Flick: "Entwicklung bei der U 21 ist hervorragend"

Vor einem Jahr wurde er mit der A-Mannschaft Weltmeister. Nach Brasilien folgte für Hansi Flick ein neuer Lebensabschnitt, der Assistenztrainer wurde DFB-Sportdirektor. Er ist nun ganz nah dran an den U-Teams, und natürlich war er bei der U 21-EM dabei. Nach dem Finale zwischen Portugal und Schweden zieht Flick im DFB.de-Interview mit Redakteur Steffen Lüdeke seine Bilanz des Turniers in Tschechien.

DFB.de: Herr Flick, der neue U 21-Europameister heißt Schweden. Hand aufs Herz – wenn Ihnen dies jemand vor dem Turnier gesagt hätte…

Hansi Flick: …hätte ich mich gewundert. Auch ich hatte vorher andere Teams auf dem Zettel, zu den großen Favoriten gehörten die Schweden sicher nicht.

DFB.de: Wie konnte es zu dieser Überraschung kommen?

Flick: Während des Turniers haben sich die Stärken der Schweden immer mehr gezeigt. Die Mannschaft hat vor allem von ihrer Einstellung gelebt, von einer beeindruckenden Physis, von hoher Laufbereitschaft und insgesamt einer hohen Intensität.

DFB.de: Und damit wurde fehlende individuelle Qualität ausgeglichen?

Flick: Auch die Schweden verfügen über individuell gute Fußballer. Aber überzeugt haben sie vor allem als Team. Sie haben als Team verteidigt und als Team angegriffen. Nach Ballverlusten haben sie es immer wieder geschafft, schnell mit sieben, acht Spielern hinter den Ball zu kommen. Genauso hatten Sie häufig eine hohe Anzahl an Spielern offensiv in der gefährlichen Zone. Die Schweden hat auch ausgezeichnet, dass sie in ihrem 4-4-2-System sehr sicher waren, sie haben mit zwei Linien sehr kompakt gestanden. Wenn man das ganze Turnier betrachtet, kann man durchaus sagen, dass Schweden ein verdienter und würdiger Europameister ist. Auch im Finale waren sie nicht schlechter als die Portugiesen.

DFB.de: Sie haben das gesamte Turnier vor Ort verfolgt. Welche Erkenntnisse haben Sie dabei gewonnen? Gibt es neue Trends im Fußball, die schon jetzt zu beobachten waren?

Flick: Das Niveau der Spiele war hoch, wobei es bei die EM 2013 sogar noch ein wenig höher war. Damals waren Spieler wie Isco, Thiago und Immobile dabei – dermaßen herausragende Akteure habe ich diesmal nicht gesehen. Dennoch: Die EM hat gezeigt, wie gut auch in anderen Nationen im Nachwuchs gearbeitet wird. Es gibt extrem viele Spieler, die technisch und taktisch exzellent geschult sind. Fast alle Teams waren sehr variabel und in der Lage, schnell zwischen verschiedenen Systemen zu wechseln. Von den Positionen her hat sich bestätigt, wie wichtig es ist, dass alle Spieler auf allen Positionen auch offensiv denken. Bei den Außenverteidigern der Portugiesen war das sehr auffällig, auch der Tscheche Pavel Kaderabek hatte immer den Gedanken einer offensiven Lösung im Kopf. Das hat mir imponiert.

DFB.de: Die U 21-EM ist von der Altersstufe her das letzte Junioren-Turnier. Inwieweit ist dies dem Fußball noch anzusehen? Wie unterscheidet sich das Spiel vom Senioren-Fußball?

