Grafite und Dzeko: Das beste Sturmduo der Bundesligageschichte

50 Jahre, 50 Gesichter: Für DFB.de erzählt der Autor und Historiker Udo Muras die Geschichte der Bundesliga an Persönlichkeiten nach, die die deutsche Eliteliga prägten. Jahr für Jahr. 2008/2009 gaben Edin Dzeko und Grafite der Meisterschaft des VfL Wolfsburg ihr Gesicht, sie knackten einen 36 Jahre alten Rekord. Darum gibt es heute ein Doppelporträt.

Als es vollbracht war, das größte Bundesliga-Wunder nach der Meisterschaft des 1. FC Kaiserslautern 1998, sprachen sie wie aus einem Munde. "Es war mit Abstand der bisherige Höhepunkt meiner Laufbahn", sagte der eine. "Jetzt bin ich eindeutig auf dem Höhepunkt meiner Laufbahn", sagte der andere. Ein Bosnier und ein Brasilianer, die eine Sprache sprechen, die auf und neben dem Platz harmonierten als wären sie Brüder - an diesem 23. Mai 2009 wurde es noch einmal deutlich. Edin Dzeko und Grafite waren das neue Traumpaar der Bundesliga, trotz eines Franck Ribéry und Luca Toni.

Als "No-Names" verpflichtet

Denn es war die Saison der Wolfsburger und nicht die der Bayern, die im April von den "Wölfen" regelrecht gefressen wurden. Nach jenem 5:1 übernahm der VfL, nach der Vorrunde noch Neunter, erstmals die Tabellenführung und gab sie nicht mehr ab. Natürlich war es vor allem das Werk von Trainer-Manager Felix Magath, dessen Personalpolitik in diesem Jahr glänzend bestätigt wurde. Dazu gehörte die Verpflichtung zweier Stürmer, die keiner kannte.

Dzeko kam im Alter von 21 aus Teplice, in 16 Ligaspielen hatte er vier Tore erzielt. Warum Magath für diesen Mann vier Millionen Euro investierte, verstanden die wenigsten. Doch der Magier erkannte das Potenzial des pfeilschnellen und technisch versierten Stürmers. Ebenfalls im Jahr 2007 verpflichtete Magath einen sperrigen Stürmer, den die Fachpresse schnell zum "Anti-Brasilianer" ernannte. Für Grafite zahlte der VfL 7,5 Millionen Euro an Le Mans, denn der Trainer glaubte auch an ihn. Edinaldo Batista Grafite schoss in seiner ersten Saison 2007/2008 immerhin elf Tore, Dzeko acht. Das machte Appetit auf mehr.

Dass sie sich im Folgejahr dermaßen steigern würden, dass ein 1973 aufgestellter Bundesligarekord fallen würde, war aber ebenso wenig zu erwarten wie die Tatsache, dass Aufsteiger TSG Hoffenheim Herbstmeister und dann der VfL Meister werden würde. All das aber geschah in der verrückten 46. Bundesligasaison.

Wolfsburger Fußball-Märchen in der Rückrunde

Wobei das Wolfsburger Fußball-Märchen erst in der Rückrunde atemberaubende Züge erhielt. Grafite kam in der Hinrunde aus dem Tritt, eine Sperre und Verletzungen belasteten den Sportler, der Tod des Vaters den Menschen. Sein Torzähler stand Weihnachten "nur" bei elf, Dzeko hatte gar nur fünf Treffer erzielt und der VfL stand auf Platz neun - nichts deutete auf das Meister-Wunder hin. Doch Magath-Mannschaften können bekanntlich immer zulegen; das Paradebeispiel dafür lieferte der VfL im Frühjahr 2009.

Am 19. Spieltag begann die Rekordserie von zehn Siegen in Folge und der Torrausch des Sturmduos, von dem Magath sagte "sie sind ein Stürmerpaar, das den Unterschied macht." In der Tat, wie beim 4:3 gegen Schalke und besagtem 5:1 gegen die Bayern, als sie jeweils zwei Tore schossen und sich Grafite mit seinem Hackentreffer ein Denkmal setzte. Es wurde das Tor des Jahres 2009 und das Symbol für die vorübergehende Wachablösung im deutschen Fußball.

