Finale in Freiburg, EM in England und Ticket für Rio?

Der Rasselball rollt wieder. In Chemnitz startet die Deutsche Blindenfußball-Bundesliga am Samstag in die neue Saison, es ist bereits die achte für Europas einzigen nationalen Fußballwettbewerb für blinde und sehbehinderte Menschen. Gelingt Rekordmeister MTV Stuttgart der sechste Titelgewinn? Gut möglich, dass die Entscheidung erst im September fällt, wenn die Schwaben beim Saisonfinale in Freiburg im allerletzten Spiel der Saison auf den zweimaligen Meister Blau-Gelb Marburg (2008, 2012) treffen.

Das temporeiche, körperlich manchmal harte Spiel kann fesseln. Zehntausende Zuschauer fasziniert die Action, wenn die Blindenfußballer auf dem 40 mal 20 Meter großen umbandeten Kunstrasen mitten in den Innenstädten spielen. Im August sorgt die mit Spannung erwartete Europameisterschaft in England für eine Unterbrechung des Bundesliga-Spielplans. Gelingt im westenglischen Hereford der erträumte Finaleinzug, wäre das Blinden-Nationalteam für die Paralympics in Rio 2016 qualifiziert. Das Spielniveau steigt, die Beliebtheit wächst, ganz sorgenfrei ist der Blindenfußball dennoch nicht. Neue talentierte Spieler für die Liga zu finden, war und bleibt das größte Problem.

Drei Frauen in der Liga

"Natürlich ist die Titelverteidigung unser Ziel", sagt der 30-jährige Kapitän der Stuttgarter, Alexander Fangmann, der auch die deutsche Armbinde trägt. "Jetzt im EM-Jahr gilt es noch viel mehr, die Konzentration in jedem Spiel bis zum Abpfiff hochzuhalten, um so auch die nötige Spielpraxis und Wettkampfhärte zu sammeln." Der Rumpf der Mannschaft ist seit Jahren unverändert: Neben Fangmann sind dies der aus Eritrea stammende Mulgheta Russom, Lukas Smirek und der torgefährliche Vedat Sarikaya. Alle vier sind Topspieler der Liga, alle sind sie seit Jahren Spieler der Nationalmannschaft, die in Personalunion vom Stuttgarter Trainer Ulrich Pfisterer betreut wird. Doch der aus Eritrea stammende spindeldürre Russom zog sich bei der WM in Japan einen Adduktorenabriss zu, und Sarikaya stand bereits seit vergangenem August wegen Knöchelproblemen und einer Sperre nicht mehr auf dem Platz.

Noch bleibt dem Titelverteidiger Zeit, in Form zu kommen, steigt man doch erst am 2. Spieltag, der im Rahmen der bayerischen "Fußballiade" des Bayerischen Fußball-Verbandes am 6. Juni in Landshut ausgetragen wird, in die Saison ein. Nach einem ersten Testspiel im April gegen Marburg wählte Pfisterer jedenfalls ein wenig schmeichelhaftes Adjektiv für seine Stammkräfte: "Eingerostet."

Zwei Spielzeiten sind schon wieder vergangen, seit Blau-Gelb Marburg den Stuttgartern letztmals die Meisterschale wegschnappen konnte. Wie Pfisterer fürchtet auch Marburgs Trainer Peter Gößmann einen Fehlstart. Der erfahrene Abwehrspieler Robert Warzecha, 2012 als "Bester Spieler der Saison" ausgezeichnet, wird verletzt länger ausfallen und Stürmer Taime Kuttig muss nach einem Kreuzbandriss erstmal wieder in Tritt kommen. Gerade beim Blindenfußball dauert es, bis ein Spieler wieder furchtlos dem Ball hinterherrennt. Gößmann sagt: "Wir hoffen dennoch immer mit einer schlagkräftigen Mannschaft auflaufen zu können. Und wenn wir bis in den September ungeschlagen bleiben, wer weiß, was dann möglich ist." Noch zwei Marburger Notizen: Torwart Niclas Schubert wechselt ins Feld und Julia Hartmann ist die erste Frau im Team. Damit sollten 2015 insgesamt drei Frauen in der Liga spielen – neben Hartmann noch Katja Löffler vom FC St. Pauli und Jana Schlegel vom Chemnitzer FC.

