Holger Obermann: "Die beste Entscheidung meines Lebens"

Dass Otto Rehhagel Griechenland zum EM-Titel 2004 führte und noch immer Nationaltrainer der Hellenen ist, dass Christoph Daum vom 1. FC Köln als Chefcoach zu Fenerbahce Istanbul gewechselt ist, wissen die meisten Fußballfans.

Weniger bekannt sind jene deutschen Trainer im Ausland, die von Afghanistan bis Ruanda als Entwicklungshelfer in Sachen Fußball für den Deutschen Fußball-Bund (DFB) - oft in Kooperation mit dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und dem Auswärtigen Amt (AA) - unterwegs sind.

Einer ihrer Pioniere ist Holger Obermann, der als Projektleiter in diesem Jahr in Sri Lanka das mit Spendengeldern der deutschen Nationalmannschaft erbaute "DFB Youth Center" eröffnete. Es ist den Kindern Lehranstalt und Fußball-Schule zugleich - so können sie das Tsunami-Trauma vom Dezember 2004 besser verarbeiten.

Bereits seit 1975 setzt sich Obermann als Fußball-Entwicklungshelfer ein - für diesen Vollzeitjob hat er sogar seinen Beruf als erfolgreicher Fernsehjournalist aufgegeben. "Das war die beste Entscheidung meines Lebens", sagt der Weltmenbummler im "DFB.de-Exklusivinterview" mit Redakteur Christian Müller. "Ich kann helfen und sehe direkt, wie sich etwas bewegt - das ist auch persönlich sehr befriedigend."

Kein Wunder, dass der mittlerweile 72-Jährige auch im eigentlich längst erreichten Ruhestand nicht wirklich zur Ruhe kommen mag: "Natürlich werde ich weiter verfolgen, wie sich der Frauenfußball in Afghanistan entwickelt, werde meine intensiven Kontakte nach Pakistan und Nepal pflegen. Und vielleicht kann ich mit den Jugendlichen in Sri Lanka sogar mal gegen eine deutsche Auswahlmannschaft spielen. Grundsätzlich stehe ich dem DFB immer gern mit Rat und Tat zur Verfügung."

Frage: Herr Obermann, wie würde der ehemalige Journalist den Fußball-Entwicklungshelfer Holger Obermann charakterisieren?

Obermann: Vielleicht als einen Pionier des Fußballs. Es ist schön, wenn man in Afghanistan, wo 30 Jahre Krieg und Verwüstung geherrscht haben und immer noch sehr unruhige Zeiten sind, Kinder zum Lachen bringen kann. Und wenn dann in einer völlig zerstörten Stadt wie 2003 in Kabul wieder Fußball gespielt wird und man selbst daran einen Anteil hat, dann ist das gute Pionierarbeit.

Frage: Was gehört alles zu dieser Arbeit dazu?



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Dass Otto Rehhagel Griechenland zum EM-Titel 2004 führte und noch immer Nationaltrainer der Hellenen ist, dass Christoph Daum vom 1. FC Köln als Chefcoach zu Fenerbahce Istanbul gewechselt ist, wissen die meisten Fußballfans.

Weniger bekannt sind jene deutschen Trainer im Ausland, die von Afghanistan bis Ruanda als Entwicklungshelfer in Sachen Fußball für den Deutschen Fußball-Bund (DFB) - oft in Kooperation mit dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und dem Auswärtigen Amt (AA) - unterwegs sind.

Einer ihrer Pioniere ist Holger Obermann, der als Projektleiter in diesem Jahr in Sri Lanka das mit Spendengeldern der deutschen Nationalmannschaft erbaute "DFB Youth Center" eröffnete. Es ist den Kindern Lehranstalt und Fußball-Schule zugleich - so können sie das Tsunami-Trauma vom Dezember 2004 besser verarbeiten.

Bereits seit 1975 setzt sich Obermann als Fußball-Entwicklungshelfer ein - für diesen Vollzeitjob hat er sogar seinen Beruf als erfolgreicher Fernsehjournalist aufgegeben. "Das war die beste Entscheidung meines Lebens", sagt der Weltmenbummler im "DFB.de-Exklusivinterview" mit Redakteur Christian Müller. "Ich kann helfen und sehe direkt, wie sich etwas bewegt - das ist auch persönlich sehr befriedigend."

