Friedrich: "Fußball kann auf seine Nachwuchsarbeit stolz sein"

Gut möglich, dass Dr. Hans-Peter Friedrich gerade historisches Neuland betritt. Ob Genscher, Kanther oder Schily früher mal nach einer langen Sitzung mit dem Lederball durch die Flure des Innenministeriums gedribbelt sind? Der 54-jährige Franke, seit dem 3. März als Bundesminister des Innern in der Verantwortung, spielt jedenfalls mit, als wir ihn um ein besonderes Fotomotiv bitten.

Ohne Stockfehler und Stolpern, macht Friedrich auch beim „Flurfußball“ eine gute Figur. Und einen Innenminister, der nicht fußballbegeistert ist, fände er „befremdlich“. Christian Sachs, Leiter des Berliner DFB-Büros, hat mit dem ehemaligen Jugendtorwart der SpVgg Bayern Hof gesprochen: über das neue Bild der Nationalmannschaft, den Frauenfußball und die Autonomie des Sports.

DFB.de: Herr Minister, hat die WM dem Frauenfußball in Deutschland und weltweit einen Schub gegeben?

Dr. Hans-Peter Friedrich: Wir haben erneut eine tolle Fußball-WM in Deutschland erlebt. Hier gilt mein Dank zunächst allen freiwilligen Helfern und den Organisatoren – allen voran Steffi Jones –, die dies erst möglich gemacht und hervorragende Arbeit geleistet haben. Es ist vielleicht – auch wegen des vergleichsweise frühen Ausscheidens der deutschen Mannschaft – kein zweites Sommermärchen geworden. Aber ich glaube schon, dass der Frauenfußball aufgrund dieser WM zukünftig in Deutschland deutlich mehr Beachtung finden wird. Und ich bin überzeugt, dass die WM auch bei vielen Mädchen weltweit das Interesse an Fußball geweckt oder verstärkt hat. Es würde mich zum Beispiel nicht wundern, wenn der Frauenfußball in Japan durch den überraschenden Sieg einen erheblichen Popularitätsschub bekommt und wir in den nächsten Jahren noch mehr von den Japanerinnen sehen werden.

DFB.de: Wie man sieht, können auch Sie gut mit dem Ball umgehen. Wie sind Sie zum Fußball gekommen?

Friedrich: Ich habe wie jeder Junge Fußball gespielt. Da andere schneller laufen und flinker mit dem Ball umgehen konnten, wurde ich immer ins Tor geschickt. Da war ich auch einige Zeit ganz gut. Aber für eine Profikarriere hat es dann doch nicht gereicht (lacht). Dafür schaue ich den Profis heute begeistert zu.

DFB.de: Ihr Heimatverein, die Spielvereinigung Bayern Hof, hat mit Ach und Krach den Abstieg aus der Bayernliga vermieden und spielt in Schwarz-Gelb. War Schwarz-Gelb schon immer Ihre Vorliebe oder doch eher ein anderer Klub?

Friedrich: Ich bin mit Bayern Hof groß geworden. Als Jugendlicher habe ich kein Heimspiel versäumt. Der FC Bayern Hof war dreimal in der Aufstiegsrunde zur Bundesliga. Damals gab es in der Bundesrepublik ja fünf Regional-ligen: Süd, Nord, West, Süd-West und Berlin. Ich kann mich noch gut an das letzte Mal erinnern, als Bayern Hof in der Aufstiegsrunde zur Bundesliga stand. Das muss 1972 gewesen sein. Es ging gegen Osnabrück, Borussia Neunkirchen, den Wuppertaler SV und Tasmania Berlin. Es gab immer zwei Gruppen, und die beiden Gruppensieger sind aufgestiegen. Bayern Hof hat es dann aber leider doch nicht geschafft.

DFB.de: Verfolgen Sie auch den Saisonverlauf eines Bundesliga-Klubs? Etwa den der Löwen oder des FC Bayern, bedingt durch Ihre Studienzeit in München?

