Holl beendet Karriere: "Der Fußball hat mich geprägt"

Am 28. Mai 2012 beendet Ursula Holl ihre Karriere. Die Torhüterin der SG Essen-Schönebeck tritt nach dem letzten Punktspiel dieser Saison gegen den VfL Wolfsburg vom Leistungssport zurück. Ein halbes Jahr nach der Weltmeisterschaft 2011 und dem anschließenden Rücktritt aus der Nationalmannschaft macht die 29-Jährige nun komplett Schluss mit dem Fußball.

Die gelernte Bankfachwirtin will sich auf ihre berufliche Zukunft konzentrieren. DFB-Redakteur Niels Barnhofer unterhielt sich mit Ursula Holl über ihre Beweggründe.

DFB.de: Ursula Holl, Sie beenden Ihre Laufbahn. Aus welchem Grund?

Ursula Holl: Ich merke schon seit längerem, dass ich eine Veränderung brauche. Ich habe schon eine ganze Weile das Bedürfnis, wieder zu arbeiten, richtig im Beruf zu sein, dort richtig Energie rein zu stecken. Von daher war es für mich ziemlich klar, dass ich nach der WM 2011 zurück ins Berufsleben gehe. Aber auch ansonsten haben sich die Prioritäten verschoben. Ich habe zum Beispiel einfach das Bedürfnis, mehr Zeit mit meiner Familie und Freunden zu verbringen.

DFB.de: Wie schwer ist Ihnen die Entscheidung gefallen?

Holl: Ich freue mich auf das, was jetzt kommt. Es ist natürlich immer schwierig, den richtigen Zeitpunkt für solch einen Schritt zu finden. Aber ich glaube, ich befinde mich im Augenblick in einer komfortablen Lage. Ich habe wieder eine Stelle bei einer Bank erhalten, bei meinem alten Arbeitgeber, der Job macht mir Spaß, er bietet mir eine berufliche Perspektive und gibt mir eine finanzielle und somit auch soziale Sicherheit. Ich bin froh, dass das so ist. Ich war jetzt drei Jahre bei der Bundeswehr und ohne Anstellung in einem "zivilen" Beruf.

DFB.de: Hatten Sie keinen zweiten Gedanken?

Holl: Natürlich weiß ich nicht, was passiert wäre, wenn wir uns für die Olympischen Spiele in diesem Jahr in London qualifiziert hätten. Oder was gewesen wäre, wenn Nadine Angerer ihren Rücktritt aus der Nationalmannschaft erklärt hätte, wenn ich die Chance gehabt hätte, die Nummer 1 im deutschen Tor zu werden. Ich weiß nicht, ob ich mich dann anders entschieden hätte. Aber so wie sich die Situation derzeit tatsächlich darstellt, fällt mir die Entscheidung ziemlich leicht.

DFB.de: Was nehmen Sie aus Ihrer Fußballerinnen-Karriere mit?

Holl: Oh, einiges! Ich glaube, dass mich der Fußball als Mensch entscheidend geprägt hat. Sowohl was meinen Charakter als auch mein Leben angeht. Ich nehme zum Beispiel mit, dass man sich Schwierigkeiten stellt, wenn sie auftauchen. Und dass man am Ende immer für sich selbst sagen kann, ich habe alles getan für mein Ziel – unabhängig davon, ob man das Ziel erreichen konnte oder nicht. Als Sportlerin steht man sich ja manchmal selbst im Weg – und dann lernt man, über seine Grenzen hinaus zu gehen, etwas zu riskieren.

DFB.de: Wer war an der Entscheidung beteiligt?

Holl: Carina, meine Frau, hat sehr explizit nachgefragt, ob das wirklich meine Entscheidung ist, mit allen Konsequenzen, ob ich die auch tatsächlich tragen kann. Für sie war es wichtig, dass es keine Entscheidung ist, die ich hinterher bereue. Sie hat kritisch nachgefragt, aber in keine Richtung gedrängt. Ansonsten finden es viele Leute, mit denen ich darüber gesprochen haben, schade, dass ich aufhöre. Aber sie respektieren meine Entscheidung. Was auch ein Stück weit daran liegt, dass ich in meiner Meinung gefestigt bin.

DFB.de: Ist Ihre Entscheidung auch eine Hinweis auf die Schwierigkeiten, die das duale System von Leistungssport und Beruf mitbringen?

