Hitzfeld: "Auf dem Weg zum deutschen Clasico"

Deutscher Meister mit Dortmund, Champions-League-Sieger mit Dortmund. Deutscher Meister mit Bayern, Champions-League-Sieger mit Bayern. Wann immer deutsche Klubs in der jüngeren Vergangenheit international erfolgreich waren - Ottmar Hitzfeld hat sie betreut. Heute ist er Trainer der Schweizer Nationalmannschaft, den Fußball seiner Ex-Vereine beobachtet er noch immer sehr genau.

Vor dem DFB-Pokalviertelfinale zwischen Bayern München und Borussia Dortmund heute (ab 20.30 Uhr, live in der ARD und bei Sky) spricht er im DFB.de-Interview mit Redakteur Steffen Lüdeke über den deutschen "Clasico", die deutsche Nationalmannschaft und Xherdan Shaqiri, einen Schweizer in Deutschland.

DFB.de: Herr Hitzfeld, Sie haben sowohl mit Dortmund als auch mit Bayern zahlreiche Titel gewonnen. Haben sie eine Rangliste? Gibt es einen Erfolg, an den Sie sich besonders gerne erinnern?

Ottmar Hitzfeld: Eigentlich nicht, meine Antwort ist also eher langweilig. Denn es ist nun mal so: Jeder Titel ist schön, jeder Titel ist auf seine Art etwas Besonderes. Wenn das nicht so wäre, würde auch die Motivation leiden, immer neue Titel zu gewinnen. Speziell ist vielleicht die erste Meisterschaft mit Borussia Dortmund im Jahr 1995 - auch, weil die Menschen beim BVB und die Dortmunder Fans 32 Jahre lang auf so einen Erfolg warten mussten.

DFB.de: Zu Beginn des neuen Jahrtausends ist der BVB wirtschaftlich und sportlich in gewaltige Schwierigkeiten geraten, in der Saison 2007/2008 war die Mannschaft in der Bundesliga mit Platz 13 allenfalls Mittelmaß. Hätten Sie damals gedacht, dass Dortmund so schnell wieder zum großen Konkurrenten der Bayern werden könnte?

Hitzfeld: Die Entwicklung ist gleichermaßen erfreulich wie erstaunlich. Es war nicht zu erwarten, dass der BVB die Krise so schnell überwinden kann. Die Dortmunder haben in kurzer Zeit ziemlich viele ziemlich gute Entscheidungen getroffen. Bei vielen Transfers hatten sie ein gutes Händchen. Ein Spieler wie Shinji Kagawa ist für jeden Trainer ein Traum. Es gibt weitere Beispiele: Lucas Barrios und Robert Lewandowski waren zuvor in Deutschland kaum bekannt. Entscheidend ist zudem, dass der BVB mit Jürgen Klopp den richtigen Trainer für den richtigen Verein geholt hat. Beim BVB passt einfach vieles zusammen - daraus resultiert der Erfolg.

DFB.de: Wie sicher waren Sie, dass Klopp auch in Dortmund funktioniert?

Hitzfeld: Es hat mich nicht gewundert. Mit seiner Leidenschaft hat er Mainz in die Bundesliga geführt und dort etabliert. Das gelingt nicht, wenn man vom Fußball keine Ahnung hat. Jürgen Klopp ist ein Trainer, der das Umfeld beeinflussen und begeistern kann. Es war also klar, dass er in einem begeisterungsfähigen Verein wie Borussia Dortmund gut aufgehoben ist.



[bild1]

Deutscher Meister mit Dortmund, Champions-League-Sieger mit Dortmund. Deutscher Meister mit Bayern, Champions-League-Sieger mit Bayern. Wann immer deutsche Klubs in der jüngeren Vergangenheit international erfolgreich waren - Ottmar Hitzfeld hat sie betreut. Heute ist er Trainer der Schweizer Nationalmannschaft, den Fußball seiner Ex-Vereine beobachtet er noch immer sehr genau.