Hochburg Sachsen

Die Chemnitzer etablierten sich vergangene Saison als dritte Kraft im deutschen Blindenfußball. Genau dort stand man nämlich in der Abschlusstabelle. Sieben Turniere hat der Klub seit 2011 veranstaltet, Sachsen wurde zu einer Hochburg der immer noch jungen Sportart. Im Herbst holte man sich dann noch den Titel beim "Keep your mind open"-Hallenturnier des FC St. Pauli. Als kleine Anerkennung für so viel Können und Fleiß findet der Saisonstart an diesem Wochenende im Chemnitzer Forum statt. Trainer Michael Falb verspricht: "Wir werden weiter für die eine oder andere Überraschung sorgen."

Schwarz-Gelb gegen Königsblau – das Derby überhaupt in der Bundesliga. Ein Ruhrpott-Derby hat auch Europas einzige nationale Wettbewerbsserie für blinde Fußballer zu bieten, und zwar immer wenn Schalke 04 und ISC Viktoria Dortmund aufeinandertreffen. Die Gelsenkirchner rund um Nationalspieler Bayram Dogan beendeten 2014 als Tabellenvierter, Dortmund angeführt von Spielertrainer Hasan Caglikalp als Tabellensiebter. Erst vor wenigen Tagen nahm S04 die Blindenfußballer, die in den vergangenen Jahren als VfB Gelsenkirchen gestartet waren, bei Königsblau auf.

Auch andere Profiklubs haben den Blindenfußball entdeckt. Dazu zählt der SV Werder Bremen, seit zwei Jahren ist eine Trainingsgruppe mit Kindern und Jugendlichen im Aufbau. Die Blindenfußballer von Eintracht Braunschweig starten in der DBFL in einer Spielgemeinschaft mit Berlin und belegten vergangene Saison den sechsten Rang. Auch der Kultklub vom Kiez ist seit dem Ligastart 2008 dabei. Unmittelbar nach einem allersten Workshop in Berlin im WM-Sommer 2006 gründeten Katja und Michael Löffler die neue Abteilung des FC St. Pauli. Für Paulis Trainer Wolf Schmidt ist Blindenfußball ohnehin "die anspruchsvollste Art des Fußballs". Der Totenkopf auf schwarzen Sweatshirts gehört jedenfalls fest zu einem Spieltag der Liga, die Pauli vergangene Saison mit einem starken fünften Platz abschloss.



Der Rasselball rollt wieder. In Chemnitz startet die Deutsche Blindenfußball-Bundesliga am Samstag in die neue Saison, es ist bereits die achte für Europas einzigen nationalen Fußballwettbewerb für blinde und sehbehinderte Menschen. Gelingt Rekordmeister MTV Stuttgart der sechste Titelgewinn? Gut möglich, dass die Entscheidung erst im September fällt, wenn die Schwaben beim Saisonfinale in Freiburg im allerletzten Spiel der Saison auf den zweimaligen Meister Blau-Gelb Marburg (2008, 2012) treffen.

Das temporeiche, körperlich manchmal harte Spiel kann fesseln. Zehntausende Zuschauer fasziniert die Action, wenn die Blindenfußballer auf dem 40 mal 20 Meter großen umbandeten Kunstrasen mitten in den Innenstädten spielen. Im August sorgt die mit Spannung erwartete Europameisterschaft in England für eine Unterbrechung des Bundesliga-Spielplans. Gelingt im westenglischen Hereford der erträumte Finaleinzug, wäre das Blinden-Nationalteam für die Paralympics in Rio 2016 qualifiziert. Das Spielniveau steigt, die Beliebtheit wächst, ganz sorgenfrei ist der Blindenfußball dennoch nicht. Neue talentierte Spieler für die Liga zu finden, war und bleibt das größte Problem.