Flick: Das Niveau ist schon sehr nah an dem der A-Mannschaften. Die Jugend der Spieler ist am ehesten in der Konstanz zu merken, mehrere Spiele hintereinander auf absoluten Top-Niveau können nicht alle Teams anbieten. Im Vergleich zu den A-Teams ist es zudem so, dass der Ballbesitz bei den U-Teams häufiger wechselt. Generell spielen die Mannschaften weniger Ballbesitzfußball, als es die Top-Mannschaften im Seniorenbereich tun. Wenn wir einen größeren Bogen spannen, fällt im U-Bereich auch auf, dass die Fluktuation unter den Top-Nationen größer ist. Neben uns gab es mit Italien und England nur zwei Nationen, die sich auch 2013 schon für die EM-Endrunde qualifiziert hatten.



Vor einem Jahr wurde er mit der A-Mannschaft Weltmeister. Nach Brasilien folgte für Hansi Flick ein neuer Lebensabschnitt, der Assistenztrainer wurde DFB-Sportdirektor. Er ist nun ganz nah dran an den U-Teams, und natürlich war er bei der U 21-EM dabei. Nach dem Finale zwischen Portugal und Schweden zieht Flick im DFB.de-Interview mit Redakteur Steffen Lüdeke seine Bilanz des Turniers in Tschechien.

DFB.de: Herr Flick, der neue U 21-Europameister heißt Schweden. Hand aufs Herz – wenn Ihnen dies jemand vor dem Turnier gesagt hätte…

Hansi Flick: …hätte ich mich gewundert. Auch ich hatte vorher andere Teams auf dem Zettel, zu den großen Favoriten gehörten die Schweden sicher nicht.

DFB.de: Wie konnte es zu dieser Überraschung kommen?

Flick: Während des Turniers haben sich die Stärken der Schweden immer mehr gezeigt. Die Mannschaft hat vor allem von ihrer Einstellung gelebt, von einer beeindruckenden Physis, von hoher Laufbereitschaft und insgesamt einer hohen Intensität.

DFB.de: Und damit wurde fehlende individuelle Qualität ausgeglichen?

Flick: Auch die Schweden verfügen über individuell gute Fußballer. Aber überzeugt haben sie vor allem als Team. Sie haben als Team verteidigt und als Team angegriffen. Nach Ballverlusten haben sie es immer wieder geschafft, schnell mit sieben, acht Spielern hinter den Ball zu kommen. Genauso hatten Sie häufig eine hohe Anzahl an Spielern offensiv in der gefährlichen Zone. Die Schweden hat auch ausgezeichnet, dass sie in ihrem 4-4-2-System sehr sicher waren, sie haben mit zwei Linien sehr kompakt gestanden. Wenn man das ganze Turnier betrachtet, kann man durchaus sagen, dass Schweden ein verdienter und würdiger Europameister ist. Auch im Finale waren sie nicht schlechter als die Portugiesen.

DFB.de: Sie haben das gesamte Turnier vor Ort verfolgt. Welche Erkenntnisse haben Sie dabei gewonnen? Gibt es neue Trends im Fußball, die schon jetzt zu beobachten waren?

Flick: Das Niveau der Spiele war hoch, wobei es bei die EM 2013 sogar noch ein wenig höher war. Damals waren Spieler wie Isco, Thiago und Immobile dabei – dermaßen herausragende Akteure habe ich diesmal nicht gesehen. Dennoch: Die EM hat gezeigt, wie gut auch in anderen Nationen im Nachwuchs gearbeitet wird. Es gibt extrem viele Spieler, die technisch und taktisch exzellent geschult sind. Fast alle Teams waren sehr variabel und in der Lage, schnell zwischen verschiedenen Systemen zu wechseln. Von den Positionen her hat sich bestätigt, wie wichtig es ist, dass alle Spieler auf allen Positionen auch offensiv denken. Bei den Außenverteidigern der Portugiesen war das sehr auffällig, auch der Tscheche Pavel Kaderabek hatte immer den Gedanken einer offensiven Lösung im Kopf. Das hat mir imponiert.

DFB.de: Die U 21-EM ist von der Altersstufe her das letzte Junioren-Turnier. Inwieweit ist dies dem Fußball noch anzusehen? Wie unterscheidet sich das Spiel vom Senioren-Fußball?