Holl: Nein, das glaube ich nicht. Das duale System funktioniert. Das hat ja auch bei mir jahrelang geklappt. Allerdings muss man, meiner Meinung nach, wenn man im dualen System existiert, einen Schwerpunkt setzen. Das heißt, wenn man seine sportliche Karriere vorantreiben will, müssen sich alle Termine nach dem Sport richten. Und dann muss es natürlich im Arbeitsumfeld gegeben sein, dass man dort eine gewisse Flexibilität hat, um den Verpflichtungen und dem Trainingspensum, das erforderlich ist, nachkommen zu können. Aber jetzt sage ich, ich möchte meinen Schwerpunkt auf die Arbeit verlagern. Insofern drehen sich die Vorzeichen für mich.

DFB.de: Beides zusammen geht für Sie nicht mehr?

Holl: Ich möchte nicht im Fußball nur 70 Prozent und auch im Beruf nur 70 Prozent geben. So würde ich meinen Ansprüchen nicht gerecht werden. Für mich gibt es in dem Fall nur entweder oder. Ich stand schon 2007 vor der Entscheidung: Ist nun Fußball oder der Beruf mein Schwerpunkt. Damals habe ich mich für den Fußball entschieden. Jetzt ist es der Beruf.

DFB.de: Werden Sie weiterhin Fußball spielen?

Holl: Das weiß ich noch nicht. Vielleicht mache ich eine andere Sportart. Kickboxen finde ich ganz gut, da habe ich früher schon mal reingeschnuppert. Den Sport kann ich auch etwas individueller gestalten, das käme mir dann entgegen.

DFB.de: Was werden Sie am meisten vermissen?

Holl: Die Mädels. Fußball ist ja ein Mannschaftssport. Das Gesellige, die Gemeinschaft, das Miteinander – das wird mir mit Sicherheit fehlen.

DFB.de: An was werden Sie sich aus Ihrer Sport-Laufbahn zurückerinnern?

Holl: Der Titelgewinn bei der WM 2007 war natürlich ein Höhepunkt. Ganz weit oben steht auch der Gewinn des DFB-Pokals 2007 mit dem 1. FFC Frankfurt, bei dem ich im Tor stand und im Elfmeterschießen zweimal parieren konnte. Auch die WM 2011 war etwas ganz Besonderes. Ja, da kommen mir schon einige Bilder in den Sinn.

Das meinen DFB-User:

"Schade, aber ich denke auch, dass es schwierig ist, sehr gutes sportliches Niveau und Beruf zu vereinbaren. Herzlichen Dank Ursula Holl für Ihre Leistungen, Ihren Teamgeist. Viel Erfolg im Beruf und auch privat." (Dietmar Laatsch, Hagen)

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Am 28. Mai 2012 beendet Ursula Holl ihre Karriere. Die Torhüterin der SG Essen-Schönebeck tritt nach dem letzten Punktspiel dieser Saison gegen den VfL Wolfsburg vom Leistungssport zurück. Ein halbes Jahr nach der Weltmeisterschaft 2011 und dem anschließenden Rücktritt aus der Nationalmannschaft macht die 29-Jährige nun komplett Schluss mit dem Fußball.

Die gelernte Bankfachwirtin will sich auf ihre berufliche Zukunft konzentrieren. DFB-Redakteur Niels Barnhofer unterhielt sich mit Ursula Holl über ihre Beweggründe.

DFB.de: Ursula Holl, Sie beenden Ihre Laufbahn. Aus welchem Grund?

Ursula Holl: Ich merke schon seit längerem, dass ich eine Veränderung brauche. Ich habe schon eine ganze Weile das Bedürfnis, wieder zu arbeiten, richtig im Beruf zu sein, dort richtig Energie rein zu stecken. Von daher war es für mich ziemlich klar, dass ich nach der WM 2011 zurück ins Berufsleben gehe. Aber auch ansonsten haben sich die Prioritäten verschoben. Ich habe zum Beispiel einfach das Bedürfnis, mehr Zeit mit meiner Familie und Freunden zu verbringen.

DFB.de: Wie schwer ist Ihnen die Entscheidung gefallen?

Holl: Ich freue mich auf das, was jetzt kommt. Es ist natürlich immer schwierig, den richtigen Zeitpunkt für solch einen Schritt zu finden. Aber ich glaube, ich befinde mich im Augenblick in einer komfortablen Lage. Ich habe wieder eine Stelle bei einer Bank erhalten, bei meinem alten Arbeitgeber, der Job macht mir Spaß, er bietet mir eine berufliche Perspektive und gibt mir eine finanzielle und somit auch soziale Sicherheit. Ich bin froh, dass das so ist. Ich war jetzt drei Jahre bei der Bundeswehr und ohne Anstellung in einem "zivilen" Beruf.

DFB.de: Hatten Sie keinen zweiten Gedanken?

