FC Bayern im Europacup: Denkwürdige Finalniederlagen

Der FC Bayern und der Königscup unter den europäischen Klubtrophäen - am heutigen Samstag (ab 20.45 Uhr, live in SAT.1 und bei Sky) können die Münchner in Madrid gegen Inter Mailand den wertvollsten Pokal Europas zum fünften Mal gewinnen. Für DFB.de Grund genug, in einer dreiteiligen Mini-Serie auf die bisherigen sieben Endspiele der Bayern im wichtigsten europäischen Cupwettbewerb zurückzublicken.

Die Triumphe des Jahrhundertteams um Müller, Maier und Beckenbauer in den 70ern, die bitteren Niederlagen in den 80ern und die Champions-League-Dramen des Hitzfeld-Teams mit Kahn und Effenberg um die Jahrtausendwende - der Autor und Historiker Udo Muras hat in den Archiven gesucht und erzählt ein Stück bayerisch-europäische Fußballgeschichte.

1981/1982: Sechs Jahre waren nach dem Triumpg 1976 ins Land gegangen, ehe der FC Bayern München wieder ein Endspiel im Europapokal erreichen sollte. Eine neue Mannschaft war entstanden, die Ära Maier-Beckenbauer-Müller war zu Ende. Aus dem Kader 1981/1982 hatten nur Rückkehrer Paul Breitner, Dauerläufer Bernd Dürnberger und der zum Weltklassestürmer gereifte Karl-Heinz Rummenigge schon die Hattrick-Jahre miterlebt. Rummenigge und Breitner waren die Anführer dieser Mannschaft, die nach sechs erfolg- und titellosen Jahren 1980 und 1981 wieder Meister geworden war. Auf der Bank saß der Ungar Pal Csernai, der im März 1979 von der Mannschaft ins Amt gehievt wurde. Die legendäre „März-Revolution“ an der Säbener Straße gegen den designierten Trainer Max Merkel und Präsident Wilhelm Neudecker hatte diese Mannschaft zusammengeschweißt – und Jung-Manager Uli Hoeneß stand auf ihrer Seite.

Souveräner Start gegen Östers Växjö

Die Saison 1981/82 verlief ähnlich wie die aktuelle: bis zuletzt hatten die Bayern Chancen auf drei Titel, doch gewonnen wurde „nur“ der DFB-Pokal am 1. Mai gegen de 1. FC Nürnberg. In der Meisterschaft musste man den großen Rivalen HSV vorbeiziehen lassen.

Im Europapokal der Meister lief es relativ glatt. Schwedens Meister Östers Växjö wurde durch ein Rummenigge-Tor auswärts besiegt und zuhause wollten nur 8000 Zuschauer die Formalität miterleben – es gab ein klares 5:0, Rummenigge und Dieter Hoeneß schossen je zwei Tore. Es kam öfter vor, dass der staksige Bruder des Managers an Flutlichtabenden seine Kritiker Lügen strafte. In der Europal-Chronik des FC Bayern steht er an dritter Stelle der Torschützenliste (26 Treffer). Auch am 4. November 1981 war der Lange wieder in Europacup-Form. Gegen Portugal-Meister Benfica ging es nach einem glücklichen und unansehnlichen 0:0 vor 45.000 in Lissabon nun in München um den Einzug ins Viertelfinale. Wieder demonstrierten die Münchner ihre phänomenale Heimstärke in diesem Wettbewerb und „Dieter Hoeneß war mit drei Toren der Held des Tages“, wie die TZ München lobte.

Paul Breitner komplettierte nach Nenes Ehrentor per Elfmeter das Ergebnis – 4:1! Und auf dem Libero-Posten debütierte der Nürnberg-Zugang Bertram Beierlorzer zur allgemeinen Zufriedenheit, auch wenn Csernais Begründung ihm wenig schmeichelte: „Der Libero ist unwichtig in diesem Spiel.“

Die Spieler bekamen 5000 D-Mark pro Kopf, 42.000 Zuschauer füllten die Eintrittskassen nicht ganz wie gewohnt in diesem Wettbewerb. Dabei war es ein fast sommerlicher Abend und die Befürchtungen von Benfica-Coach Lajos Baroti („Hoffentlich schneit’s nicht in München“) waren unbegründet.

Keine Probleme mit Universitatea Craiova

Im Viertelfinale waren es noch viel weniger Interessenten. Rumäniens Meister Universitatea Craiova war per se kein Kassenschlager, außerdem hatten die Bayern schon im Hinspiel die Spannung vertrieben. Frühe Tore des Star-Duos Breitner/Rummenigge – vom Boulevard „Breitnigge“ getauft – sorgten für klare Verhältnisse. Und für klägliche 10.000 Zuschauer im Rückspiel, die nach einem 1:1 auch noch unzufrieden nach Hause gingen. Immerhin hatte Dieter Hoeneß wieder getroffen.