Vor dem DFB-Pokalviertelfinale zwischen Bayern München und Borussia Dortmund heute (ab 20.30 Uhr, live in der ARD und bei Sky) spricht er im DFB.de-Interview mit Redakteur Steffen Lüdeke über den deutschen "Clasico", die deutsche Nationalmannschaft und Xherdan Shaqiri, einen Schweizer in Deutschland.

DFB.de: Herr Hitzfeld, Sie haben sowohl mit Dortmund als auch mit Bayern zahlreiche Titel gewonnen. Haben sie eine Rangliste? Gibt es einen Erfolg, an den Sie sich besonders gerne erinnern?

Ottmar Hitzfeld: Eigentlich nicht, meine Antwort ist also eher langweilig. Denn es ist nun mal so: Jeder Titel ist schön, jeder Titel ist auf seine Art etwas Besonderes. Wenn das nicht so wäre, würde auch die Motivation leiden, immer neue Titel zu gewinnen. Speziell ist vielleicht die erste Meisterschaft mit Borussia Dortmund im Jahr 1995 - auch, weil die Menschen beim BVB und die Dortmunder Fans 32 Jahre lang auf so einen Erfolg warten mussten.

DFB.de: Zu Beginn des neuen Jahrtausends ist der BVB wirtschaftlich und sportlich in gewaltige Schwierigkeiten geraten, in der Saison 2007/2008 war die Mannschaft in der Bundesliga mit Platz 13 allenfalls Mittelmaß. Hätten Sie damals gedacht, dass Dortmund so schnell wieder zum großen Konkurrenten der Bayern werden könnte?

Hitzfeld: Die Entwicklung ist gleichermaßen erfreulich wie erstaunlich. Es war nicht zu erwarten, dass der BVB die Krise so schnell überwinden kann. Die Dortmunder haben in kurzer Zeit ziemlich viele ziemlich gute Entscheidungen getroffen. Bei vielen Transfers hatten sie ein gutes Händchen. Ein Spieler wie Shinji Kagawa ist für jeden Trainer ein Traum. Es gibt weitere Beispiele: Lucas Barrios und Robert Lewandowski waren zuvor in Deutschland kaum bekannt. Entscheidend ist zudem, dass der BVB mit Jürgen Klopp den richtigen Trainer für den richtigen Verein geholt hat. Beim BVB passt einfach vieles zusammen - daraus resultiert der Erfolg.

DFB.de: Wie sicher waren Sie, dass Klopp auch in Dortmund funktioniert?

Hitzfeld: Es hat mich nicht gewundert. Mit seiner Leidenschaft hat er Mainz in die Bundesliga geführt und dort etabliert. Das gelingt nicht, wenn man vom Fußball keine Ahnung hat. Jürgen Klopp ist ein Trainer, der das Umfeld beeinflussen und begeistern kann. Es war also klar, dass er in einem begeisterungsfähigen Verein wie Borussia Dortmund gut aufgehoben ist.

DFB.de: Wen würden Sie noch nennen, wenn Sie den Dortmunder Erfolg an einer Person festmachen müssten?

Hitzfeld: Das Kompliment gilt allen Verantwortlichen. Den Spielern natürlich auch. In Dortmund herrscht eine große Euphorie, im Verein und in der Stadt. Man darf auch die Rolle der Fans nicht unterschätzen. In Dortmund sind immer 80.000 Menschen im Stadion, jetzt - sie waren aber auch da, als es nicht so gut lief. Diese Fans sind ein großes Potenzial dieses Vereins.

DFB.de: Von den Erfolgen her haben sich Bayern und Dortmund angenähert. Die Spielstile unterscheiden sich.

Hitzfeld: Das ist fast zwangläufig so.

DFB.de: Wieso?

