Grindel: "Für Korruption darf kein Platz sein"

Seit Jahresbeginn gehört Reinhard Grindel (50) der DFB-Kommission Nachhaltigkeit an. Der Bundestagsabgeordnete der CDU kümmert sich in dem Experten-Gremium um den Bereich Anti-Korruption. Ob präventive Maßnahmen gegen Wettmanipulation, transparente Maßnahmen gegen Korruption oder das Thema Hospitality - die Aufgabenfelder des gelernten Juristen sind vielfältig. Und Richtung weisend.

„Im Kern müssen wir erkennen, dass es um die Zukunft des DFB und des Fußballs geht“, sagt der gebürtige Hamburger, der mit seiner Frau Wenke im niedersächsischen Rotenburg lebt. Das Mitglied des Sportausschusses wird unter anderem am Mittwoch in Berlin in Anwesenheit von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich zum Thema Hospitality eine Selbstverpflichtung vorstellen, die gemeinsam von DFB und DFL entwickelt wurde. Im DFB.de-Gespräch der Woche redet Grindel darüber - und über die generelle Arbeit des Anti-Korruptionsbeauftragten.

DFB.de: Was macht der Anti-Korruptionsbeauftragte des DFB?

Reinhard Grindel: Zunächst arbeitet er in der Kommission Nachhaltigkeit des DFB mit, die das Präsidium nach dem letzten Bundestag in Essen berufen hat. Es ist ein ganz zentrales Anliegen unseres Präsidenten Theo Zwanziger, dass der DFB auf allen Ebenen seiner sozialen und gesellschaftspolitischen Verantwortung gerecht wird. Im Kern müssen wir erkennen, dass es um die Zukunft des DFB und des Fußballs geht. Wenn wir zum Beispiel für einen fairen und sauberen Fußball ohne Spielmanipulation und Wettbetrug eintreten, dann tun wir das, weil unser Sport nur so attraktiv bleibt.

DFB.de: Und nur so Vorbildfunktion hat?

Grindel: Richtig. Um unsere Kinder und Jugendliche für den Fußball zu begeistern, darf für Zockermentalität und Korruption im Fußball kein Platz sein. Deshalb ist der Kampf gegen Spielmanipulation und Wettbetrug sicher der wichtigste Teil meiner Arbeit. Aktuell kommen weitere Herausforderungen hinzu. Denken Sie etwa an die Reformvorhaben in der FIFA und das Thema Hospitality und Strafrecht, also die notwendigen Konsequenzen aus dem berühmten „Utz Claassen-Urteil“ des Bundesgerichtshofes, bei dem es im Kern darum ging, wann eine Einladung von Amtsträgern im Fußball strafrechtlich relevant sein kann.

DFB.de: Bleiben wir beim Thema Wettbetrug. Da haben der „Fall Hoyzer“ und das Sapina-Verfahren beim Landgericht in Bochum für viel Wirbel gesorgt. Jetzt ist es um das Thema Spielmanipulation sehr viel ruhiger geworden. Ist in Deutschland denn alles in Ordnung?

Grindel: Gerade weil es erfreulicherweise keine aktuellen Verdachtsfälle gibt, ist es angesichts der Entwicklung in anderen UEFA-Mitgliedsverbänden wichtig, dass der DFB alle in seiner Macht stehenden Maßnahmen trifft, um in Zukunft Spielmanipulationen und Wettbetrug zu verhindern. Wenn wir erst angesichts von neuerlichen Fällen etwas tun würden, wären wir Getriebene einer Entwicklung, die wir dann vielleicht nicht mehr beherrschen könnten.



[bild1]

Seit Jahresbeginn gehört Reinhard Grindel (50) der DFB-Kommission Nachhaltigkeit an. Der Bundestagsabgeordnete der CDU kümmert sich in dem Experten-Gremium um den Bereich Anti-Korruption. Ob präventive Maßnahmen gegen Wettmanipulation, transparente Maßnahmen gegen Korruption oder das Thema Hospitality - die Aufgabenfelder des gelernten Juristen sind vielfältig. Und Richtung weisend.

„Im Kern müssen wir erkennen, dass es um die Zukunft des DFB und des Fußballs geht“, sagt der gebürtige Hamburger, der mit seiner Frau Wenke im niedersächsischen Rotenburg lebt. Das Mitglied des Sportausschusses wird unter anderem am Mittwoch in Berlin in Anwesenheit von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich zum Thema Hospitality eine Selbstverpflichtung vorstellen, die gemeinsam von DFB und DFL entwickelt wurde. Im DFB.de-Gespräch der Woche redet Grindel darüber - und über die generelle Arbeit des Anti-Korruptionsbeauftragten.

