Gibraltar: Felsenfeste Feierlaune

Die kleinste Fußballnation Europas trifft auf die größte: Gibraltar ist erst seit eineinhalb Jahren UEFA-Mitglied, hat nur einen Fußballplatz - und so richtig Lust auf das EM-Qualifikationsspiel gegen den Weltmeister heute Abend (ab 20.45 Uhr, live bei RTL) in Nürnberg.

Das Team der Polizisten, Feuerwehrleute und Hafenarbeiter genießt seine Auftritte auf der großen europäischen Bühne, hat sogar schon eines seiner acht Länderspiele gewonnen. In der EM-Qualifikation warten die Gibraltarer aber noch auf ein Erfolgserlebnis. Wobei das nicht ganz stimmt: Die Teilnahme an sich ist für sie schon ein historisches Ereignis.

An einem normalen Nachmittag gehört der Grand Casemates Square den Touristen. Mehr als zehn Millionen kommen im Jahr, um sich den alten Festungsplatz anzuschauen, die Affen auf dem Felsen, den Blick über die Meerenge nach Afrika und, natürlich, die ganze Kuriosität dieser sechs Quadratkilometer in der mediterranen Hitze Andalusiens - das britische Überseegebiet Gibraltar.

14 Jahre um Aufnahme in die UEFA gekämpft

An einem sonnigen Mainachmittag 2013 gehörten Platz, Hauptstraße und Altstadt dem Fußball. Es gab Großes zu feiern. Ein Dudelsack-Orchester zog durch die Straßen, dahinter Mädchen als Cheerleader und Vertreter von allen Vereinen, ordentlich aufgereiht Klub für Klub. Am Ende der Prozession stand eine Bühne auf dem Casemates Square, die wichtigsten Honoratioren der Stadt sprachen, und schließlich wurden auch die Nationalspieler herbeigebeten – die sich, daher die Party, nun auch offiziell als solche bezeichnen durften. Unzweideutig und europaweit anerkannt.

Wohl selten ist ein im Grunde bürokratischer Akt im Fußball so zelebriert worden. Aber die Gibraltar Football Association (GFA) hatte ja auch 14 Jahre um die Aufnahme in die UEFA gekämpft. Nun löste die knapp 30.000 Bewohner starke Felsenkolonie endlich San Marino als kleinste Fußballnation des Kontinents ab und wurde im Februar 2014 erstmals für die Auslosung der EM-Qualifikationsgruppen eingebucht. Dort landete Gibraltar ursprünglich in der spanischen Gruppe. Doch weil Partien zwischen beiden Nationen aus politischen Gründen – Spanien erhebt Anspruch auf das Gebiet – nicht sein dürfen, wanderte es eine Gruppe weiter. Zum deutschen Team.



Die kleinste Fußballnation Europas trifft auf die größte: Gibraltar ist erst seit eineinhalb Jahren UEFA-Mitglied, hat nur einen Fußballplatz - und so richtig Lust auf das EM-Qualifikationsspiel gegen den Weltmeister heute Abend (ab 20.45 Uhr, live bei RTL) in Nürnberg.

Das Team der Polizisten, Feuerwehrleute und Hafenarbeiter genießt seine Auftritte auf der großen europäischen Bühne, hat sogar schon eines seiner acht Länderspiele gewonnen. In der EM-Qualifikation warten die Gibraltarer aber noch auf ein Erfolgserlebnis. Wobei das nicht ganz stimmt: Die Teilnahme an sich ist für sie schon ein historisches Ereignis.

An einem normalen Nachmittag gehört der Grand Casemates Square den Touristen. Mehr als zehn Millionen kommen im Jahr, um sich den alten Festungsplatz anzuschauen, die Affen auf dem Felsen, den Blick über die Meerenge nach Afrika und, natürlich, die ganze Kuriosität dieser sechs Quadratkilometer in der mediterranen Hitze Andalusiens - das britische Überseegebiet Gibraltar.

14 Jahre um Aufnahme in die UEFA gekämpft

An einem sonnigen Mainachmittag 2013 gehörten Platz, Hauptstraße und Altstadt dem Fußball. Es gab Großes zu feiern. Ein Dudelsack-Orchester zog durch die Straßen, dahinter Mädchen als Cheerleader und Vertreter von allen Vereinen, ordentlich aufgereiht Klub für Klub. Am Ende der Prozession stand eine Bühne auf dem Casemates Square, die wichtigsten Honoratioren der Stadt sprachen, und schließlich wurden auch die Nationalspieler herbeigebeten – die sich, daher die Party, nun auch offiziell als solche bezeichnen durften. Unzweideutig und europaweit anerkannt.