Hitzfeld: Es gibt in Deutschland keinen Verein, der mehr Druck hat als der FC Bayern. Die Bayern müssen gewinnen, immer, sie müssen Titel holen. Das wirkt sich auf die Art des Fußballs aus. Notwendigerweise ist ihr Spiel von einer stärkeren Akzentuierung auf der Defensive geprägt. Die Bayern können keinen Hurra-Fußball spielen. Die Defensive ist die Basis für Titel, das sagt man nicht umsonst. Aber der Verein hat einen Stil entwickelt, mit diesem Druck umzugehen. Der Fußball der Bayern ist in diesem Jahr durch eine hervorragende Balance geprägt. Das Spiel nach vorne ist wunderbar anzusehen, und in der Defensive stehen sie dennoch sicher.

DFB.de: Hat Dortmund keinen Druck?

Hitzfeld: Doch. Aber erst nach und nach. Mit den Erfolgen wächst der Druck, die Erfolge zu bestätigen. Das merkt auch Borussia Dortmund. Und bisher lösen sie die neue Situation absolut überzeugend, auch wenn die Mannschaft in diesem Jahr in der Bundesliga ein wenig hintendran ist.

DFB.de: Dafür läuft es in der Champions League. Was trauen Sie dem BVB international zu?

Hitzfeld: Dortmund gehört auch für mich zu den Mannschaften, die die Champions League gewinnen können. Wie sich das Team in der Vorrunde präsentiert hat, war absolut beeindruckend. Dortmund hat den Aufschwung der Bundesliga eindruckvoll demonstriert. Dem deutschen Fußball tut es gut, wenn nicht nur der FC Bayern international titelfähig ist.

DFB.de: Wie gut tut es dem deutschen Fußball, wenn die Bayern dauerhaft Konkurrenz auf Augenhöhe haben?

Hitzfeld: Das Spiel zwischen Bayern und Dortmund ist auf dem Weg, zum deutschen "Clasico" zu werden, vergleichbar dem spanischen Duell Barcelona gegen Real. Ein Spiel mit großer Aufmerksamkeit, nicht nur national. Diese Entwicklung ist für die Bundesliga gut - und damit für den deutschen Fußball. Es ist zwar schade, dass die Bundesliga in dieser Saison nicht sonderlich spannend ist, ich halte es aber für normal, dass der BVB nicht ganz so konstant ist. Mannschaften müssen lernen, auf verschiedenen Hochzeiten zu tanzen. Unbewusst hat sich in Dortmund der Fokus wohl auf die Champions League verschoben. Beim BVB saß der Stachel tief, dass der Mannschaft nach dem frühen Aus in der vergangenen Spielzeit die internationale Klasse abgesprochen wurde.

DFB.de: In der kommenden Saison wird Pep Guardiola auf der Bayern-Bank sitzen. Spricht auch diese Personalie für die gestiegene Wertschätzung des deutschen Fußballs?

Hitzfeld: Sie spricht vor allem für den FC Bayern. Guardiola hat gesehen, dass der FCB das Potenzial hat, langfristig viele Titel zu gewinnen. Früher war es zwar keine Sensation, aber doch eine Überraschung, wenn deutsche Mannschaften internationale Titel gewonnen haben. Gewinnen die Bayern in diesem Jahr die Champions League, würde sich niemand darüber wundern. Die Bayern haben im aktuellen Kader eine Qualität wie seit langem nicht. Sie verfügen über Weltklasse in der Breite. Das macht Mannschaften aus, die Titel gewinnen können.

DFB.de: Halten Sie den aktuellen Kader für besser besetzt als das Bayern-Aufgebot, mit dem Sie im Jahr 2001 die Champions League gewonnen haben?

[bild2]

Hitzfeld: Wir hatten damals auf vielen Position auch Fußballer mit überragenden Fähigkeiten, Spieler, die zur absoluten Weltklasse gehört haben. Aber in der Breite des Kaders waren wir nicht so gut aufgestellt, wie die Bayern es aktuell sind.