Rekord geknackt: 54 Treffer als Sturmduo

Die Bayern hatten besonders unter dem Bomber-Duo zu leiden, das nur in einem Rückrundenspiel (0:2 in Cottbus) torlos blieb. Hielten die FCB-Legenden Gerd Müller und Uli Hoeneß doch den Rekord, das torgefährlichste Sturmduo zu sein - mit 53 Treffern in der Spielzeit 1972/1973. Doch am Tag, als der VfL mit einem 5:1 gegen Werder Meister wurde, fiel auch diese Marke: Grafite (28) und Dzeko (26) setzten buchstäblich noch einen drauf - 54 Tore!

"Wir beide waren uns im Klaren darüber, dass wir diese Marke knacken konnten, aber eigentlich ist es doch unglaublich", staunte Dzeko über seine eigenen Taten und die seines Partners, der postulierte: "Wir sind das perfekte Paar." Trotzdem rief Grafite noch auf dem Platz weinend vor Überwältigung erst mal zu Hause in Brasilien an um auch der Mama zu danken, deren Glücksbringer - ein Armband - er im Schienbeinschoner trug. Er konnte eine Menge vermelden: die Meisterschaft, den Titel des Torschützenkönigs und das Knacken eines uralten Rekords, zusammen mit seinem bosnischen Freund, der vom "bislang schönsten Tag in meinem Leben sprach".

Von diesem Gipfel musste es bergab gehen, mit Magaths Wechsel zu Schalke noch im selben Sommer endete das VfL-Märchen. Grafite und Dzeko schossen gemeinsam noch 52 Tore, nun aber auf zwei Jahre verteilt. Während der heute 34-jährige Grafite seine Karriere in Saudi-Arabien (Al-Ahli) ausklingen lässt, versucht Dzeko seit 2011 sein Glück bei Manchester City. Zuweilen fällt sein Name noch, wenn Bundesligisten Topstürmer suchen, denn noch ist das Wolfsburger Traum-Duo nicht ganz vergessen.

Grafites Bundesligabilanz: 107 Spiele, 59 Tore, einmal Deutscher Meister und Torschützenkönig (beides 2009).

Dzekos Bundesligabilanz: 111 Spiele, 66 Tore, einmal Meister (2009), einmal Torschützenkönig (2010).

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50 Jahre, 50 Gesichter: Für DFB.de erzählt der Autor und Historiker Udo Muras die Geschichte der Bundesliga an Persönlichkeiten nach, die die deutsche Eliteliga prägten. Jahr für Jahr. 2008/2009 gaben Edin Dzeko und Grafite der Meisterschaft des VfL Wolfsburg ihr Gesicht, sie knackten einen 36 Jahre alten Rekord. Darum gibt es heute ein Doppelporträt.

Als es vollbracht war, das größte Bundesliga-Wunder nach der Meisterschaft des 1. FC Kaiserslautern 1998, sprachen sie wie aus einem Munde. "Es war mit Abstand der bisherige Höhepunkt meiner Laufbahn", sagte der eine. "Jetzt bin ich eindeutig auf dem Höhepunkt meiner Laufbahn", sagte der andere. Ein Bosnier und ein Brasilianer, die eine Sprache sprechen, die auf und neben dem Platz harmonierten als wären sie Brüder - an diesem 23. Mai 2009 wurde es noch einmal deutlich. Edin Dzeko und Grafite waren das neue Traumpaar der Bundesliga, trotz eines Franck Ribéry und Luca Toni.

Als "No-Names" verpflichtet

Denn es war die Saison der Wolfsburger und nicht die der Bayern, die im April von den "Wölfen" regelrecht gefressen wurden. Nach jenem 5:1 übernahm der VfL, nach der Vorrunde noch Neunter, erstmals die Tabellenführung und gab sie nicht mehr ab. Natürlich war es vor allem das Werk von Trainer-Manager Felix Magath, dessen Personalpolitik in diesem Jahr glänzend bestätigt wurde. Dazu gehörte die Verpflichtung zweier Stürmer, die keiner kannte.