Friedrich: Nun ja, viele Fußballfans haben ja eine Tendenz zu erfolgreichen Vereinen, und das war bei mir nicht anders. Ich bin in der Zeit groß geworden, als Bayern München und Mönchengladbach sich beständig duellierten. Mal gewannen die einen, mal die anderen. Und vor allem war die Nationalmannschaft dann besonders gut, wenn ganze Mannschaftsteile jeweils von diesen beiden Vereinen stammten. Damals war ich schon großer Bayern-München-Anhänger. Es ist schon interessant, wie sehr man von den Sympathien für einen Verein auf die Zeit schließen kann, in der jemand fußballerisch sozialisiert wurde. Mein Schwiegervater zum Beispiel war die Generation 1860, Schalke, Club. Und viele Gladbach- und Bayern-Fans stammen aus den 70er-Jahren. Gerade als Jugendlicher will man natürlich zu einer erfolgreichen Mannschaft halten. Alles in allem bin ich aber immer für die Mannschaft, die mir regional am nächsten steht. Und ansonsten bin ich natürlich ein begeisterter Anhänger unserer deutschen Fußball-Nationalmannschaften, weil da das patriotische Gefühl hinzukommt.

DFB.de:Was für eine Wirkung kann von einer erfolgreich spielenden Nationalmannschaft ausgehen?

Friedrich: Der Fußball insgesamt ist ein riesiger Werbeträger für Deutschland. Egal wo auf der Welt, am Ende von Gesprächen kommt man doch ganz oft auf den Fußball zu sprechen. Und dabei stelle ich dann immer wieder fest, dass viele die großen Bundesliga-Mannschaften kennen, ob in China oder in Afrika oder in den USA. Als ich beispielsweise in den 80er-Jahren das erste Mal längere Zeit in den USA war, gab es einen Sender, der jeden Sonntagvormittag ein komplettes Fußballspiel aus der Bundesliga übertragen hat. Ich habe kein Spiel versäumt und mein Heimweh damit gepflegt. Die Nationalmannschaften sind natürlich auf besondere Weise ein Aushängeschild, weil bei den Vereinsmannschaften ja oft kaum noch jemand aus dem lokalen Umfeld dabei ist.

DFB.de:Auch die Männer-Nationalmannschaft hat sich verändert, was die Herkunft der Spieler angeht.

Friedrich: Ich freue mich über diese besondere Integrationswirkung des Fußballs. Wenn man das schon einmal miterlebt hat, wie stolz gerade auch die Mütter und Väter mit Migrationshintergrund sind, die am Spielfeldrand stehen und verfolgen, wie ihre Elfjährigen das entscheidende Tor für die lokale Mannschaft schießen, dann weiß man auch, wie wichtig Fußball für das Selbstwertgefühl, das Selbstbewusstsein der Kinder und Jugendlichen, aber auch der Erwachsenen ist. Das ist toll zu beobachten.

DFB.de: Vor einem Jahrzehnt hatte unsere Nationalmann­schaft einen Altersschnitt von etwa 30 Jahren. Jetzt haben wir ein sehr junges Team. Ist das auch gesellschaftlich ein positives Zeichen?

Friedrich: Auf jeden Fall. Ich freue mich über so viel Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft der Jugend. Das spornt auch die Kinder und Jugendlichen von heute noch mehr an, weil sie sich mit den jungen Spielern noch besser identifizieren können. Diese Spieler sind ein Produkt der guten Nachwuchsarbeit der Vereine und Verbände. Das ist toll. Wissen Sie, einen guten Spieler mit viel Geld irgendwoher einzukaufen, ist nicht besonders schwer. Aber über Jahre eine gute, solide Jugendarbeit zu leisten und systematisch dafür zu sorgen, dass Talente erkannt und entwickelt werden, das ist eine herausragende Leistung. Das ist schon sehr positiv in Deutschland, und das kann einen auch ein bisschen stolz machen.

DFB.de:Wenn Sie zurückdenken an das Sommermärchen 2006, haben Sie noch einen Moment, der Ihnen besonders lebhaft in Erinnerung geblieben ist?