DFB.de: Bayern und Dortmund stellen das Gros des Kaders der deutschen Nationalmannschaft. Wie bewerten Sie die Entwicklung des Teams von Bundestrainer Joachim Löw? In Deutschland hat es nach dem 4:4 gegen Schweden viel Kritik gegeben.

Hitzfeld: Rückschläge gehören zur Entwicklung. Natürlich war dieses Remis in seiner Entstehung außergewöhnlich, ich bin aber überzeugt davon, dass die deutsche Mannschaft langfristig von diesem Spiel profitieren wird. Die Spieler haben eine Lektion gelernt, es wird nicht mehr passieren, dass Deutschland in einem Spiel zu früh abschaltet und die Konzentration verliert. Direkt nach einem Spiel kann man das so nicht sehen, aber ich bin der Überzeugung, dass dieser vermeintliche Rückschlag auf dem Weg zur WM 2014 nach Brasilien ein wichtiger Schritt war.

DFB.de: Noch ist das DFB-Team nicht qualifiziert.

Hitzfeld: Ja, aber Deutschland wird die Qualifikation schaffen, daran habe ich keine Zweifel. In der Mannschaft steckt extrem viel Qualität, nicht zuletzt wegen der Spieler von Bayern München und Borussia Dortmund.

DFB.de: Birgt diese "Blockbildung" auch Gefahren? In Spanien haben die Spieler von Madrid und Barcelona lange Zeit im Nationalteam nicht sonderlich harmoniert.

Hitzfeld: Ich sehe diese Gefahr nicht. Die Spieler sind eingespielt, sie kennen sich aus den Vereinen, das ist ein Vorteil. In Spanien sind atmosphärische Störungen heute überhaupt keine Thema mehr, Nationaltrainer Vicente del Bosque ist ein hervorragender Moderator. Und das gilt genauso für Bundestrainer Joachim Löw. Selbst wenn es auf Grund der Konstellation im Verein zu Spannungen kommen sollte - Löw würde verhindern, dass sich dies auf die Nationalmannschaft überträgt.

DFB.de: In "Ihrer" Schweizer Nationalmannschaft steht mit Xherdan Shaqiri ein Akteur, der auch bei Bayern spielt. Wie zufrieden sind Sie mit seiner Entwicklung in München?

Hitzfeld: Sehr. Er muss sich neben Spielern wie Arjen Robben und Franck Ribéry behaupten. Vor dem Wechsel nach München habe ich mit ihm gesprochen, und ich habe ihm nicht abgeraten. Ich bin überzeugt davon, dass er sich langfristig durchsetzen wird.

DFB.de: Was macht Sie da so sicher?

Hitzfeld: Viele Talente scheitern in München, weil sie mental nicht stark genug sind. Bei Shaqiri ist es anders. Er ist ein echter Straßenfußballer, vor allem hat er überhaupt keine Hemmungen. Rückschläge werfen ihn nicht aus der Bahn, im Gegenteil. Er ist einfach ein total positiver Typ. Das ist auch zu sehen, wenn er eingewechselt wird. Fast immer bewegt er noch irgendetwas.

DFB.de: Bayern oder Dortmund: Wer ist für Sie im Pokal heute der Favorit?

Hitzfeld: Die Bayern spielen zu Hause, aktuell sind sie in überragender Verfassung. Beim Vergleich zwischen Bayern und Dortmund sehe ich die Bayern in dieser Saison vor allem deswegen vorne, weil bei ihnen von der Bank viel Qualität kommt.

DFB.de: Bayern hat gegen den BVB aber seit sechs Spielen nicht mehr gewonnen. Spielt das fürs DFB-Pokalduell eine Rolle?

Hitzfeld: Inwieweit sich das auswirkt, hängt vor allem vom Verlauf ab. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass bei den Bayern die Gedanken zu kreisen beginnen, wenn Dortmund in Führung gehen sollte...