Final-Stimme Bartels: "Eigentlich muss ich jetzt was anderes machen"

Tom Bartels war die Stimme des Triumphs von Rio. Für die ARD kommentierte der 49-Jährige das Endspiel. Im DFB-Journal erinnert er sich an ein außergewöhnliches Spiel, das auch für ihn zum größten Highlight seiner Laufbahn wurde.

Die wichtigsten Szenen des Endspiels habe ich mittlerweile wieder gesehen, bei vielen Veranstaltungen, bei denen ich war, wurden sie eingespielt. Was ich gesagt habe, als Götze das Siegtor schoss. Und was, als das Spiel aus war. "Deutschland ist zurück im Fußballhimmel", habe ich gesagt. Ich hatte mir das vorher nicht großartig zurechtgelegt. Ich habe mir nur überlegt, dass ich auf jeden Fall nicht sagen kann: Deutschland ist Weltmeister, das ist ja das Platteste überhaupt. Als ich dann die Christus-Statue gesehen habe, die ja ein paar Mal während der Übertragung eingeblendet wurde, da habe ich mir dann was mit Fußballhimmel überlegt und das dann auch so gesagt. Ich kann damit gut leben, weil ich finde, dass es passt.

Am Finaltag bekam ich unglaublich viele SMS, irgendwann im Fünf-Minuten-Takt, viele Leute haben mir Glück gewünscht. Spätestens dann war mir auch klar, dass dieses Spiel wirklich jeder schaut. Nie habe ich mehr SMS bekommen – bis auf die Zeit nach dem Finale. Das war eine Ausnahmesituation, die Anspannung stieg minütlich. Das gipfelte darin, dass ich einen Anruf vom DFB bekam und mir gesagt wurde, dass Kramer spielt. Da ist mir fast der Hörer aus der Hand gefallen. Ich: "Warum? Für wen?" Und er: "Für Khedira." Kurz danach war ich dann auch schon auf Sendung und musste das erst mal verdauen. Neben mir saßen Bixente Lizarazu und Arsène Wenger, die für das französische Fernsehen kommentierten. Wenger konnte das auch nicht glauben, hat noch wild auf seinem Aufstellungsblatt herumgesucht. Aber dann ging es auch schon los.

Eine bessere Mannschaft habe ich nicht gesehen

Dann ist meine Erinnerung vor allem, dass es unfassbar spannend war. Ich war relativ lange zuversichtlich, aber kurz bevor das Tor fiel, habe ich mich bei dem Gedanken ertappt: Hoffentlich verlieren wir nicht im Elfmeterschießen. Dann wäre alles, was vorher passiert war, plötzlich egal gewesen. So ist die Erwartungshaltung bei uns: Du erreichst das Finale, aber wenn du es verlierst, hast du alles falsch gemacht. Es wäre traurig gewesen, wenn diese Mannschaft den letzten Schritt nicht gegangen wäre. Sie hatte diesen Titel verdient, weil sie eine wirkliche, eine intakte Mannschaft war. Eine bessere habe ich in diesem Turnier nicht gesehen. Das haben meine ausländischen Kollegen im Übrigen genauso empfunden.

Die Symbolfigur des Spiels war für mich Bastian Schweinsteiger, weil er so wahnsinnig viel einstecken musste. Wenn man sieht, aus welcher Verletzungsgeschichte er kam, dass er nicht fit ins Turnier gekommen ist, dass Löw ihn zu Beginn noch nicht gebracht hat, und wie er sich dann immer weiter gesteigert hat, und dann noch so ein Finale – das hat mir imponiert. Er gehört zu den Spielern, mit denen wir ja irgendwie alle über Jahre gefeiert und gelitten haben, wie auch Klose, Podolski, Mertesacker, Lahm, natürlich auch Joachim Löw – da bekommt man schon fast Tränen in den Augen, wenn man miterlebt, dass sie sich endlich belohnt haben.

Die Horrorvision wäre gewesen...

Für mich war das Spiel, bei aller Freude, totaler Stress. Der Albtraum eines Reporters ist ja, dass du in der entscheidenden Szene nicht auf der Höhe bist, den falschen Torschützen nennst oder so etwas. Da hat man manchmal schlaflose Nächte vorher. Und auf einmal passierte es, dieses Tor von Götze, und das war eine Erleichterung, eine Befreiung, auch für mich. Denn die Horrorvision wäre gewesen, eine Stunde Siegerehrung mit Argentinien kommentieren zu müssen.

Nachdem ich fertig war, fiel der ganze Druck von mir ab. Ich war nassgeschwitzt. Am späten Abend haben wir noch auf unserer Dachterrasse in Rio gesessen mit Blick aufs Meer und den Zuckerhut, etwas getrunken, sogar noch ein bisschen getanzt. Leider hatten wir keine Eistonne da, die hätte mir echt geholfen, denn der Tag war unglaublich lang und anstrengend. Um drei Uhr morgens bin ich dann ins Bett gefallen.

Irgendwann gab es danach einen Moment, an dem ich dachte: "Eigentlich muss ich jetzt was anderes machen." Denn so etwas Großes werde ich in meinem Beruf aller Voraussicht nach nicht mehr erleben. Wenn man bei so einem Ereignis dabei sein und das sogar kommentieren darf, da denkt man schon: Wie schön ist das, dass ich so etwas erleben darf. Ein WM-Titel der deutschen Fußball- Nationalmannschaft und dann auch noch an diesem magischen Ort Maracanã – das wird einzigartig bleiben, unerreicht. Das ist ein Geschenk, ein absolutes Highlight.

