Friedrich: "Hertha tut sich leichter gegen Teams wie Wolfsburg"

82 Spiele für Deutschland. 231 für Hertha BSC. Im Herbst der Karriere noch 15 Einsätze für den VfL Wolfsburg, ehe die Laufbahn vor zwei Jahren in den USA bei Chicago Fire ausklang. Mittlerweile ist Arne Friedrich zurück in Deutschland und beim DFB, als Assistenztrainer der deutschen U 18 schult er den Nachwuchs.

Auf seine ehemaligen Klubs blickt der 35-Jährige noch immer mit Interesse, besonders groß ist seine Verbindung zum Hauptstadtklub. Am Sonntag (ab 17.30 Uhr, live bei Sky) spielt Berlin im Kampf gegen den Abstieg aus der Bundesliga beim VfL - eine Konstellation, die der Vizeeuropameister 2008 und WM-Dritte 2006 und 2010 sehr gut kennt. Im historischen Interview auf DFB.de erinnert sich Arne Friedrich an eine spezielle Partie aus dem Jahr 2010.

DFB.de: Herr Friedrich, wir müssen uns zunächst nach Ihrer Gesundheit erkundigen. Wie geht es Ihrem Rücken? Nach zwei Bandscheibenvorfällen musste Sie Ihre Karriere 2013 beenden, früher als gewollt.

Arne Friedrich: Ich habe jetzt seit einem guten Jahre keinerlei Probleme mehr, kann jeglichen Sport ausüben, ohne Einschränkung. Im Training der U 18-Nationalmannschaft helfe ich ja auch manchmal aus. Ich mache fast täglich Kräftigungs- und Beweglichkeitsübungen.

DFB.de: Sie machen in Mode als Markenbotschafter für eine Modefirma, bei der WM 2014 in Brasilien waren Sie für einen chinesischen TV-Sender als Reporter im Einsatz, als Co-Trainer der deutschen U 18 sammeln Sie an der Seite von Chefcoach Guido Streichsbier erste Erfahrungen im Trainerbereich. Sie sind breit aufgestellt. Stimmt der Eindruck, dass Sie noch auf der Suche nach der idealen Karriere nach der Karriere sind?

Friedrich: Für mich ist klar, dass ein Schwerpunkt immer im Fußball liegen wird, das ist bei meiner Vergangenheit ja auch keine Überraschung. Aber es stimmt, dass ich für mich noch nicht endgültig herausgefunden habe, welchen Weg ich schlussendlich gehen werde. Ich freue mich, dass ich die Möglichkeit habe, in verschiedene Bereiche hineinzuschnuppern, zu lernen und zu schauen, was mir liegt. Die Arbeit als Trainer macht mir sehr viel Spaß, insbesondere mit den Jugendlichen, das kann ich mir auf jeden Fall auch langfristig vorstellen. Nicht umsonst habe ich binnen eines Jahres die B- und die A-Lizenz gemacht.

DFB.de: Wir wollen mit Ihnen eigentlich über die Vergangenheit sprechen. Am kommenden Wochenende spielt der VfL Wolfsburg zu Hause gegen Hertha BSC - klingelt da was?

Friedrich: Na klar, ich habe schließlich für beide Mannschaften gespielt.



82 Spiele für Deutschland. 231 für Hertha BSC. Im Herbst der Karriere noch 15 Einsätze für den VfL Wolfsburg, ehe die Laufbahn vor zwei Jahren in den USA bei Chicago Fire ausklang. Mittlerweile ist Arne Friedrich zurück in Deutschland und beim DFB, als Assistenztrainer der deutschen U 18 schult er den Nachwuchs.

