Filmfestival "11mm": Fokus auf Diskriminierung im Fußball

Das internationale Fußballfestival "11mm" gibt nicht nur einen Eindruck von der Fülle und Vielfalt des Genres, es zeigt den Fußball vor allem auch in seinem historischen und gesellschaftlichen Kontext. Zwei Filme vom Wochenende, die schon im Entstehungsprozess von der DFB-Kulturstiftung unterstützt wurden, wollen Kinder und Jugendliche für das Thema "Diskriminierung im Fußball" sensibilisieren.

Am Samstag wurde die Kinder- und Jugendfilmreihe mit drei Kurzfilmen eröffnet, darunter die Weltpremiere der 44-minütige Dokumentation "Wie im falschen Film". Regisseur Timian Hopf hat seinen Film nicht in erster Linie fürs Kino produziert, auch wenn das Aufgebot Starqualität hat. Er wurde vielmehr gezielt für die Jugendbildungsarbeit von "Show racism the red card" gedreht, eines Vereins, der regelmäßig Workshops für 9 – 14jährige in Stadien, Fußballvereinen und Schulen anbietet, um am Beispiel des Fußballs über Erscheinungsformen und Gefahren aller Formen von Diskriminierung zu informieren.

Von Addo bis Boateng: Prominente schildern Erlebnisse

Prominente aktuelle und ehemalige Nationalspieler sprechen ganz offen über ihre Alltagserfahrungen mit Rassismus und Diskriminierung auf und außerhalb des Fußballplatzes. Und sie haben einiges zu erzählen. Otto Addo und Gerald Asamoah erinnern sich an Prügel auf dem Weg zum Training, an Affenlaute von den Rängen und Bananen auf dem Spielfeld. Auch die in Berlin aufgewachsenen Halbbrüder und Nationalspieler Kevin Prince und Jerome Boateng kommen zu Wort. Dabei erlebt der Zuschauer noch einmal mit, wie Kevin Prince gemeinsam mit seinen Mitspielern in einem Freundschaftsspiel des AC Mailand das Spielfeld verlässt, nachdem ihn das Publikum fortwährend rassistisch beleidigt hat. Während diese Aktion weltweit Schlagzeilen machte, berichtet Nationalverteidiger Jerome Boateng von subtileren Formen des Rassismus: "Es war immer so: Jerome, das hast Du gut gemacht, du bist Deutscher. Aber wenn Jerome etwas schlecht gemacht hat, dann hat es geheißen: Das ist afrikanisch."

Dass Diskriminierung nicht immer nur mit der Hautfarbe zu tun hat, darüber erzählen auch Nationalspielerin Anja Mittag und Alexander Dolderer, Torwart des offen schwulen Münchner Kreisligisten "Streetboys". Sie und die übrigen Hauptdarsteller der nicht nur pädagogisch wertvollen, sondern auch äußerst sehenswerten Dokumentation verbindet ihre Leidenschaft für den Fußball und die Erfahrung, sich das Mitspielen nicht ohne Vorbehalte und Widerstände haben erkämpfen zu müssen.

Zeitzeugen erinnern sich an "Liga Terezin"

Was geschieht, wenn aus alltäglicher Diskriminierung, Verfolgung, Entrechtung und Mord werden, dokumentiert der 52-minütige Film "Liga Terezin" (Israel, 2012) von Regisseur Mike Schwartz, der am Sonntag seine Deutschlandpremiere feierte. Zeitzeugen wie Peter Erben erinnern sich an die Fußball-Liga des Ghettos Theresienstadt. Das Lager Theresienstadt in der Nähe von Prag war zwischen 1941 und 1945 für die meisten seiner gut 140.000 Insassen eine Durchgangsstation in die Konzentrationslager im Osten. Zur Ablenkung von den Grauen des Lageralltags wurden nicht nur Konzerte und kulturelle Angebote gemacht, es gab auch eine lagereigene Fußball-Liga mit dutzenden Teams, mit einem Spielausschuss und Schiedsrichtern, die im Nazi-Propagandafilm "Theresienstadt – Ein Dokumentarfilm aus dem jüdischen Siedlungsgebiet" (1944) zu sehen sind. Den Kinozuschauern stockt der Atem, wenn sie erfahren, dass fast alle auf den Aufnahmen gezeigten Spieler und Zuschauer nur vier Wochen später in Auschwitz und anderswo ermordet wurden.