DFB.de: Was macht der Anti-Korruptionsbeauftragte des DFB?

Reinhard Grindel: Zunächst arbeitet er in der Kommission Nachhaltigkeit des DFB mit, die das Präsidium nach dem letzten Bundestag in Essen berufen hat. Es ist ein ganz zentrales Anliegen unseres Präsidenten Theo Zwanziger, dass der DFB auf allen Ebenen seiner sozialen und gesellschaftspolitischen Verantwortung gerecht wird. Im Kern müssen wir erkennen, dass es um die Zukunft des DFB und des Fußballs geht. Wenn wir zum Beispiel für einen fairen und sauberen Fußball ohne Spielmanipulation und Wettbetrug eintreten, dann tun wir das, weil unser Sport nur so attraktiv bleibt.

DFB.de: Und nur so Vorbildfunktion hat?

Grindel: Richtig. Um unsere Kinder und Jugendliche für den Fußball zu begeistern, darf für Zockermentalität und Korruption im Fußball kein Platz sein. Deshalb ist der Kampf gegen Spielmanipulation und Wettbetrug sicher der wichtigste Teil meiner Arbeit. Aktuell kommen weitere Herausforderungen hinzu. Denken Sie etwa an die Reformvorhaben in der FIFA und das Thema Hospitality und Strafrecht, also die notwendigen Konsequenzen aus dem berühmten „Utz Claassen-Urteil“ des Bundesgerichtshofes, bei dem es im Kern darum ging, wann eine Einladung von Amtsträgern im Fußball strafrechtlich relevant sein kann.

DFB.de: Bleiben wir beim Thema Wettbetrug. Da haben der „Fall Hoyzer“ und das Sapina-Verfahren beim Landgericht in Bochum für viel Wirbel gesorgt. Jetzt ist es um das Thema Spielmanipulation sehr viel ruhiger geworden. Ist in Deutschland denn alles in Ordnung?

Grindel: Gerade weil es erfreulicherweise keine aktuellen Verdachtsfälle gibt, ist es angesichts der Entwicklung in anderen UEFA-Mitgliedsverbänden wichtig, dass der DFB alle in seiner Macht stehenden Maßnahmen trifft, um in Zukunft Spielmanipulationen und Wettbetrug zu verhindern. Wenn wir erst angesichts von neuerlichen Fällen etwas tun würden, wären wir Getriebene einer Entwicklung, die wir dann vielleicht nicht mehr beherrschen könnten.

DFB.de: An welche Maßnahmen ist denn gedacht?

Grindel: Ich will es einmal etwas plakativ sagen: Wir brauchen mehr Prävention und mehr Repression. Mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und der Vereinigung der Vertragsspieler haben wir zwei hervorragende Kooperationspartner gefunden, mit denen wir ein Präventionsprogramm für unsere Stützpunktkoordinatoren starten. In einem zweiten Schritt wollen wir die 12 bis 15-Jährigen in unseren Talentförderprogrammen und die Verantwortlichen in den Vereinen von der 3. Liga bis zur Oberliga und den A- und B-Junioren-Bundesligen erreichen.

DFB.de: Wie soll das umgesetzt werden?

Grindel: Kommunikations- und Schulungsaufgaben sind für uns eine Daueraufgabe. Es geht darum, Trainer, Schiedsrichter, Offizielle, aber auch Eltern und junge Spieler selbst zu sensibilisieren und ein Rüstzeug mit auf den Weg zu geben, wie mit Gefährdungssituationen umzugehen ist. Unsere hauptamtlichen Mitarbeiter haben hier sehr gute Konzepte erarbeitet, die wir jetzt in die Verbände und Vereine weiter tragen. Es gibt keinen anderen Fußballverband, der mit einem so breiten Präventivprogramm ansetzt. Außerdem verbessern wir fortlaufend die technischen Frühwarnsysteme in Zusammenwirken mit der Firma Sportradar. Und ich begrüße es, dass die UEFA jetzt für eine bessere Vernetzung von Informationen in Verdachtsfällen sorgen will.

DFB.de: Und was heißt bessere Maßnahmen im Bereich Repression?

Grindel: Mir ist wichtig darauf hinzuweisen, dass wir im DFB nicht bei Null anfangen. Schon nach dem „Fall Hoyzer“ haben wir Konsequenzen gezogen und in unser Regelwerk ein umfassendes Wettverbot aufgenommen. Spielern, Trainern, Funktionären und Schiedsrichtern sind Wetten in Wettbewerben verboten, in denen ihre Mannschaften beteiligt sind bzw. in denen sie eingesetzt werden. Es gibt auch eine Mitteilungspflicht bei Anbahnungsversuchen. Wir werden im engen Dialog mit der Liga prüfen, ob wir hier weitergehende Präzisierungen im Regelwerk brauchen.

