"Es ist normal, verschieden zu sein"

Der kleine Fußball ist in Deutschland riesengroß. In fast 26.000 Vereinen wird unter dem Dach des DFB Fußball gespielt. Das Rampenlicht gehört normalerweise den Stars aus der Bundesliga und der Nationalmannschaft. Die heimlichen Helden aber spielen und engagieren sich woanders, in der Verbands-, Bezirks- oder Kreisliga, auf kleinen Sportplätzen.

Ihnen widmet sich DFB.de jeden Dienstag in seiner Serie. Sie zeigt, wie besonders der deutsche Fußballalltag ist. Heute: die Mannschaft der Reha-Werkstatt Oberrad. Die Frankfurter Fußballer wurden gerade Deutscher Meister der Menschen mit Behinderung. Seit diesem Sommer treten sie auch im regulären Spielbetrieb an.

Fußball als Schritt in Richtung Normalisierung

Wie sie da schießen und ins Tackling gehen, sieht alles ganz "normal" aus. Eine Bezirksligapartie, vermutet man, hart umkämpft, so muss es sein. Der flüchtige Blick täuscht. Auf dem Hauptplatz des Sportzentrums Kamen-Kaiserau stehen sich die Mannschaften der Frankfurter Reha-Werkstatt Oberrad und die Berliner Werkstätten gegenüber.

Gute Fußballer sind die Behinderten allesamt, haben technisch was drauf, gehen entschlossen in den Zweikampf. Doch bei ihnen ist alles ganz anders. Diese Fußballer werden nachts von Panikattacken aus dem Schlaf gerissen, paranoide Wahnvorstellungen diktieren ihr Leben, sie sind lernbehindert, taubstumm oder durch einen Spasmus gehandicapt. Sport hilft. "Der Fußball", so sagt es Martin Berg, "ist für alle Mannschaften ein großer Schritt in Richtung Normalisierung."

16 aus 200

Martin Berg gehört der Bundesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für behinderte Menschen an. Der stellvertretende Vorsitzende der BAG hat die 16 Landessieger zur dreitägigen Deutschen Meisterschaft der Werkstätten für behinderte Menschen eingeladen, ins Sportzentrum Kaiserau, ein paar Kilometer entfernt von Dortmund. Mit 200 Teams hat die zwölfte Deutsche Meisterschaft vor ein paar Wochen bundesweit angefangen.

Im Jahr 2000 machten erst acht Mannschaften mit. Seitdem hat sich viel getan. Berg sagt: "Über den Fußball erreichen die Werkstätten eine größere Öffentlichkeit. Wichtiger noch, der Fußball leistet einen bedeutenden Beitrag zur körperlichen und geistigen Ertüchtigung unserer Mitarbeiter in den Werkstätten." 2500 WfbMs gibt es bundesweit, überwiegend sind die Lebenshilfe, die Caritas und die Diakonie die Träger. Fußball wird im Werkstattalltag häufig und begeistert gespielt.

"Fußball hat eine stabilisierende Wirkung"

4:1 heißt es beim Schlusspfiff des Endspiels, Oberrad holt sich zum dritten Mal seit 2006 die Deutsche Meisterschaft. Immer dabei war Jörn, der gebürtige Frankfurter ist Leistungsträger seiner Mannschaft, für die überwiegend Menschen mit psychischen Handicaps auf dem Platz stehen. Jörn leidet an einer Psychose.

Der Fußball hilft ihm, mit seiner Krankheit klarzukommen, beim täglichen Leben und Überleben. "Einfach die Bewegung hat eine anti-depressive Wirkung", erzählt er. "Dazu kommen die Kontakte in der Mannschaft, die Kameradschaft. Beim Fußball fällt das doch viel leichter als sonst." Die 1970 gegründete Reha-Werkstatt Oberrad bietet Arbeitsplätze für 180 seelisch behinderte Menschen. Jörns Trainer Jan Zwingenberger ist überzeugt: "Fußball hat eindeutig eine stabilisierende Wirkung."