[gt]

Tom Bartels war die Stimme des Triumphs von Rio. Für die ARD kommentierte der 49-Jährige das Endspiel. Im DFB-Journal erinnert er sich an ein außergewöhnliches Spiel, das auch für ihn zum größten Highlight seiner Laufbahn wurde.

Die wichtigsten Szenen des Endspiels habe ich mittlerweile wieder gesehen, bei vielen Veranstaltungen, bei denen ich war, wurden sie eingespielt. Was ich gesagt habe, als Götze das Siegtor schoss. Und was, als das Spiel aus war. "Deutschland ist zurück im Fußballhimmel", habe ich gesagt. Ich hatte mir das vorher nicht großartig zurechtgelegt. Ich habe mir nur überlegt, dass ich auf jeden Fall nicht sagen kann: Deutschland ist Weltmeister, das ist ja das Platteste überhaupt. Als ich dann die Christus-Statue gesehen habe, die ja ein paar Mal während der Übertragung eingeblendet wurde, da habe ich mir dann was mit Fußballhimmel überlegt und das dann auch so gesagt. Ich kann damit gut leben, weil ich finde, dass es passt.

Am Finaltag bekam ich unglaublich viele SMS, irgendwann im Fünf-Minuten-Takt, viele Leute haben mir Glück gewünscht. Spätestens dann war mir auch klar, dass dieses Spiel wirklich jeder schaut. Nie habe ich mehr SMS bekommen – bis auf die Zeit nach dem Finale. Das war eine Ausnahmesituation, die Anspannung stieg minütlich. Das gipfelte darin, dass ich einen Anruf vom DFB bekam und mir gesagt wurde, dass Kramer spielt. Da ist mir fast der Hörer aus der Hand gefallen. Ich: "Warum? Für wen?" Und er: "Für Khedira." Kurz danach war ich dann auch schon auf Sendung und musste das erst mal verdauen. Neben mir saßen Bixente Lizarazu und Arsène Wenger, die für das französische Fernsehen kommentierten. Wenger konnte das auch nicht glauben, hat noch wild auf seinem Aufstellungsblatt herumgesucht. Aber dann ging es auch schon los.

Eine bessere Mannschaft habe ich nicht gesehen

Dann ist meine Erinnerung vor allem, dass es unfassbar spannend war. Ich war relativ lange zuversichtlich, aber kurz bevor das Tor fiel, habe ich mich bei dem Gedanken ertappt: Hoffentlich verlieren wir nicht im Elfmeterschießen. Dann wäre alles, was vorher passiert war, plötzlich egal gewesen. So ist die Erwartungshaltung bei uns: Du erreichst das Finale, aber wenn du es verlierst, hast du alles falsch gemacht. Es wäre traurig gewesen, wenn diese Mannschaft den letzten Schritt nicht gegangen wäre. Sie hatte diesen Titel verdient, weil sie eine wirkliche, eine intakte Mannschaft war. Eine bessere habe ich in diesem Turnier nicht gesehen. Das haben meine ausländischen Kollegen im Übrigen genauso empfunden.

Die Symbolfigur des Spiels war für mich Bastian Schweinsteiger, weil er so wahnsinnig viel einstecken musste. Wenn man sieht, aus welcher Verletzungsgeschichte er kam, dass er nicht fit ins Turnier gekommen ist, dass Löw ihn zu Beginn noch nicht gebracht hat, und wie er sich dann immer weiter gesteigert hat, und dann noch so ein Finale – das hat mir imponiert. Er gehört zu den Spielern, mit denen wir ja irgendwie alle über Jahre gefeiert und gelitten haben, wie auch Klose, Podolski, Mertesacker, Lahm, natürlich auch Joachim Löw – da bekommt man schon fast Tränen in den Augen, wenn man miterlebt, dass sie sich endlich belohnt haben.

Die Horrorvision wäre gewesen...

Für mich war das Spiel, bei aller Freude, totaler Stress. Der Albtraum eines Reporters ist ja, dass du in der entscheidenden Szene nicht auf der Höhe bist, den falschen Torschützen nennst oder so etwas. Da hat man manchmal schlaflose Nächte vorher. Und auf einmal passierte es, dieses Tor von Götze, und das war eine Erleichterung, eine Befreiung, auch für mich. Denn die Horrorvision wäre gewesen, eine Stunde Siegerehrung mit Argentinien kommentieren zu müssen.

Nachdem ich fertig war, fiel der ganze Druck von mir ab. Ich war nassgeschwitzt. Am späten Abend haben wir noch auf unserer Dachterrasse in Rio gesessen mit Blick aufs Meer und den Zuckerhut, etwas getrunken, sogar noch ein bisschen getanzt. Leider hatten wir keine Eistonne da, die hätte mir echt geholfen, denn der Tag war unglaublich lang und anstrengend. Um drei Uhr morgens bin ich dann ins Bett gefallen.

Irgendwann gab es danach einen Moment, an dem ich dachte: "Eigentlich muss ich jetzt was anderes machen." Denn so etwas Großes werde ich in meinem Beruf aller Voraussicht nach nicht mehr erleben. Wenn man bei so einem Ereignis dabei sein und das sogar kommentieren darf, da denkt man schon: Wie schön ist das, dass ich so etwas erleben darf. Ein WM-Titel der deutschen Fußball- Nationalmannschaft und dann auch noch an diesem magischen Ort Maracanã – das wird einzigartig bleiben, unerreicht. Das ist ein Geschenk, ein absolutes Highlight.