Fußball im Ghetto Theresienstadt

Eine DFB-Delegation besuchte gestern die Gedenkstätte Theresienstadt im tschechischen Terezín. Der Historiker Dr. Stefan Zwicker schreibt für DFB.de über den Fußball in dieser "Relaisstation des Massenmords".

Die Ghetto-Liga, so Zwicker, war ein "Ausdruck der Selbstbehauptung" und Jiří Pavel-Popper erinnert daran, dass das Fußballspielen ein "Augenblick der Menschlichkeit" war. Dabei darf nicht verschwiegen werden, dass Bilder vom Kultur- und Sportleben der NS-Propaganda dazu dienten, für das Ausland ein trügerisches Bild des Lagerlebens zu zeichnen.

Das Lager oder Ghetto Theresienstadt (tschechisch Terezín), 1941 eingerichtet in einer ehemaligen Garnisonsstadt nördlich von Prag, spielte in dem wahnwitzigen Plan der deutschen Nationalsozialisten, der die Ausrottung der Menschen jüdischer Herkunft in Europa zum Ziel hatte, eine wichtige Rolle. Es war eine "Relaisstation" für den Massenmord, zur Deportation in Vernichtungslager wie Auschwitz. In dem Lager war ein Großteil der Juden aus den böhmischen Ländern inhaftiert, ebenso Juden aus Österreich, Deutschland und westeuropäischen Ländern. Es gab hier keine Gaskammern, aber die mangelhafte Ernährung und die katastrophalen hygienischen Bedingungen "sorgten" für eine hohe Todesrate schon vor den Deportationen. Besonders perfide war die Behauptung, Theresienstadt sei als eine Art Altersheim oder ein selbstbestimmtes jüdisches "Siedlungsgebiet", die in der NS-Propaganda übermittelt wurde.

Fußballliga aus zwei Klassen, Pokalwettbewerb und Jugendspiele

Tatsächlich gab es eine aktive jüdische Selbstverwaltung, die sich um ein reges kulturelles Leben, um die Schulbildung der zahlreichen internierten Kinder, um Konzerte, Lesungen und Rezitationsabende bemühte. Besonders bekannt ist die Aufführung der Kinderoper Brundibár des Komponisten Hans Krása, der ebenso wie ein Großteil der jugendlichen Darsteller nach Auschwitz deportiert und ermordet wurde.

Auch Sport wurde getrieben, ab dem Frühjahr 1943 bis zum August 1944 gab es eine in zwei Klassen aufgeteilte Fußballliga, daneben noch einen Pokalwettbewerb und Jugendspiele. Gespielt wurde in Teams mit sieben Spielern auf den Höfen der ehemaligen Kasernen. Diese "Ghetto-Liga" ist als ein Ausdruck der Selbstbehauptung zu sehen, war keinesfalls von den Lagerschergen bewilligtes Propagandaversatzstück. Neben jungen Leuten, früheren Amateurspielern, waren hier auch einige ehemalige Profis aktiv, jüdische Fußballspieler aus der Tschechoslowakei, wie Fritz Taussig, langjähriger Torwart des DFC Prag, oder Egon Reach, Mitglied der "Ligakommission", die den Spielbetrieb im Ghetto verwalteten. Beide wurden ermordet.



Eine DFB-Delegation besuchte gestern die Gedenkstätte Theresienstadt im tschechischen Terezín. Der Historiker Dr. Stefan Zwicker schreibt für DFB.de über den Fußball in dieser "Relaisstation des Massenmords".

Die Ghetto-Liga, so Zwicker, war ein "Ausdruck der Selbstbehauptung" und Jiří Pavel-Popper erinnert daran, dass das Fußballspielen ein "Augenblick der Menschlichkeit" war. Dabei darf nicht verschwiegen werden, dass Bilder vom Kultur- und Sportleben der NS-Propaganda dazu dienten, für das Ausland ein trügerisches Bild des Lagerlebens zu zeichnen.

Das Lager oder Ghetto Theresienstadt (tschechisch Terezín), 1941 eingerichtet in einer ehemaligen Garnisonsstadt nördlich von Prag, spielte in dem wahnwitzigen Plan der deutschen Nationalsozialisten, der die Ausrottung der Menschen jüdischer Herkunft in Europa zum Ziel hatte, eine wichtige Rolle. Es war eine "Relaisstation" für den Massenmord, zur Deportation in Vernichtungslager wie Auschwitz. In dem Lager war ein Großteil der Juden aus den böhmischen Ländern inhaftiert, ebenso Juden aus Österreich, Deutschland und westeuropäischen Ländern. Es gab hier keine Gaskammern, aber die mangelhafte Ernährung und die katastrophalen hygienischen Bedingungen "sorgten" für eine hohe Todesrate schon vor den Deportationen. Besonders perfide war die Behauptung, Theresienstadt sei als eine Art Altersheim oder ein selbstbestimmtes jüdisches "Siedlungsgebiet", die in der NS-Propaganda übermittelt wurde.

