Hasret Kayikci: Die mit dem Kämpferherz

Die Nachfrage hat das Angebot bei Weitem überstiegen. Hasret Kayikci hat zwar im Kreis der Kolleginnen viele Karten aufgegriffen, aber irgendwann war das Kontingent für Verwandte und Freunde halt erschöpft. Bis die Botschaft erging: "Der Rest muss dann bezahlen." Dass die 25-Jährige zum Länderspiel der deutschen Frauen-Nationalmannschaft gegen Brasilien am 4. Juli (ab 17.45 Uhr, live in der ARD) in Sandhausen beinahe einen eigenen Fanklub in den Hardtwald führt, ist leicht erklärt: Keine ist in der Region so gut verwurzelt wie die in Heidelberg-Rohrbach aufgewachsene Stürmerin.

Als sie den Vorbereitungsplan auf die EM in den Niederlanden (16. Juli bis 6. August) studierte, freute sie sich enorm, dass die dritte Maßnahme in Heidelberg geplant war. In der Universitätsstadt am Neckar wird Hasret Kayikci mit ihren Anfängen konfrontiert. "Meine besten Freunde waren hier immer mit mir auf dem Bolzplatz", erzählt die türkischstämmige Nationalspielerin, die bislang auf drei Länderspieleinsätze kommt. "Einmal sind wir sogar nach Sandhausen gefahren, um dort bei der Oberliga zuzuschauen."

"Den Ball öfter gesehen als meine Eltern"

Erstaunlich: Ihre älteren Brüder, Burak und Kader, beide auch in Deutschland geboren, hatten mit Fußball nie etwas am Hut. Hasret Kayikci hingegen hat als Sechsjährige angefangen. "Ich kam von der Schule, habe meine Schuhe, meinen Ball genommen und bin auf den Bolzer gegangen - den habe ich öfter gesehen als meine Eltern", sagt sie und lacht: "Es gab nie Akzeptanzprobleme. Ich wurde nie ausgeschlossen, nur weil ich das einzige Mädchen war. Das war gar kein Problem; vielleicht weil ich so früh angefangen hatte." Ihr muss gar nicht das Etikett als Botschafterin für Integration angeheftet werden: Sie gibt ein Beispiel, was selbstverständlich sein sollte: den Sport seiner Wahl auszuüben.

Ihre Eltern Ilyas und Hakime kamen vor vielen Jahrzehnten nach Deutschland. "Ich bin modern aufgewachsen", erklärt sie. Im Alter von 16 Jahren konnte sie dann zwischen einem Angebot des FCR Duisburg und 1. FFC Frankfurt auswählen - und entschied sich für die Variante tief im Westen. "Duisburg war damals ein Spitzenverein." Natürlich sei für ihre Mutter nicht selbstverständlich gewesen, "dass ich mit 16 Jahren schon ausgezogen bin: Ich war das einzige Mädchen der Familie, aber sie hat gespürt, dass es für mich das Beste war".

"Für immer Kniepatientin"

In dem prominenten Aufgebot an der Wedau sammelte sie wichtige Erfahrungen, ehe sie 2011 zum SC Freiburg wechselte. Dann begann eine lange Leidenszeit: Bei der U 19-EM riss ihr das erste Mal das Kreuzband, ein Jahr später das zweite Mal an derselben Stelle. Damit nicht genug: Kaum zurück, ging der Innenmeniskus kaputt. Erneute Operation, wieder Zwangspause. Der Teufelskreis wollte nicht enden. "Es ist immer hintereinander passiert. Es war schon die Frage: Funktioniert mein Knie überhaupt noch?", fragte sich Hasret Kayikci. Um verletzungsfrei zu bleiben, beugt sie längst umfassend vor: "Ich bin so oft wie möglich noch in der Reha, ich werde wohl immer eine Kniepatientin bleiben." Und das Stehauffräulein.

Bundestrainerin Steffi Jones schätzt die unbekümmerte Art, aber auch die frechen Dribblings der feinen Technikerin, die eine andere Komponente in der Offensive einbringt. "Ich kann vorne jede Position spielen, nur ich bin vielleicht nicht die klassische Stoßstürmerin", sagt sie. Sie ist eine von vier Freiburger Spielerinnen im 29er-Kader. Die gute Nachwuchsarbeit ist beim Sport-Club nicht nur auf den männlichen Bereich beschränkt. Kayikci: "Wir werden immer besser und unternehmen auch viel abseits des Platzes." Nebenbei absolviert sie noch eine Ausbildung zur Groß- und Außenhandelskauffrau, "eigentlich wollte ich zur Polizei, doch damals wurde ich wegen meines Kreuzbandrisses nicht angenommen."

Eine gewisse Demut hat sie sich aus dieser schwierigen Phase, die ihr sportliches und berufliches Fortkommen massiv beeinflusste, bis heute bewahrt. "Ich habe nie gedacht, dass ich es bis in die Nationalmannschaft schaffe", sagt Hasret Kayikci. "Für mich stand ja lange infrage, ob ich überhaupt je wieder Fußball spielen kann. Es ist alles andere als selbstverständlich - es ist eigentlich ein Wunder." Und sollte es mit der EM-Teilnahme klappen? "Das wäre ein Traum."