Drei Frauen in der Liga

"Natürlich ist die Titelverteidigung unser Ziel", sagt der 30-jährige Kapitän der Stuttgarter, Alexander Fangmann, der auch die deutsche Armbinde trägt. "Jetzt im EM-Jahr gilt es noch viel mehr, die Konzentration in jedem Spiel bis zum Abpfiff hochzuhalten, um so auch die nötige Spielpraxis und Wettkampfhärte zu sammeln." Der Rumpf der Mannschaft ist seit Jahren unverändert: Neben Fangmann sind dies der aus Eritrea stammende Mulgheta Russom, Lukas Smirek und der torgefährliche Vedat Sarikaya. Alle vier sind Topspieler der Liga, alle sind sie seit Jahren Spieler der Nationalmannschaft, die in Personalunion vom Stuttgarter Trainer Ulrich Pfisterer betreut wird. Doch der aus Eritrea stammende spindeldürre Russom zog sich bei der WM in Japan einen Adduktorenabriss zu, und Sarikaya stand bereits seit vergangenem August wegen Knöchelproblemen und einer Sperre nicht mehr auf dem Platz.

Noch bleibt dem Titelverteidiger Zeit, in Form zu kommen, steigt man doch erst am 2. Spieltag, der im Rahmen der bayerischen "Fußballiade" des Bayerischen Fußball-Verbandes am 6. Juni in Landshut ausgetragen wird, in die Saison ein. Nach einem ersten Testspiel im April gegen Marburg wählte Pfisterer jedenfalls ein wenig schmeichelhaftes Adjektiv für seine Stammkräfte: "Eingerostet."

Zwei Spielzeiten sind schon wieder vergangen, seit Blau-Gelb Marburg den Stuttgartern letztmals die Meisterschale wegschnappen konnte. Wie Pfisterer fürchtet auch Marburgs Trainer Peter Gößmann einen Fehlstart. Der erfahrene Abwehrspieler Robert Warzecha, 2012 als "Bester Spieler der Saison" ausgezeichnet, wird verletzt länger ausfallen und Stürmer Taime Kuttig muss nach einem Kreuzbandriss erstmal wieder in Tritt kommen. Gerade beim Blindenfußball dauert es, bis ein Spieler wieder furchtlos dem Ball hinterherrennt. Gößmann sagt: "Wir hoffen dennoch immer mit einer schlagkräftigen Mannschaft auflaufen zu können. Und wenn wir bis in den September ungeschlagen bleiben, wer weiß, was dann möglich ist." Noch zwei Marburger Notizen: Torwart Niclas Schubert wechselt ins Feld und Julia Hartmann ist die erste Frau im Team. Damit sollten 2015 insgesamt drei Frauen in der Liga spielen – neben Hartmann noch Katja Löffler vom FC St. Pauli und Jana Schlegel vom Chemnitzer FC.

Hochburg Sachsen

Die Chemnitzer etablierten sich vergangene Saison als dritte Kraft im deutschen Blindenfußball. Genau dort stand man nämlich in der Abschlusstabelle. Sieben Turniere hat der Klub seit 2011 veranstaltet, Sachsen wurde zu einer Hochburg der immer noch jungen Sportart. Im Herbst holte man sich dann noch den Titel beim "Keep your mind open"-Hallenturnier des FC St. Pauli. Als kleine Anerkennung für so viel Können und Fleiß findet der Saisonstart an diesem Wochenende im Chemnitzer Forum statt. Trainer Michael Falb verspricht: "Wir werden weiter für die eine oder andere Überraschung sorgen."

Schwarz-Gelb gegen Königsblau – das Derby überhaupt in der Bundesliga. Ein Ruhrpott-Derby hat auch Europas einzige nationale Wettbewerbsserie für blinde Fußballer zu bieten, und zwar immer wenn Schalke 04 und ISC Viktoria Dortmund aufeinandertreffen. Die Gelsenkirchner rund um Nationalspieler Bayram Dogan beendeten 2014 als Tabellenvierter, Dortmund angeführt von Spielertrainer Hasan Caglikalp als Tabellensiebter. Erst vor wenigen Tagen nahm S04 die Blindenfußballer, die in den vergangenen Jahren als VfB Gelsenkirchen gestartet waren, bei Königsblau auf.