Flick: Das Niveau ist schon sehr nah an dem der A-Mannschaften. Die Jugend der Spieler ist am ehesten in der Konstanz zu merken, mehrere Spiele hintereinander auf absoluten Top-Niveau können nicht alle Teams anbieten. Im Vergleich zu den A-Teams ist es zudem so, dass der Ballbesitz bei den U-Teams häufiger wechselt. Generell spielen die Mannschaften weniger Ballbesitzfußball, als es die Top-Mannschaften im Seniorenbereich tun. Wenn wir einen größeren Bogen spannen, fällt im U-Bereich auch auf, dass die Fluktuation unter den Top-Nationen größer ist. Neben uns gab es mit Italien und England nur zwei Nationen, die sich auch 2013 schon für die EM-Endrunde qualifiziert hatten.

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DFB.de: Ein gutes Zeugnis für die Arbeit im deutschen Nachwuchs und bei der U 21?

Flick: Ja. Ich begleite das Team seit fast zwei Jahren sehr intensiv. Ich habe viele Partien dieser Mannschaft gesehen, kenne die Spieler, das Trainerteam und die Betreuer gut. Und ich kann allen nur ein großes Kompliment aussprechen. Die Entwicklung der Mannschaft ist hervorragend, mit der Arbeit von Horst Hrubesch und Thomas Nörenberg bin ich absolut zufrieden. Die Mannschaft hat sich zwei Jahre lang auf und neben dem Platz hervorragend präsentiert. Wir hatten ein tolles Team mit tollen Spielern und tollen Spielen.

DFB.de: Wie ist dann das 0:5 gegen Portugal zu erklären?

Flick: Wenn wir ehrlich sind, müssen wir sagen, dass das gesamte Turnier nicht so gelaufen ist, wie wir uns das vorgestellt hatten. Der Start war holprig, die erste Halbzeit gegen Serbien war mäßig, Halbzeit zwei dann besser. Beim 3:0 gegen Dänemark hat die Mannschaft phasenweise sehr gut gespielt. Im Spiel gegen Tschechien hätten wir das Spiel für uns entscheiden können, wir haben die Chancen aber liegen lassen. In allen Spielen haben wir zu viele Fehler gemacht, im Halbfinale war es dann wieder so, und in diesem Spiel sind wir auf einen Gegner gestoßen, der uns dafür böse bestraft hat. Bei aller Enttäuschung über die eigene Leistung muss man auch die Qualitäten des Gegners anerkennen.

DFB.de: Was zeichnet die Portugiesen aus?

Flick: Neben den individuellen Fähigkeiten vor allem die hohe Spielintelligenz. Sie haben fast immer die richtige Entscheidung getroffen. Sie haben das Spiel schnell gemacht, wenn die Möglichkeit zu einer Torchance da war, sie haben das Tempo verzögert, wenn sie auf Ballbesitz spielen mussten.

DFB.de: Anders als die deutsche Mannschaft.

Flick: Wir haben die Erwartungen nicht erfüllt - da gibt es nichts schönzureden. Und dennoch sage ich: Qualität und Mentalität der Mannschaft sind top. Das 0:5 gegen Portugal war ein Ausnahmespiel, die grundsätzlichen Fähigkeiten der Spieler stellen diese 90 Minuten nicht infrage. Ich bin sicher, dass viele Spieler dieses Teams eine gute Zukunft vor sich haben.

DFB.de: Emre Can hat sich nach dem Spiel sehr selbstkritisch geäußert.

Flick: Das zeigt seinen guten Charakter, seine Größe. Er ist ein Führungsspieler und ein Teamplayer. Und das hat er schon in früheren U-Teams gezeigt. Er kann vorangehen - und er ist in der Mannschaft absolut anerkannt. Ich habe ihn einige Male auch in England gesehen, seine Entwicklung ist phänomenal. Er hat in Liverpool ein großes Standing, eine hohe Akzeptanz auch bei den Fans. Emre hat gegen Portugal kein gutes Spiel gemacht, es spricht für ihn, dass er dies erkennt und einräumt.