Friedrich: Bei der WM gab es ja viele besondere Momente. Ich kann mich noch gut an das Spiel gegen Ecuador erinnern. Da waren wir in Schwarz-Rot-Gold bemalt mit der gesamten Bundestagsfraktion in der Arena, die vor dem Reichstag aufgebaut war. Die Stimmung war gut, denn Deutschland war nach den beiden vorangegangenen Spielen praktisch schon eine Runde weiter.

DFB.de: Wie viel Fußball-Fan und wie viel politisch verantwortlicher Minister sind Sie, wenn Sie im Stadion sind?

Friedrich: Das lässt sich nicht in Prozenten ausdrücken. Ich finde es toll, dass ich meine Leidenschaft für den Fußball mit der Ministeraufgabe verbinden kann. Ich stelle mir das sehr mühsam vor, wenn jemand Innenminister wird und sich nicht für Fußball interessiert.

DFB.de: Ein Fußball-Muffel als Innenminister, das ginge nicht?

Friedrich: Es wäre vielleicht noch akzeptabel, wenn man sich nicht so sehr für den Vereinssport interessiert. Aber dass man sich als zuständiger Minister oder oberster Repräsentant des Staates schlichtweg nicht für die deutsche Nationalmannschaft interessiert, fände ich als Fußball-Fan befremdlich.

DFB.de: Globale Sportevents wie etwa die Frauen-WM haben auch eine enorm positive Wirkung auf den Breitensport. Wie sehen Sie die Wirkung?

Friedrich: Nun, von der Spitze gehen immer ein Impuls und eine besondere Motivation für junge Leute aus, sich sportlich zu betätigen. Jede Sportart, die einmal in den Fokus der Öffentlichkeit gelangt ist, spürt auch in der Breite sofort eine Wirkung. Das hat man damals gemerkt, als Boris Becker das erste Mal Wimbledon gewann. Das hat dem Breitensport Tennis einen unheimlichen Schub gegeben. Zugleich wirkt der Spitzensport auch auf die sonstigen unzähligen Aktiven und Helfer, ohne die Sportvereine überhaupt nicht existieren könnten, unheimlich motivierend und belohnend. Denn jeder Spitzensportler ist irgendwann das erste Mal zum Training gekommen und hat aufgrund der erfolgreichen Jugendarbeit seines Heimatvereins erste Erfolge erzielt. Ich finde es gut, dass auch die großen Klubs ihre Verantwortung für den Breitensport sehen. Wenn man sich anschaut, was ein Verein wie Bayern München auch für den Breitensport leistet, und das nicht nur im Fußball, dann ist das sehr beachtlich.

DFB.de: Der FC Bayern München hat ja zum Beispiel mit der Marke Bayern das Projekt Basketball erfolgreich auf die Schiene gesetzt.

Friedrich: Die Marke funktioniert, vor allem dank der starken Unternehmensphilosophie, die da dahintersteckt. Diese Mischung aus unternehmerischem Engagement und idealistischer Leidenschaft für den Sport ist eine tolle Kombination. Der FC Bayern München sieht sich auch als Familie, als Integrationsakteur. Es gibt eine ganze Reihe solcher Vereine in Deutschland, und das ist etwas sehr Gutes.

DFB.de: Unter der Präsidentschaft von Dr. Theo Zwanziger ist der DFB über die Organisation des Fußballs in der Spitze und in der Breite weiter hinausgegangen und hat sein soziales Engagement nachhaltig verstärkt. Wie beurteilen Sie es, dass der DFB gesellschaftliche Aufgaben und Verantwortung übernimmt?

Friedrich: Fußball ist mehr als nur Sport und Spiel. Fußball hat eine bedeutende gesellschaftliche Funktion, und meines Erachtens sollte der Fußball diese Möglichkeiten auch nutzen. So oder so kann sich der Fußball bestimmten gesellschaftlichen Entwicklungen, die sich auch auf ihn auswirken, nicht einfach entziehen. Nehmen wir die Gewalt in der Fußballszene, Gewalt gegen Polizisten oder einfach auch Gewalt gegen andere Fans. Das können wir nicht einfach tolerieren.

