Grenzgänger in Schwarz-Rot-Oranje

In den Niederlanden ist Kristian van Bentem immer der Deutsche. In Deutschland ist er der Holländer. Der 51-Jährige ist in Den Haag geboren und in Enschede aufgewachsen. Seine Mutter ist Deutsche, sein Vater Niederländer. Seit 1990 lebt er in Münster. Mit beiden Nationen identifiziert er sich. Doch beim Fußball gibt es für das Fan Club-Mitglied nur ein Team: die deutsche Nationalmannschaft.

"Wenn wir gestern nicht noch den Ausgleich erzielt hätten, wärst Du hier heute nicht mehr reingekommen", sagt Kristians Lehrer nach dem 2:2 zwischen Deutschland und den Niederlanden bei der Weltmeisterschaft 1978. An seiner Schule in Enschede bekam der damals elfjährige Holländer mit deutscher Mutter solche Sprüche häufiger zu hören. Denn jeder wusste, dass Kristians Herz für die deutsche Nationalmannschaft schlägt.

In seiner Schule nahe der deutschen Grenze habe es kein anderes Thema gegeben außer Fußball, sagt Kristian van Bentem: "Und ich war immer der deutsche Junge aus der Nachbarschaft. Ich war also immer der Außenseiter. Der Einzige, der zu Deutschland gehalten hat." Doch Kristian fühlte sich in dieser Rolle nicht unwohl. Etwas Besonderes, etwas Außergewöhnliches zu sein, gefiel ihm sogar. "Auch wenn es in den 70er- und 80er-Jahren hin und wieder wirklich nicht einfach war als halber Deutscher in Holland zu leben", ergänzt er.

Tiefe Wunden

Auch wenn van Bentem die Weltmeisterschaft 1974 noch nicht wirklich mitbekommen hat: Dieses Turnier, weiß er, habe in der niederländischen Seele tiefe Wunden hinterlassen: "Nach der WM war für die Holländer etwas geradezurücken. Als bessere Mannschaft das Finale zu verlieren, das hat das gesamte Land in eine kollektive Depression gestürzt." Auf eine Revanche musste "Oranje" 14 Jahre warten.

Die Europameisterschaft 1988 verfolgte Kristian während seines Wehrdienstes in einer niederländischen Kaserne im niedersächsischen Seefeld. Für das Halbfinale zwischen der deutschen und der niederländischen Mannschaft nahm er sich Urlaub und verfolgte es mit Freunden in der Heimat. Wie viele andere deutsche Fans stellte er sich schon fest auf eine Verlängerung ein – bis Marco van Basten kurz vor Schluss der regulären Spielzeit das Spiel zu Gunsten der Niederlande entschied. "Das war wie ein Schlag ins Gesicht", sagt van Bentem.

Ein Meer in Oranje

Bei seiner Rückkehr in die Kaserne fühlte sich der Deutschland-Fan in seine Schulzeit zurückversetzt, nur viel schlimmer. "Unfassbar, wie viele dumme Sprüche ich mir da anhören musste", sagt er. Den EM-Triumph der Niederländer verfolgte er dann zwischen seinen Kameraden – in einem Meer in Oranje. Immerhin: In der Stunde des Erfolgs hatten nur noch die Wenigsten Augen für ihn und so blieben ihm wenigstens an diesem Abend Häme und Spott erspart. Und auf die Revanche der Revanche musste Kristian dann nur zwei Jahre warten.

Das Achtelfinale der WM 1990 wird er nie vergessen. "Da war wirklich alles dabei", sagt Kristian zum 2:1 der deutschen Mannschaft. "Das war eines der größten Fußballerlebnisse meines Lebens." Quasi mit dem dritten WM-Titel der DFB-Geschichte zog Kristian nach Münster. In seiner neuen Wahlheimat war er von heute auf morgen nicht mehr der Deutsche. "Plötzlich war ich der Holländer", erklärt er und verweist auf seinen neuen Spitznamen "Holli", den er bis heute nicht abgelegt hat.

Deutscher Pass

Mittlerweile ist Deutschland zu seiner Heimat geworden. Seit zehn Jahren besitzt er neben der niederländischen auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Seinen holländischen Pass abzugeben sei für ihn nie in Frage gekommen. Er macht deutlich: "Ich möchte meine Wurzeln und meine Herkunft nicht leugnen. Holland ist genauso ein Teil von mir wie Deutschland."

Verständlich, dass Begegnungen zwischen seinen beiden Nationalitäten etwas ganz Besonderes für ihn sind. "Dieses Duell begleitet mich mein ganzes Leben", resümiert Kristian van Bentem, weshalb er auch beim Nations-League-Spiel auf Schalke live im Stadion dabei sein möchte.

Auch wenn die Brisanz bei Spielen zwischen den Niederlanden und Deutschland in den vergangenen Jahren merklich abgenommen habe, sei der 3:0-Erfolg der Holländer im Oktober wie eine Befreiung für Oranje gewesen. Ähnliches wünscht sich van Bentem in Gelsenkirchen für die deutsche Mannschaft. Denn so ganz kann er die Rivalität zwischen den beiden Fußballnationen nicht ablegen, wie sein Autokennzeichen beweist: Nach dem Kürzel MS für seinen Wohnort Münster folgen die Kombination WM und 1974.