Bernard Dietz, 1980 beim EM-Titelgewinn in Italien Kapitän der deutschen Nationalmannschaft, und Dr. Klaus Kinkel, hatten die Deutsche Meisterschaft eröffnet. Dem ehemaligen Bundesaußenminister ist die Unterstützung des Fußballs für Behinderte eine Lebensaufgabe, schon im Sportausschuss hatte er sich dafür stark gemacht. DFB-Vizepräsident Hermann Korfmacher, vor zwölf Jahren Initiator des Wettbewerbs, kommt ebenfalls zur Eröffnung nach Kaiserau. Beim Finale schaut auch Pia Wunderlich zu. Die Welt- und dreifache Europameisterin betreut in der Werkstatt Main-Kinzig-Kreis mittlerweile selbst eine Mannschaft.

Gewaltige Leistungen

Wer die Turnierspiele auf den fünf Plätzen verfolgt, erkennt schnell, dass hier eben nicht die schwer Körperbehinderten kicken. Contagan-Geschädigte, Unfallopfer mit Prothesen oder seit Geburt schwer geistig behinderte Menschen sind nicht einmal die Ausnahme. Sie spielen bei den Deutschen Meisterschaften nicht mit.

"Dafür wird hier auf zu hohem Niveau Fußball gespielt", erklärt Wolfgang Watzke, Geschäftsführer der DFB-Stiftung Sepp Herberger. Die älteste deutsche Fußballstiftung organisiert und co-finanziert die Meisterschaft. "Wir haben nur eine Teilnahmebedingung", erklärt Watzke. "Wer behinderter Mitarbeiter einer Werkstatt ist, darf auch mitspielen."

Martin Berg widerspricht der Kritik, dass die Meisterschaft Menschen mit schwerer Behinderung ausgrenze. Zum einen würden auf Landesebene durchaus Teams mit körperbehinderten und schwer geistig behinderten Spielern antreten. "Und zum anderen ist es doch für jeden psychisch gehandicapten Menschen eine riesige Leistung, hier Fußball zu spielen", so Berg. "Auf freiem Platz vor vielen Zuschauern aufzutreten, sich einordnen können, miteinander zu agieren, das sind gewaltige Leistungen."

Selbstbewusst, fröhlich und unbeschwert

Sven Oliver kommt aus Hamburg, sein Lieblingsspieler ist Rafael van der Vaart. Der 34-Jährige ist ein kompromissloser Abräumer im Abwehrzentrum der Hamburger - so einer, wie ihn der HSV eigentlich bräuchte. Sven Oliver ist leidenschaftlicher HSV-Fan, seine Frau ist es auch. Er verpasst kein Spiel der Nationalmannschaft. Seit zwei Jahren spielt er Fußball im Team der Elbe-Werkstätten.

Tagsüber scannt er Bücher ein. Als er versucht, das Wort "digitalisieren" auszusprechen, benötigt er drei Anläufe. Sven Oliver hat eine Lernschwäche, und wenn er über seine Behinderung spricht, tut er dies selbstbewusst, fröhlich und unbeschwert. So ist das eben, uns allen sind enge Grenzen gesetzt. Schon nach einem Tag in Kaiserau wird überdeutlich, wie bedeutungsarm dieses Wort "normal" eigentlich ist.

"Mir macht das Fußball spielen riesigen Spaß, vor allem der Zusammenhalt in der Mannschaft", sagt Sven Oliver. "Einer ist taubstumm, ein anderer hat was Psychisches. Die Behinderung ist völlig egal. Wichtig ist der Fußball." Normal, nicht normal - total egal.

"Für mehr Angebote sorgen"

Alles gut also? Die Deutschen Meisterschaften der Werkstätten sind ein wichtiger Wettbewerb, mit 80.000 Euro jährlich fördert der DFB über seine Stiftung die Meisterschaft. Doch Wolfgang Watzke will mehr. Auch im Sinne von Sepp Herberger, dessen Lebensmotto "Wer oben ist, darf die unten nicht vergessen" - auch wenn die Metaphorik nicht mehr zeitgemäß ist - bis heute die Arbeit der Stiftung leitet.

Heute geht es um Vielfalt mitten in der Gesellschaft. Watzke will die Inklusion und sagt: "Es kann doch nicht sein, dass wir Fußballer die behinderten Mitspieler behindern". Acht der 16 Teilnehmer bei den Deutschen Meisterschaften kooperieren bereits direkt mit einem "normalen" Fußballverein, etwa die Werkstatt Martinshof mit Werder Bremen. "Wir müssen nicht immer wieder Sonderwelten schaffen, sondern für mehr Angebote in den bestehenden Ligen und Vereinen sorgen."