Auch andere Profiklubs haben den Blindenfußball entdeckt. Dazu zählt der SV Werder Bremen, seit zwei Jahren ist eine Trainingsgruppe mit Kindern und Jugendlichen im Aufbau. Die Blindenfußballer von Eintracht Braunschweig starten in der DBFL in einer Spielgemeinschaft mit Berlin und belegten vergangene Saison den sechsten Rang. Auch der Kultklub vom Kiez ist seit dem Ligastart 2008 dabei. Unmittelbar nach einem allersten Workshop in Berlin im WM-Sommer 2006 gründeten Katja und Michael Löffler die neue Abteilung des FC St. Pauli. Für Paulis Trainer Wolf Schmidt ist Blindenfußball ohnehin "die anspruchsvollste Art des Fußballs". Der Totenkopf auf schwarzen Sweatshirts gehört jedenfalls fest zu einem Spieltag der Liga, die Pauli vergangene Saison mit einem starken fünften Platz abschloss.

Bleiben der PSV Köln und der VSV Würzburg, die 2015 den achten und neunten Tabellenplatz belegten. Seit Jahren bester Akteur bei den Kölnern sind Stürmer Michael Wahl und der ebenso erfahrene Daniel Hoss, bei den Würzburgern, die sich bescheiden eine "tabellarische Verbesserung" als Saisonziel setzen, ragen Enrico Göbel und Sebastian Schäfer heraus.

Ausrichter: Sepp-Herberger-Stiftung

Die Jagd nach der Trophäe kann also beginnen. Einig sind sich alle Konkurrenten, dass Blindenfußball in der öffentlichen Wahrnehmung dank der Liga und den Städte-Spieltagen einen enormen Aufschwung erlebt hat. Mindestens noch bis in den Sommer 2016 wird die DFB-Stiftung Sepp Herberger gemeinsam mit dem Deutschen Behindertensportverband und dem Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband die Liga ausrichten, die Aktiven hoffen auf eine Vertragsverlängerung.

Zehntausend Zuschauer verfolgten vergangene Saison die Spieltage, alle großen TV-Sender featurten bereits. Peter Gößmann urteilt: "Die Ausstattung der Spielorte und auch der Service vor Ort haben sich enorm verbessert, es ist etwas mehr Professionalität im Umgang mit der Liga eingekehrt. Vor allem die Städte-Spieltage waren gut beworben, dadurch finden wir für den Blindenfußball einen regen Zuspruch."

Die schwierige Suche nach neuen Spielern

Problematisch bleibt die Suche nach neuen jungen Spielern, was eng mit dem Krankheitsbild Blindheit zusammenhängt. Rund 155.000 blinde und etwa eine halbe Million sehbehinderte Menschen leben in Deutschland. Da fast 70 Prozent aufgrund einer altersbedingten Erkrankung wie Grauer Star oder Diabetes erblinden, ist das Rekrutierungsfeld eng abgesteckt. Blindenfußball ist nicht wirklich eine Seniorensportart. Die Angst Angehöriger vor der Härte des Spiels erschwert die Suche nach neuen Spielern nur noch mehr.

Pfisterer beschreibt das Spiel als eine Mischung aus Fußball und Eishockey, nur eben mit verbundenen Augen. "Zuallererst", meint der Nationaltrainer, "muss ein Blindenfußballer über die Fähigkeit verfügen, sich im freien Raum zu bewegen." Das ist, ohne etwas zu sehen, keine leichte Aufgabe – probieren Sie es mal! Und der langjährige Bundesligaspieler Sven Schwarze sagt: "Es gibt Spieler, die nach einer heftigen Kollision erstmal nicht mehr rennen und dann ganz aufhören. Man muss das wegstecken können." Russom hat es mal so formuliert: "Man muss ein bisschen einen Knall haben."

Hoffnung auf einen Boom

Mehr Spieler aber wären nötig, um weitere Mannschaften anzumelden und die Liga weiter aufzustocken. Deutschlands Kapitän Alexander Fangmann sagt: "Leider ist die einfache Runde mit bloß acht Spielen eine sehr dünne Basis. Wenn die Spielpause doppelt so lange andauert wie die eigentliche Saison, hat man als Spieler kaum die Chance, sich markant zu verbessern."

Ungeduldig hofft Fangmann auf eine Fortsetzung des Booms im Blindenfußball. Volle Tribünen bei den Städte-Spieltagen in Landshut und Freiburg und die Qualifikation für Rio wären dafür wichtige Meilensteine.