DFB.de: Zeigt die Erfahrung der Fälle Hoyzer und Sapina nicht, dass die Sportgerichtsbarkeit und die Staatsanwaltschaften enger zusammenarbeiten müssten?

Grindel: Das ist ein ganz wichtiger Punkt, wobei gerade bei komplexen Verfahren im Bereich der organisierten Kriminalität wir als DFB natürlich sehen, dass die Staatsanwaltschaften mit der Herausgabe von Informationen zurückhaltend sind. Andererseits müssen die Justizbehörden dafür Verständnis haben, dass wir in der Sportgerichtsbarkeit oftmals schneller handeln können als die ordentlichen Gerichte, sofern wir von Ermittlungsergebnissen erfahren. Um die Integrität des Wettbewerbs zu wahren, sind schnelle Reaktionen nötig. Es wäre wünschenswert, wenn der DFB wie ein Geschädigter im Strafverfahren behandelt werden und dementsprechend schneller Akteneinsicht erhalten könnte. Um für eine vertrauliche Zusammenarbeit zu sorgen, wäre auch daran zu denken, dass die Bundesländer Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Wettbetrugsverfahren einrichten.

DFB.de: Was versprechen Sie sich davon?

Grindel: Dann hätten unsere Verantwortlichen auf der Sportgerichtsebene feste Ansprechpartner bei den Staatsanwaltschaften, was die Qualität der Zusammenarbeit sicher verbessern würde. Ich freue mich, dass es in naher Zukunft zu einer Begegnung von Dr. Theo Zwanziger mit einigen Landesjustizministern kommen soll, bei der wir die Wünsche des DFB vortragen und über ganz praktische Fragen der Zusammenarbeit von Verband und Justiz reden möchten. Nochmal, damit kein falscher Eindruck entsteht: Wir haben im Augenblick keinerlei Verdachtsmomente. Es geht uns auch aus Gründen der Abschreckung einfach darum zu verdeutlichen, dass wir in Deutschland optimal aufgestellt sein wollen und schnell handlungsfähig sind.

DFB.de: Die FIFA-Reform hat in den letzten Wochen für Debatten gesorgt. Aus Ihrer Sicht als Anti-Korruptionsbeauftragter: Was muss sich ändern?

Grindel: Das entscheidende Mittel gegen Korruption ist Transparenz. Dafür muss gesorgt werden. Wir brauchen ein Ethikreglement, das diesen Namen auch verdient und künftig insbesondere Interessenkollisionen ausschließt. Die Spielregeln im Fußball müssen von einer viel umfassender besetzten Regelkommission festgelegt werden und es ist erforderlich, dass die Interessen des Klubfußballs viel stärker einbezogen werden. Der deutsche Fußball spricht bei diesen Themen mit einer Stimme, was Grundvoraussetzung dafür ist, dass wir Gehör finden.

DFB.de: Ein wichtiges Thema ist Hospitality. Am 28. September werden DFB und DFL in Berlin in Anwesenheit von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich dazu eine Selbstverpflichtungserklärung vorlegen. Weshalb braucht man soetwas?

Grindel: Wir haben in Deutschland wohl die modernsten und schönsten Stadien der Welt mit VIP-Bereichen, in denen es zwischen Geschäftspartnern oder auch mit Vertretern des öffentlichen Lebens zu Kontakten kommt. Das ist grundsätzlich als normales Instrument der Beziehungspflege und des gemeinsamen emotionalen Erlebnisses eines Fußballspiels gesellschaftlich anerkannt. Der Fußball hat eine unglaubliche Integrationskraft und fasziniert weite Teile der Bevölkerung. Er lebt auch von Sponsoren, und insoweit gehört zu PR-Maßnahmen auch die Loge oder der Business-Seat im Stadion. Aber für die Glaubwürdigkeit des Fußballs ist es von zentraler Bedeutung, dass beim Umgang mit diesen wertvollen Karten Recht und Gesetz strikt eingehalten werden. Insoweit dürfen wir es nicht zulassen, dass die Faszination des Fußballs für korrupte Zwecke missbraucht wird, wie wir auch Korruption im Verein und bei Spielern nicht dulden. In der Selbstverpflichtungserklärung legen diejenigen, die Einladungen zu Fußballspielen aussprechen, ihre Bedingungen dafür offen.

DFB.de: Was heißt das konkret?

