Hermann: "Besorgt, aber nicht paralysiert"

Das Spiel gegen die Niederlande in Hannover sollte Normalität bringen, wieder Rasen unter den Füßen, wieder Fußball. Es kam anders. Die Partie wurde abgesagt, das Zeichen der Freiheit konnte nicht gesetzt werden. Hans-Dieter Hermann, der Sportpsychologe der Mannschaft, hat die Spieler in Paris und Hannover erlebt. Im DFB.de-Interview mit Redakteur Steffen Lüdeke spricht er darüber, welche Auswirkungen die Ereignisse auf die Spieler haben.

DFB.de: Herr Hermann, wie haben Sie die Spieler gestern Abend erlebt?

Hans-Dieter Hermann: Alle haben fest damit gerechnet, dass das Spiel stattfindet. Insofern war unter anderem Enttäuschung spürbar, als klar war, dass das Spiel kurzfristig abgesagt wird. Das Spiel sollte trotz anfänglicher Bedenken unserer Mannschaft auch ein Zeichen ihrer Generation und von ihnen als Sportler sein. Die Jungs wollten den Menschen ein Stück sportliche Normalität, aber auch Solidarität mit Frankreich und den Opfern zeigen. Die Spieler waren – soweit ich es beobachten konnte – besorgt, aber nicht paralysiert. Sie wirkten allerdings, als der Bus plötzlich in eine andere Richtung fuhr und die Nachricht der Absage verkündet wurde, deutlich angespannt. Das löste sich erst so langsam wieder, als wir nach zwei Stunden nach Barsinghausen zurückkamen.

DFB.de: Wie belastend war Hannover im Vergleich zu Paris?

Hermann: In Paris war der Zusammenhang viel direkter, schon weil wir die Detonationen, die Geräusche, selber wahrgenommen haben. Vergleichbares gab es in Hannover nicht. Die Mannschaft war noch nicht im Stadion angekommen, wir waren noch relativ weit weg. In Paris war die Gefahr konkreter, in Hannover war sie eher abstrakt. In Verbindung mit den Vorerlebnissen war die Bedrohung dennoch spürbar.

DFB.de: Die Spieler haben nach der Nacht von Paris in der Verarbeitung der Ereignisse vieles richtig gemacht, sie haben viel miteinander gesprochen, auch zu Hause mit ihren Freunden und Familien. Ist dies auch nach dem zweiten Vorfall der richtige Weg?

Hermann: Wir dürfen die Ereignisse nicht gleichsetzen. Wie gesagt: In Paris gab es eine Bedrohung, die fühlbar um uns herum bestanden hat. Die Belastung war viel höher als dies in Hannover der Fall gewesen ist. Insofern konnte aus der Situation gestern kein unmittelbarer Schock entstehen, wohl aber konnten Emotionen aus Paris aktualisiert werden. Nach den Ereignissen von Paris führt eine Nachricht wie die Spielabsage, deren konkrete Gründe im Unklaren bleiben, zu weiterer Verunsicherung.



Das Spiel gegen die Niederlande in Hannover sollte Normalität bringen, wieder Rasen unter den Füßen, wieder Fußball. Es kam anders. Die Partie wurde abgesagt, das Zeichen der Freiheit konnte nicht gesetzt werden. Hans-Dieter Hermann, der Sportpsychologe der Mannschaft, hat die Spieler in Paris und Hannover erlebt. Im DFB.de-Interview mit Redakteur Steffen Lüdeke spricht er darüber, welche Auswirkungen die Ereignisse auf die Spieler haben.

DFB.de: Herr Hermann, wie haben Sie die Spieler gestern Abend erlebt?

Hans-Dieter Hermann: Alle haben fest damit gerechnet, dass das Spiel stattfindet. Insofern war unter anderem Enttäuschung spürbar, als klar war, dass das Spiel kurzfristig abgesagt wird. Das Spiel sollte trotz anfänglicher Bedenken unserer Mannschaft auch ein Zeichen ihrer Generation und von ihnen als Sportler sein. Die Jungs wollten den Menschen ein Stück sportliche Normalität, aber auch Solidarität mit Frankreich und den Opfern zeigen. Die Spieler waren – soweit ich es beobachten konnte – besorgt, aber nicht paralysiert. Sie wirkten allerdings, als der Bus plötzlich in eine andere Richtung fuhr und die Nachricht der Absage verkündet wurde, deutlich angespannt. Das löste sich erst so langsam wieder, als wir nach zwei Stunden nach Barsinghausen zurückkamen.

