg, kommt Luggi Müller. Köln gewann 3:0, Nürnberg musste in die 2. Bundesliga und Müller ging zu uns.

DFB.de: Und Weisweilers Reaktion, als er vom Ergebnis in Bremen erfuhr?

Köppel: Es war ihm nicht so wichtig. Er hat auch seinem Assistenten Rudi Schlott keinen Vorwurf gemacht. Schlott war Lehrer und unser Konditionstrainer, er hat uns damals beim Spiel in Bremen betreut. Hacki Wimmer musste in der Partie rechter Verteidiger spielen, total ungewohnt für ihn. Er wurde ziemlich schwindlig gespielt, auch wenn er selbst ein Tor erzielt hat. Wir sind Werder ins offene Messer gelaufen und wurden gnadenlos ausgekontert. Als wir nach Saisonende mit der Mannschaft auf Asien-Tour gingen, war aber schon wieder alles vergessen.

DFB.de: War das Spiel ein Spiegelbild der Saison? Gladbach hatte damals als Tabellendritter 61 Tore auf dem Konto, genauso viele wie der souveräne Meister FC Bayern, dafür aber 46 Gegentreffer kassiert.

Köppel: Das kann man so sagen. Nach vorne waren wir immer gut, aber hinten hatten wir oft Lücken. Das war auch der Grund, warum Weisweiler die Mannschaft in der Defensive unbedingt verstärken wollte. Klaus Sieloff kam dann vom VfB Stuttgart, Luggi Müller aus Nürnberg. Durch diese Verpflichtungen sind wir dann zweimal in Folge Meister geworden. Sieloff spielte Libero, aber nicht als Ausputzer, sondern meist auf einer Höhe mit der Abwehrkette. Da waren wir unserer Zeit voraus. Dazu hatten wir hinten Berti Vogts und mit Wolfgang Kleff einen starken Torwart.

DFB.de: In der zweiten Meistersaison wurde es wieder kurios. Wieder gegen Bremen…

Köppel: Ja, der Pfostenbruch 1971 am Bökelberg. Ich hatte uns in Führung gebracht, kurz vor Schluss stand es dann 1:1, als die ominöse Szene passierte. Als das Tor umfiel, hofften wir Gladbacher, dass nicht weitergespielt werden kann. Das 1:1 war kein gutes Ergebnis, und wir waren überzeugt, dass es ein Wiederholungsspiel geben würde. Die Bremer haben das auch geglaubt, darum wollten sie unbedingt, dass es weitergeht, weil sie mit einem Punkt zufrieden waren. Tja, letztlich wurde die Partie abgebrochen und vom DFB-Sportgericht mit 0:2 gegen uns gewertet. Ich weiß bis heute nicht, ob mein Tor aus diesem Spiel offiziell in die Statistik eingegangen ist. Am Ende sind wir trotzdem Meister geworden. Wir haben die Bayern am letzten Spieltag überholt.

DFB.de: Sie waren als Spieler mit Gladbach fünfmal Deutscher Meister und zweimal UEFA-Cup-Sieger, als Trainer haben Sie mit Borussia Dortmund den DFB-Pokal gewonnen. Was war rückblickend der schönste Erfolg?

Köppel: Die erste Meisterschaft 1970. Für den Verein und die Stadt war es eine Sensation, und für mich als jungen Spieler war es auch etwas ganz Besonderes.

DFB.de: Sie haben elf Länderspiele gemacht. Hätten es mehr sein müssen?

Köppel: Ja, ich glaube schon. Ich war lange genug dabei. Ich hatte ein bisschen das Pech, dass ich sehr starke Konkurrenz hatte. Ich konnte im Sturm rechts, links und in der Mitte spielen. Mittelstürmer in der Nationalmannschaft war Gerd Müller, da hattest du schon mal keine Chance. Auch auf den Außenpositionen gab es in all den Jahren starke Spieler, angefangen von Stan Libuda und Siggi Held über Jürgen Grabowski bis zu Erwin Kremers. Außerdem hat Bundestrainer Helmut Schön fast nie gewechselt und auch in Freundschaftsspielen ganz wenig experimentiert. Ich habe darüber zwischendurch gemeckert, das hat mich bestimmt auch einige Spiele gekostet.