Holl: Natürlich weiß ich nicht, was passiert wäre, wenn wir uns für die Olympischen Spiele in diesem Jahr in London qualifiziert hätten. Oder was gewesen wäre, wenn Nadine Angerer ihren Rücktritt aus der Nationalmannschaft erklärt hätte, wenn ich die Chance gehabt hätte, die Nummer 1 im deutschen Tor zu werden. Ich weiß nicht, ob ich mich dann anders entschieden hätte. Aber so wie sich die Situation derzeit tatsächlich darstellt, fällt mir die Entscheidung ziemlich leicht.

DFB.de: Was nehmen Sie aus Ihrer Fußballerinnen-Karriere mit?

Holl: Oh, einiges! Ich glaube, dass mich der Fußball als Mensch entscheidend geprägt hat. Sowohl was meinen Charakter als auch mein Leben angeht. Ich nehme zum Beispiel mit, dass man sich Schwierigkeiten stellt, wenn sie auftauchen. Und dass man am Ende immer für sich selbst sagen kann, ich habe alles getan für mein Ziel – unabhängig davon, ob man das Ziel erreichen konnte oder nicht. Als Sportlerin steht man sich ja manchmal selbst im Weg – und dann lernt man, über seine Grenzen hinaus zu gehen, etwas zu riskieren.

DFB.de: Wer war an der Entscheidung beteiligt?

Holl: Carina, meine Frau, hat sehr explizit nachgefragt, ob das wirklich meine Entscheidung ist, mit allen Konsequenzen, ob ich die auch tatsächlich tragen kann. Für sie war es wichtig, dass es keine Entscheidung ist, die ich hinterher bereue. Sie hat kritisch nachgefragt, aber in keine Richtung gedrängt. Ansonsten finden es viele Leute, mit denen ich darüber gesprochen haben, schade, dass ich aufhöre. Aber sie respektieren meine Entscheidung. Was auch ein Stück weit daran liegt, dass ich in meiner Meinung gefestigt bin.

DFB.de: Ist Ihre Entscheidung auch eine Hinweis auf die Schwierigkeiten, die das duale System von Leistungssport und Beruf mitbringen?

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Holl: Nein, das glaube ich nicht. Das duale System funktioniert. Das hat ja auch bei mir jahrelang geklappt. Allerdings muss man, meiner Meinung nach, wenn man im dualen System existiert, einen Schwerpunkt setzen. Das heißt, wenn man seine sportliche Karriere vorantreiben will, müssen sich alle Termine nach dem Sport richten. Und dann muss es natürlich im Arbeitsumfeld gegeben sein, dass man dort eine gewisse Flexibilität hat, um den Verpflichtungen und dem Trainingspensum, das erforderlich ist, nachkommen zu können. Aber jetzt sage ich, ich möchte meinen Schwerpunkt auf die Arbeit verlagern. Insofern drehen sich die Vorzeichen für mich.

DFB.de: Beides zusammen geht für Sie nicht mehr?

Holl: Ich möchte nicht im Fußball nur 70 Prozent und auch im Beruf nur 70 Prozent geben. So würde ich meinen Ansprüchen nicht gerecht werden. Für mich gibt es in dem Fall nur entweder oder. Ich stand schon 2007 vor der Entscheidung: Ist nun Fußball oder der Beruf mein Schwerpunkt. Damals habe ich mich für den Fußball entschieden. Jetzt ist es der Beruf.

DFB.de: Werden Sie weiterhin Fußball spielen?

Holl: Das weiß ich noch nicht. Vielleicht mache ich eine andere Sportart. Kickboxen finde ich ganz gut, da habe ich früher schon mal reingeschnuppert. Den Sport kann ich auch etwas individueller gestalten, das käme mir dann entgegen.

DFB.de: Was werden Sie am meisten vermissen?

Holl: Die Mädels. Fußball ist ja ein Mannschaftssport. Das Gesellige, die Gemeinschaft, das Miteinander – das wird mir mit Sicherheit fehlen.

DFB.de: An was werden Sie sich aus Ihrer Sport-Laufbahn zurückerinnern?

Holl: Der Titelgewinn bei der WM 2007 war natürlich ein Höhepunkt. Ganz weit oben steht auch der Gewinn des DFB-Pokals 2007 mit dem 1. FFC Frankfurt, bei dem ich im Tor stand und im Elfmeterschießen zweimal parieren konnte. Auch die WM 2011 war etwas ganz Besonderes. Ja, da kommen mir schon einige Bilder in den Sinn.

Das meinen DFB-User:

"Schade, aber ich denke auch, dass es schwierig ist, sehr gutes sportliches Niveau und Beruf zu vereinbaren. Herzlichen Dank Ursula Holl für Ihre Leistungen, Ihren Teamgeist. Viel Erfolg im Beruf und auch privat." (Dietmar Laatsch, Hagen)