DFB.de: Wie belastend war Hannover im Vergleich zu Paris?

Hermann: In Paris war der Zusammenhang viel direkter, schon weil wir die Detonationen, die Geräusche, selber wahrgenommen haben. Vergleichbares gab es in Hannover nicht. Die Mannschaft war noch nicht im Stadion angekommen, wir waren noch relativ weit weg. In Paris war die Gefahr konkreter, in Hannover war sie eher abstrakt. In Verbindung mit den Vorerlebnissen war die Bedrohung dennoch spürbar.

DFB.de: Die Spieler haben nach der Nacht von Paris in der Verarbeitung der Ereignisse vieles richtig gemacht, sie haben viel miteinander gesprochen, auch zu Hause mit ihren Freunden und Familien. Ist dies auch nach dem zweiten Vorfall der richtige Weg?

Hermann: Wir dürfen die Ereignisse nicht gleichsetzen. Wie gesagt: In Paris gab es eine Bedrohung, die fühlbar um uns herum bestanden hat. Die Belastung war viel höher als dies in Hannover der Fall gewesen ist. Insofern konnte aus der Situation gestern kein unmittelbarer Schock entstehen, wohl aber konnten Emotionen aus Paris aktualisiert werden. Nach den Ereignissen von Paris führt eine Nachricht wie die Spielabsage, deren konkrete Gründe im Unklaren bleiben, zu weiterer Verunsicherung.

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DFB.de: Sie haben eben beschrieben, dass die Spieler insgesamt eher ruhig mit der Situation umgegangen sind. Bedeutet das auch, dass die Mannschaft die Nacht im Stade de France bereits gut verarbeitet hat?

Hermann: Für die gesamte Mannschaft kann ich hier nicht sprechen. Stress- und Bedrohungssituationen werden individuell sehr unterschiedlich verarbeitet. Das kann man von außen auf den ersten Eindruck auch nicht unbedingt erkennen. Denkbar ist durchaus auch, dass Sorgen und Ängste bei einigen erst mit etwas Abstand zu Tage treten. Die Tatsache, dass durch das Spiel in Hannover keine relative fußballerische Normalität - im Sine eines reibungslosen 90-minütigen Spiels - stattfand, steht einer schnellen angemessenen Verarbeitung entgegen. Erst der Alltag in den Vereinen und die Gespräche zu Hause werden hier helfen. Das Angebot einer fachlichen Unterstützung haben die Spieler ohnehin.

DFB.de: Nach Paris haben Sie gesagt, dass es den Spielern gut tun wird, schnell wieder Fußball zu spielen. Das war nun nicht der Fall. Wie negativ wirkt sich dies auf die Verarbeitung aus?

Hermann: Wie gesagt: Für den gesamten Prozess ist es nicht gut, dass die Spieler gestern nicht spielen konnten. Das Spiel wäre als Zeichen nach außen gut gewesen, aber auch nach innen, ganz persönlich, für jeden Spieler einzeln.

DFB.de: Ist es für die Verarbeitung relevant, welches Resultat die Untersuchungen in Hannover bringen. Spielt es für die Spieler eine Rolle, ob im Stadion tatsächlich Sprengstoff platziert war?

Hermann: Ich möchte hier gern betonen, dass ich aus meinen Gesprächen mitbekommen habe, dass sich die Spieler nicht nur Sorgen um sich, sondern gerade auch um die Zuschauer gemacht haben. Den Spielern hilft die Erkenntnis, dass die Behörden besonnen und richtig gehandelt haben. Das Vertrauen in die Organe und die Personen, die die Entscheidungen getroffen haben, ist da und das ist auch im Sinne der Verarbeitung bedeutsam und hilft, wenn sie das nächste Mal in einem Stadion sind.