Das Halbfinale fand im turbulenten Frühjahr 1982 statt, als die Bayern-Abwehr so porös wie selten war. Binnen 14 Tagen kassierte die Mannschaft drei 3:4-Niederlagen, zwei davon in der Bundesliga. Letztere kosteten den Titel. Nur das 3:4 beim ZSKA Sofia nach 0:3-Rückstand wurde als Erfolg gewertet, dann drei Auswärtstore (Dürnberger, Hoeneß, Breitner) im Europapokal waren Gold wert. Dennoch witzelte Show-Master Rudi Carrell: „Die Bayern-Geschäftsstelle hat eine neue Telefonnummer: 343434“. Im Rückspiel stand ein anderer Torwart im Kasten, diesmal gab Csernai wieder Walter Junghand den Vorzug, der sich mit Manfred Müller in schöner Regelmäßigkeit abwechselte. Sepp Maier wurde auch drei Jahre nach dessen Karriereende schwer vermisst.

"Breitnigge" schießen 4:0 heraus

Am 21. April 1982 aber blieb das Bayern-Tor sauber und erneut nur 45.000 Zuschauer feierten einen klaren 4:0-Sieg. Es war wieder ein Fall für „Breitnigge“, jeder Superstar erzielte zwei Tore. Breitner, der vom Linksverteidiger längst zum Mittelfeldchef avanciert war, gefiel sich nun auch in seiner neuesten Rolle: „Jetzt wird wohl auch der Letzte gemerkt haben, dass ich mit 30 zum Torjäger geworden bin.“

Das bewies er auch zehn Tage später und so fuhren die Bayern wenigstens als neuer DFB-Pokalsieger nach Rotterdam, wo sie ihr viertes Endspiel im Landesmeister-Pokal bestritten. An diesem 26. Mai endete eine beeindruckende Serie der Klub-Historie: erstmals verloren die Bayern überhaupt ein Finale auf überregionaler Ebene.

Dabei stand ihnen mit Englands Überraschungsmeister Aston Villa nicht gerade eine Weltauswahl gegenüber. Aber sie waren eben Engländer und in den vergangenen fünf Jahren war der Europapokal stets auf die Insel gegangen.

Withe trifft, Hoeneß-Tor zählt nicht

Dennoch forderte Europacup-Veteran Bernd Dürnberger vor seinem 48. Spiel in diesem Wettbewerb: „Jetzt muss der Pott wieder zu uns.“ Doch letztlich blieb die Vitrine leer, nur die Kasse füllte sich. Das in allen Kontinenten übertragene Finale brachte den Klubs 2,4 Millionen D-Mark ein. Rotterdam erlebte so etwas wie die Umkehrung des Finales von Paris 1975. Damals war die englische Mannschaft die mit den besseren Chancen (Leeds United), aber die Bayern gewannen. Nun triumphierten die Engländer, die ihre einzige große Chance nutzten durch Stürmer Peter Withe (67.).

Als Dieter Hoeneß drei Minuten vor Schluss den Ball endlich ins Tor schoss, entschied der französische Schiedsrichter auf Abseits, was Hoeneß noch heute als unberechtigt ansieht. „Riesenpech: Chancen über Chancen – aber 0:1 verloren!“, jammerte die TZ in großen Lettern am nächsten Tag. Und Pal Csernai grollte: „Diese Saison hätte ein bösartiger Regisseur gegen uns nicht schlimmer gestalten können“, schimpfte Trainer Pal Csernai.

Karl-Heinz Rummenigge betonte: „Paul Breitner und ich haben uns wahnsinnig geärgert. Immer wieder wurde von den großen alten Bayern gesprochen. Wir wollten eine neue Ära schaffen.“ Stattdessen schrieben sie eine andere Geschichte und verloren – wie erwähnt – erstmals ein Finale.

Die Finalisten 1982: Müller – Dremmler, Augenthaler, Weiner, Horsmann – Kraus (Niedermayer), Mathy (Güttler), Breitner, Dürnberger – Hoeneß, Rummenigge.

1986/1987: Fünf Jahre nach der Enttäuschung von Rotterdam bekamen die Bayern die nächste Chance, den Landesmeister-Pokal zu gewinnen. Auf dem Weg ins Finale von Wien betreute sie der Mann, der 1974 beim ersten Triumph bereits auf der Bank gesessen hatte: Udo Lattek war 1984 zurückgekehrt und mit ihm der Erfolg - auch der zweite Meisterschaftshattrick nach 1971 bis 74 war sein Werk. Die Bayern der Meister-Jahre 1984 bis 87 prägten naturgemäß andere Spieler als in der verklärten Beckenbauer-Ära. Mit Torwart Jean-Marie Pfaff, Libero Klaus Augenthaler, Stopper Norbert Eder und Mittelfeldrenner Lothar Matthäus hatten sie international erfahrene Spieler in der Elf, die alle bei der WM 1986 dabei waren. Einen Paul Breitner oder Karl-Heinz Rummenigge aber hatten sie nicht mehr, nur der kleine Rummenigge (Michael) trug jetzt das Bayern-Trikot. Weltklassespieler hatte diese Mannschaft jedenfalls nicht, sie kam über das Kollektiv und über die Talente aus der zweiten Reihe.