Auf seine ehemaligen Klubs blickt der 35-Jährige noch immer mit Interesse, besonders groß ist seine Verbindung zum Hauptstadtklub. Am Sonntag (ab 17.30 Uhr, live bei Sky) spielt Berlin im Kampf gegen den Abstieg aus der Bundesliga beim VfL - eine Konstellation, die der Vizeeuropameister 2008 und WM-Dritte 2006 und 2010 sehr gut kennt. Im historischen Interview auf DFB.de erinnert sich Arne Friedrich an eine spezielle Partie aus dem Jahr 2010.

DFB.de: Herr Friedrich, wir müssen uns zunächst nach Ihrer Gesundheit erkundigen. Wie geht es Ihrem Rücken? Nach zwei Bandscheibenvorfällen musste Sie Ihre Karriere 2013 beenden, früher als gewollt.

Arne Friedrich: Ich habe jetzt seit einem guten Jahre keinerlei Probleme mehr, kann jeglichen Sport ausüben, ohne Einschränkung. Im Training der U 18-Nationalmannschaft helfe ich ja auch manchmal aus. Ich mache fast täglich Kräftigungs- und Beweglichkeitsübungen.

DFB.de: Sie machen in Mode als Markenbotschafter für eine Modefirma, bei der WM 2014 in Brasilien waren Sie für einen chinesischen TV-Sender als Reporter im Einsatz, als Co-Trainer der deutschen U 18 sammeln Sie an der Seite von Chefcoach Guido Streichsbier erste Erfahrungen im Trainerbereich. Sie sind breit aufgestellt. Stimmt der Eindruck, dass Sie noch auf der Suche nach der idealen Karriere nach der Karriere sind?

Friedrich: Für mich ist klar, dass ein Schwerpunkt immer im Fußball liegen wird, das ist bei meiner Vergangenheit ja auch keine Überraschung. Aber es stimmt, dass ich für mich noch nicht endgültig herausgefunden habe, welchen Weg ich schlussendlich gehen werde. Ich freue mich, dass ich die Möglichkeit habe, in verschiedene Bereiche hineinzuschnuppern, zu lernen und zu schauen, was mir liegt. Die Arbeit als Trainer macht mir sehr viel Spaß, insbesondere mit den Jugendlichen, das kann ich mir auf jeden Fall auch langfristig vorstellen. Nicht umsonst habe ich binnen eines Jahres die B- und die A-Lizenz gemacht.

DFB.de: Wir wollen mit Ihnen eigentlich über die Vergangenheit sprechen. Am kommenden Wochenende spielt der VfL Wolfsburg zu Hause gegen Hertha BSC - klingelt da was?

Friedrich: Na klar, ich habe schließlich für beide Mannschaften gespielt.

DFB.de: Wir wollen auf ein bestimmtes Spiel hinaus.

Friedrich: Ach so. Dann wahrscheinlich das Spiel in meinem letzten Jahr für Hertha. Wir haben hoch gewonnen, das weiß ich noch.

DFB.de: Richtig. Spieltag 27, es war der 21. März 2010. Hertha war mitten im Abstiegskampf, nach der Niederlage zuvor daheim gegen Nürnberg war in Berlin der Teufel los. Vom Relegationsplatz trennten Hertha acht Punkte. Im Umfeld machte sich Resignation breit. Dann fuhr Hertha zum Deutschen Meister.

Friedrich: Ja, das weiß ich noch. Nach der Niederlage gegen Nürnberg herrschte in der Tat Weltuntergangsstimmung. Sportlich sowieso, und daneben gab es mit dem Platzsturm durch die Fans extrem negative Begleitumstände. Als Mannschaft haben wir versucht, das auszublenden und uns an den kleinen Strohhalm zu klammern, der noch vorhanden war. Wir wussten, dass noch etwas möglich ist, wenn es uns gelingt, eine Serie zu starten. Ich gebe aber zu, dass es eine sehr schwere Phase war. Dass wir in Wolfsburg dann so hoch gewonnen haben, war aber durchaus überraschend. 5:1 - das hat wohl keiner erwartet.

DFB.de: Bekommen Sie die Torschützen noch hin?