DFB.de: Im europäischen Vergleich steht der deutsche Fußball bei der Sicherheit in den Stadien nach wie vor glänzend da. Dennoch ist jeder Vorfall einer zu viel. Was ist zu tun?

Friedrich: Wir brauchen ein gemeinsames Vorgehen aller Betroffenen. Im Präventionsbereich kann viel erreicht werden. Gerade hier sind wir auf eine gute und enge Kooperation mit den Vereinen angewiesen. Der Fußball hat dabei ein erhebliches Eigeninteresse, denn welcher Vater geht am Samstag mit seinen Kindern noch ins Stadion, wenn gewalttätige Ausschreitungen zu erwarten sind? Aber auch eine wirksame Strafverfolgung ist erforderlich. Dies gilt nicht zuletzt bei Gewalt gegen die Polizeibeamten, die in neutraler Funktion nur die problemlose Durchführung der Spiele absichern sollen. Bei diesem Punkt ist aber auch die Gesellschaft insgesamt gefordert. Wir müssen dafür eintreten, dass Polizisten, also die Repräsentanten des Staates, die sich für die Einhaltung von demokratisch zustande gekommenen Gesetzen einsetzen, den Respekt der Bevölkerung bekommen. Respektlosigkeit von vermeintlichen Fans gegenüber Polizis­ten ist eine Respektlosigkeit gegenüber dem Staat und nicht akzeptabel.

DFB.de: Es geht also um das Zusammenspiel zwischen Verband, Vereinen und der Polizei?

Friedrich: Ja, wir brauchen im Vorfeld und bei den Spielen eine gute Kommunikation und Kooperation zwischen allen Akteuren. Und wenn es dann doch zu Straftaten kommt, muss unsere Justiz klarmachen, wo die Grenzen sind.

DFB.de: Die zeitliche Nähe zwischen Tat und Anklage muss erkennbar sein?

Friedrich: Das hat sicher eine positive Wirkung auf die Täter.

DFB.de: Die FIFA ist stark in die Schlagzeilen gekommen, nicht immer waren es positive. Wie beobachten Sie die Situation im Weltverband? Und wird aus Ihrer Sicht etwa durch die Korruptionsvorwürfe gegenüber einigen FIFA-Mitgliedern die Sinnhaftigkeit der Autonomie des Sports in Frage gestellt?

Friedrich: Nein. Grundsätzlich halte ich es für richtig, dass der Sport seine Organisation, die Austragung seiner Spiele und seine Attraktivität selbst bestimmt. Der Staat sollte dafür allein die Rahmenbedingungen zur Verfügung stellen; nur so kann sich der Sport im positiven Sinn frei entwickeln. Aber natürlich muss es dann letzten Endes auch eine Eigenverantwortung des Sports für die jeweilige Ausgestaltung innerhalb des Rahmens geben. An den Spekulationen rund um den FIFA-Kongress möchte ich mich nicht beteiligen. Aber natürlich sehe ich es mit Sorge, wenn man das Gefühl bekommt, dass die Sache, um die es eigentlich geht, der Fußball, von anderen Dingen zu stark überlagert wird.

DFB.de: Kommen wir zum Schluss von der globalen Fußballwelt zurück zu Ihrer regionalen Herkunft. Sie sagen, Sie stammen aus Hoch-Franken. Das hört man sehr selten.

Friedrich: Der Begriff Hoch-Franken ist auch noch nicht so alt. Die Region zwischen Marktredwitz und Hof, aus der ich stamme, hieß früher Nord-Ost-Oberfranken. Das hört sich so eiskalt an, da klingt Hoch-Franken doch viel besser. Es gab vor etwa 15 Jahren einen Image-Wettbewerb, aus dem der Begriff Hoch-Franken als Sieger hervorgegangen ist. Da die Region genau den Bundestagswahlkreis und das Verbreitungsgebiet der örtlichen Zeitung umfasst, hatten wir wichtige Verbündete. Und so kommt es, dass die Region heute Hoch-Franken heißt.