Als es im September 1986 beim PSV Eindhoven losging mit dem Europapokal, waren sie jedenfalls gefragt. Es spielte Bayens letztes Aufgebot beim holländischen Meister. Aber Hansi Flick stand seinen Mann im Mittelfeld und Reinhold Mathy schoss sogar zwei Tore in der Schlussphase, so dass die Münchner überraschend als 2:0-Sieger die Heimreise antraten. Pfaff, Matthäus und Ludwig Kögl flogen übrigens direkt nach Düsseldorf, Kanzler Helmut Kohl hatte sie zum Kinderfest in seinen Garten geladen. Stars zum Anfassen, das kam gut nach einem Sieg.

Toni Polster trifft für Austria Wien

Im Rückspiel konnten sich die Bayern ein 0:0 leisten, aber absichtlich verschoss Matthäus seinen Elfmeter nicht. Wie so oft an einem Mittwochabend war das Olympiastadion nicht voll, nur 32.000 kamen und machten alsbald ihrem Unmut Luft - mit einem Pfeifkonzert. Hauptsache weiter!

Im Achtelfinale konnten die Bayen schon mal das Finalstadion kennen lernen. Austria Wien wartete im Prater-Stadion und war ein unbequemer Gegner. Roland Wohlfarths Tor glich der spätere Bundesliga-Star Toni Polster aus und dabei blieb es. Bemerkenswert war noch der Kurzauftritt des Reinhold Mathy, der sich nach sieben Minuten an den Oberschenkel fasste, um eine Auswechslung bettelte und kurz danach den Klub verließ. Mentale Gründe - wurde später gemunkelt.

Im Rückspiel war er noch mal dabei, aber im Gegensatz zum Vorjahr, als er beim 4:2 gegen Austria drei Treffer erzielte, nicht unter den Torschützen. Diesmal leuchteten die Namen Flick und Matthäus (Elfmeter) von der Anzeigetafel - und ein großes 2:0. 48.000 Zuschauer sorgten für eine passable Kulisse. Paradoxerweise kamen in der nächsten Runde im März 1987 nur ein Drittel davon zusammen: 16.000 Zuschauer wollten das Viertelfinale gegen den RSC Anderlecht sehen und nach einer halben Stunde war es noch einer weniger: die Polizei führte einen Mann ab, der Feuerwerkskörper zündete. Wäre es aus purer Freude gewesen, man hätte ihn verstehen können, denn da stand es schon 2:0 für die Bayern. Michael Rummenigge und Verteidiger Hans Pflügler sorgten für die Pausenführung.

Gegen Anderlecht in Torlaune

Franz Beckenbauer, damals DFB-Teamchef, bekam schon zur Pause Mitleid mit dem Anderlecht-Trainer. "Wenn ich an der Stelle von Arie Haan auf der Anderlecht-Bank säße, hätte ich schon fünf Herzinfarkte erlitten. Diese Abwehr ist ja wahnsinnig schwach." In der Tat. Danach schraubten Dieter Hoeneß (2x) und Roland Wohlfarth das Ergebnis auf 5:0. "Die Fans sind schier aus dem Häuschen, Was für ein Abend!", schrieb der kicker.

Das Halbfinale war quasi schon erreicht. Dennoch kamen 35.000 Zuschauer im Rückspiel (2:2), um den Deutschen Meister zu sehen. Der war mit seinen Gedanken ganz woanders: Udo Lattek hatte seinen Abschied angekündigt und Jupp Heynckes stand als Nachfolger fest.

Vier Tore gegen Real Madrid

Latteks Abschied war nicht ganz harmonisch über die Bühne gegangen; der Altmeister wäre gerne geblieben, aber Bayern wollte ihm keinen Zwei-Jahres-Vertrag mehr geben. Auch die Spieler hätten ihn gerne behalten und zerrissen sich für das gemeinsame Ziel, den Europacup wieder nach München zu holen. Im Halbfinale, das Bayern nun schon zum sechsten Mal im Meister-Cup erreicht hatte, traf man erstmals seit 1976 auf Real Madrid. Damals waren die Fäuste geflogen (siehe Teil I), und auch im April 1987 ging es hoch her.

Im Münchner Hinspiel, endlich mal vor ausverkauftem Haus, gewannen die Bayern mit 4:1 (3:1). Augenthaler und Wohlfarth trafen aus dem Spiel heraus, Matthäus verwandelte zwei Elfmeter und bekam Juanitos Stollen ins Gesicht. Der Spanier flog ebenso wie Kollege Mini vom Platz und Matthäus zeigte in der Kabine seine Verletzung: Fingerdicke, blutige Striemen am Hals. Manager Uli Hoeneß empörte sich: " Die haben den Lothar ja halb tot getreten." Präsident Fritz Scherer unkte: Jetzt wissen wir, was uns in Madrid erwartet."

Matthäus fehlte wegen einer Gelb-Sperre und in der Nacht fiel auch der kleine Rummenigge mit Darmgrippe aus. Dass Lattek sogar dessen Bruder in Mailand anrief und fragte, was zu tun sei, da der Karl-Heinz 1986 in Mexiko doch auch mal Darmgrippe hatte, zeigt nur die Not in der Bayerns Trainer steckte. Der Kalle war aber auch kein Wunderdoktor und so musste Reservist Lars Lunde den kleinen Bruder vertreten.