Wohl selten ist ein im Grunde bürokratischer Akt im Fußball so zelebriert worden. Aber die Gibraltar Football Association (GFA) hatte ja auch 14 Jahre um die Aufnahme in die UEFA gekämpft. Nun löste die knapp 30.000 Bewohner starke Felsenkolonie endlich San Marino als kleinste Fußballnation des Kontinents ab und wurde im Februar 2014 erstmals für die Auslosung der EM-Qualifikationsgruppen eingebucht. Dort landete Gibraltar ursprünglich in der spanischen Gruppe. Doch weil Partien zwischen beiden Nationen aus politischen Gründen – Spanien erhebt Anspruch auf das Gebiet – nicht sein dürfen, wanderte es eine Gruppe weiter. Zum deutschen Team.

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Ironischerweise bekamen die Kicker vom Affenfelsen dadurch letztlich genau den Wunsch erfüllt, den es ihnen zunächst zu verwehren schien: Sie spielen jetzt gegen den Weltmeister. Als Deutschland im Sommer den Spaniern nachfolgte, konnte es auch auf einhellige Unterstützung am Affenfelsen zählen. "In der Finalnacht haben wir uns alle gegenseitig SMS geschrieben, dass wir Deutschland die Daumen drücken", erinnert sich Dennis Beiso, Geschäftsführer der GFA.

Nur ein Fußballplatz auf Gibraltar

In Nürnberg ist es jetzt so weit. Der Enthusiasmus der Novizen trifft auf die Exzellenz des Weltmeisters. Die kleinste Fußballnation der Ausscheidungsspiele auf die größte. Die Auswahl von rund 3000 registrierten Verbandsmitgliedern auf die von knapp sieben Millionen. Oder auch: ein Fußballplatz auf Zehntausende. Das Victoria Stadium an der Grenze zu Spanien ist wirklich Gibraltars einziger Platz. Am Fuß des Affenfelsens bietet es Kapazität für rund 2200 Zuschauer. Verlegt ist Kunstrasen, denn kein noch so gutes englisches Geläuf würde diese Akkordbelastung aushalten. Erste Liga, Zweite Liga, Jugend- und Frauenspiele – alles muss hier über die Bühne gehen.

Für Training bleiben da kaum freie Minuten, weshalb Gibraltars Nationalspieler in der Regel jenseits der Grenze in Spanien üben. Ihre Klubs mieten in der Umgebung einen Platz, selten ist es derselbe wie am Tag zuvor. Egal, Hauptsache, der Busfahrer weiß Bescheid, wenn am Abend die Spieler einsteigen. Nach ihrem Dienstschluss. Bis auf drei Profis und zwei Halbprofis sind die Nationalspieler alle Amateure.

Viele arbeiten in öffentlichen Einrichtungen, was es ein bisschen leichter macht mit den Freistellungen für Länderspiele, die meisten bekommen dann unbezahlten oder teilbezahlten Urlaub. Durch die Einnahmen als UEFA-Mitglied kann der Verband jetzt außerdem eine kleine Antrittsprämie zahlen, das ist schon Luxus. Früher mussten die Spieler für ihre Kosten und Verdienstausfälle selber aufkommen.

"Ich habe nichts als Bewunderung für unsere Jungs"

Im Team gibt es Feuerwehrleute, Zöllner, Gefängniswärter, Lehrer und Regierungsbeamte. Lee und Ryan Casciaro sind Polizisten. Kyle Casciaro arbeitet im Hafen als Dispatcher von Containern. Die drei sind Brüder und haben sich als Kinder ein Zimmer geteilt. Heute spielen sie gemeinsam für Gibraltar. Entsprechend stolz reisen ihre Eltern mit der Gruppe, die das Team zu den Spielen begleitet. "Zu Hause" im vier Stunden entfernten Faro in Portugal – das Victoria Stadium erfüllt nicht die UEFA-Auflagen, ein neues ist erst in Planung – oder auf noch größere Abenteuer. 450 kamen jüngst mit nach Irland. Klingt wenig, ist aber immerhin der 66. Teil der Bevölkerung. In Deutschland entspräche das mehr als einer Million Menschen.

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Der Tross vom Felsen sah in Dublin eine klare Niederlage, gefeiert wurde trotzdem. "Ich habe nichts als Bewunderung für unsere Jungs", sagt auch Dennis Beiso: "Sie müssen ihr Berufsleben, das Familienleben und den Fußball ausbalancieren und stehen jetzt plötzlich auf dem Platz mit Vollprofis aus Deutschland, Irland oder Polen."

