Heynckes und der Torrekord: "Gladbach war eine Angriffsmaschine"

Es war wohl eine der dramatischsten Meisterschaftsentscheidung in der Geschichte der Bundesliga. Am 29. April 1978 feierte Borussia Mönchengladbach ein 12:0 gegen Borussia Dortmund, doch am Ende reichte selbst dieses Ergebnis nicht zum Meistertitel. Zwei Tore fehlten letztlich auf den 1. FC Köln, der zeitgleich 5:0 beim FC St. Pauli gewann.

Damals Mittendrin: Jupp Heynckes, mit fünf Treffern überragender Spieler der Partie. Im historischen DFB.de-Interview mit Mitarbeiter Patrick Strasser erinnert sich der heute 69-Jährige an das Spektakel vor fast 37 Jahren und blickt auf das anstehende Bundesligaduell zwischen Gladbach und dem BVB am Samstag (ab 15.30 Uhr, live bei Sky).

DFB.de: Herr Heynckes, Mitte Februar siegte der FC Bayern in der Bundesliga mit 8:0 gegen den Hamburger SV. Doch den ewigen Torrekord halten Sie: Am 29. April 1978 gewannen Sie als Mittelstürmer mit der Mönchengladbach gegen Dortmund mit 12:0. Es war ein dramatisches Meisterschaftsfinale - und trotz des Dutzends Gladbacher Treffer, trotz Ihrer fünf Tore, wurde Gladbach nicht Meister.

Jupp Heynckes: Ja, es war ein verrückter Nachmittag. Vor dem letzten Spieltag lagen wir und der 1. FC Köln punktgleich an der Tabellenspitze.

DFB.de: Die Kölner allerdings hatten die um zehn Treffer bessere Tordifferenz, spielten zeitgleich beim FC St. Pauli, der bereits abgestiegen war. Ein unlösbares Unterfangen?

Heynckes: Wir wollten den Titel, wollten das Unmögliche möglich machen. Ich erinnere mich noch gut, dass wir in einer super Form waren. In der Woche zuvor konnten wir mit 6:2 beim Hamburger SV gewinnen, haben spektakulären Fußball gezeigt. Wir Gladbacher waren überzeugt, auch die Partie gegen Dortmund hoch gewinnen zu können.

DFB.de: Der BVB stand auf Platz elf vor der Partie, die im Düsseldorfer Rheinstadion ausgetragen wurde.

Heynckes: Die Dortmunder waren doch schon fast im Urlaub, hatten ihre Saison im Grunde abgeschlossen. Es fehlte die Motivation. Das haben wir gespürt. Und wie gesagt: Wir waren unheimlich gut drauf. Mir war also klar, dass wir auch diese Partie hoch gewinnen würden, dass wir den BVB abfieseln würden. Ich hatte damals vor dem Spiel gesagt: Wir schießen eher zehn Tore gegen Dortmund, als dass die Kölner bei St. Pauli verlieren.



Es war wohl eine der dramatischsten Meisterschaftsentscheidung in der Geschichte der Bundesliga. Am 29. April 1978 feierte Borussia Mönchengladbach ein 12:0 gegen Borussia Dortmund, doch am Ende reichte selbst dieses Ergebnis nicht zum Meistertitel. Zwei Tore fehlten letztlich auf den 1. FC Köln, der zeitgleich 5:0 beim FC St. Pauli gewann.

Damals Mittendrin: Jupp Heynckes, mit fünf Treffern überragender Spieler der Partie. Im historischen DFB.de-Interview mit Mitarbeiter Patrick Strasser erinnert sich der heute 69-Jährige an das Spektakel vor fast 37 Jahren und blickt auf das anstehende Bundesligaduell zwischen Gladbach und dem BVB am Samstag (ab 15.30 Uhr, live bei Sky).

DFB.de: Herr Heynckes, Mitte Februar siegte der FC Bayern in der Bundesliga mit 8:0 gegen den Hamburger SV. Doch den ewigen Torrekord halten Sie: Am 29. April 1978 gewannen Sie als Mittelstürmer mit der Mönchengladbach gegen Dortmund mit 12:0. Es war ein dramatisches Meisterschaftsfinale - und trotz des Dutzends Gladbacher Treffer, trotz Ihrer fünf Tore, wurde Gladbach nicht Meister.

Jupp Heynckes: Ja, es war ein verrückter Nachmittag. Vor dem letzten Spieltag lagen wir und der 1. FC Köln punktgleich an der Tabellenspitze.

DFB.de: Die Kölner allerdings hatten die um zehn Treffer bessere Tordifferenz, spielten zeitgleich beim FC St. Pauli, der bereits abgestiegen war. Ein unlösbares Unterfangen?

Heynckes: Wir wollten den Titel, wollten das Unmögliche möglich machen. Ich erinnere mich noch gut, dass wir in einer super Form waren. In der Woche zuvor konnten wir mit 6:2 beim Hamburger SV gewinnen, haben spektakulären Fußball gezeigt. Wir Gladbacher waren überzeugt, auch die Partie gegen Dortmund hoch gewinnen zu können.

DFB.de: Der BVB stand auf Platz elf vor der Partie, die im Düsseldorfer Rheinstadion ausgetragen wurde.

Heynckes: Die Dortmunder waren doch schon fast im Urlaub, hatten ihre Saison im Grunde abgeschlossen. Es fehlte die Motivation. Das haben wir gespürt. Und wie gesagt: Wir waren unheimlich gut drauf. Mir war also klar, dass wir auch diese Partie hoch gewinnen würden, dass wir den BVB abfieseln würden. Ich hatte damals vor dem Spiel gesagt: Wir schießen eher zehn Tore gegen Dortmund, als dass die Kölner bei St. Pauli verlieren.