Die Dokumentation begleitet Oded Breda, den Leiter der Gedenkstätte "Beit Terezin" im Kibbuz Giv´at Hayyim Ihud nördlich von Tel Aviv auf der Spurensuche nach seinem Onkel Pavel, einem der Insassen und Fußballspieler des Ghettos, ebenfalls ein Opfer von Auschwitz. Breda berichtete im Anschluss an die Premiere im Gespräch mit Journalist Ronny Blaschke, wie er, der erfolgreiche IT-Manager, eines Tages ein Foto seines Onkels als Fußballer im Ghetto sah und beschloss, das Medium des populären Fußballs zu nutzen, um nicht nur an den Holocaust zu erinnern, sondern Fußballfans auf die Folgen von Diskriminierung und Rassismus im Hier und Jetzt aufmerksam zu machen. Auf seiner Reise durch Fußballstadien in Prag und Amsterdam erlebt er, dass noch heute antisemitische Beschimpfungen Realität auf den Rängen sind. Mit seiner Dokumentation, die 2012 am Holocaust-Gedenktag im israelischen TV hohe Einschaltquoten erzielte, und einer mobilen Ausstellung spricht er Fußballfans im In-und Ausland an.

"Liga Terezin" und "Wie im falschen Film" sind trotz oder gerade wegen ihres zuweilen bedrückenden Inhalts zwei Beispiele dafür, wie Fußball und Film quasi im Doppelpass auf lebensnahe und anschauliche Weise in der Bildungsarbeit mit Kinder und Jugendliche eingesetzt werden können. Das Fußballfilmfestival 11mm läuft noch bis Dienstag, 1. April, im Kino "Babylon", Berlin Mitte.

[dfb]

[bild1]

Das internationale Fußballfestival "11mm" gibt nicht nur einen Eindruck von der Fülle und Vielfalt des Genres, es zeigt den Fußball vor allem auch in seinem historischen und gesellschaftlichen Kontext. Zwei Filme vom Wochenende, die schon im Entstehungsprozess von der DFB-Kulturstiftung unterstützt wurden, wollen Kinder und Jugendliche für das Thema "Diskriminierung im Fußball" sensibilisieren.

Am Samstag wurde die Kinder- und Jugendfilmreihe mit drei Kurzfilmen eröffnet, darunter die Weltpremiere der 44-minütige Dokumentation "Wie im falschen Film". Regisseur Timian Hopf hat seinen Film nicht in erster Linie fürs Kino produziert, auch wenn das Aufgebot Starqualität hat. Er wurde vielmehr gezielt für die Jugendbildungsarbeit von "Show racism the red card" gedreht, eines Vereins, der regelmäßig Workshops für 9 – 14jährige in Stadien, Fußballvereinen und Schulen anbietet, um am Beispiel des Fußballs über Erscheinungsformen und Gefahren aller Formen von Diskriminierung zu informieren.

Von Addo bis Boateng: Prominente schildern Erlebnisse

Prominente aktuelle und ehemalige Nationalspieler sprechen ganz offen über ihre Alltagserfahrungen mit Rassismus und Diskriminierung auf und außerhalb des Fußballplatzes. Und sie haben einiges zu erzählen. Otto Addo und Gerald Asamoah erinnern sich an Prügel auf dem Weg zum Training, an Affenlaute von den Rängen und Bananen auf dem Spielfeld. Auch die in Berlin aufgewachsenen Halbbrüder und Nationalspieler Kevin Prince und Jerome Boateng kommen zu Wort. Dabei erlebt der Zuschauer noch einmal mit, wie Kevin Prince gemeinsam mit seinen Mitspielern in einem Freundschaftsspiel des AC Mailand das Spielfeld verlässt, nachdem ihn das Publikum fortwährend rassistisch beleidigt hat. Während diese Aktion weltweit Schlagzeilen machte, berichtet Nationalverteidiger Jerome Boateng von subtileren Formen des Rassismus: "Es war immer so: Jerome, das hast Du gut gemacht, du bist Deutscher. Aber wenn Jerome etwas schlecht gemacht hat, dann hat es geheißen: Das ist afrikanisch."

