Fröhlich: "Regeltechnisch sehr anspruchsvoller Vorgang"

Nach dem umstrittenen Tor von Lars Stindl, der beim Auswärtssieg von Borussia Mönchengladbach am Sonntag beim FC Ingolstadt den Führungstreffer durch ein Handspiel erzielt hatte, äußert sich Lutz Michael Fröhlich, Vorsitzender der DFB-Schiedsrichterkommission Elite, zu dieser Szene und über den Einsatz des Video-Assistenten.

DFB.de: Herr Fröhlich, war das Tor von Lars Stindl in Ingolstadt regelkonform?

Lutz Michael Fröhlich: Es handelt sich um ein Handspiel, durch das die ewige Diskussion um Absicht oder Nicht-Absicht wieder neu entfacht wird. Für beide Ansichten findet man in dem Ablauf der Szene Hinweise, so dass eine exakte Detailanalyse zu einer unendlichen Diskussion führen würde. Reduziert man den Vorgang jedoch allein auf einen wesentlichen Aspekt der Regelauslegung, nämlich, dass eine aktive Bewegung mit dem Arm zum Ball erkennbar wird, dann bleibt schlussendlich nur die Erkenntnis, dass es sich um ein regeltechnisch absichtliches und somit strafbares Handspiel handelt. Andererseits gibt es aber auch Argumente für die Auslegung, dass dieses Handspiel eben doch nicht strafbar sei. Dennoch bleibt aus meiner Sicht: Die aktive Bewegung des Arms zum Ball ist so deutlich, dass es Außenstehenden nur schwer zu vermitteln ist, dass es sich hier um einen korrekten Ablauf und somit ein reguläres Tor handelt.

DFB.de: Christian Dingert sagt, dass aus seiner Wahrnehmung auf dem Platz heraus das Handspiel nicht strafbar gewesen und das Tor somit regulär gewesen ist. Er gibt aber auch zu, dass er nach Studium der Fernsehbilder, vor allem der Hintertorkamera, vermutlich eine andere Entscheidung getroffen hätte. Ein klarer Fall für den Video-Assistenten in der neuen Saison, oder?

Fröhlich: Der Vorgang war für den Schiedsrichter auf dem Spielfeld tatsächlich kaum zu erfassen, weil das Handspiel auf der von ihm abgewandten Seite erfolgte. Insofern ist es absolut nachvollziehbar, dass ihm eine andere Perspektive, vor allem die der Hintertorkamera, eine andere Bewertung eröffnet hätte. Auch für den Video-Assistenten, der ab der kommenden Saison in der Bundesliga zum Einsatz kommen wird, wäre diese Szene regeltechnisch ein sehr anspruchsvoller Vorgang gewesen. Aber ein Hinweis von ihm hätte zumindest dazu geführt, dass sich Christian Dingert den Vorgang in der Review Area noch einmal selbst angeschaut und mit dem Video-Assistenten beraten hätte. Und vermutlich, so sagt er nach Studium der TV-Bilder, hätte er dann auch nicht mehr auf Tor entschieden.

DFB.de: Hätte Christian Dingert, wie von einigen Personen gefordert, den Spieler befragen sollen, ob es ein Handspiel gewesen ist?

Fröhlich: Eine Kommunikation des Schiedsrichters mit einem Spieler ist bei unklaren Vorgängen in Zusammenhang mit einer Torerzielung grundsätzlich sinnvoll. Allerdings bin ich doch skeptisch, dass die Kommunikation in diesem konkreten Fall zu einer richtigen Lösung geführt hätte. Denn selbst wenn der Spieler zugegeben hätte, dass der Ball seine Hand berührt hätte, bliebe regeltechnisch ja immer noch die Frage der Absicht offen. Hier führt erst die Betrachtung zusätzlichen Bildmaterials zu einer Aufklärung.

DFB.de: Generell gibt es derzeit eine Diskussion über die Verrohung der Sitten in der Bundesliga. Einige Trainer fordern sogar einen Fairplay-Gipfel. Ihre Meinung als Chef der Schiedsrichter dazu?

Fröhlich: Eine intensive Diskussion über Werte, Respekt und Fairplay im Fußball ist aus Sicht der Schiedsrichter immer sinnvoll. Wir sind jederzeit dazu bereit. Ich sehe im Moment allerdings den Trend, dass immer alles bis ins letzte Detail aufgeklärt werden soll, dabei aber jeder ausschließlich seinen eigenen Standpunkt trotz aller Argumente beibehält. Darunter leidet zumeist die zielführende Diskussion. Ich denke, wir sollten wieder mehr versuchen, trotz verständlicher Eigeninteressen und Befindlichkeiten, auch andere Meinungen und Standpunkte zu verstehen und zu akzeptieren.