DFB.de: Nach Ihrer Spielerkarriere waren Sie drei Jahrzehnte Trainer. Ihr Abschied vom FC Ingolstadt ist jetzt mehr als vier Jahre her. Vermissen Sie etwas?

Köppel: Nein, nicht unbedingt. Ich habe meine Fußballschule, außerdem besuche ich jedes Heimspiel von Borussia Mönchengladbach. Ab und zu bin ich auch bei meinen Ex-Vereinen Köln und Dortmund. Ich fühle mich also weiter mit dem Fußball verbunden und habe noch gute Kontakte.

DFB.de: Was macht Horst Köppel sonst in seiner Freizeit?

Köppel: Dienstags bin ich in einer Beachvolleyballgruppe, mittwochs spiele ich mit meiner Golfgruppe. Ich gehe mindestens zweimal pro Woche zum Joggen und einmal in den Kraftraum. Leider habe ich vier, fünf Kilo zu viel an Gewicht, aber fit bin ich. Gelegentlich spiele ich auch noch Fußball - allerdings nur draußen, nicht in der Halle.

DFB.de: Und zwischendurch sind Sie noch Namensgeber für die "Köppel-Arena" des 1. FC Offhausen-Herkersdorf geworden.

Köppel: Ja, das war wirklich eine sehr schöne Geschichte. Am 6. April spielt der Klub in der C-Liga gegen den Tabellenersten, da schaue ich wieder vorbei. Ich war dort auch schon mit meiner Fußballschule, im Sommer werden wir das wiederholen. Die Geschichte mit dem Sportplatz ist schon eine Ehre für mich - auch wenn es dort leider nur einen Ascheplatz gibt. (lacht)

Horst Köppel absolvierte von 1966 bis 1979 für den VfB Stuttgart und Borussia Mönchengladbach 308 Bundesligaspiele und erzielte 83 Tore. Für die deutsche Nationalmannschaft spielte er zwischen 1968 und 1973 elfmal (2 Tore). Köppel gehörte zum Kader der Europameister-Mannschaft von 1972, kam dort aber nicht zum Einsatz. Mit Mönchengladbach wurde er fünfmal Deutscher Meister (1970, 1971, 1975, 1976, 1977), gewann zweimal den UEFA-Cup (1975, 1979) und erreichte 1977 das Finale im Europapokal der Landesmeister (1:3 gegen FC Liverpool).

Als Cheftrainer arbeitete Horst Köppel unter anderem für Arminia Bielefeld, Borussia Dortmund, den FC Tirol Innsbruck und Borussia Mönchengladbach. Größter Erfolg war der Gewinn des DFB-Pokals 1989 mit dem BVB. Von 1983 bis 1987 war Köppel Co-Trainer der deutschen Nationalmannschaft und wurde 1986 unter Franz Beckenbauer Vizeweltmeister.

[jb]

34 Spieltage, 34 besondere Begegnungen, 34 Zeitzeugen. Auf DFB.de erinnern sich prägende Figuren der Bundesligageschichte an ganz spezielle Duelle, passend zum jeweils aktuellen Spieltag der Saison 2013/2014.

Vor dem 21. Spieltag der Bundesliga und dem Duell Werder Bremen gegen Borussia Mönchengladbach am Samstag (ab 15.30 Uhr, live bei Sky) spricht Ex-Nationalspieler Horst Köppel im DFB.de-Interview mit Redakteur Jochen Breideband über die verrückte 5:6-Auswärtsniederlage im Weserstadion aus der Saison 1968/1969 und Gladbacher Glanzzeiten.

DFB.de: Saison 1968/1969, letzter Spieltag, Werder Bremen gegen Borussia Mönchengladbach. Klingelt es da bei Ihnen, Herr Köppel?