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Gut möglich, dass Dr. Hans-Peter Friedrich gerade historisches Neuland betritt. Ob Genscher, Kanther oder Schily früher mal nach einer langen Sitzung mit dem Lederball durch die Flure des Innenministeriums gedribbelt sind? Der 54-jährige Franke, seit dem 3. März als Bundesminister des Innern in der Verantwortung, spielt jedenfalls mit, als wir ihn um ein besonderes Fotomotiv bitten.

Ohne Stockfehler und Stolpern, macht Friedrich auch beim „Flurfußball“ eine gute Figur. Und einen Innenminister, der nicht fußballbegeistert ist, fände er „befremdlich“. Christian Sachs, Leiter des Berliner DFB-Büros, hat mit dem ehemaligen Jugendtorwart der SpVgg Bayern Hof gesprochen: über das neue Bild der Nationalmannschaft, den Frauenfußball und die Autonomie des Sports.

DFB.de: Herr Minister, hat die WM dem Frauenfußball in Deutschland und weltweit einen Schub gegeben?

Dr. Hans-Peter Friedrich: Wir haben erneut eine tolle Fußball-WM in Deutschland erlebt. Hier gilt mein Dank zunächst allen freiwilligen Helfern und den Organisatoren – allen voran Steffi Jones –, die dies erst möglich gemacht und hervorragende Arbeit geleistet haben. Es ist vielleicht – auch wegen des vergleichsweise frühen Ausscheidens der deutschen Mannschaft – kein zweites Sommermärchen geworden. Aber ich glaube schon, dass der Frauenfußball aufgrund dieser WM zukünftig in Deutschland deutlich mehr Beachtung finden wird. Und ich bin überzeugt, dass die WM auch bei vielen Mädchen weltweit das Interesse an Fußball geweckt oder verstärkt hat. Es würde mich zum Beispiel nicht wundern, wenn der Frauenfußball in Japan durch den überraschenden Sieg einen erheblichen Popularitätsschub bekommt und wir in den nächsten Jahren noch mehr von den Japanerinnen sehen werden.

DFB.de: Wie man sieht, können auch Sie gut mit dem Ball umgehen. Wie sind Sie zum Fußball gekommen?

Friedrich: Ich habe wie jeder Junge Fußball gespielt. Da andere schneller laufen und flinker mit dem Ball umgehen konnten, wurde ich immer ins Tor geschickt. Da war ich auch einige Zeit ganz gut. Aber für eine Profikarriere hat es dann doch nicht gereicht (lacht). Dafür schaue ich den Profis heute begeistert zu.

DFB.de: Ihr Heimatverein, die Spielvereinigung Bayern Hof, hat mit Ach und Krach den Abstieg aus der Bayernliga vermieden und spielt in Schwarz-Gelb. War Schwarz-Gelb schon immer Ihre Vorliebe oder doch eher ein anderer Klub?

Friedrich: Ich bin mit Bayern Hof groß geworden. Als Jugendlicher habe ich kein Heimspiel versäumt. Der FC Bayern Hof war dreimal in der Aufstiegsrunde zur Bundesliga. Damals gab es in der Bundesrepublik ja fünf Regional-ligen: Süd, Nord, West, Süd-West und Berlin. Ich kann mich noch gut an das letzte Mal erinnern, als Bayern Hof in der Aufstiegsrunde zur Bundesliga stand. Das muss 1972 gewesen sein. Es ging gegen Osnabrück, Borussia Neunkirchen, den Wuppertaler SV und Tasmania Berlin. Es gab immer zwei Gruppen, und die beiden Gruppensieger sind aufgestiegen. Bayern Hof hat es dann aber leider doch nicht geschafft.

DFB.de: Verfolgen Sie auch den Saisonverlauf eines Bundesliga-Klubs? Etwa den der Löwen oder des FC Bayern, bedingt durch Ihre Studienzeit in München?