Feuerwerk und Nebelbomben zur Begrüßung

Wer nicht dabei war, war wenigstens in Sicherheit, denn Madrid war die Hölle. Ein Feuerwerk und Nebelbomben zur Begrüßung, dann folgten Wurfkanonaden auf Schiedsrichter Vautrot. "Das ist sie, die Hölle von Madrid. Polizisten mit Hunden stürmen die Ränge hinterm Bayern-Tor.", berichtete der Kicker. Uli Hoeneß bekam am Spielfeldrand einen Kinnhaken von Real-Legende del Bosque.

Mit fünf Minuten Verspätung ging es los, dann war wieder Pause. In den Torraum von Pfaff flogen zwei Messer, Augenthaler alarmierte Vautrot. Ein Abbruch drohte, aber es ging weiter. Irgendwie. Für Augenthaler nicht mehr lange. Kurz nachdem ausgerechnet Stürmer Wohlfarth ein Eigentor unterlaufen war, flog "Auge" nach einer Tätlichkeit vom Platz. In den Katakomben drehte er die Duschen auf, um nur keinen Torschrei hören zu müssen und steckte sich nervös eine Zigarette an. In der Halbzeit gab Matthäus zu: "Am liebsten würde ich mich verkriechen, das ist ja die Hölle hier."

Pfaff hält Bayern im Rennen

Aber im Tor stand ein Himmelhund namens Jean-Marie Pfaff und der Belgier entnervte die Real-Stürmer Hugo Sanchez und Santillana. Es blieb beim 0:1, diese Niederlage war in Wahrheit ein großer Sieg. 12.500 D-Mark kassierte jeder Bayern-Spieler für den Finaleinzug, aber am wertvollsten war es, dass alle mit heiler Haut nach München zurückkamen.

Nun waren es nur noch 90 Minuten bis zum Triumph. Der Gegner am 27. Mai hieß FC Porto -und er war nur Außenseiter. Selbst die eigenen Fans glaubten nicht an ihn, 4600 Karten gingen an die Uefa zurück und so feuerte die Masse der 58.000 den amtierenden und kommenden Deutschen Meister an. Der trug an diesem schicksalhaften Mai-Mittwoch ungewohnte hellblaue Hosen zu roten Trikots. Augenthaler, Hans Dorfner und Wohlfarth fehlten, aber die Siegesgewissheit war groß.

Uli Hoeneß sah den Klub schon "am Anfang einer neuen Ära" und Präsident Scherer hatte seine Siegerrede fürs Bankett längst vorbereitet. Er musste sie niemals halten.

Torschütze Kögl: "Dös hat's no nie net geb´n"

Dabei sah alles danach aus. Eine halbe Milliarde TV-Zuschauer in rund 70 Ländern sahen einen starken, überlegenen FC Bayern, der verdient in Führung ging - wenngleich auf nie dagewesene Weise. Nach einem Einwurf von Pflügler glückte dem 1,70m kleinen Ludwig Kögl ein Kopfballtor. "Dös hat's no nie net gebn", sagte der sympathische Ur-Bayer später. Wenn schon Wiggerl Kögl Kopfballtore gelingen, was soll dann noch passieren heute? So oder ähnlich müssen sie gedacht haben, denn die Bayern legten nicht nach. Zwölf Minuten waren noch zu spielen, da nahm das Unheil seinen Lauf. Im Getümmel prallte der Ball zum Algerier Rabah Madjer und der wusste sich nicht anders zu helfen, als die Hacke zu nehmen. Tor, 1:1.

Wichtige Tore, die auch noch schön sind, vergisst man nie. Madjers Hackentrick war ein Tor für die Ewigkeit und traf die Bayern ins Mark. Nur zwei Minuten später kam dieser Madjer zum Flanken und der eingewechselte Brasilianer Juary schoss aus vier Metern mühelos ein. 1:2! Dabei bleib es. Um 22.01 Uhr pfiff Schiedsrichter Ponnet aus Belgien ab und stürzte die Bayern ins Jammertal. "Das ist die bitterste Niederlage meines Lebens. Ich muss mir gratulieren, dass ich aufhöre. Ich bin nicht mehr dazu in der Lage, die Verantwortung dafür zu tragen, dass Spieler nicht das bringen, was sie können", zeterte Lattek.

Der Bayerische Rundfunk musste ein Interview mit Dieter Hoeneß abbrechen, denn der stammelte nur Unverständliches mit tränenerstickter Stimme. Andy Brehme führte mentale Gründe an, drückte es nur etwas einfacher aus: "Auf alle Fälle lag's irgendwie an da oben", sagte er und fasste sich an die Stirn. Die meiste Kritik entlud sich zumindest intern auf Lothar Matthäus, dem Pfaff attestierte: "Er ist kein Chef!".

"80 Minuten waren wir Europapokalsieger"

Manager Uli Hoeneß, sonst kein Freund von Einzelkritiken, sagte die Niederlage sei den "nervlichen Problemen des Lothar Matthäus, nicht aber unserer Auffassung von Fußball" geschuldet gewesen. Matthäus wehrte sich mit einer Fußballerfloskel: "Wir haben als ganze Mannschaft veloren."

Unwidersprochen blieb ein anderer Satz von ihm: "80 Minuten waren wir Europapokalsieger, dann haben wir den Pott hergeschenkt." Zum zweiten, aber nicht zum letzten Mal. Es kam noch grausamer, aber das konnte wirklich niemand ahnen.