[jh]

In den Niederlanden ist Kristian van Bentem immer der Deutsche. In Deutschland ist er der Holländer. Der 51-Jährige ist in Den Haag geboren und in Enschede aufgewachsen. Seine Mutter ist Deutsche, sein Vater Niederländer. Seit 1990 lebt er in Münster. Mit beiden Nationen identifiziert er sich. Doch beim Fußball gibt es für das Fan Club-Mitglied nur ein Team: die deutsche Nationalmannschaft.

"Wenn wir gestern nicht noch den Ausgleich erzielt hätten, wärst Du hier heute nicht mehr reingekommen", sagt Kristians Lehrer nach dem 2:2 zwischen Deutschland und den Niederlanden bei der Weltmeisterschaft 1978. An seiner Schule in Enschede bekam der damals elfjährige Holländer mit deutscher Mutter solche Sprüche häufiger zu hören. Denn jeder wusste, dass Kristians Herz für die deutsche Nationalmannschaft schlägt.

In seiner Schule nahe der deutschen Grenze habe es kein anderes Thema gegeben außer Fußball, sagt Kristian van Bentem: "Und ich war immer der deutsche Junge aus der Nachbarschaft. Ich war also immer der Außenseiter. Der Einzige, der zu Deutschland gehalten hat." Doch Kristian fühlte sich in dieser Rolle nicht unwohl. Etwas Besonderes, etwas Außergewöhnliches zu sein, gefiel ihm sogar. "Auch wenn es in den 70er- und 80er-Jahren hin und wieder wirklich nicht einfach war als halber Deutscher in Holland zu leben", ergänzt er.

Tiefe Wunden

Auch wenn van Bentem die Weltmeisterschaft 1974 noch nicht wirklich mitbekommen hat: Dieses Turnier, weiß er, habe in der niederländischen Seele tiefe Wunden hinterlassen: "Nach der WM war für die Holländer etwas geradezurücken. Als bessere Mannschaft das Finale zu verlieren, das hat das gesamte Land in eine kollektive Depression gestürzt." Auf eine Revanche musste "Oranje" 14 Jahre warten.

Die Europameisterschaft 1988 verfolgte Kristian während seines Wehrdienstes in einer niederländischen Kaserne im niedersächsischen Seefeld. Für das Halbfinale zwischen der deutschen und der niederländischen Mannschaft nahm er sich Urlaub und verfolgte es mit Freunden in der Heimat. Wie viele andere deutsche Fans stellte er sich schon fest auf eine Verlängerung ein – bis Marco van Basten kurz vor Schluss der regulären Spielzeit das Spiel zu Gunsten der Niederlande entschied. "Das war wie ein Schlag ins Gesicht", sagt van Bentem.

Ein Meer in Oranje

Bei seiner Rückkehr in die Kaserne fühlte sich der Deutschland-Fan in seine Schulzeit zurückversetzt, nur viel schlimmer. "Unfassbar, wie viele dumme Sprüche ich mir da anhören musste", sagt er. Den EM-Triumph der Niederländer verfolgte er dann zwischen seinen Kameraden – in einem Meer in Oranje. Immerhin: In der Stunde des Erfolgs hatten nur noch die Wenigsten Augen für ihn und so blieben ihm wenigstens an diesem Abend Häme und Spott erspart. Und auf die Revanche der Revanche musste Kristian dann nur zwei Jahre warten.

Das Achtelfinale der WM 1990 wird er nie vergessen. "Da war wirklich alles dabei", sagt Kristian zum 2:1 der deutschen Mannschaft. "Das war eines der größten Fußballerlebnisse meines Lebens." Quasi mit dem dritten WM-Titel der DFB-Geschichte zog Kristian nach Münster. In seiner neuen Wahlheimat war er von heute auf morgen nicht mehr der Deutsche. "Plötzlich war ich der Holländer", erklärt er und verweist auf seinen neuen Spitznamen "Holli", den er bis heute nicht abgelegt hat.

Deutscher Pass

Mittlerweile ist Deutschland zu seiner Heimat geworden. Seit zehn Jahren besitzt er neben der niederländischen auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Seinen holländischen Pass abzugeben sei für ihn nie in Frage gekommen. Er macht deutlich: "Ich möchte meine Wurzeln und meine Herkunft nicht leugnen. Holland ist genauso ein Teil von mir wie Deutschland."

Verständlich, dass Begegnungen zwischen seinen beiden Nationalitäten etwas ganz Besonderes für ihn sind. "Dieses Duell begleitet mich mein ganzes Leben", resümiert Kristian van Bentem, weshalb er auch beim Nations-League-Spiel auf Schalke live im Stadion dabei sein möchte.

Auch wenn die Brisanz bei Spielen zwischen den Niederlanden und Deutschland in den vergangenen Jahren merklich abgenommen habe, sei der 3:0-Erfolg der Holländer im Oktober wie eine Befreiung für Oranje gewesen. Ähnliches wünscht sich van Bentem in Gelsenkirchen für die deutsche Mannschaft. Denn so ganz kann er die Rivalität zwischen den beiden Fußballnationen nicht ablegen, wie sein Autokennzeichen beweist: Nach dem Kürzel MS für seinen Wohnort Münster folgen die Kombination WM und 1974.

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