Fußballliga aus zwei Klassen, Pokalwettbewerb und Jugendspiele

Tatsächlich gab es eine aktive jüdische Selbstverwaltung, die sich um ein reges kulturelles Leben, um die Schulbildung der zahlreichen internierten Kinder, um Konzerte, Lesungen und Rezitationsabende bemühte. Besonders bekannt ist die Aufführung der Kinderoper Brundibár des Komponisten Hans Krása, der ebenso wie ein Großteil der jugendlichen Darsteller nach Auschwitz deportiert und ermordet wurde.

Auch Sport wurde getrieben, ab dem Frühjahr 1943 bis zum August 1944 gab es eine in zwei Klassen aufgeteilte Fußballliga, daneben noch einen Pokalwettbewerb und Jugendspiele. Gespielt wurde in Teams mit sieben Spielern auf den Höfen der ehemaligen Kasernen. Diese "Ghetto-Liga" ist als ein Ausdruck der Selbstbehauptung zu sehen, war keinesfalls von den Lagerschergen bewilligtes Propagandaversatzstück. Neben jungen Leuten, früheren Amateurspielern, waren hier auch einige ehemalige Profis aktiv, jüdische Fußballspieler aus der Tschechoslowakei, wie Fritz Taussig, langjähriger Torwart des DFC Prag, oder Egon Reach, Mitglied der "Ligakommission", die den Spielbetrieb im Ghetto verwalteten. Beide wurden ermordet.

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"Augenblick der Menschlichkeit"

Dass in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern von den Gefangenen Fußball gespielt wurde, ist erst in letzter Zeit zum Forschungsthema geworden. Der Fußball in Theresienstadt stellte eine Ausnahme dar: In anderen Konzentrationslagern wurde er entweder gelegentlich unorganisiert oder in einigen Fällen zur Unterhaltung der KZ-Wachen oder als "Belohnung" gespielt. Speziell dem Lager Theresienstadt widmete František Steiner, der mittlerweile verstorbene Nestor der tschechischen Sportjournalistik, unter Mitarbeit von Zeitzeugen ein 2009 erschienenes Buch.

Das Kultur- und Sportleben diente auch der NS-Propaganda dazu, für das neutrale Ausland ein trügerisches Bild des Lagers zu zeichnen. Aber das Fußballspielen oder Zuschauen waren für die Gefangenen, die sich dadurch wieder als Individuen fühlen konnten, ein "Augenblick der Menschlichkeit, weil wir sonst nichts als Nummern waren", wie sich Jiří Pavel-Popper erinnert. "Nummern“, die ständig vom Tode durch den "Transport in die Vernichtungslager" bedroht waren, abgesehen von den Bedingungen im überfüllten Ghetto: Von den mehr als 73.000 Tausend aus dem "Protektorat" dorthin deportierten Juden wurden etwa 57.000 in den Vernichtungslagern ermordet, mehr als 6000 waren zuvor im Ghetto umgekommen, insgesamt "durchliefen" das Ghetto etwa 140.000 Menschen, von denen 90.000 in den Osten deportiert wurden und 30.000 in Theresienstadt starben.

Vom bekanntesten Teilnehmer der "Ghetto-Liga" Paul Mahrer, früherer tschechoslowakischer Nationalspieler, Profi nicht nur in Teplitz und Prag, sondern in den 1920er Jahren auch in Amerika, ist ein Lob des Fußballs im Angesicht des Todes überliefert: "In der Unsicherheit, in der man damals lebte, in der man wusste, dass man innerhalb von zwei oder drei Stunden für den Transport bereit sein musste, wobei das Ziel für uns damals noch unbekannt war, war der Fußball (...) eine Zeit der Ablenkung, die wir im Wartesaal auf dem Weg zur Hölle erleben konnten."

Spiele wurden von mehreren tausend Zuschauern verfolgt

Mahrer war als Spielertrainer des Teams der Fleischer aktiv (die Mannschaften waren entweder nach der Beschäftigung im Ghetto oder nach der Herkunft organisiert). Nach den Spielen, die oft von mehreren tausend Zuschauern verfolgt wurden, waren seine Autogramme begehrt wie die keines zweiten Spielers. Er überlebte und erlebte die Befreiung, er starb 1985 in den USA.

Ähnliche Äußerungen wie die Mahrers, die Fußball als Hilfsmittel zum Weiterleben (Titel eines Buches von Ruth Klüger, die als Kind in Theresienstadt und Auschwitz gefangen war), sind von Zeitzeugen überliefert, die die Ghetto-Liga als kindliche oder jugendliche Zuschauer erlebten oder als Aktive teilnahmen, wie der Schriftsteller Ivan Klíma oder der Historiker Toman Brod: Sie betonen, wie das Dabei-Sein, das Mitfiebern beim Sport sie zumindest zeitweilig aus der Befindlichkeit der Gefangenschaft und dem Gefühl der existentiellen Bedrohung befreit habe.