Grabowski und die Wasserschlacht 1974: "Es war ein Glücksspiel"

41 Jahre und knapp zwei Monate nach der legendären Regenschlacht zwischen Deutschland und Polen in der WM-Finalrunde von 1974 in Frankfurt findet an selber Stelle in der Qualifikation für die EM 2016 in Frankreich die Neuauflage statt. Heute (ab 20.45 Uhr, live auf RTL) geht es zwar nicht um den WM-Finaleinzug, aber doch um eine Weichenstellung auf dem Weg in Richtung EURO.

1974 war Jürgen Grabowski eine der prägenden Figuren in der Nationalmannschaft - und natürlich hat der Frankfurter noch lebhafte Erinnerungen an die Partie im damaligen Waldstadion. Mit DFB.de hat der heute 71-Jährige sie geteilt.

DFB.de: Herr Grabowski, wenn Sie an das Spiel gegen Polen am 3. Juli 1974 zurückdenken, was kommt Ihnen sofort in den Sinn: der entscheidende Treffer von Gerd Müller, der verschossene Elfmeter von Uli Hoeneß oder das Wasser von oben?

Jürgen Grabowski: Am Regen kommt man nicht vorbei. Dass Gerd Müller den Siegtreffer geschossen hat, war eine wunderbare Sache. Uli Hoeneß wird sicher ungerne an seinen verschossenen Elfmeter zurückdenken. Der Regen aber hat alles überschattet. Für mich und Bernd Hölzenbein war die Partie ein Heimspiel, die Freude war riesengroß. Wir waren darauf fokussiert, im heimischen Stadion gut zu spielen und ins Endspiel einzuziehen. Und dann kam der Regen. Plötzlich waren ganz andere Gedanken im Spiel.

DFB.de: Was haben Sie stattdessen gedacht?

Grabowski: Nachdem wir mitbekommen hatten, dass es wie aus Eimern schüttet, sind wir rausgegangen und haben gesehen, dass der Platz unter Wasser steht. Jeder von uns hatte den gleichen Gedanken: Die Vorfreude können wir abhaken, das Spiel fällt aus. Mit diesem Gedanken sind wir in die Kabine zurück und haben ständig nach Wasserstandsmeldungen gefragt. Dann hat es aufgehört zu regnen, und die fleißigen Helfer waren dran zu retten, was zu retten war.

DFB.de: Sie hatten also nicht damit gerechnet, dass noch angepfiffen wird?

Grabowski: Das ging nicht nur mir so. Die Wassermassen waren zu gewaltig.

DFB.de: Wann haben Sie erfahren, dass doch noch angepfiffen wird?

Grabowski: Wir saßen in der Kabine und waren unheimlich überrascht. Der Platz war, so gut es ging, hergerichtet worden, die Helfer hatten Übermenschliches geleistet. Aber er war immer noch morastig und tief.

DFB.de: Wie mussten Sie dann Ihr Spiel umstellen? Kurze Pässe waren wahrscheinlich kaum möglich.

Grabowski: Ich will es nicht dramatisieren. Aber kurze Pässe sind oftmals nach zwei, drei Metern in einer Pfütze steckengeblieben. Es war beschwerlich und grenzwertig. Man musste halbhohe Pässe schlagen, dann war die Chance am größten, den Mitspieler zu erreichen. Alles andere war Glücksspiel. Selbst wenn man einen Gegner ausgespielt hatte, kam man nicht von der Stelle. Über Einzelaktionen ging nichts, nur über die Mannschaft.



41 Jahre und knapp zwei Monate nach der legendären Regenschlacht zwischen Deutschland und Polen in der WM-Finalrunde von 1974 in Frankfurt findet an selber Stelle in der Qualifikation für die EM 2016 in Frankreich die Neuauflage statt. Heute (ab 20.45 Uhr, live auf RTL) geht es zwar nicht um den WM-Finaleinzug, aber doch um eine Weichenstellung auf dem Weg in Richtung EURO.

1974 war Jürgen Grabowski eine der prägenden Figuren in der Nationalmannschaft - und natürlich hat der Frankfurter noch lebhafte Erinnerungen an die Partie im damaligen Waldstadion. Mit DFB.de hat der heute 71-Jährige sie geteilt.

DFB.de: Herr Grabowski, wenn Sie an das Spiel gegen Polen am 3. Juli 1974 zurückdenken, was kommt Ihnen sofort in den Sinn: der entscheidende Treffer von Gerd Müller, der verschossene Elfmeter von Uli Hoeneß oder das Wasser von oben?

Jürgen Grabowski: Am Regen kommt man nicht vorbei. Dass Gerd Müller den Siegtreffer geschossen hat, war eine wunderbare Sache. Uli Hoeneß wird sicher ungerne an seinen verschossenen Elfmeter zurückdenken. Der Regen aber hat alles überschattet. Für mich und Bernd Hölzenbein war die Partie ein Heimspiel, die Freude war riesengroß. Wir waren darauf fokussiert, im heimischen Stadion gut zu spielen und ins Endspiel einzuziehen. Und dann kam der Regen. Plötzlich waren ganz andere Gedanken im Spiel.