Friedrich: Nun ja, viele Fußballfans haben ja eine Tendenz zu erfolgreichen Vereinen, und das war bei mir nicht anders. Ich bin in der Zeit groß geworden, als Bayern München und Mönchengladbach sich beständig duellierten. Mal gewannen die einen, mal die anderen. Und vor allem war die Nationalmannschaft dann besonders gut, wenn ganze Mannschaftsteile jeweils von diesen beiden Vereinen stammten. Damals war ich schon großer Bayern-München-Anhänger. Es ist schon interessant, wie sehr man von den Sympathien für einen Verein auf die Zeit schließen kann, in der jemand fußballerisch sozialisiert wurde. Mein Schwiegervater zum Beispiel war die Generation 1860, Schalke, Club. Und viele Gladbach- und Bayern-Fans stammen aus den 70er-Jahren. Gerade als Jugendlicher will man natürlich zu einer erfolgreichen Mannschaft halten. Alles in allem bin ich aber immer für die Mannschaft, die mir regional am nächsten steht. Und ansonsten bin ich natürlich ein begeisterter Anhänger unserer deutschen Fußball-Nationalmannschaften, weil da das patriotische Gefühl hinzukommt.

DFB.de:Was für eine Wirkung kann von einer erfolgreich spielenden Nationalmannschaft ausgehen?

Friedrich: Der Fußball insgesamt ist ein riesiger Werbeträger für Deutschland. Egal wo auf der Welt, am Ende von Gesprächen kommt man doch ganz oft auf den Fußball zu sprechen. Und dabei stelle ich dann immer wieder fest, dass viele die großen Bundesliga-Mannschaften kennen, ob in China oder in Afrika oder in den USA. Als ich beispielsweise in den 80er-Jahren das erste Mal längere Zeit in den USA war, gab es einen Sender, der jeden Sonntagvormittag ein komplettes Fußballspiel aus der Bundesliga übertragen hat. Ich habe kein Spiel versäumt und mein Heimweh damit gepflegt. Die Nationalmannschaften sind natürlich auf besondere Weise ein Aushängeschild, weil bei den Vereinsmannschaften ja oft kaum noch jemand aus dem lokalen Umfeld dabei ist.

DFB.de:Auch die Männer-Nationalmannschaft hat sich verändert, was die Herkunft der Spieler angeht.

Friedrich: Ich freue mich über diese besondere Integrationswirkung des Fußballs. Wenn man das schon einmal miterlebt hat, wie stolz gerade auch die Mütter und Väter mit Migrationshintergrund sind, die am Spielfeldrand stehen und verfolgen, wie ihre Elfjährigen das entscheidende Tor für die lokale Mannschaft schießen, dann weiß man auch, wie wichtig Fußball für das Selbstwertgefühl, das Selbstbewusstsein der Kinder und Jugendlichen, aber auch der Erwachsenen ist. Das ist toll zu beobachten.

DFB.de: Vor einem Jahrzehnt hatte unsere Nationalmann­schaft einen Altersschnitt von etwa 30 Jahren. Jetzt haben wir ein sehr junges Team. Ist das auch gesellschaftlich ein positives Zeichen?

Friedrich: Auf jeden Fall. Ich freue mich über so viel Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft der Jugend. Das spornt auch die Kinder und Jugendlichen von heute noch mehr an, weil sie sich mit den jungen Spielern noch besser identifizieren können. Diese Spieler sind ein Produkt der guten Nachwuchsarbeit der Vereine und Verbände. Das ist toll. Wissen Sie, einen guten Spieler mit viel Geld irgendwoher einzukaufen, ist nicht besonders schwer. Aber über Jahre eine gute, solide Jugendarbeit zu leisten und systematisch dafür zu sorgen, dass Talente erkannt und entwickelt werden, das ist eine herausragende Leistung. Das ist schon sehr positiv in Deutschland, und das kann einen auch ein bisschen stolz machen.

DFB.de:Wenn Sie zurückdenken an das Sommermärchen 2006, haben Sie noch einen Moment, der Ihnen besonders lebhaft in Erinnerung geblieben ist?