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DFB.de: Nach wenigen Sekunden trafen Sie zum 1:0, nach zwölf Minuten zum 2:0, in der 32. Minute zum 5:0. Zur Halbzeit stand es 6:0. Wurden die Spielstände aus Hamburg auf der Düsseldorfer Anzeigetafel eingeblendet?

Heynckes: Nein. Wir Spieler bekamen die Infos von der Bank, dort hörte man per Kofferradio und rief uns dann die Spielstände auf den Platz. Als es 5:0, 6:0, 7:0 für uns stand, wurde von draußen immer wieder signalisiert: Weiter! Weiter! Noch mehr Tore! Ich bin zur Bank gelaufen und habe gerufen: "Seid ihr bescheuert? Wie viele Tore sollen wir denn noch schießen?"

DFB.de: In Hamburg erhöhten die Kölner das Tempo und legten nach.

Heynckes: Wir haben immer gespürt, dass der FC hoch in Führung war. Außerdem war mir klar, dass Hennes Weisweiler, zuvor unser Trainer in Gladbach, unbedingt den Titel gewinnen wollte. Zwei Wochen zuvor hatte Köln den DFB-Pokal geholt, und Weisweiler - mein Trainer, Mentor und späterer Freund -, den wir Gladbacher aus dem Effeff kannten, wollte nun das Double.

DFB.de: Sie trafen noch zum 7:0 in der 59. und zum 12:0, dem Schlusspunkt, in der 77. Minute. Hatten Sie zwischendurch Mitleid mit BVB-Torhüter Peter Endrulat?

Heynckes: Nein, wir waren ehrgeizig und hungrig, die Dortmunder dagegen willenlos. Wir wollten zum vierten Mal hintereinander Meister werden.

DFB.de: Am Ende retteten sich die Kölner mit drei Toren Vorsprung ins Ziel. Sie sollen hinterher im Bus gesagt haben: "Gut so. Denn mit einem 12:0 Meister zu werden, hätte einen faden Beigeschmack gehabt."

Heynckes: Das stimmt, ja. Weisweiler und die Kölner hatten den Titel auch verdient geholt.

DFB.de: Fünf Treffer, mit 12:0 ein womöglich ewiger Torrekord - doch es war sicher nicht das beste Ihrer 369 Bundesligaspiele in Ihrer Karriere?

Heynckes: Nein, keinesfalls. Aber es war doch eine besondere Partie, weil es mein letztes Bundesligaspiel war - was mir vorher schon bewusst war. Ich hatte in der Saison 1977/1978 permanente Knieprobleme als Folge einer Krankenhaus-Infektion und dennoch 18 Tore in 21 Partien gemacht, was umso höher zu bewerten ist. Parallel hatte ich 1977 den Fußball-Lehrer-Schein an der Kölner Sporthochschule gemacht, mich auf meine zweite Karriere im Fußball vorbereitet. Ich wurde dann Assistent von Udo Lattek.

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DFB.de: Täuscht der Eindruck, oder gab es früher häufiger diese Kantersiege?

Heynckes: Wir haben einmal 11:0 gegen Schalke gewonnen (1967; Anm. d. Red.), das weiß ich noch. Wir Gladbacher waren damals eine Angriffsmaschine. Solche Ergebnisse gab es in der Tat häufiger.

DFB.de: Das letzte zweistellige Schützenfest der Bundesliga haben Sie als Gladbach-Trainer zu verantworten: ein 10:0 gegen Braunschweig, 1984 war das. Und heutzutage?

Heynckes:: Erst am vergangenen Wochenende hat Real Madrid in der Primera Division mit 9:1 gegen den FC Granada gewonnen, doch es ist seltener geworden, auch in der Bundesliga. Alles ist enger geworden, die Mannschaften stehen kompakter, disziplinierter. Es wird Pressing gespielt. Auch die spielerisch schwächeren Teams lassen sich nicht mehr so abschlachten - da ist der Hamburger SV vielleicht die Ausnahme in dieser Saison, denen ist das ja in München passiert. Zweistellige Ergebnisse wird es wohl kaum noch geben.

DFB.de: Am Samstag empfängt "Ihre" Borussia die andere Borussia, den BVB. Ein hoher Sieg wird es diesmal sicher nicht für Mönchengladbach. Aber immerhin ein Sieg?

Heynckes:: Ich traue den Gladbachern sehr wohl zu, den BVB zu schlagen - da bin ich sehr zuversichtlich. Die Gladbacher haben einen guten Lauf, spielen überhaupt eine gute Saison, weil sie Struktur und eine gute Organisation haben, defensiv gut stehen. Ich bin überzeugt, dass Gladbach gewinnt, sie sind aktuell die bessere Mannschaft. Und die Dortmunder haben beim 0:1 gegen die Bayern letzten Samstag enttäuscht.

DFB.de: Der Gladbacher Erfolg hat viel mit Trainer Lucien Favre zu tun. Wie hoch wäre sein Anteil an Platz drei und damit der direkten Qualifikation für die Champions League?

Heynckes:: Der Anteil von Favre ist - gemeinsam mit Sportdirektor Max Eberl und der seriösen Vereinsführung - sehr hoch. Favre hat es in dieser Saison hinbekommen, ohne Qualitäts- und Substanzverlust rotieren zu lassen. Der dritte Platz wäre ein super Ergebnis, fantastisch. Wichtig auch für die Verantwortlichen, denn dann hätten sie Planungssicherheit für die kommende Saison und könnten neue, wertvolle Spieler verpflichten. Damit würden sie den nächsten Schritt in ihrer Entwicklung machen.