[sb]

Nach dem umstrittenen Tor von Lars Stindl, der beim Auswärtssieg von Borussia Mönchengladbach am Sonntag beim FC Ingolstadt den Führungstreffer durch ein Handspiel erzielt hatte, äußert sich Lutz Michael Fröhlich, Vorsitzender der DFB-Schiedsrichterkommission Elite, zu dieser Szene und über den Einsatz des Video-Assistenten.

DFB.de: Herr Fröhlich, war das Tor von Lars Stindl in Ingolstadt regelkonform?

Lutz Michael Fröhlich: Es handelt sich um ein Handspiel, durch das die ewige Diskussion um Absicht oder Nicht-Absicht wieder neu entfacht wird. Für beide Ansichten findet man in dem Ablauf der Szene Hinweise, so dass eine exakte Detailanalyse zu einer unendlichen Diskussion führen würde. Reduziert man den Vorgang jedoch allein auf einen wesentlichen Aspekt der Regelauslegung, nämlich, dass eine aktive Bewegung mit dem Arm zum Ball erkennbar wird, dann bleibt schlussendlich nur die Erkenntnis, dass es sich um ein regeltechnisch absichtliches und somit strafbares Handspiel handelt. Andererseits gibt es aber auch Argumente für die Auslegung, dass dieses Handspiel eben doch nicht strafbar sei. Dennoch bleibt aus meiner Sicht: Die aktive Bewegung des Arms zum Ball ist so deutlich, dass es Außenstehenden nur schwer zu vermitteln ist, dass es sich hier um einen korrekten Ablauf und somit ein reguläres Tor handelt.

DFB.de: Christian Dingert sagt, dass aus seiner Wahrnehmung auf dem Platz heraus das Handspiel nicht strafbar gewesen und das Tor somit regulär gewesen ist. Er gibt aber auch zu, dass er nach Studium der Fernsehbilder, vor allem der Hintertorkamera, vermutlich eine andere Entscheidung getroffen hätte. Ein klarer Fall für den Video-Assistenten in der neuen Saison, oder?

Fröhlich: Der Vorgang war für den Schiedsrichter auf dem Spielfeld tatsächlich kaum zu erfassen, weil das Handspiel auf der von ihm abgewandten Seite erfolgte. Insofern ist es absolut nachvollziehbar, dass ihm eine andere Perspektive, vor allem die der Hintertorkamera, eine andere Bewertung eröffnet hätte. Auch für den Video-Assistenten, der ab der kommenden Saison in der Bundesliga zum Einsatz kommen wird, wäre diese Szene regeltechnisch ein sehr anspruchsvoller Vorgang gewesen. Aber ein Hinweis von ihm hätte zumindest dazu geführt, dass sich Christian Dingert den Vorgang in der Review Area noch einmal selbst angeschaut und mit dem Video-Assistenten beraten hätte. Und vermutlich, so sagt er nach Studium der TV-Bilder, hätte er dann auch nicht mehr auf Tor entschieden.

DFB.de: Hätte Christian Dingert, wie von einigen Personen gefordert, den Spieler befragen sollen, ob es ein Handspiel gewesen ist?

Fröhlich: Eine Kommunikation des Schiedsrichters mit einem Spieler ist bei unklaren Vorgängen in Zusammenhang mit einer Torerzielung grundsätzlich sinnvoll. Allerdings bin ich doch skeptisch, dass die Kommunikation in diesem konkreten Fall zu einer richtigen Lösung geführt hätte. Denn selbst wenn der Spieler zugegeben hätte, dass der Ball seine Hand berührt hätte, bliebe regeltechnisch ja immer noch die Frage der Absicht offen. Hier führt erst die Betrachtung zusätzlichen Bildmaterials zu einer Aufklärung.

DFB.de: Generell gibt es derzeit eine Diskussion über die Verrohung der Sitten in der Bundesliga. Einige Trainer fordern sogar einen Fairplay-Gipfel. Ihre Meinung als Chef der Schiedsrichter dazu?

Fröhlich: Eine intensive Diskussion über Werte, Respekt und Fairplay im Fußball ist aus Sicht der Schiedsrichter immer sinnvoll. Wir sind jederzeit dazu bereit. Ich sehe im Moment allerdings den Trend, dass immer alles bis ins letzte Detail aufgeklärt werden soll, dabei aber jeder ausschließlich seinen eigenen Standpunkt trotz aller Argumente beibehält. Darunter leidet zumeist die zielführende Diskussion. Ich denke, wir sollten wieder mehr versuchen, trotz verständlicher Eigeninteressen und Befindlichkeiten, auch andere Meinungen und Standpunkte zu verstehen und zu akzeptieren.

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