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Der FC Bayern und der Königscup unter den europäischen Klubtrophäen - am heutigen Samstag (ab 20.45 Uhr, live in SAT.1 und bei Sky) können die Münchner in Madrid gegen Inter Mailand den wertvollsten Pokal Europas zum fünften Mal gewinnen. Für DFB.de Grund genug, in einer dreiteiligen Mini-Serie auf die bisherigen sieben Endspiele der Bayern im wichtigsten europäischen Cupwettbewerb zurückzublicken.

Die Triumphe des Jahrhundertteams um Müller, Maier und Beckenbauer in den 70ern, die bitteren Niederlagen in den 80ern und die Champions-League-Dramen des Hitzfeld-Teams mit Kahn und Effenberg um die Jahrtausendwende - der Autor und Historiker Udo Muras hat in den Archiven gesucht und erzählt ein Stück bayerisch-europäische Fußballgeschichte.

1981/1982: Sechs Jahre waren nach dem Triumpg 1976 ins Land gegangen, ehe der FC Bayern München wieder ein Endspiel im Europapokal erreichen sollte. Eine neue Mannschaft war entstanden, die Ära Maier-Beckenbauer-Müller war zu Ende. Aus dem Kader 1981/1982 hatten nur Rückkehrer Paul Breitner, Dauerläufer Bernd Dürnberger und der zum Weltklassestürmer gereifte Karl-Heinz Rummenigge schon die Hattrick-Jahre miterlebt. Rummenigge und Breitner waren die Anführer dieser Mannschaft, die nach sechs erfolg- und titellosen Jahren 1980 und 1981 wieder Meister geworden war. Auf der Bank saß der Ungar Pal Csernai, der im März 1979 von der Mannschaft ins Amt gehievt wurde. Die legendäre „März-Revolution“ an der Säbener Straße gegen den designierten Trainer Max Merkel und Präsident Wilhelm Neudecker hatte diese Mannschaft zusammengeschweißt – und Jung-Manager Uli Hoeneß stand auf ihrer Seite.

Souveräner Start gegen Östers Växjö

Die Saison 1981/82 verlief ähnlich wie die aktuelle: bis zuletzt hatten die Bayern Chancen auf drei Titel, doch gewonnen wurde „nur“ der DFB-Pokal am 1. Mai gegen de 1. FC Nürnberg. In der Meisterschaft musste man den großen Rivalen HSV vorbeiziehen lassen.

Im Europapokal der Meister lief es relativ glatt. Schwedens Meister Östers Växjö wurde durch ein Rummenigge-Tor auswärts besiegt und zuhause wollten nur 8000 Zuschauer die Formalität miterleben – es gab ein klares 5:0, Rummenigge und Dieter Hoeneß schossen je zwei Tore. Es kam öfter vor, dass der staksige Bruder des Managers an Flutlichtabenden seine Kritiker Lügen strafte. In der Europal-Chronik des FC Bayern steht er an dritter Stelle der Torschützenliste (26 Treffer). Auch am 4. November 1981 war der Lange wieder in Europacup-Form. Gegen Portugal-Meister Benfica ging es nach einem glücklichen und unansehnlichen 0:0 vor 45.000 in Lissabon nun in München um den Einzug ins Viertelfinale. Wieder demonstrierten die Münchner ihre phänomenale Heimstärke in diesem Wettbewerb und „Dieter Hoeneß war mit drei Toren der Held des Tages“, wie die TZ München lobte.

Paul Breitner komplettierte nach Nenes Ehrentor per Elfmeter das Ergebnis – 4:1! Und auf dem Libero-Posten debütierte der Nürnberg-Zugang Bertram Beierlorzer zur allgemeinen Zufriedenheit, auch wenn Csernais Begründung ihm wenig schmeichelte: „Der Libero ist unwichtig in diesem Spiel.“

Die Spieler bekamen 5000 D-Mark pro Kopf, 42.000 Zuschauer füllten die Eintrittskassen nicht ganz wie gewohnt in diesem Wettbewerb. Dabei war es ein fast sommerlicher Abend und die Befürchtungen von Benfica-Coach Lajos Baroti („Hoffentlich schneit’s nicht in München“) waren unbegründet.

Keine Probleme mit Universitatea Craiova

Im Viertelfinale waren es noch viel weniger Interessenten. Rumäniens Meister Universitatea Craiova war per se kein Kassenschlager, außerdem hatten die Bayern schon im Hinspiel die Spannung vertrieben. Frühe Tore des Star-Duos Breitner/Rummenigge – vom Boulevard „Breitnigge“ getauft – sorgten für klare Verhältnisse. Und für klägliche 10.000 Zuschauer im Rückspiel, die nach einem 1:1 auch noch unzufrieden nach Hause gingen. Immerhin hatte Dieter Hoeneß wieder getroffen.