Friedrich: Bei der WM gab es ja viele besondere Momente. Ich kann mich noch gut an das Spiel gegen Ecuador erinnern. Da waren wir in Schwarz-Rot-Gold bemalt mit der gesamten Bundestagsfraktion in der Arena, die vor dem Reichstag aufgebaut war. Die Stimmung war gut, denn Deutschland war nach den beiden vorangegangenen Spielen praktisch schon eine Runde weiter.

DFB.de: Wie viel Fußball-Fan und wie viel politisch verantwortlicher Minister sind Sie, wenn Sie im Stadion sind?

Friedrich: Das lässt sich nicht in Prozenten ausdrücken. Ich finde es toll, dass ich meine Leidenschaft für den Fußball mit der Ministeraufgabe verbinden kann. Ich stelle mir das sehr mühsam vor, wenn jemand Innenminister wird und sich nicht für Fußball interessiert.

DFB.de: Ein Fußball-Muffel als Innenminister, das ginge nicht?

Friedrich: Es wäre vielleicht noch akzeptabel, wenn man sich nicht so sehr für den Vereinssport interessiert. Aber dass man sich als zuständiger Minister oder oberster Repräsentant des Staates schlichtweg nicht für die deutsche Nationalmannschaft interessiert, fände ich als Fußball-Fan befremdlich.

DFB.de: Globale Sportevents wie etwa die Frauen-WM haben auch eine enorm positive Wirkung auf den Breitensport. Wie sehen Sie die Wirkung?

Friedrich: Nun, von der Spitze gehen immer ein Impuls und eine besondere Motivation für junge Leute aus, sich sportlich zu betätigen. Jede Sportart, die einmal in den Fokus der Öffentlichkeit gelangt ist, spürt auch in der Breite sofort eine Wirkung. Das hat man damals gemerkt, als Boris Becker das erste Mal Wimbledon gewann. Das hat dem Breitensport Tennis einen unheimlichen Schub gegeben. Zugleich wirkt der Spitzensport auch auf die sonstigen unzähligen Aktiven und Helfer, ohne die Sportvereine überhaupt nicht existieren könnten, unheimlich motivierend und belohnend. Denn jeder Spitzensportler ist irgendwann das erste Mal zum Training gekommen und hat aufgrund der erfolgreichen Jugendarbeit seines Heimatvereins erste Erfolge erzielt. Ich finde es gut, dass auch die großen Klubs ihre Verantwortung für den Breitensport sehen. Wenn man sich anschaut, was ein Verein wie Bayern München auch für den Breitensport leistet, und das nicht nur im Fußball, dann ist das sehr beachtlich.

DFB.de: Der FC Bayern München hat ja zum Beispiel mit der Marke Bayern das Projekt Basketball erfolgreich auf die Schiene gesetzt.

Friedrich: Die Marke funktioniert, vor allem dank der starken Unternehmensphilosophie, die da dahintersteckt. Diese Mischung aus unternehmerischem Engagement und idealistischer Leidenschaft für den Sport ist eine tolle Kombination. Der FC Bayern München sieht sich auch als Familie, als Integrationsakteur. Es gibt eine ganze Reihe solcher Vereine in Deutschland, und das ist etwas sehr Gutes.

DFB.de: Unter der Präsidentschaft von Dr. Theo Zwanziger ist der DFB über die Organisation des Fußballs in der Spitze und in der Breite weiter hinausgegangen und hat sein soziales Engagement nachhaltig verstärkt. Wie beurteilen Sie es, dass der DFB gesellschaftliche Aufgaben und Verantwortung übernimmt?

Friedrich: Fußball ist mehr als nur Sport und Spiel. Fußball hat eine bedeutende gesellschaftliche Funktion, und meines Erachtens sollte der Fußball diese Möglichkeiten auch nutzen. So oder so kann sich der Fußball bestimmten gesellschaftlichen Entwicklungen, die sich auch auf ihn auswirken, nicht einfach entziehen. Nehmen wir die Gewalt in der Fußballszene, Gewalt gegen Polizisten oder einfach auch Gewalt gegen andere Fans. Das können wir nicht einfach tolerieren.