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DFB.de: Nach der Niederlage gegen Portugal war auch zu hören, dass die Vorbereitung auf dieses Spiel nicht bei allen professionell gewesen sei.

Flick: Ich war dabei, ich kann es beurteilen, und ich kann sagen: das stimmt nicht. Nicht für die Spieler – und nicht für die Sportliche Leitung. Ich habe das Training gesehen, ich kenne auch die Rahmenbedingungen. Es war alles top-professionell. Der DFB hat für alles gesorgt, mit Marcus Sorg und Meikel Schönweitz haben zwei U-Trainer das Scouting und den Trainerstab unterstützt, in allen Bereichen war das Team bestens aufgestellt. Nach einem 0:5 hat man wenig Argumente, aber ich wehre mich dagegen, dass nun auf einmal alles falsch gewesen sein soll.

DFB.de: Mit dem Halbfinal-Einzug wurde das Ticket für die Olympischen Spiele 2016 in Rio gelöst. Wiegt die Freude darüber die Enttäuschung über das Aus im Halbfinale auf?

Flick: Nein, nicht für mich, ich trenne das. Wir sind bei der EM mit dem Ziel angetreten, das Turnier zu gewinnen. Und dieses Ziel haben wir verfehlt, daran ändert auch das Olympia-Ticket nichts. Aber natürlich ist es toll für den deutschen Fußball und den DFB, dass wir bei den Olympischen Spielen in Rio 2016 vertreten sein werden. Darauf können wir stolz sein.

DFB.de: Sie haben angekündigt, dass der DFB mit der bestmöglichen Mannschaft in Rio vertreten sein wird.

Flick: Wie sollte es sonst sein? Wir werden in den nächsten Monaten Gespräche führen. Ich sehe natürlich auch die Interessen der Vereine, sehe den Termindruck. Wir dürfen die Spieler nicht überfordern. 2016 steht die EM in Frankreich an, 2017 der Confed Cup in Russland, 2018 die WM. Wir haben den Spielern gegenüber eine große Verantwortung. Eine der großen Aufgaben für uns ist es, die Belastung richtig zu steuern und die Spieler nicht zu verschleißen. Dabei sind DFB, DFL und Vereine gleichermaßen gefordert.

DFB.de: Nicht überfordern - gilt dies nicht auch für den DFB-Sportdirektor? Sie waren eben noch bei der U 21-EM in Tschechien, fast nahtlos geht es weiter nach Griechenland zur U 19-EM. Nach Urlaub klingt das nicht.

Flick: Nein. Aber mir macht alles großen Spaß, die Belastung spüre ich nicht. Zu meinen Aufgaben als Sportdirektor gehört es, dass ich die besten Spieler unseres Landes kennenlerne, dass ich mich mit ihnen austausche, dass ich weiß, wie sie ticken. Ein Turnier ist dafür eine ideale Gelegenheit. Auch dafür, die Tendenzen im internationalen Fußball zu erkennen. Wie arbeiten andere Nationen im Nachwuchs, welche Spielertypen bringen sie hervor, welche Systeme zeichnen sich ab? Wir dürfen nicht nur auf uns schauen, wir müssen auch bei der Konkurrenz Informationen sammeln.

DFB.de: Die deutsche U 19 ist Titelverteidiger, ist das Team von Marcus Sorg damit automatisch Favorit?

Flick: Die Konstellation ist so, dass die Mannschaft relativ wenig Zeit hatte, sich auf dieses Turnier vorzubereiten. Im Grunde muss sich das Team während des Turniers einspielen – und das ist angesichts der Gruppenkonstellation sehr schwierig. Mit Spanien, den Niederlande und Russland warten große Aufgaben auf unsere Mannschaft. Wichtig wird sein, in der Partie gegen Spanien gleich gut ins Turnier zu starten. Wenn das gelingt ist für unsere U 19 viel möglich.