Dass Diskriminierung nicht immer nur mit der Hautfarbe zu tun hat, darüber erzählen auch Nationalspielerin Anja Mittag und Alexander Dolderer, Torwart des offen schwulen Münchner Kreisligisten "Streetboys". Sie und die übrigen Hauptdarsteller der nicht nur pädagogisch wertvollen, sondern auch äußerst sehenswerten Dokumentation verbindet ihre Leidenschaft für den Fußball und die Erfahrung, sich das Mitspielen nicht ohne Vorbehalte und Widerstände haben erkämpfen zu müssen.

[bild2]

Zeitzeugen erinnern sich an "Liga Terezin"

Was geschieht, wenn aus alltäglicher Diskriminierung, Verfolgung, Entrechtung und Mord werden, dokumentiert der 52-minütige Film "Liga Terezin" (Israel, 2012) von Regisseur Mike Schwartz, der am Sonntag seine Deutschlandpremiere feierte. Zeitzeugen wie Peter Erben erinnern sich an die Fußball-Liga des Ghettos Theresienstadt. Das Lager Theresienstadt in der Nähe von Prag war zwischen 1941 und 1945 für die meisten seiner gut 140.000 Insassen eine Durchgangsstation in die Konzentrationslager im Osten. Zur Ablenkung von den Grauen des Lageralltags wurden nicht nur Konzerte und kulturelle Angebote gemacht, es gab auch eine lagereigene Fußball-Liga mit dutzenden Teams, mit einem Spielausschuss und Schiedsrichtern, die im Nazi-Propagandafilm "Theresienstadt – Ein Dokumentarfilm aus dem jüdischen Siedlungsgebiet" (1944) zu sehen sind. Den Kinozuschauern stockt der Atem, wenn sie erfahren, dass fast alle auf den Aufnahmen gezeigten Spieler und Zuschauer nur vier Wochen später in Auschwitz und anderswo ermordet wurden.

Die Dokumentation begleitet Oded Breda, den Leiter der Gedenkstätte "Beit Terezin" im Kibbuz Giv´at Hayyim Ihud nördlich von Tel Aviv auf der Spurensuche nach seinem Onkel Pavel, einem der Insassen und Fußballspieler des Ghettos, ebenfalls ein Opfer von Auschwitz. Breda berichtete im Anschluss an die Premiere im Gespräch mit Journalist Ronny Blaschke, wie er, der erfolgreiche IT-Manager, eines Tages ein Foto seines Onkels als Fußballer im Ghetto sah und beschloss, das Medium des populären Fußballs zu nutzen, um nicht nur an den Holocaust zu erinnern, sondern Fußballfans auf die Folgen von Diskriminierung und Rassismus im Hier und Jetzt aufmerksam zu machen. Auf seiner Reise durch Fußballstadien in Prag und Amsterdam erlebt er, dass noch heute antisemitische Beschimpfungen Realität auf den Rängen sind. Mit seiner Dokumentation, die 2012 am Holocaust-Gedenktag im israelischen TV hohe Einschaltquoten erzielte, und einer mobilen Ausstellung spricht er Fußballfans im In-und Ausland an.

"Liga Terezin" und "Wie im falschen Film" sind trotz oder gerade wegen ihres zuweilen bedrückenden Inhalts zwei Beispiele dafür, wie Fußball und Film quasi im Doppelpass auf lebensnahe und anschauliche Weise in der Bildungsarbeit mit Kinder und Jugendliche eingesetzt werden können. Das Fußballfilmfestival 11mm läuft noch bis Dienstag, 1. April, im Kino "Babylon", Berlin Mitte.