[dfb]

Die Nachfrage hat das Angebot bei Weitem überstiegen. Hasret Kayikci hat zwar im Kreis der Kolleginnen viele Karten aufgegriffen, aber irgendwann war das Kontingent für Verwandte und Freunde halt erschöpft. Bis die Botschaft erging: "Der Rest muss dann bezahlen." Dass die 25-Jährige zum Länderspiel der deutschen Frauen-Nationalmannschaft gegen Brasilien am 4. Juli (ab 17.45 Uhr, live in der ARD) in Sandhausen beinahe einen eigenen Fanklub in den Hardtwald führt, ist leicht erklärt: Keine ist in der Region so gut verwurzelt wie die in Heidelberg-Rohrbach aufgewachsene Stürmerin.

Als sie den Vorbereitungsplan auf die EM in den Niederlanden (16. Juli bis 6. August) studierte, freute sie sich enorm, dass die dritte Maßnahme in Heidelberg geplant war. In der Universitätsstadt am Neckar wird Hasret Kayikci mit ihren Anfängen konfrontiert. "Meine besten Freunde waren hier immer mit mir auf dem Bolzplatz", erzählt die türkischstämmige Nationalspielerin, die bislang auf drei Länderspieleinsätze kommt. "Einmal sind wir sogar nach Sandhausen gefahren, um dort bei der Oberliga zuzuschauen."

"Den Ball öfter gesehen als meine Eltern"

Erstaunlich: Ihre älteren Brüder, Burak und Kader, beide auch in Deutschland geboren, hatten mit Fußball nie etwas am Hut. Hasret Kayikci hingegen hat als Sechsjährige angefangen. "Ich kam von der Schule, habe meine Schuhe, meinen Ball genommen und bin auf den Bolzer gegangen - den habe ich öfter gesehen als meine Eltern", sagt sie und lacht: "Es gab nie Akzeptanzprobleme. Ich wurde nie ausgeschlossen, nur weil ich das einzige Mädchen war. Das war gar kein Problem; vielleicht weil ich so früh angefangen hatte." Ihr muss gar nicht das Etikett als Botschafterin für Integration angeheftet werden: Sie gibt ein Beispiel, was selbstverständlich sein sollte: den Sport seiner Wahl auszuüben.

Ihre Eltern Ilyas und Hakime kamen vor vielen Jahrzehnten nach Deutschland. "Ich bin modern aufgewachsen", erklärt sie. Im Alter von 16 Jahren konnte sie dann zwischen einem Angebot des FCR Duisburg und 1. FFC Frankfurt auswählen - und entschied sich für die Variante tief im Westen. "Duisburg war damals ein Spitzenverein." Natürlich sei für ihre Mutter nicht selbstverständlich gewesen, "dass ich mit 16 Jahren schon ausgezogen bin: Ich war das einzige Mädchen der Familie, aber sie hat gespürt, dass es für mich das Beste war".

"Für immer Kniepatientin"

In dem prominenten Aufgebot an der Wedau sammelte sie wichtige Erfahrungen, ehe sie 2011 zum SC Freiburg wechselte. Dann begann eine lange Leidenszeit: Bei der U 19-EM riss ihr das erste Mal das Kreuzband, ein Jahr später das zweite Mal an derselben Stelle. Damit nicht genug: Kaum zurück, ging der Innenmeniskus kaputt. Erneute Operation, wieder Zwangspause. Der Teufelskreis wollte nicht enden. "Es ist immer hintereinander passiert. Es war schon die Frage: Funktioniert mein Knie überhaupt noch?", fragte sich Hasret Kayikci. Um verletzungsfrei zu bleiben, beugt sie längst umfassend vor: "Ich bin so oft wie möglich noch in der Reha, ich werde wohl immer eine Kniepatientin bleiben." Und das Stehauffräulein.

Bundestrainerin Steffi Jones schätzt die unbekümmerte Art, aber auch die frechen Dribblings der feinen Technikerin, die eine andere Komponente in der Offensive einbringt. "Ich kann vorne jede Position spielen, nur ich bin vielleicht nicht die klassische Stoßstürmerin", sagt sie. Sie ist eine von vier Freiburger Spielerinnen im 29er-Kader. Die gute Nachwuchsarbeit ist beim Sport-Club nicht nur auf den männlichen Bereich beschränkt. Kayikci: "Wir werden immer besser und unternehmen auch viel abseits des Platzes." Nebenbei absolviert sie noch eine Ausbildung zur Groß- und Außenhandelskauffrau, "eigentlich wollte ich zur Polizei, doch damals wurde ich wegen meines Kreuzbandrisses nicht angenommen."

Eine gewisse Demut hat sie sich aus dieser schwierigen Phase, die ihr sportliches und berufliches Fortkommen massiv beeinflusste, bis heute bewahrt. "Ich habe nie gedacht, dass ich es bis in die Nationalmannschaft schaffe", sagt Hasret Kayikci. "Für mich stand ja lange infrage, ob ich überhaupt je wieder Fußball spielen kann. Es ist alles andere als selbstverständlich - es ist eigentlich ein Wunder." Und sollte es mit der EM-Teilnahme klappen? "Das wäre ein Traum."

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