Alles im Rahmen: 0:7 gegen Polen und 0:3 gegen Georgien

So gesehen waren die bisherigen Ergebnisse in der Gruppe D absolut im Rahmen des Erwartbaren. Jeweils 0:7 gegen Polen und in Irland, 0:3 gegen Georgien – angesichts der Startvoraussetzungen kann man das sogar als respektabel einstufen. In Gibraltar allerdings waren manche Beobachter ein bisschen enttäuscht, dass es keine Sensation gab. Und das kam daher, dass ihr Team die Messlatte ziemlich hochgelegt hatte.

Gleich im ersten Freundschaftsspiel nach der Aufnahme in die UEFA gab es Ende 2013 in Faro ein 0:0 gegen die Slowakei – den WM-Teilnehmer 2010 und aktuellen Tabellenführer der Qualifikationsgruppe C, vor Spanien. Nach Niederlagen gegen die Färöer – beim 1:4 erzielte Teamkapitän Roy Chipolina, im echten Leben Zollbeamter, Gibraltars erstes offizielles Tor – und in Estland (0:2) folgte ein glorioser Frühsommer. Während sich die Topnationen auf die WM vorbereiteten, erreichte Gibraltar ein 1:1 beim Rückspiel in Estland. Eine Woche später sorgte Kyle Casciaro mit seinem Tor zum 1:0 gegen Malta gar für den ersten Sieg der neuen Fußball-Nation.

GFA einer der ältesten Verbände der Welt

Der neu zugelassenen Nation, um genau zu sein. Eigentlich ist die GFA nämlich einer der ältesten Verbände der Welt, gegründet im Jahr 1895, nachdem britische Militärs und Kaufleute das Spiel an den Felsen gebracht und dort Vereine mit so schönen Namen wie Prince of Wales FC gegründet hatten. Aus dem Jahr 1923 ist der erste internationale Auftritt einer Auswahlelf überliefert, beim nahen Sevilla FC gab es zwei Niederlagen, die mit 0:2 und 0:5 jedoch knapp genug ausfielen, um Folgeaufträge an Land zu ziehen, darunter jenen, der 1949 zu einem Ergebnis für die Ewigkeit führte: Im Victoria Stadium kam es zu einem sagenumwobenen 2:2 gegen Real Madrid.

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Aus dieser traditionellen Affinität zum Fußball – wie sollte es auch anders sein, bei einem britischen Gebiet in Spanien – leitet sich ein Ehrgeiz ab, den wenige so deutlich formulieren wie der Nationaltrainer selbst. "Wir wollen nicht eines dieser kleinen Länder sein, das damit zufrieden ist, möglichst niedrig zu verlieren", sagt Allen Bula. Um ein Zeichen zu setzen, erklärte der charismatische Coach zum Beginn der Qualifikation sogar die Endrunde in Frankreich zum Ziel. Und deshalb begab er sich nach Amtsantritt 2010 auch gleich auf die Suche nach britischen Profis mit Wurzeln in Gibraltar.

Er fand unter anderem seinen Neffen Danny Higginbotham, der in der Jugend für Manchester United spielte und später eine solide Premier-League-Karriere hinlegte. Sein Vater war britischer Soldat in Gibraltar gewesen und hatte dort seine spanische Mutter kennengelernt. Mit 34 debütierte Higginbotham bei dem Remis gegen die Slowakei, hat seine Laufbahn aber inzwischen beendet.

Zöllner, Polizisten, Hafenarbeiter

Im heutigen Kader stehen mit Abwehrmann Scott Wiseman vom englischen Drittligisten Preston North End, Außenspieler Jake Gosling vom Fünftligisten Bristol Rovers, Angreifer Adam Priestley vom Achtligisten Farsley und Verteidiger David Artell, Ersatzspieler bei Bala Town in der semi-professionellen Liga von Wales, vier Ergebnisse der Ahnensuche. Eingebürgert werden müssen sie nicht, auch in Gibraltar trägt man den britischen Pass.

Bei dem Quartett soll es aber auch erst mal bleiben. Mit der UEFA hat die GFA verabredet, nur Nachfahren von Eltern oder Großeltern aus Gibraltar in Betracht zu ziehen. Außerdem sind diese Transfers am Felsen durchaus umstritten. Viele Bewohner finden, dass die spielen sollen, die auch schon da waren, als es noch nicht gegen den Weltmeister ging: die Zöllner, Polizisten und Hafenarbeiter.