Kein Wunder, dass der mittlerweile 72-Jährige auch im eigentlich längst erreichten Ruhestand nicht wirklich zur Ruhe kommen mag: "Natürlich werde ich weiter verfolgen, wie sich der Frauenfußball in Afghanistan entwickelt, werde meine intensiven Kontakte nach Pakistan und Nepal pflegen. Und vielleicht kann ich mit den Jugendlichen in Sri Lanka sogar mal gegen eine deutsche Auswahlmannschaft spielen. Grundsätzlich stehe ich dem DFB immer gern mit Rat und Tat zur Verfügung."

Frage: Herr Obermann, wie würde der ehemalige Journalist den Fußball-Entwicklungshelfer Holger Obermann charakterisieren?

Obermann: Vielleicht als einen Pionier des Fußballs. Es ist schön, wenn man in Afghanistan, wo 30 Jahre Krieg und Verwüstung geherrscht haben und immer noch sehr unruhige Zeiten sind, Kinder zum Lachen bringen kann. Und wenn dann in einer völlig zerstörten Stadt wie 2003 in Kabul wieder Fußball gespielt wird und man selbst daran einen Anteil hat, dann ist das gute Pionierarbeit.

Frage: Was gehört alles zu dieser Arbeit dazu?

Obermann: Das Pionierwesen setzt sich zusammen aus Frauen-, Schul- und Straßenfußball, der Ausbildung von Trainern und Schiedsrichtern und natürlich der Nationalmannschaft. Diese sogenannte Elite kommt dabei immer an letzter Stelle, denn die Pyramide beginnt ganz unten - bei den Kindern auf der Straße. Ich möchte ein Produkt erzeugen, mit dem beide Seiten zufrieden sind. Und da kann ich sagen: Das ist mir gelungen.

Frage: Sie sind aus dem Fernsehstudio hinaus in die Welt gegangen, um den Fußball zu den Menschen zu bringen. Warum haben Sie vor 20 Jahren Ihre sichere Existenz als TV-Journalist aufgegeben?

Obermann: Ich kann den Menschen helfen, der Fußball bringt Freude in ihr Leben. Diese Ergebnisse sind spürbar - ich sehe direkt, wie sich etwas bewegt. Das ist auch persönlich sehr befriedigend, ich bekomme sehr viel an Lebensglück zurück. Insofern verfolge ich mit der Arbeit nicht nur humanitäre, sondern auch eigennützige Interessen. Rückblickend kann ich sagen: Der Berufswechsel war die beste Entscheidung meines Lebens.

Frage: Sie sprachen Afghanistan an, dort haben Sie sich vor allem im Frauen- und Mädchenfußball engagiert. Warum gerade in diesem Bereich?

Obermann: Die afghanische Frauenministerin sagte mal zu mir: "Coach Obermann, Sie machen so viel für unsere Jungen, aber die Mädchen müssen doch auch mal eine Chance haben." Frauen durften früher keine Schulen besuchen, keine Ausbildung machen und saßen nur zu Hause. Deshalb habe ich mit dem DFB-Auslandsexperten Ali Askar Lali in einer Schule angefangen. Das erste Mal kamen sieben Mädchen und eine Lehrerin, das Gelände wurde abgesperrt, mit hohen Mauern versehen und von der Polizei bewacht. Das hat sich dann gelegt. Aus den sieben Mädchen sind inzwischen etwa 4000 geworden, die Fußball spielen. Das ist auch ein Verdienst von DFB-Experte Klaus Stärk: Ich habe die Entwicklung des Frauenfußballs in Afghanistan zwar angeschoben, er hat sie dann aber engagiert weiter geführt.

Frage: Wie hat man sich die Trainerausbildung in Afghanistan vorzustellen?

Obermann: Man braucht mindestens drei Monate, um einen Trainer auszubilden, so dass er vergleichsweise wie unsere C-Lizenz-Inhaber geschult ist. Bisher haben wir etwa 50 Trainer und 400 Übungsleiter ausgebildet. Bei den Übungsleitern war es mir wichtig, dass sie auch ins Land gegangen sind und in den Provinzen den Fußball aktiviert haben.

Frage: Sie haben es vor Ort mit einer ganz anderen Kultur zu tun - sicher eine Herausforderung für Ihre Arbeit...

Obermann: Durchaus, aber zu einem Auftrag gehören immer zwei Parteien: der Gastgeber und der Gast. Man muss eine Synthese finden, die beiden Seiten gerecht wird. Ich gehe nicht als der große Zampano in diese Länder. Man muss sich an die Struktur und Kultur des Landes herantasten, dabei gilt es, Vertrauen zu den Menschen aufzubauen. Erst daraus kann der Sport entstehen, der Fußball gedeihen.

Frage: Jüngst sind bei Kunduz wieder Bundeswehr-Soldaten ums Leben gekommen. Wie sicher ist Afghanistan für Fußball-Entwicklungshelfer?