Friedrich: Nein. Woran ich mich erinnere, ist, dass wir ziemlich schnell in Führung gegangen sind. Es waren nur ein paar Minuten gespielt, da stand es schon 2:0. Stimmt doch, oder?

DFB.de: Richtig. Wir haben knallhart recherchiert. Gekas und Ramos haben in der 6. und 8. Minute getroffen. Gekas hat dann noch zwei weitere Treffer erzielt, in der 26. und 63. Minute, Ramos nach dem Gegentor von Grafite aus der 36. Minute mit dem 5:1 in der 84. Minute für den Endstand gesorgt.

Friedrich: Das Spiel ist so gelaufen, wie man sich das vorher immer ausmalt. Die beiden frühen Tore haben uns natürlich geholfen. Wolfsburg war dann gefordert, wir konnten uns zurückziehen und auf die Fehler warten. Wobei wir das an diesem Tag äußerst effizient gemacht haben. Wir haben Wolfsburg wenig angeboten und unsere Möglichkeiten konsequent genutzt. Gerade die Effizienz war in dieser Saison sonst leider nur selten der Fall.

DFB.de: Hertha am Boden - und dann ein 5:1 beim Meister. Das ist mehr als außergewöhnlich. Gab es im Vorfeld irgendwelche Anzeichen, die auf ein solches Ereignis hingedeutet hätten?

Friedrich: Nein, es gab keine Aussprache, keinen Mannschaftsabend, keine besondere Aktion. Wir sind zwar nicht mit breiter Brust nach Wolfsburg gefahren, aber auch nicht mit gesenktem Haupt. Das ist zwar eine Floskel, dennoch ist sie wahr: Fußball ist unberechenbar. Da kann es schon mal passieren, dass der Tabellenletzte beim Deutschen Meister mit 5:1 gewinnt. Wolfsburg war damals als Meister auch nicht so eine Übermannschaft, wie die Bayern dies heute sind. Wie gesagt: Wir hatten uns damals noch nicht aufgegeben. Es lagen noch acht Spiele vor uns, 24 Punkte waren zu vergeben. Und gegen den VfL haben wir gezeigt, dass wir auf alle Fälle das Potenzial haben, um die Liga zu halten.

DFB.de: So ein Spiel lässt sich ja in zwei Richtungen deuten. Wenn man sich selber vor Augen führt, zu welchen Leistungen man fähig ist, verdeutlicht dies ja auch die Größe des Versagens, mit so einer Mannschaft auf dem letzten Tabellenplatz zu stehen.

Friedrich: Wir wussten alle, dass wir besser waren, als das Tabellenbild es aussagte. Das war aber nichts, womit wir uns in diesem Moment beschäftigt hätten. Immer wieder geraten Mannschaften nach unten, von denen man es zu Beginn der Saison nicht erwarten würde. Wenn man in eine Negativspirale hineingerät und keine Erfahrung mit dem Abstiegskampf hat, ist es verdammt schwer, die Kurve zu bekommen. Wir waren damals einfach froh, dass wir die Punkte gegen Wolfsburg eingefahren hatten. Das Spiel war ein Signal an uns, genauso aber an die Konkurrenz.

DFB.de: Die Zeitungen schrieben danach viel über Sie und die erstklassige WM-Bewerbung, die Sie mit dem Spiel abgegeben hatten. Im Sommer stand ja die WM in Südafrika an. Hatten Sie - nach auch persönlich durchwachsener Saison - durch dieses Spiel selber das Gefühl, wieder zu Topleistungen fähig zu sein?