[bild2]

Grindel: Man muss grundsätzlich unterscheiden zwischen der Einladung unter Geschäftspartnern und der Einladung eines Amtsträgers. Bei Einladungen innerhalb der Privatwirtschaft gibt es nur eine Fallkonstellation, die rechtlich problematisch ist: Wenn eine konkrete Vergabeentscheidung ansteht, muss darauf geachtet werden, dass durch die Einladung nicht in unlauterer Weise der freie Wettbewerb beeinflusst wird. Eine Einladung zur Klimapflege bei laufenden Geschäftskontakten oder an den Inhaber eines Unternehmens ist dagegen generell zulässig.

DFB.de: Und bei der Einladung von Amtsträgern?

Grindel: Dabei gilt es, strikt jeden Anschein der Beeinflussung von Verwaltungshandeln zu vermeiden. Bei anstehenden behördlichen Entscheidungen sind unmittelbar oder mittelbar beteiligte Personen auf gar keinen Fall einzuladen. Selbst wenn erst in der Zukunft Verwaltungsentscheidungen anstehen könnten, ist von einer Einladung Abstand zu nehmen, weil nicht der Eindruck entstehen darf, man wolle das Wohlwollen eines Beamten gewinnen. Unbedenklich ist eine Einladung nur dann, wenn sie bei herausgehobenen Vertretern des öffentlichen Lebens ausschließlich zu Repräsentationszwecken erfolgt oder der Amtsträger von seiner vorgesetzten Dienststelle eine Genehmigung zum Besuch der Veranstaltung eingeholt hat. DFB und DFL werden am 28. September ein Rechtsgutachten vorlegen, das ebenso für mehr Klarheit sorgt wie ein Hospitality-Leitfaden, den der Deutsche Olympische Sportbund und die Sponsorenvereinigung S 20 unter Mitwirkung des Bundesinnen- und des Bundesjustizministeriums erstellt haben.

DFB.de: Das klingt trotzdem alles sehr kompliziert. Es wird immer wieder die Forderung nach mehr Rechtssicherheit erhoben. Müssen nicht vor dem Hintergrund des bekannt gewordenen Verfahrens gegen den früheren EnBW-Vorstandsvorsitzenden Utz Claassen Änderungen im Korruptionsstrafrecht her?

Grindel: Sie haben Recht. Wir brauchen Rechtssicherheit, damit die über 30.000 Besucher von VIP-Bereichen, die an jedem Wochenende Fußballspiele anschauen, nicht das Gefühl haben, mit einem Bein im Stadion und mit dem anderen im Gefängnis zu sitzen. Aber jede Eingrenzung des Korruptionsstrafrechts würde die Gefahr beinhalten, dass strafwürdiges Verhalten vielleicht nicht mehr erfasst werden könnte. Der DFB kann nicht die Hand zu einer Lockerung des Korruptionsstrafrechts reichen. Was wir brauchen sind Leitplanken, an denen sich Einladende, die Eingeladenen und auch die Staatsanwaltschaften orientieren können. Sowohl mit unserer Selbstverpflichtungserklärung, die der DFB gemeinsam mit der DFL entwickelt hat, als auch mit dem Leitfaden „Hospitality und Strafrecht“ des DOSB und der S20 setzen wir solche Leitplanken. Wir sollten jetzt einmal abwarten, ob diese Initiativen für mehr Rechtssicherheit sorgen und von der Praxis so positiv aufgenommen werden, wie wir uns das erhoffen.

DFB.de: Wird nicht aber mit der VIP-Logen-Vermarktung einer unguten Kommerzialisierung des Fußballs Vorschub geleistet?

Grindel: Nein, ganz im Gegenteil. Einmal trifft das Thema Hospitality nicht nur den Fußball, sondern besonders stark auch den Kulturbereich, wo ähnliche Sponsoring-Maßnahmen üblich sind und die gleichen Unsicherheiten bestehen. Zum anderen muss man eines wissen: in Deutschland gibt es im Verhältnis zur englischen Premier League oder zur spanischen Primera Division deutlich günstigere Eintrittspreise. Das liegt an der Quersubvention durch die Logenplätze und Business-Seats. Die VIP-Bereiche machen zwar nur rund sechs Prozent der Stadionkapazität, aber etwa 52 Prozent der Ticketingerlöse aus. Das zeigt die enorme Bedeutung des Hospitality-Themas. Unsere sehr moderaten Eintrittspreise in der Bundesliga oder auch den Spielen der Nationalmannschaft würden in Gefahr geraten, wenn wir Einbrüche beim Hospitality-Bereich hätten.