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Obermann: 2003 war die Gefahr nicht so stark wie heute. Dennoch gab es damals auch Zwischenfälle: Einen Tag vor dem ersten Länderspiel zwischen Afghanistan und Turkmenistan, bei dem ich Trainer war, flog eine Bombe in unser Hotel. Wir hielten uns allerdings in einem anderen Flügel auf, so dass uns nichts passierte. Generell gilt: Die Gefahr ist immer mit dabei. Ich lebe mit ihr, weiß sie einzuschätzen, habe aber keine Angst - sonst wären solche Einsätze nicht denkbar.

Frage: In Afghanistan war die Gefahr ständiger Begleiter, auf vielen anderen Stationen sind Not und Elend an der Tagesordnung. Für Sie sicher auch emotional eine Belastung?

Obermann: Sicherlich nimmt einen menschliches Elend mit, aber man muss sich davon frei machen und zusehen, den Leuten praktisch zu helfen. Und dafür ist Fußball ein ganz wunderbares Mittel, an jedem Ort der Welt.

Frage: Beispielsweise in Sri Lanka, einem südostasiatischen Inselstaat im Indischen Ozean, der sehr unter dem Tsunami vom Dezember 2004 gelitten hat. Von 2005 bis Februar dieses Jahres haben Sie als Projektleiter den von der deutschen Nationalmannschaft finanzierten und mit dem DFB, der DFB-Stiftung Egidius Braun und dem Fußball-Verband von Sri Lanka realisierten Bau des "DFB Youth Center of the German Nationalteam" begleitet. Wie schwierig war die Arbeit vor Ort?

Holger Obermann: Es war nicht leicht, für das Sportheim ein Stück Land zu finden. Wir wurden immer wieder vertröstet. Nach mehreren Versuchen und intensiver Zusammenarbeit mit den Verbänden und den Botschaften ist am Ende in Matara - einer 40.000-Einwohner-Stadt im Süden des Landes, 160 Kilometer von der Hauptstadt Colombo entfernt - ein wahres Schmuckstück entstanden: Schlaf- und Aufenthaltsräume, eine DFB-Bibliothek und zwei Spielfelder sind installiert worden. Zur Eröffnung mit dem ehemaligen Nationalspieler Jens Nowotny kamen Tausende von Menschen. So etwas hat Sri Lanka nach dem Tsunami nicht mehr erlebt. Der deutsche Fußball hat dadurch sehr viele Freunde gewonnen.

Frage: Für wen ist das Sportzentrum gedacht?

Obermann: Vor allem für Kinder, die ihre Eltern oder ihr Haus verloren haben. Nach dem Tsunami existierten ja keine Vereine mehr - jetzt wird wieder Fußball gespielt! Man sieht Torschüsse, man hört Kinder lachen und jubeln. Das Heim ist eine echte Herzensangelegenheit von mir.

Frage: 1975 haben Sie in Taiwan mit Ihrer Entwicklungsarbeit angefangen, 2005 haben Sie gegen Ende Ihres Engagements in Pakistan gesagt: "Ich möchte nach meiner Rückkehr sanft wie ein Segelflugzeug zur Landung ansetzen." Mit nunmehr 72 Jahren: Sind Sie mittlerweile im Ruhestand gelandet?

Obermann: Das Segelflugzeug schwebt noch! Es setzt aber zu einem - etwas langwierigen - Landeanflug an. Diese wilde Zeit des Pioniers geht irgendwann zu Ende - nur nicht ganz so abrupt. Gerade Freundschaften kann ich nicht so einfach aufgeben. Meine intensiven Kontakte nach Pakistan und Nepal beispielsweise werde ich sorgsam pflegen.

Frage: Haben Sie denn schon Pläne für die Zeit nach Ihrer "Landung"?

Obermann: Natürlich werde ich weiter verfolgen, wie sich der Frauenfußball in Afghanistan entwickelt. Und vielleicht kann ich mit den Jugendlichen in Sri Lanka sogar mal gegen eine deutsche Auswahlmannschaft spielen. Von der FIFA bekomme ich regelmäßig Anfragen für verschiedene Projekte. Und grundsätzlich stehe ich dem DFB immer gern mit Rat und Tat zur Verfügung. Der DFB ist gut beraten, seine vorbildliche Entwicklungsarbeit weiterzuführen. Er hat, wie seine Trainer im Ausland, international einen exzellenten Ruf - dank der tollen WM 2006, aber sicher auch dank seiner Präsenz, Kompetenz und Menschlichkeit in vielen Fußball-Entwicklungsländern.