Friedrich: Daran habe ich nie gezweifelt. Ich weiß, dass ich in der Hinrunde nicht das gespielt hatte, was ich konnte. In der Rückrunde habe ich dann mehr und mehr zu meiner Form gefunden. Sonst hätte mich Jogi Löw ja auch nicht für die WM nominiert. Ich habe das eine Spiel aber nicht als WM-Bewerbung gesehen. Man wird schließlich nicht an einem Spiel gemessen. Jogi wusste immer, was er an mir hatte, dass er sich auf mich verlassen konnte. Außerdem waren meine Gedanken damals nur bei Hertha. Es galt, den Abstieg zu verhindern, alles andere hatte ich ausgeklammert.

DFB.de: Wie groß war danach die Hoffnung auf ein Wunder von Berlin - sprich: auf den Klassenverbleib?

Friedrich: Wir waren relativ sicher, dass uns dieses Spiel noch einmal einen Schub geben würde. Aber natürlich konnten wir die Tabelle lesen, uns fehlten immer noch fünf Punkte auf den Relegationsplatz.

DFB.de: Am Ende hat es nicht gereicht, Hertha stieg mit großem Abstand ab. Ein Team, das im Jahr zuvor noch um den Titel mitgespielt hatte. Können Sie erklären, wie eine so gute Mannschaft so schnell so schlecht werden konnte?

Friedrich: Im Jahr davor hatten wir vielleicht ein wenig über unsere Verhältnisse gespielt. Lange schien sogar die Meisterschaft möglich. Diese Saison hatten wir aber mit einer Enttäuschung beendet, am letzten Spieltag in Karlsruhe verloren - und waren damit aus den Champions-League-Rängen gerutscht. Es gab danach einen mittelgroßen Umbruch, wichtige Spieler wie Josip Simunic und Marko Pantelic haben uns verlassen. Wir sind dann schlecht in die Saison gestartet, Trainer Lucien Favre musste gehen, im Verein gab es ziemlich viel Unruhe. Im Fußball entsteht schnell eine negative Eigendynamik, die sich dann nur schwer aufhalten lässt. Wir haben es leider nicht geschafft, den Karren aus dem Dreck zu ziehen.

DFB.de: In diesem Jahr ist die Konstellation in Teilen ähnlich. Wieder steckt Hertha im Abstiegskampf, wieder ist Wolfsburg klarer Favorit. Hätten Sie gedacht, dass Berlin in diesem Jahr in so große Schwierigkeiten kommt?

Friedrich: Damit gerechnet habe ich nicht. Es wurde für Hertha-Verhältnisse viel Geld in die Hand genommen, einige Spieler wurden verpflichtet. Mir fällt es aber schwer zu erklären, was bisher bei Hertha schief gelaufen ist. Ich bin einfach viel zu weit weg vom Team und würde mir nicht anmaßen, das zu beurteilen. Sicherlich fehlen mit Tolga Cigerci, Alexander Baumjohann und Änis Ben-Hatira derzeit wichtige Spieler, Fabian Lustenberger hat immer wieder Probleme. Im Gegensatz zu damals ist die Ausgangsposition heute jedoch deutlich besser. Der Abstand zum rettenden Ufer ist kleiner, und fast die halbe Liga kann noch absteigen.

DFB.de: Jetzt hat Pal Dardai die Regie als Trainer übernommen, Herthas Rekordspieler. Sie kennen einander gut. Wie sicher sind Sie, dass es ihm gelingt, das Potenzial des Kaders auszuschöpfen?

Friedrich: Pal war als Spieler ein Musterprofi in allen Belangen. Seine Einstellung war immer vorbildlich, er hat sich nie hängen lassen und für Hertha immer alles gegeben. Außerdem ist er ein ganz feiner Kerl. Seine Fähigkeiten als Trainer kann ich allerdings nicht beurteilen. Aber das ist auch nicht meine Aufgabe. Ich wünsche ihm und vor allem Hertha alles Gute. Der Verein gehört einfach in die erste Liga. Dass Hertha nun nach Wolfsburg muss, ist nicht unbedingt ein Nachteil. Das hat man ja damals gesehen. Hertha tut sich ohnehin leichter gegen Teams aus dem oberen Drittel.