DFB.de: Was haben Sie stattdessen gedacht?

Grabowski: Nachdem wir mitbekommen hatten, dass es wie aus Eimern schüttet, sind wir rausgegangen und haben gesehen, dass der Platz unter Wasser steht. Jeder von uns hatte den gleichen Gedanken: Die Vorfreude können wir abhaken, das Spiel fällt aus. Mit diesem Gedanken sind wir in die Kabine zurück und haben ständig nach Wasserstandsmeldungen gefragt. Dann hat es aufgehört zu regnen, und die fleißigen Helfer waren dran zu retten, was zu retten war.

DFB.de: Sie hatten also nicht damit gerechnet, dass noch angepfiffen wird?

Grabowski: Das ging nicht nur mir so. Die Wassermassen waren zu gewaltig.

DFB.de: Wann haben Sie erfahren, dass doch noch angepfiffen wird?

Grabowski: Wir saßen in der Kabine und waren unheimlich überrascht. Der Platz war, so gut es ging, hergerichtet worden, die Helfer hatten Übermenschliches geleistet. Aber er war immer noch morastig und tief.

DFB.de: Wie mussten Sie dann Ihr Spiel umstellen? Kurze Pässe waren wahrscheinlich kaum möglich.

Grabowski: Ich will es nicht dramatisieren. Aber kurze Pässe sind oftmals nach zwei, drei Metern in einer Pfütze steckengeblieben. Es war beschwerlich und grenzwertig. Man musste halbhohe Pässe schlagen, dann war die Chance am größten, den Mitspieler zu erreichen. Alles andere war Glücksspiel. Selbst wenn man einen Gegner ausgespielt hatte, kam man nicht von der Stelle. Über Einzelaktionen ging nichts, nur über die Mannschaft.

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DFB.de: Denkt man als Spieler zwischendrin: Das ist doch Wahnsinn, dass wir unter diesen Bedingungen spielen müssen?

Grabowski: Wir haben versucht, das Beste daraus zu machen. Es hat ja auch nicht mehr geregnet. Jeder von uns war darauf eingestellt, dass das Spiel bis zur 90. Minute durchgezogen wird.

DFB.de: Hatten Sie Verständnis für die Entscheidung des Schiedsrichters? Hätten Sie das Spiel auch angepfiffen?

Grabowski: Das ist schwer zu sagen. Verständnis für den Schiedsrichter hatte ich auf alle Fälle. Aber ein anderer Platz wäre natürlich für ein schönes Spiel besser gewesen. Ich weiß nicht, ob der Schiedsrichter sich sicher war, dass er wirklich das Richtige tut. Aber wenn so ein Spiel gespielt wird und man gewinnt, dann sieht man über vieles hinweg.

DFB.de: Schiedsrichter Erich Linemayr sagte Jahrzehnte nach dem Spiel einmal, er habe auch so entschieden, weil beide Mannschaften als technisch stark bekannt waren.

Grabowski: Man geht davon aus, dass technisch versierte Spieler auf so einem Platz besser zurechtkommen. Ich bin allerdings der Meinung, dass ein technisch guter Spieler auch einen guten Platz braucht, um seine Fähigkeiten voll auszuspielen. Für mich hat der kämpferisch veranlagte Spieler auf diesem Untergrund Vorteile.

DFB.de: Das Spiel fand in Ihrer Stadt statt, in Ihrem Stadion. Hatten Sie einen solchen Regen dort schon mal erlebt?

Grabowski: Nein. Wenn das ein paar Stunden vorher passiert wäre oder am Abend nach Abpfiff, hätte jeder gesagt: Mensch, so einen Regen hatten wir hier ja noch nie. Es war schon komisch, dass dieser Regen ausgerechnet kurz vor dem Spiel niederging und es derart beeinflusste.

DFB.de: Die Polen hatten 1974 eine starke Mannschaft. Kapitän Franz Beckenbauer gab später zu Protokoll: "Bei normalen Verhältnissen hätten wir wahrscheinlich keine Chance gehabt." Sind Sie seiner Meinung?

Grabowski: Wir hatten gerade gegen Jugoslawien und gegen Schweden gewonnen, wir waren auf dem aufsteigenden Ast. Wir haben uns, wie schon immer, im Verlauf des Turniers gesteigert. Die Polen hatten damals eine technisch starke Mannschaft. Und da schließt sich der Kreis: Sie sind mit den Bedingungen schlechter fertiggeworden wie wir. Ob wir auf normalem Untergrund wirklich total unterlegen gewesen wären, lassen wir mal dahingestellt.

DFB.de: War Ihnen schon während des Spiels bewusst, dass diese kuriose Partie in die Geschichte eingehen wird?

Grabowski: Das war jedem gleich bewusst. Als Sieger sagt man sich hinterher natürlich: Ach, es war doch ganz gut, dass angepfiffen wurde.