DFB.de: Im europäischen Vergleich steht der deutsche Fußball bei der Sicherheit in den Stadien nach wie vor glänzend da. Dennoch ist jeder Vorfall einer zu viel. Was ist zu tun?

Friedrich: Wir brauchen ein gemeinsames Vorgehen aller Betroffenen. Im Präventionsbereich kann viel erreicht werden. Gerade hier sind wir auf eine gute und enge Kooperation mit den Vereinen angewiesen. Der Fußball hat dabei ein erhebliches Eigeninteresse, denn welcher Vater geht am Samstag mit seinen Kindern noch ins Stadion, wenn gewalttätige Ausschreitungen zu erwarten sind? Aber auch eine wirksame Strafverfolgung ist erforderlich. Dies gilt nicht zuletzt bei Gewalt gegen die Polizeibeamten, die in neutraler Funktion nur die problemlose Durchführung der Spiele absichern sollen. Bei diesem Punkt ist aber auch die Gesellschaft insgesamt gefordert. Wir müssen dafür eintreten, dass Polizisten, also die Repräsentanten des Staates, die sich für die Einhaltung von demokratisch zustande gekommenen Gesetzen einsetzen, den Respekt der Bevölkerung bekommen. Respektlosigkeit von vermeintlichen Fans gegenüber Polizis­ten ist eine Respektlosigkeit gegenüber dem Staat und nicht akzeptabel.

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DFB.de: Es geht also um das Zusammenspiel zwischen Verband, Vereinen und der Polizei?

Friedrich: Ja, wir brauchen im Vorfeld und bei den Spielen eine gute Kommunikation und Kooperation zwischen allen Akteuren. Und wenn es dann doch zu Straftaten kommt, muss unsere Justiz klarmachen, wo die Grenzen sind.

DFB.de: Die zeitliche Nähe zwischen Tat und Anklage muss erkennbar sein?

Friedrich: Das hat sicher eine positive Wirkung auf die Täter.

DFB.de: Die FIFA ist stark in die Schlagzeilen gekommen, nicht immer waren es positive. Wie beobachten Sie die Situation im Weltverband? Und wird aus Ihrer Sicht etwa durch die Korruptionsvorwürfe gegenüber einigen FIFA-Mitgliedern die Sinnhaftigkeit der Autonomie des Sports in Frage gestellt?

Friedrich: Nein. Grundsätzlich halte ich es für richtig, dass der Sport seine Organisation, die Austragung seiner Spiele und seine Attraktivität selbst bestimmt. Der Staat sollte dafür allein die Rahmenbedingungen zur Verfügung stellen; nur so kann sich der Sport im positiven Sinn frei entwickeln. Aber natürlich muss es dann letzten Endes auch eine Eigenverantwortung des Sports für die jeweilige Ausgestaltung innerhalb des Rahmens geben. An den Spekulationen rund um den FIFA-Kongress möchte ich mich nicht beteiligen. Aber natürlich sehe ich es mit Sorge, wenn man das Gefühl bekommt, dass die Sache, um die es eigentlich geht, der Fußball, von anderen Dingen zu stark überlagert wird.

DFB.de: Kommen wir zum Schluss von der globalen Fußballwelt zurück zu Ihrer regionalen Herkunft. Sie sagen, Sie stammen aus Hoch-Franken. Das hört man sehr selten.

Friedrich: Der Begriff Hoch-Franken ist auch noch nicht so alt. Die Region zwischen Marktredwitz und Hof, aus der ich stamme, hieß früher Nord-Ost-Oberfranken. Das hört sich so eiskalt an, da klingt Hoch-Franken doch viel besser. Es gab vor etwa 15 Jahren einen Image-Wettbewerb, aus dem der Begriff Hoch-Franken als Sieger hervorgegangen ist. Da die Region genau den Bundestagswahlkreis und das Verbreitungsgebiet der örtlichen Zeitung umfasst, hatten wir wichtige Verbündete. Und so kommt es, dass die Region heute Hoch-Franken heißt.