Horst Köppel: Na klar, die Meisterschaft war an den FC Bayern vergeben, aber wir hatten mit Gladbach noch die Möglichkeit, Vizemeister zu werden. Ein Unentschieden hätte uns gereicht. Und dann geht das Spiel 5:6 aus, Vizemeister wurde Alemannia Aachen.

DFB.de: Wie hat Ihr Trainer Hennes Weisweiler reagiert?

Köppel: Er war gar nicht in Bremen dabei, er war in Köln, um sich um einen neuen Spieler zu kümmern. Der 1. FC Köln und 1. FC Nürnberg kämpften damals im direkten Duell gegen den Abstieg. Es war klar: Steigt Köln ab, wechselt Wolfgang Weber zu uns. Erwischt es Nürnberg, kommt Luggi Müller. Köln gewann 3:0, Nürnberg musste in die 2. Bundesliga und Müller ging zu uns.

DFB.de: Und Weisweilers Reaktion, als er vom Ergebnis in Bremen erfuhr?

Köppel: Es war ihm nicht so wichtig. Er hat auch seinem Assistenten Rudi Schlott keinen Vorwurf gemacht. Schlott war Lehrer und unser Konditionstrainer, er hat uns damals beim Spiel in Bremen betreut. Hacki Wimmer musste in der Partie rechter Verteidiger spielen, total ungewohnt für ihn. Er wurde ziemlich schwindlig gespielt, auch wenn er selbst ein Tor erzielt hat. Wir sind Werder ins offene Messer gelaufen und wurden gnadenlos ausgekontert. Als wir nach Saisonende mit der Mannschaft auf Asien-Tour gingen, war aber schon wieder alles vergessen.

DFB.de: War das Spiel ein Spiegelbild der Saison? Gladbach hatte damals als Tabellendritter 61 Tore auf dem Konto, genauso viele wie der souveräne Meister FC Bayern, dafür aber 46 Gegentreffer kassiert.

Köppel: Das kann man so sagen. Nach vorne waren wir immer gut, aber hinten hatten wir oft Lücken. Das war auch der Grund, warum Weisweiler die Mannschaft in der Defensive unbedingt verstärken wollte. Klaus Sieloff kam dann vom VfB Stuttgart, Luggi Müller aus Nürnberg. Durch diese Verpflichtungen sind wir dann zweimal in Folge Meister geworden. Sieloff spielte Libero, aber nicht als Ausputzer, sondern meist auf einer Höhe mit der Abwehrkette. Da waren wir unserer Zeit voraus. Dazu hatten wir hinten Berti Vogts und mit Wolfgang Kleff einen starken Torwart.

DFB.de: In der zweiten Meistersaison wurde es wieder kurios. Wieder gegen Bremen…

Köppel: Ja, der Pfostenbruch 1971 am Bökelberg. Ich hatte uns in Führung gebracht, kurz vor Schluss stand es dann 1:1, als die ominöse Szene passierte. Als das Tor umfiel, hofften wir Gladbacher, dass nicht weitergespielt werden kann. Das 1:1 war kein gutes Ergebnis, und wir waren überzeugt, dass es ein Wiederholungsspiel geben würde. Die Bremer haben das auch geglaubt, darum wollten sie unbedingt, dass es weitergeht, weil sie mit einem Punkt zufrieden waren. Tja, letztlich wurde die Partie abgebrochen und vom DFB-Sportgericht mit 0:2 gegen uns gewertet. Ich weiß bis heute nicht, ob mein Tor aus diesem Spiel offiziell in die Statistik eingegangen ist. Am Ende sind wir trotzdem Meister geworden. Wir haben die Bayern am letzten Spieltag überholt.

DFB.de: Sie waren als Spieler mit Gladbach fünfmal Deutscher Meister und zweimal UEFA-Cup-Sieger, als Trainer haben Sie mit Borussia Dortmund den DFB-Pokal gewonnen. Was war rückblickend der schönste Erfolg?