Das Halbfinale fand im turbulenten Frühjahr 1982 statt, als die Bayern-Abwehr so porös wie selten war. Binnen 14 Tagen kassierte die Mannschaft drei 3:4-Niederlagen, zwei davon in der Bundesliga. Letztere kosteten den Titel. Nur das 3:4 beim ZSKA Sofia nach 0:3-Rückstand wurde als Erfolg gewertet, dann drei Auswärtstore (Dürnberger, Hoeneß, Breitner) im Europapokal waren Gold wert. Dennoch witzelte Show-Master Rudi Carrell: „Die Bayern-Geschäftsstelle hat eine neue Telefonnummer: 343434“. Im Rückspiel stand ein anderer Torwart im Kasten, diesmal gab Csernai wieder Walter Junghand den Vorzug, der sich mit Manfred Müller in schöner Regelmäßigkeit abwechselte. Sepp Maier wurde auch drei Jahre nach dessen Karriereende schwer vermisst.

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"Breitnigge" schießen 4:0 heraus

Am 21. April 1982 aber blieb das Bayern-Tor sauber und erneut nur 45.000 Zuschauer feierten einen klaren 4:0-Sieg. Es war wieder ein Fall für „Breitnigge“, jeder Superstar erzielte zwei Tore. Breitner, der vom Linksverteidiger längst zum Mittelfeldchef avanciert war, gefiel sich nun auch in seiner neuesten Rolle: „Jetzt wird wohl auch der Letzte gemerkt haben, dass ich mit 30 zum Torjäger geworden bin.“

Das bewies er auch zehn Tage später und so fuhren die Bayern wenigstens als neuer DFB-Pokalsieger nach Rotterdam, wo sie ihr viertes Endspiel im Landesmeister-Pokal bestritten. An diesem 26. Mai endete eine beeindruckende Serie der Klub-Historie: erstmals verloren die Bayern überhaupt ein Finale auf überregionaler Ebene.

Dabei stand ihnen mit Englands Überraschungsmeister Aston Villa nicht gerade eine Weltauswahl gegenüber. Aber sie waren eben Engländer und in den vergangenen fünf Jahren war der Europapokal stets auf die Insel gegangen.

Withe trifft, Hoeneß-Tor zählt nicht

Dennoch forderte Europacup-Veteran Bernd Dürnberger vor seinem 48. Spiel in diesem Wettbewerb: „Jetzt muss der Pott wieder zu uns.“ Doch letztlich blieb die Vitrine leer, nur die Kasse füllte sich. Das in allen Kontinenten übertragene Finale brachte den Klubs 2,4 Millionen D-Mark ein. Rotterdam erlebte so etwas wie die Umkehrung des Finales von Paris 1975. Damals war die englische Mannschaft die mit den besseren Chancen (Leeds United), aber die Bayern gewannen. Nun triumphierten die Engländer, die ihre einzige große Chance nutzten durch Stürmer Peter Withe (67.).

Als Dieter Hoeneß drei Minuten vor Schluss den Ball endlich ins Tor schoss, entschied der französische Schiedsrichter auf Abseits, was Hoeneß noch heute als unberechtigt ansieht. „Riesenpech: Chancen über Chancen – aber 0:1 verloren!“, jammerte die TZ in großen Lettern am nächsten Tag. Und Pal Csernai grollte: „Diese Saison hätte ein bösartiger Regisseur gegen uns nicht schlimmer gestalten können“, schimpfte Trainer Pal Csernai.

Karl-Heinz Rummenigge betonte: „Paul Breitner und ich haben uns wahnsinnig geärgert. Immer wieder wurde von den großen alten Bayern gesprochen. Wir wollten eine neue Ära schaffen.“ Stattdessen schrieben sie eine andere Geschichte und verloren – wie erwähnt – erstmals ein Finale.

Die Finalisten 1982: Müller – Dremmler, Augenthaler, Weiner, Horsmann – Kraus (Niedermayer), Mathy (Güttler), Breitner, Dürnberger – Hoeneß, Rummenigge.

1986/1987: Fünf Jahre nach der Enttäuschung von Rotterdam bekamen die Bayern die nächste Chance, den Landesmeister-Pokal zu gewinnen. Auf dem Weg ins Finale von Wien betreute sie der Mann, der 1974 beim ersten Triumph bereits auf der Bank gesessen hatte: Udo Lattek war 1984 zurückgekehrt und mit ihm der Erfolg - auch der zweite Meisterschaftshattrick nach 1971 bis 74 war sein Werk. Die Bayern der Meister-Jahre 1984 bis 87 prägten naturgemäß andere Spieler als in der verklärten Beckenbauer-Ära. Mit Torwart Jean-Marie Pfaff, Libero Klaus Augenthaler, Stopper Norbert Eder und Mittelfeldrenner Lothar Matthäus hatten sie international erfahrene Spieler in der Elf, die alle bei der WM 1986 dabei waren. Einen Paul Breitner oder Karl-Heinz Rummenigge aber hatten sie nicht mehr, nur der kleine Rummenigge (Michael) trug jetzt das Bayern-Trikot. Weltklassespieler hatte diese Mannschaft jedenfalls nicht, sie kam über das Kollektiv und über die Talente aus der zweiten Reihe.

Als es im September 1986 beim PSV Eindhoven losging mit dem Europapokal, waren sie jedenfalls gefragt. Es spielte Bayens letztes Aufgebot beim holländischen Meister. Aber Hansi Flick stand seinen Mann im Mittelfeld und Reinhold Mathy schoss sogar zwei Tore in der Schlussphase, so dass die Münchner überraschend als 2:0-Sieger die Heimreise antraten. Pfaff, Matthäus und Ludwig Kögl flogen übrigens direkt nach Düsseldorf, Kanzler Helmut Kohl hatte sie zum Kinderfest in seinen Garten geladen. Stars zum Anfassen, das kam gut nach einem Sieg.