Dzeko kam im Alter von 21 aus Teplice, in 16 Ligaspielen hatte er vier Tore erzielt. Warum Magath für diesen Mann vier Millionen Euro investierte, verstanden die wenigsten. Doch der Magier erkannte das Potenzial des pfeilschnellen und technisch versierten Stürmers. Ebenfalls im Jahr 2007 verpflichtete Magath einen sperrigen Stürmer, den die Fachpresse schnell zum "Anti-Brasilianer" ernannte. Für Grafite zahlte der VfL 7,5 Millionen Euro an Le Mans, denn der Trainer glaubte auch an ihn. Edinaldo Batista Grafite schoss in seiner ersten Saison 2007/2008 immerhin elf Tore, Dzeko acht. Das machte Appetit auf mehr.

Dass sie sich im Folgejahr dermaßen steigern würden, dass ein 1973 aufgestellter Bundesligarekord fallen würde, war aber ebenso wenig zu erwarten wie die Tatsache, dass Aufsteiger TSG Hoffenheim Herbstmeister und dann der VfL Meister werden würde. All das aber geschah in der verrückten 46. Bundesligasaison.

Wolfsburger Fußball-Märchen in der Rückrunde

Wobei das Wolfsburger Fußball-Märchen erst in der Rückrunde atemberaubende Züge erhielt. Grafite kam in der Hinrunde aus dem Tritt, eine Sperre und Verletzungen belasteten den Sportler, der Tod des Vaters den Menschen. Sein Torzähler stand Weihnachten "nur" bei elf, Dzeko hatte gar nur fünf Treffer erzielt und der VfL stand auf Platz neun - nichts deutete auf das Meister-Wunder hin. Doch Magath-Mannschaften können bekanntlich immer zulegen; das Paradebeispiel dafür lieferte der VfL im Frühjahr 2009.

Am 19. Spieltag begann die Rekordserie von zehn Siegen in Folge und der Torrausch des Sturmduos, von dem Magath sagte "sie sind ein Stürmerpaar, das den Unterschied macht." In der Tat, wie beim 4:3 gegen Schalke und besagtem 5:1 gegen die Bayern, als sie jeweils zwei Tore schossen und sich Grafite mit seinem Hackentreffer ein Denkmal setzte. Es wurde das Tor des Jahres 2009 und das Symbol für die vorübergehende Wachablösung im deutschen Fußball.

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Rekord geknackt: 54 Treffer als Sturmduo

Die Bayern hatten besonders unter dem Bomber-Duo zu leiden, das nur in einem Rückrundenspiel (0:2 in Cottbus) torlos blieb. Hielten die FCB-Legenden Gerd Müller und Uli Hoeneß doch den Rekord, das torgefährlichste Sturmduo zu sein - mit 53 Treffern in der Spielzeit 1972/1973. Doch am Tag, als der VfL mit einem 5:1 gegen Werder Meister wurde, fiel auch diese Marke: Grafite (28) und Dzeko (26) setzten buchstäblich noch einen drauf - 54 Tore!

"Wir beide waren uns im Klaren darüber, dass wir diese Marke knacken konnten, aber eigentlich ist es doch unglaublich", staunte Dzeko über seine eigenen Taten und die seines Partners, der postulierte: "Wir sind das perfekte Paar." Trotzdem rief Grafite noch auf dem Platz weinend vor Überwältigung erst mal zu Hause in Brasilien an um auch der Mama zu danken, deren Glücksbringer - ein Armband - er im Schienbeinschoner trug. Er konnte eine Menge vermelden: die Meisterschaft, den Titel des Torschützenkönigs und das Knacken eines uralten Rekords, zusammen mit seinem bosnischen Freund, der vom "bislang schönsten Tag in meinem Leben sprach".

Von diesem Gipfel musste es bergab gehen, mit Magaths Wechsel zu Schalke noch im selben Sommer endete das VfL-Märchen. Grafite und Dzeko schossen gemeinsam noch 52 Tore, nun aber auf zwei Jahre verteilt. Während der heute 34-jährige Grafite seine Karriere in Saudi-Arabien (Al-Ahli) ausklingen lässt, versucht Dzeko seit 2011 sein Glück bei Manchester City. Zuweilen fällt sein Name noch, wenn Bundesligisten Topstürmer suchen, denn noch ist das Wolfsburger Traum-Duo nicht ganz vergessen.

Grafites Bundesligabilanz: 107 Spiele, 59 Tore, einmal Deutscher Meister und Torschützenkönig (beides 2009).

Dzekos Bundesligabilanz: 111 Spiele, 66 Tore, einmal Meister (2009), einmal Torschützenkönig (2010).