Spätestens seit der Ratifizierung der Behindertenkonvention durch den Deutschen Bundestag im März 2009 werden zumindest für den Bildungsbereich inklusive Wege gesucht. Auch der Sport strebt Inklusion an. Während es also bei früheren Lösungen darum ging, Menschen nachträglich einzugliedern - zu integrieren -, arbeitet man jetzt daran, etwa den Fußballverein so zu gestalten, dass jedes Mitglied und jeder Spieler im Klub gleichberechtigt an allen Prozessen teilhaben und sie mitgestalten kann. Neu ist das alles nicht, lediglich die Betonung hat sich verschoben. Schon 1973 sagte Richard von Weizsäcker: "Es ist normal, verschieden zu sein."

"Inklusion kann nicht verordnet werden"

Die Reha-Werkstatt Oberrad nimmt seit diesem Sommer an der SOMA-Runde des Spielbezirks Südost in Frankfurt teil, also am regulären Spielbetrieb. Der diplomierte Sozialarbeiter Jan Zwingenberger trainiert die Mannschaft. Dreimal ist man in der SOMA-Runde angetreten, dreimal hat Oberrad verloren. "Das ist nur die Umstellung, wir wachsen da rein", sagt er.

Doch Martin Berg warnt vor allzu großen Erwartungen. "Inklusion kann nicht verordnet werden, das muss sich entwickeln", sagt der BAG-Vorsitzende. "Das Verständnis füreinander muss wachsen. Nehmen wir mal an, für ein Zuspätkommen müssen fünf Euro in die Mannschaftskasse gezahlt werden. Das Problem ist doch schon mal, viele unserer Leute haben die fünf Euro gar nicht. Und dann muss von beiden Seiten, den gesunden wie den behinderten Fußballern, gelernt werden, wie man vernünftig miteinander umgeht. Das braucht Zeit."

Und es braucht Sieger wie den neuen Deutschen Meister, die Reha-Werkstatt Oberrad, die sich nun dem regulären Spielbetrieb stellt.

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Der kleine Fußball ist in Deutschland riesengroß. In fast 26.000 Vereinen wird unter dem Dach des DFB Fußball gespielt. Das Rampenlicht gehört normalerweise den Stars aus der Bundesliga und der Nationalmannschaft. Die heimlichen Helden aber spielen und engagieren sich woanders, in der Verbands-, Bezirks- oder Kreisliga, auf kleinen Sportplätzen.

Ihnen widmet sich DFB.de jeden Dienstag in seiner Serie. Sie zeigt, wie besonders der deutsche Fußballalltag ist. Heute: die Mannschaft der Reha-Werkstatt Oberrad. Die Frankfurter Fußballer wurden gerade Deutscher Meister der Menschen mit Behinderung. Seit diesem Sommer treten sie auch im regulären Spielbetrieb an.

Fußball als Schritt in Richtung Normalisierung

Wie sie da schießen und ins Tackling gehen, sieht alles ganz "normal" aus. Eine Bezirksligapartie, vermutet man, hart umkämpft, so muss es sein. Der flüchtige Blick täuscht. Auf dem Hauptplatz des Sportzentrums Kamen-Kaiserau stehen sich die Mannschaften der Frankfurter Reha-Werkstatt Oberrad und die Berliner Werkstätten gegenüber.

Gute Fußballer sind die Behinderten allesamt, haben technisch was drauf, gehen entschlossen in den Zweikampf. Doch bei ihnen ist alles ganz anders. Diese Fußballer werden nachts von Panikattacken aus dem Schlaf gerissen, paranoide Wahnvorstellungen diktieren ihr Leben, sie sind lernbehindert, taubstumm oder durch einen Spasmus gehandicapt. Sport hilft. "Der Fußball", so sagt es Martin Berg, "ist für alle Mannschaften ein großer Schritt in Richtung Normalisierung."

16 aus 200

Martin Berg gehört der Bundesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für behinderte Menschen an. Der stellvertretende Vorsitzende der BAG hat die 16 Landessieger zur dreitägigen Deutschen Meisterschaft der Werkstätten für behinderte Menschen eingeladen, ins Sportzentrum Kaiserau, ein paar Kilometer entfernt von Dortmund. Mit 200 Teams hat die zwölfte Deutsche Meisterschaft vor ein paar Wochen bundesweit angefangen.