Toni Polster trifft für Austria Wien

Im Rückspiel konnten sich die Bayern ein 0:0 leisten, aber absichtlich verschoss Matthäus seinen Elfmeter nicht. Wie so oft an einem Mittwochabend war das Olympiastadion nicht voll, nur 32.000 kamen und machten alsbald ihrem Unmut Luft - mit einem Pfeifkonzert. Hauptsache weiter!

Im Achtelfinale konnten die Bayen schon mal das Finalstadion kennen lernen. Austria Wien wartete im Prater-Stadion und war ein unbequemer Gegner. Roland Wohlfarths Tor glich der spätere Bundesliga-Star Toni Polster aus und dabei blieb es. Bemerkenswert war noch der Kurzauftritt des Reinhold Mathy, der sich nach sieben Minuten an den Oberschenkel fasste, um eine Auswechslung bettelte und kurz danach den Klub verließ. Mentale Gründe - wurde später gemunkelt.

Im Rückspiel war er noch mal dabei, aber im Gegensatz zum Vorjahr, als er beim 4:2 gegen Austria drei Treffer erzielte, nicht unter den Torschützen. Diesmal leuchteten die Namen Flick und Matthäus (Elfmeter) von der Anzeigetafel - und ein großes 2:0. 48.000 Zuschauer sorgten für eine passable Kulisse. Paradoxerweise kamen in der nächsten Runde im März 1987 nur ein Drittel davon zusammen: 16.000 Zuschauer wollten das Viertelfinale gegen den RSC Anderlecht sehen und nach einer halben Stunde war es noch einer weniger: die Polizei führte einen Mann ab, der Feuerwerkskörper zündete. Wäre es aus purer Freude gewesen, man hätte ihn verstehen können, denn da stand es schon 2:0 für die Bayern. Michael Rummenigge und Verteidiger Hans Pflügler sorgten für die Pausenführung.

Gegen Anderlecht in Torlaune

Franz Beckenbauer, damals DFB-Teamchef, bekam schon zur Pause Mitleid mit dem Anderlecht-Trainer. "Wenn ich an der Stelle von Arie Haan auf der Anderlecht-Bank säße, hätte ich schon fünf Herzinfarkte erlitten. Diese Abwehr ist ja wahnsinnig schwach." In der Tat. Danach schraubten Dieter Hoeneß (2x) und Roland Wohlfarth das Ergebnis auf 5:0. "Die Fans sind schier aus dem Häuschen, Was für ein Abend!", schrieb der kicker.

Das Halbfinale war quasi schon erreicht. Dennoch kamen 35.000 Zuschauer im Rückspiel (2:2), um den Deutschen Meister zu sehen. Der war mit seinen Gedanken ganz woanders: Udo Lattek hatte seinen Abschied angekündigt und Jupp Heynckes stand als Nachfolger fest.

Vier Tore gegen Real Madrid

Latteks Abschied war nicht ganz harmonisch über die Bühne gegangen; der Altmeister wäre gerne geblieben, aber Bayern wollte ihm keinen Zwei-Jahres-Vertrag mehr geben. Auch die Spieler hätten ihn gerne behalten und zerrissen sich für das gemeinsame Ziel, den Europacup wieder nach München zu holen. Im Halbfinale, das Bayern nun schon zum sechsten Mal im Meister-Cup erreicht hatte, traf man erstmals seit 1976 auf Real Madrid. Damals waren die Fäuste geflogen (siehe Teil I), und auch im April 1987 ging es hoch her.

Im Münchner Hinspiel, endlich mal vor ausverkauftem Haus, gewannen die Bayern mit 4:1 (3:1). Augenthaler und Wohlfarth trafen aus dem Spiel heraus, Matthäus verwandelte zwei Elfmeter und bekam Juanitos Stollen ins Gesicht. Der Spanier flog ebenso wie Kollege Mini vom Platz und Matthäus zeigte in der Kabine seine Verletzung: Fingerdicke, blutige Striemen am Hals. Manager Uli Hoeneß empörte sich: " Die haben den Lothar ja halb tot getreten." Präsident Fritz Scherer unkte: Jetzt wissen wir, was uns in Madrid erwartet."

Matthäus fehlte wegen einer Gelb-Sperre und in der Nacht fiel auch der kleine Rummenigge mit Darmgrippe aus. Dass Lattek sogar dessen Bruder in Mailand anrief und fragte, was zu tun sei, da der Karl-Heinz 1986 in Mexiko doch auch mal Darmgrippe hatte, zeigt nur die Not in der Bayerns Trainer steckte. Der Kalle war aber auch kein Wunderdoktor und so musste Reservist Lars Lunde den kleinen Bruder vertreten.