Köppel: Die erste Meisterschaft 1970. Für den Verein und die Stadt war es eine Sensation, und für mich als jungen Spieler war es auch etwas ganz Besonderes.

DFB.de: Sie haben elf Länderspiele gemacht. Hätten es mehr sein müssen?

Köppel: Ja, ich glaube schon. Ich war lange genug dabei. Ich hatte ein bisschen das Pech, dass ich sehr starke Konkurrenz hatte. Ich konnte im Sturm rechts, links und in der Mitte spielen. Mittelstürmer in der Nationalmannschaft war Gerd Müller, da hattest du schon mal keine Chance. Auch auf den Außenpositionen gab es in all den Jahren starke Spieler, angefangen von Stan Libuda und Siggi Held über Jürgen Grabowski bis zu Erwin Kremers. Außerdem hat Bundestrainer Helmut Schön fast nie gewechselt und auch in Freundschaftsspielen ganz wenig experimentiert. Ich habe darüber zwischendurch gemeckert, das hat mich bestimmt auch einige Spiele gekostet.

DFB.de: Nach Ihrer Spielerkarriere waren Sie drei Jahrzehnte Trainer. Ihr Abschied vom FC Ingolstadt ist jetzt mehr als vier Jahre her. Vermissen Sie etwas?

Köppel: Nein, nicht unbedingt. Ich habe meine Fußballschule, außerdem besuche ich jedes Heimspiel von Borussia Mönchengladbach. Ab und zu bin ich auch bei meinen Ex-Vereinen Köln und Dortmund. Ich fühle mich also weiter mit dem Fußball verbunden und habe noch gute Kontakte.

DFB.de: Was macht Horst Köppel sonst in seiner Freizeit?

Köppel: Dienstags bin ich in einer Beachvolleyballgruppe, mittwochs spiele ich mit meiner Golfgruppe. Ich gehe mindestens zweimal pro Woche zum Joggen und einmal in den Kraftraum. Leider habe ich vier, fünf Kilo zu viel an Gewicht, aber fit bin ich. Gelegentlich spiele ich auch noch Fußball - allerdings nur draußen, nicht in der Halle.

DFB.de: Und zwischendurch sind Sie noch Namensgeber für die "Köppel-Arena" des 1. FC Offhausen-Herkersdorf geworden.

Köppel: Ja, das war wirklich eine sehr schöne Geschichte. Am 6. April spielt der Klub in der C-Liga gegen den Tabellenersten, da schaue ich wieder vorbei. Ich war dort auch schon mit meiner Fußballschule, im Sommer werden wir das wiederholen. Die Geschichte mit dem Sportplatz ist schon eine Ehre für mich - auch wenn es dort leider nur einen Ascheplatz gibt. (lacht)

Horst Köppel absolvierte von 1966 bis 1979 für den VfB Stuttgart und Borussia Mönchengladbach 308 Bundesligaspiele und erzielte 83 Tore. Für die deutsche Nationalmannschaft spielte er zwischen 1968 und 1973 elfmal (2 Tore). Köppel gehörte zum Kader der Europameister-Mannschaft von 1972, kam dort aber nicht zum Einsatz. Mit Mönchengladbach wurde er fünfmal Deutscher Meister (1970, 1971, 1975, 1976, 1977), gewann zweimal den UEFA-Cup (1975, 1979) und erreichte 1977 das Finale im Europapokal der Landesmeister (1:3 gegen FC Liverpool).

Als Cheftrainer arbeitete Horst Köppel unter anderem für Arminia Bielefeld, Borussia Dortmund, den FC Tirol Innsbruck und Borussia Mönchengladbach. Größter Erfolg war der Gewinn des DFB-Pokals 1989 mit dem BVB. Von 1983 bis 1987 war Köppel Co-Trainer der deutschen Nationalmannschaft und wurde 1986 unter Franz Beckenbauer Vizeweltmeister.