Im Jahr 2000 machten erst acht Mannschaften mit. Seitdem hat sich viel getan. Berg sagt: "Über den Fußball erreichen die Werkstätten eine größere Öffentlichkeit. Wichtiger noch, der Fußball leistet einen bedeutenden Beitrag zur körperlichen und geistigen Ertüchtigung unserer Mitarbeiter in den Werkstätten." 2500 WfbMs gibt es bundesweit, überwiegend sind die Lebenshilfe, die Caritas und die Diakonie die Träger. Fußball wird im Werkstattalltag häufig und begeistert gespielt.

"Fußball hat eine stabilisierende Wirkung"

4:1 heißt es beim Schlusspfiff des Endspiels, Oberrad holt sich zum dritten Mal seit 2006 die Deutsche Meisterschaft. Immer dabei war Jörn, der gebürtige Frankfurter ist Leistungsträger seiner Mannschaft, für die überwiegend Menschen mit psychischen Handicaps auf dem Platz stehen. Jörn leidet an einer Psychose.

Der Fußball hilft ihm, mit seiner Krankheit klarzukommen, beim täglichen Leben und Überleben. "Einfach die Bewegung hat eine anti-depressive Wirkung", erzählt er. "Dazu kommen die Kontakte in der Mannschaft, die Kameradschaft. Beim Fußball fällt das doch viel leichter als sonst." Die 1970 gegründete Reha-Werkstatt Oberrad bietet Arbeitsplätze für 180 seelisch behinderte Menschen. Jörns Trainer Jan Zwingenberger ist überzeugt: "Fußball hat eindeutig eine stabilisierende Wirkung."

Bernard Dietz, 1980 beim EM-Titelgewinn in Italien Kapitän der deutschen Nationalmannschaft, und Dr. Klaus Kinkel, hatten die Deutsche Meisterschaft eröffnet. Dem ehemaligen Bundesaußenminister ist die Unterstützung des Fußballs für Behinderte eine Lebensaufgabe, schon im Sportausschuss hatte er sich dafür stark gemacht. DFB-Vizepräsident Hermann Korfmacher, vor zwölf Jahren Initiator des Wettbewerbs, kommt ebenfalls zur Eröffnung nach Kaiserau. Beim Finale schaut auch Pia Wunderlich zu. Die Welt- und dreifache Europameisterin betreut in der Werkstatt Main-Kinzig-Kreis mittlerweile selbst eine Mannschaft.

Gewaltige Leistungen

Wer die Turnierspiele auf den fünf Plätzen verfolgt, erkennt schnell, dass hier eben nicht die schwer Körperbehinderten kicken. Contagan-Geschädigte, Unfallopfer mit Prothesen oder seit Geburt schwer geistig behinderte Menschen sind nicht einmal die Ausnahme. Sie spielen bei den Deutschen Meisterschaften nicht mit.

"Dafür wird hier auf zu hohem Niveau Fußball gespielt", erklärt Wolfgang Watzke, Geschäftsführer der DFB-Stiftung Sepp Herberger. Die älteste deutsche Fußballstiftung organisiert und co-finanziert die Meisterschaft. "Wir haben nur eine Teilnahmebedingung", erklärt Watzke. "Wer behinderter Mitarbeiter einer Werkstatt ist, darf auch mitspielen."

Martin Berg widerspricht der Kritik, dass die Meisterschaft Menschen mit schwerer Behinderung ausgrenze. Zum einen würden auf Landesebene durchaus Teams mit körperbehinderten und schwer geistig behinderten Spielern antreten. "Und zum anderen ist es doch für jeden psychisch gehandicapten Menschen eine riesige Leistung, hier Fußball zu spielen", so Berg. "Auf freiem Platz vor vielen Zuschauern aufzutreten, sich einordnen können, miteinander zu agieren, das sind gewaltige Leistungen."