Feuerwerk und Nebelbomben zur Begrüßung

Wer nicht dabei war, war wenigstens in Sicherheit, denn Madrid war die Hölle. Ein Feuerwerk und Nebelbomben zur Begrüßung, dann folgten Wurfkanonaden auf Schiedsrichter Vautrot. "Das ist sie, die Hölle von Madrid. Polizisten mit Hunden stürmen die Ränge hinterm Bayern-Tor.", berichtete der Kicker. Uli Hoeneß bekam am Spielfeldrand einen Kinnhaken von Real-Legende del Bosque.

Mit fünf Minuten Verspätung ging es los, dann war wieder Pause. In den Torraum von Pfaff flogen zwei Messer, Augenthaler alarmierte Vautrot. Ein Abbruch drohte, aber es ging weiter. Irgendwie. Für Augenthaler nicht mehr lange. Kurz nachdem ausgerechnet Stürmer Wohlfarth ein Eigentor unterlaufen war, flog "Auge" nach einer Tätlichkeit vom Platz. In den Katakomben drehte er die Duschen auf, um nur keinen Torschrei hören zu müssen und steckte sich nervös eine Zigarette an. In der Halbzeit gab Matthäus zu: "Am liebsten würde ich mich verkriechen, das ist ja die Hölle hier."

Pfaff hält Bayern im Rennen

Aber im Tor stand ein Himmelhund namens Jean-Marie Pfaff und der Belgier entnervte die Real-Stürmer Hugo Sanchez und Santillana. Es blieb beim 0:1, diese Niederlage war in Wahrheit ein großer Sieg. 12.500 D-Mark kassierte jeder Bayern-Spieler für den Finaleinzug, aber am wertvollsten war es, dass alle mit heiler Haut nach München zurückkamen.

Nun waren es nur noch 90 Minuten bis zum Triumph. Der Gegner am 27. Mai hieß FC Porto -und er war nur Außenseiter. Selbst die eigenen Fans glaubten nicht an ihn, 4600 Karten gingen an die Uefa zurück und so feuerte die Masse der 58.000 den amtierenden und kommenden Deutschen Meister an. Der trug an diesem schicksalhaften Mai-Mittwoch ungewohnte hellblaue Hosen zu roten Trikots. Augenthaler, Hans Dorfner und Wohlfarth fehlten, aber die Siegesgewissheit war groß.

Uli Hoeneß sah den Klub schon "am Anfang einer neuen Ära" und Präsident Scherer hatte seine Siegerrede fürs Bankett längst vorbereitet. Er musste sie niemals halten.

Torschütze Kögl: "Dös hat's no nie net geb´n"

Dabei sah alles danach aus. Eine halbe Milliarde TV-Zuschauer in rund 70 Ländern sahen einen starken, überlegenen FC Bayern, der verdient in Führung ging - wenngleich auf nie dagewesene Weise. Nach einem Einwurf von Pflügler glückte dem 1,70m kleinen Ludwig Kögl ein Kopfballtor. "Dös hat's no nie net gebn", sagte der sympathische Ur-Bayer später. Wenn schon Wiggerl Kögl Kopfballtore gelingen, was soll dann noch passieren heute? So oder ähnlich müssen sie gedacht haben, denn die Bayern legten nicht nach. Zwölf Minuten waren noch zu spielen, da nahm das Unheil seinen Lauf. Im Getümmel prallte der Ball zum Algerier Rabah Madjer und der wusste sich nicht anders zu helfen, als die Hacke zu nehmen. Tor, 1:1.

Wichtige Tore, die auch noch schön sind, vergisst man nie. Madjers Hackentrick war ein Tor für die Ewigkeit und traf die Bayern ins Mark. Nur zwei Minuten später kam dieser Madjer zum Flanken und der eingewechselte Brasilianer Juary schoss aus vier Metern mühelos ein. 1:2! Dabei bleib es. Um 22.01 Uhr pfiff Schiedsrichter Ponnet aus Belgien ab und stürzte die Bayern ins Jammertal. "Das ist die bitterste Niederlage meines Lebens. Ich muss mir gratulieren, dass ich aufhöre. Ich bin nicht mehr dazu in der Lage, die Verantwortung dafür zu tragen, dass Spieler nicht das bringen, was sie können", zeterte Lattek.

Der Bayerische Rundfunk musste ein Interview mit Dieter Hoeneß abbrechen, denn der stammelte nur Unverständliches mit tränenerstickter Stimme. Andy Brehme führte mentale Gründe an, drückte es nur etwas einfacher aus: "Auf alle Fälle lag's irgendwie an da oben", sagte er und fasste sich an die Stirn. Die meiste Kritik entlud sich zumindest intern auf Lothar Matthäus, dem Pfaff attestierte: "Er ist kein Chef!".

"80 Minuten waren wir Europapokalsieger"

Manager Uli Hoeneß, sonst kein Freund von Einzelkritiken, sagte die Niederlage sei den "nervlichen Problemen des Lothar Matthäus, nicht aber unserer Auffassung von Fußball" geschuldet gewesen. Matthäus wehrte sich mit einer Fußballerfloskel: "Wir haben als ganze Mannschaft veloren."

Unwidersprochen blieb ein anderer Satz von ihm: "80 Minuten waren wir Europapokalsieger, dann haben wir den Pott hergeschenkt." Zum zweiten, aber nicht zum letzten Mal. Es kam noch grausamer, aber das konnte wirklich niemand ahnen.