Selbstbewusst, fröhlich und unbeschwert

Sven Oliver kommt aus Hamburg, sein Lieblingsspieler ist Rafael van der Vaart. Der 34-Jährige ist ein kompromissloser Abräumer im Abwehrzentrum der Hamburger - so einer, wie ihn der HSV eigentlich bräuchte. Sven Oliver ist leidenschaftlicher HSV-Fan, seine Frau ist es auch. Er verpasst kein Spiel der Nationalmannschaft. Seit zwei Jahren spielt er Fußball im Team der Elbe-Werkstätten.

Tagsüber scannt er Bücher ein. Als er versucht, das Wort "digitalisieren" auszusprechen, benötigt er drei Anläufe. Sven Oliver hat eine Lernschwäche, und wenn er über seine Behinderung spricht, tut er dies selbstbewusst, fröhlich und unbeschwert. So ist das eben, uns allen sind enge Grenzen gesetzt. Schon nach einem Tag in Kaiserau wird überdeutlich, wie bedeutungsarm dieses Wort "normal" eigentlich ist.

"Mir macht das Fußball spielen riesigen Spaß, vor allem der Zusammenhalt in der Mannschaft", sagt Sven Oliver. "Einer ist taubstumm, ein anderer hat was Psychisches. Die Behinderung ist völlig egal. Wichtig ist der Fußball." Normal, nicht normal - total egal.

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"Für mehr Angebote sorgen"

Alles gut also? Die Deutschen Meisterschaften der Werkstätten sind ein wichtiger Wettbewerb, mit 80.000 Euro jährlich fördert der DFB über seine Stiftung die Meisterschaft. Doch Wolfgang Watzke will mehr. Auch im Sinne von Sepp Herberger, dessen Lebensmotto "Wer oben ist, darf die unten nicht vergessen" - auch wenn die Metaphorik nicht mehr zeitgemäß ist - bis heute die Arbeit der Stiftung leitet.

Heute geht es um Vielfalt mitten in der Gesellschaft. Watzke will die Inklusion und sagt: "Es kann doch nicht sein, dass wir Fußballer die behinderten Mitspieler behindern". Acht der 16 Teilnehmer bei den Deutschen Meisterschaften kooperieren bereits direkt mit einem "normalen" Fußballverein, etwa die Werkstatt Martinshof mit Werder Bremen. "Wir müssen nicht immer wieder Sonderwelten schaffen, sondern für mehr Angebote in den bestehenden Ligen und Vereinen sorgen."

Spätestens seit der Ratifizierung der Behindertenkonvention durch den Deutschen Bundestag im März 2009 werden zumindest für den Bildungsbereich inklusive Wege gesucht. Auch der Sport strebt Inklusion an. Während es also bei früheren Lösungen darum ging, Menschen nachträglich einzugliedern - zu integrieren -, arbeitet man jetzt daran, etwa den Fußballverein so zu gestalten, dass jedes Mitglied und jeder Spieler im Klub gleichberechtigt an allen Prozessen teilhaben und sie mitgestalten kann. Neu ist das alles nicht, lediglich die Betonung hat sich verschoben. Schon 1973 sagte Richard von Weizsäcker: "Es ist normal, verschieden zu sein."

"Inklusion kann nicht verordnet werden"

Die Reha-Werkstatt Oberrad nimmt seit diesem Sommer an der SOMA-Runde des Spielbezirks Südost in Frankfurt teil, also am regulären Spielbetrieb. Der diplomierte Sozialarbeiter Jan Zwingenberger trainiert die Mannschaft. Dreimal ist man in der SOMA-Runde angetreten, dreimal hat Oberrad verloren. "Das ist nur die Umstellung, wir wachsen da rein", sagt er.

Doch Martin Berg warnt vor allzu großen Erwartungen. "Inklusion kann nicht verordnet werden, das muss sich entwickeln", sagt der BAG-Vorsitzende. "Das Verständnis füreinander muss wachsen. Nehmen wir mal an, für ein Zuspätkommen müssen fünf Euro in die Mannschaftskasse gezahlt werden. Das Problem ist doch schon mal, viele unserer Leute haben die fünf Euro gar nicht. Und dann muss von beiden Seiten, den gesunden wie den behinderten Fußballern, gelernt werden, wie man vernünftig miteinander umgeht. Das braucht Zeit."

Und es braucht Sieger wie den neuen Deutschen Meister, die Reha-Werkstatt Oberrad, die sich nun dem regulären Spielbetrieb stellt.